Berlin kann sich ein derartiges generationsübergreifendes politisches Versagen in der Bildungspolitik nicht länger leisten.
Meine Damen und Herren von Rot-Rot! Herr Liebich, hören Sie genau zu! Hier und jetzt müssen Sie sagen, wie Sie die Probleme der Berliner Schulen, die insbesondere auch von Gewalt und Respektlosigkeit geprägt sind – aber das allein ist nicht das Problem –, lösen wollen. Hier und jetzt müssen Sie sagen, was Sie mit der Hauptschule als Restschule machen wollen.
Die Ergebnisse der jüngsten Studie von Herrn Pfeiffer, der nicht immer meine Hochachtung genießt, sprechen auch eine deutliche Sprache. Hier und jetzt müssen Sie darstellen, wie Sie eine Lernkultur schaffen wollen, damit jede Schülerin und jeder Schüler individuell gefördert werden kann. Hier und jetzt müssen Sie erklären, wie Sie Chancengerechtigkeit in der Bildungspolitik erreichen wollen.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: In der Berliner Schule werden weder Leistungsstarke noch Leistungsschwache gefördert. Zahlreiche internationale Studien haben das wiederholt belegt. Es ist unsere Pflicht als Parlament, endlich diese Studien ernst zu nehmen und die notwendigen Konsequenzen und Schlüsse daraus zu ziehen. Es ist unsere Pflicht, Schulen wieder zu Orten von Respekt zu machen und Gewalt in Schulen zu unterbinden. Und es ist unsere Pflicht, Schulen und ihr Lehrpersonal auf dem Weg zu einer qualitativ besseren Bildungseinrichtung zu unterstützen. Ein „Weiter so“ auf Kosten der Kinder und Jugendlichen kann und darf es nicht geben. Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.
Wir werden im Nachfolgenden noch einmal erläutern, wie es besser gemacht werden kann – wie wir das auch in den vergangenen fünf Jahren bereits und wiederholt vorgetragen haben.
Sie sind aber nicht nur arm an materiellen Mitteln, sondern auch die Zahl der aufgedeckten Fälle von Kindesmisshandlung hat sich von 1993 bis 2003 fast verdoppelt. In Berlin entfallen auf 100 000 Einwohner 11,7 Straftatbestände von Kindesmisshandlungen. In Hamburg waren es gerade einmal 1,4 Fälle. – So viel zum Thema „arm und
Die aktuelle PISA-Studie hat verdeutlicht, dass Berlin zu den Bildungsschlusslichtern Deutschlands gehört. In Berlin wird beispielsweise das vorhandene Potential in Mathematik nicht ausgeschöpft, sondern bleibt brachliegen. Dementsprechend können Realschulen in BadenWürttemberg leicht mit Berliner Gymnasien konkurrieren. Zudem haben Kinder aus bildungsschwachen Elternhäusern – das ist auch ein wichtiger Punkt – in Bayern bessere Chancen auf einen vernünftigen Ausbildungs- und Berufsweg als in Berlin und anderen Ländern mit einem ausgeprägten Gesamtschulsystem.
Drittens – das ist in den letzten Tagen brandaktuell –: Die Berliner Kinder und Jugendlichen sind überproportional gewalttätig. Im Jahr 2001 – vor Ihrer Machtübernahme – hatten wir 270 registrierte Gewaltvorfälle an Berliner Schulen. In den Jahren 2004 und 2005 – auf dem Höhepunkt Ihrer Regierungszeit – waren es 895 registrierte Gewaltvorfälle. Dazu zählen Körperverletzung und Gewalt gegen Lehrer. Zu den besonders brisanten Fällen der letzten Zeit gehört der ermordete Schüler in Zehlendorf. Der Täter war dem Jugendamt längst bekannt. Bezüglich der Vorkommnisse an der Rütli-Schule mussten die Lehrer erst einen Brandbrief schreiben, bevor dieser attentistische Senator endlich seien Hintern hochbekommen hat. An der Lemgo-Schule hat ein 12-jähriger Schüler eine
Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar wegen der angekündigten Zustimmung zuerst über den Vorschlag der Fraktion der
Grünen. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Linkspartei.PDS und die Grünen. Die Gegenprobe! – Keine. CDU und FDP enthalten sich. Damit ist das beschlossen, und das Thema wird unter dem Tagesordnungspunkt 3 in Verbindung mit weiteren Tagesordnungspunkten abgehandelt. Die anderen Anträge haben damit ihre Erledigung gefunden.
