Protocol of the Session on May 18, 2006

Das dritte Problem – darauf ist schon kurz eingegangen worden – sind die Bürgschaften. Auch die müssen wir noch zahlen. Das vierte und für mich wesentliche Problem ist die Situation der Mieterinnen und Mieter. Natürlich ist es so, dass auf dem Markt nicht beliebig alle Mietpreise verlangt werden können. Es gibt zentrumsnahe,

ökologische und sehr originelle Häuser, all das ist im sozialen Wohnungsbau gemacht worden. Es gibt aber auch Häuser, bei denen die Hauseigentümer das Interesse haben, die Mieter so schnell wie möglich los zu werden. Sie haben zwar nicht das Recht, jede Miete zu nehmen, aber wenn sie die Kostenmiete nehmen, die sie nehmen dürften, wäre schon das jenseits von Gut und Böse, und damit bekäme man jede Mieterin und jeden Mieter aus einer Wohnung. Man muss sehen, dass das individuell zu Problemen führt. Man darf an dieser Stelle nicht die Haltung einnehmen: Was interessiert mich das, dann müssen die Menschen eben umziehen.

Herr Nelken! Das hat mich bei Ihrem Redebeitrag geärgert: Es sind nur einmal die Vorgängerregierungen gewesen, die diese Art von Förderung gemacht haben. Wer aber übernimmt jetzt die Verantwortung für die Konsequenzen? Wir können nicht einfach wegtauchen und sagen: Das war eine Vorgängerregierung, und wenn jetzt die Mieter ausziehen müssen, ist das nicht mein Problem. Herr Nelken, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen, die Miete könne ohnehin nicht genommen werden und deshalb müssten Sie sich um das Problem nicht kümmern. Wir haben eine Verantwortung für sämtliche Wohnungen. Abhilfe muss durch die individuelle Härtefallregelung geschaffen werden – dazu komme ich später. Das Zweite hingegen ist der Umstand, dass alle Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus absurd teuer sind. Auch hierfür muss eine Regelung gefunden werden, auch für diejenigen Wohnungen, die von Anschlussförderung gar nicht betroffen sind. Hier kann man nicht wegtauchen nach dem Motto, wenn die Wohnungen leer stehen, interessiert mich das nicht weiter. Ansonsten hätten wir wieder den Effekt wie bei den Plattenbauten – Herr Kaczmarek hat darauf hingewiesen –: Erst fördern wir den Bau, dann den Abriss und anschließend womöglich wieder einen Neubau.

Ich hingegen bin begeistert über das Gerichtsurteil, denn schließlich weiß man nie, was die Senatorinnen und Senatoren heimlich unterschrieben haben – wir haben bereits einiges erlebt in den vergangenen Jahren.

[Krestel (FDP): Haftungsfreistellung!]

Ich war mir deshalb nicht sicher, ob nicht doch irgendwo etwas auftaucht, was diesen Gerichtserfolg hätte verhindern können. Umso besser, dass das Gericht so entschieden hat, denn – das ist keine Neuigkeit – die Grünen haben nicht nur den Stopp der Anschlussförderung gefordert, sondern wir haben überhaupt diese Art von Förderung nicht gewollt. Die Grünen haben die Förderung von Anfang an nicht gewollt, weil sie – darauf hat Herr Nelken bereits hingewiesen – unwirtschaftlich und unsinnig ist und zu dem Berliner Sumpf mit seiner Selbstbedienungsmentalität gehörte.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Krestel (FDP)]

Ich glaube, dass dieses Konstrukt Absicht war und dass man sich nicht damit herausreden kann, man habe sich die Folgen nicht vorstellen können. Bereits damals gab es Menschen, die darauf hingewiesen haben, in welche Richtung diese Konstruktion führt und welche Auswirkungen sie für die nächsten Jahrzehnte hat. Wer dennoch so etwas eingeht, der macht es mit Absicht, der hat es gewollt.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Oberstes Prinzip bei der gesamten Konstruktion ist die Steuerabschreibung gewesen. Das aber ist nicht unser Interesse im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau. Es funktionierte nach dem Motto: Wir bauen nicht preiswert, sondern wir basteln – damit sind wir fast schon wieder bei den Fonds der Bankgesellschaft – Abschreibungsmöglichkeiten, damit wir so hoch wie möglich Steuern abschreiben können. Auch das war die Funktion des sozialen Wohnungsbaus. Wenn genau diejenigen, die damals die Steuerabschreibungen gemacht haben, heute jammern, das Geld sei weg, dann habe ich persönlich kein Mitleid mit ihnen.

[Beifall bei den Grünen – Krestel (FDP): Es ist nicht weg, es ist nur woanders!]

Für die Zukunft haben wir noch längst nicht alle Probleme im sozialen Wohnungsbau gelöst. Ich benenne vier Probleme: Zum einen müssen wir noch weiterhin einiges an Förderung zahlen, zum anderen liegen diese Wohnungen, obwohl wir sie fördern, mit der Miete im Spitzenfeld, was vollkommen absurd ist.

[Niedergesäß (CDU): Das ist die Negation der Negation!]