Lehrerin krankenhausreif geschlagen. – Das sind die Schlagzeilen, die im Moment Berlin blamieren, und zwar in Deutschland und der ganzen Welt. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Man könnte sagen: Ihnen, Herr Böger, ist das egal. Sie haben eh abgewirtschaftet. Sie sind ein Politrentner auf Abruf. Sie sind in zwei bis drei Monaten zu Hause. Ihnen kann es egal sein. – Aber die Jugendlichen, die Schülerinnen und Schüler auf Berliner Schulen müssen sich eventuell ein ganzes Berufsleben lang mit dem Manko herumschleppen, dass sie einmal auf Ihren verhunzten Schulen gelernt haben. Das ist das Thema.
Die Kollegin Senftleben wird das fortführen. Wir müssen zu einer vernünftigen, eigenverantwortlichen Schule fürs Leben kommen, wo das Leistungsprinzip wieder etwas gilt und nicht die Ideologien der 70er Jahre. Wir haben Ihnen Vorschläge zu Elternbildungskursen gemacht. Ich habe auch vorgeschlagen, die Absenkung des Jugendstrafrechts auf das 12. Lebensjahr wenigstens zu thematisieren. Das ist eine vernünftige Sache.
Der Unterschied zwischen sozial und sozialistisch wurde nirgendwo deutlich. Wir wollen keinen sozialistischen Senat mehr, der Kinderarmut vermehrt, die Leute nach unten bringt und ihnen die Perspektive nimmt.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Gelächter bei der SPD und der Linkspartei.PDS]
Wir wollen einen sozialen und liberalen Senat, der den Bürgern – vor allem den kleinsten und schwächsten der Gesellschaft – eine Perspektive gibt und ihnen ein selbstbestimmtes Leben eröffnet. Das wollen wir, und dafür werden wir kämpfen. Ihre sozialistische, Armut verbreitende Politik wird am 17. September ein Ende finden. – Herzlichen Dank!
Herr Kollege Dr. Lindner! Sie sprachen am Anfang Ihrer Rede von Machtübernahme. Dieser Begriff ist in der deutschen Geschichte vorbelastet. Ich bitte Sie, ihn nicht auf demokratische Vorgänge anzuwenden – ob einem die nun passen oder nicht.
Folgende Mitglieder des Senats sind für die Abwesenheit an unserer heutigen Sitzung entschuldigt: Herr Senator Wolf ist ganztägig abwesend. Er nimmt an der Wirtschaftsministerkonferenz in Erfurt teil. Der Regierende Bürgermeister wird zwischen 16.25 und 19.15 Uhr abwesend sein, um an der Eröffnungsveranstaltung des nachgebauten Olympia-Stadions vor dem Reichstagsgebäude teilzunehmen.
Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer des Cordelius-Gymnasiums aus Amersfoort aus den Niederlanden zu begrüßen. – Herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass Sie unserer Beratung folgen wollen.
Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat nun Frau Abgeordnete Dr. Tesch von der Fraktion der SPD zum Thema
2. Mit welchen Maßnahmen gedenkt der Senat die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, um auf eine in den Familien etablierte Kultur der Gewaltlosigkeit hinzuwirken?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Sie stellen eine kleine Mündliche Anfrage zu einer großen Herausforderung. Ich kann darauf nur punktuell eingehen. – Der Berliner Senat beschäftigt sich – ich sage das bezüglich der eben vorgebrachten Polemik – seit mehreren Legislaturperioden intensiv mit allen Erscheinungsformen der Gewalt. Er verficht die Linie, dass es keine Toleranz gegen
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Sie haben Recht, wir unterstützen das Angebot dieser Hauptschule, Elternkurse anzubieten. Es gibt dort ein Projekt, das dazu dient, weitere Lehrkräfte auszubilden, damit sie ihrerseits selbstständig tätig sein können. Aber schon vor dem Eintritt in die Hauptschule, die mit der 7. Klasse beginnt, gibt es eine Fülle von Projekten, in denen Eltern begleitet und beraten werden und in denen ihnen vermittelt wird, wie wichtig Bildung für ihre Kinder ist.
Gewalt gibt und in den Berliner Schulen hin- und nicht weggeschaut werden muss. Das ist der erste Grundsatz.
Der zweite Grundsatz: Wir haben exakte Zahlen über Gewaltvorfälle, und zwar nicht nur in ihrer schlimmsten Ausprägung. Körperlicher Gewalt bildet glücklicherweise die große Ausnahme. Wir erfassen Gewalt in vielfältiger Form: aggressive Äußerungen, Mobbing usw. Bei den von einem Unwissenden erwähnten 890 Gewaltvorfällen handelt es sich nicht nur um körperliche Gewalt, sondern um die Gewaltvorfälle insgesamt an allen 900 Berliner Schulen mit knapp 400 000 Schülerinnen und Schülern. Es gibt nichts zu verharmlosen, aber es ist auch vollkommen falsch, eine solche Problematik in einer lässigen Art zu dramatisieren und hier den Eindruck zu erwecken, Berlin sei ein Hort der Gewalt. Das stimmt nicht.
Unser Präventionsangebot ist vielfältig. Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Schülerinnen und Schüler werden befähigt, mit Konflikten vernünftig und friedlich umzugehen. Es gibt Konfliktlotsen und exakte Rundschreiben zur Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendämtern. Es gibt – da bin ich dem Kollegen Körting dankbar – eine sehr ausgebaute Zusammenarbeit mit der Berliner Polizei. Die Berliner Polizei hat Präventionsbeauftragte, die in die Schulen kommen. Insgesamt bieten wir in den Schulen eine Menge an. Wir lassen die Schulen mit dem gesellschaftlichen Gewaltproblem nicht allein.
Noch ein Hinweis: In jeder Schule muss es gelingen, die vorhandene Schulordnung, die es als Papier gibt, mit Leben zu erfüllen. Alle an der Schule Beteiligten sollen sich dazu bekennen, dass das Grundprinzip der Toleranz, Höflichkeit und des vernünftigen Umgangs miteinander gilt.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage, der das Einwirken auf die Eltern betrifft: Damit haben Sie, Frau Kollegin Tesch, den Kern des Problems benannt. Natürlich ist auch die Schule Erziehungsinstanz, aber eben nicht allein. Die erste und wichtigste Erziehungsinstanz sind die Eltern, ist das Elternhaus. Es ist schlicht und ergreifend zu konstatieren, dass viele Eltern – bei weitem nicht alle, es ist auch keine Frage von arm oder reich, auch nicht von allein oder gemeinsam erziehend, sondern es geht quer durch alle Schichten und Umstände – ihrer Erziehungsaufgabe nicht gerecht werden wollen oder können. Wir bieten dafür Hilfen an. Es gibt Familienberatungszentren, Familienhelfer und in den Bezirken vielfältige Organisationen und Hilfestellungen und darüber hinaus die Hilfen zur Erziehung. Hierzu stelle ich fest, dass die Hilfen zur Erziehung in ihren Etatansätzen gemeinsam mit den Jugendämtern reduziert worden sind. Es ist aber falsch anzunehmen, dass man einzelne Instrumente der Hilfen zur Erziehung deshalb nicht in den Bezirken anwenden könnte. Dieses Haus hat dankenswerterweise den Bezirken zugesichert, dass es im Fall der Überschreitung der Ansätze eine Abfederung geben wird. Wir brauchen in Berlin niedrigschwellige Hilfeangebote, um den Eltern Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Kinder erziehen können.