Ich komme nun zu den Härtefallregelungen. Wir haben einen Antrag dazu eingebracht. Herr Nelken, ich weiß nicht, ob Sie die Problematik verstanden haben. Wir alle wissen, dass es notwendig ist, dass in dem Maß, in dem die Mieten steigen, den Mietern geholfen werden muss. Wir haben festgestellt, dass Mieterinnen und Mieter dann, wenn sie geringere finanzielle Einkünfte haben, sehr schnell in Schwierigkeiten geraten. Deshalb wollen wir ihnen helfen. Dies jedoch nicht nach dem Motto: Einmal einen Antrag gestellt, nie wieder eine Förderung. Bei der Miethöhe des sozialen Wohnungsbaus wollen wir grundsätzlich, dass es Vereinbarungen zwischen dem Land Berlin und den Hauseigentümern gibt. Davon soll das Land selbst auch Vorteile haben. Der erste Schritt war die Ablösung der Aufwendungsdarlehen – es gibt auch noch andere Modell, die umgesetzt werden könnten, damit einerseits das Land Berlin wenig zahlen muss, andererseits aber die Mieten relativ niedrig bleiben.

Ich komme nun zum letzten Punkt, zu den Bürgschaften. Auch da hatten wir schon einen Vorschlag unterbreitet und gesagt, dass es vollkommen unsinnig ist, die Bürg

Bürgschaften zu zahlen, das Geld aus dem Fenster zu werfen und hinterher nichts zu haben. Wenn man sich heute die Zwangsversteigerungen im Immobilienbereich ansieht, erkennt man, dass die Häuser relativ preiswert zu haben sind. Wenn die Häuser aber für wenig Geld verkauft werden und nur das Land hohe Bürgschaften zahlt, ist es unsinnig. Unser Vorschlag lautete daher von Anfang an, die Bürgschaften zu nutzen, um in solchen Fällen mit zu steigern und mit zu übernehmen. Diese entschuldeten Bestände könnten in unsere städtischen Wohnungsunternehmen einfließen und sie stärken. Das ist der Vorschlag, den wir damals vorgetragen haben. Ich hätte dazu gern eine Position des Senats gehört, inwieweit er Diesbezügliches plant. Anfänglich hatte ich das Gefühl, er wollte dies auch tun, weil die Vorstellung, dass wir die gesamten Bürgschaften zahlen und hinterher nichts haben, ziemlich grässlich ist.

Als Letztes habe ich den Eindruck, dass es mehr Fragen als Antworten gab. Es ist noch viel zu tun. Der soziale Wohnungsbau und die Probleme mit dem sozialen Wohnungsbau sind noch lange nicht beendet. Deshalb gibt es auch keinen Grund, sich heftig zu freuen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, begrüße ich sehr herzlich eine Delegation des Freiheitlichen Landtagsklubs des Kärntner Landtags auf der Besuchertribüne. – Herzlich willkommen hier im Berliner Abgeordnetenhaus

[Beifall]

und einen angenehmen, arbeitsreichen Aufenthalt in unserer Hauptstadt!

Ich erteile jetzt dem nächsten Redner das Wort. Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Eßer! Die den Berliner Landeshaushalt belastende öffentliche Wohnungsbauförderung war nicht das Ergebnis grüner Politik – das muss man Ihnen zugute halten –, sondern das Ergebnis von schwarzroter Politik. Herr Kaczmarek und Herr Schimmler! Es war lustig, als Sie sich vorhin ein kleines Scharmützel geliefert haben. Damals haben Sie sich in Ihren so genannten großen Koalitionen 1987 bis 1997 prima vertragen. Sie, die CDU gemeinsam mit der SPD, haben im Wesentlichen dieses blödsinnige System der Wohnungsbauförderung, wie wir es in Berlin hatten, getragen. Es war Ihre Klientel, die dort hauptsächlich mitgemischt hat. Es waren Ihre Leute, die Ihre Wahlkämpfe finanziert haben. Das ist rot-schwarze Wohnungsbaupolitik gewesen, wie sie in ihrer schlimmsten Ausprägung kaum vorstellbar war.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Pewestorff (Linkspartei.PDS): Sie wissen nicht, wie viel FDP dabei war!]

Dabei hatte sich spätestens seit 1990 ein grundlegender Wandel in der Wohnungswirtschaft abgezeichnet. Investoren drängten nach Berlin, die es ermöglicht hätten, dass sich nach der – zugegebenermaßen besonderen – Situation Westberlins in den 90er Jahren erstmals so etwas wie ein freier Wohnungsmarkt entwickelt, weitestgehend ohne Förderung, jeweils ohne Objektförderung. Diesen haben Sie letztlich durch das marode ystem verhindert. S

Es hätte sich angeboten, aus dem System, das möglicherweise – ich sage dies mit einer gewissen Einschränkung – noch in den 70er und 80er Jahren seine Rechtfertigung gehabt hatte, auszusteigen. Das haben Sie aber nicht getan. Stattdessen wurde das Kostenfördersystem 1991 bis 1994 mit Kostenmieten auf einem Rekordniveau von bis zu 18 € pro Quadratmeter forciert weitergeführt.

Die FDP-Fraktion war dagegen. Sie setzte auf Subjektförderung. Die FDP hat, beispielhaft für vieles, in der 12. Wahlperiode explizit mehrfach davor gewarnt und auch Anträge eingereicht, die auf eine Umstellung des damaligen Fördersystems abzielten. Das haben SPD und CDU abgelehnt. Trotz des sich in dieser Legislaturperiode abzeichnenden dringenden Handlungsbedarfs, weil die Anschlussförderung immer näher kam, hat auch der zunächst hier amtierende Wohnungsbausenator Strieder, Sozialdemokrat, zu Beginn der Legislaturperiode keine Anstalten unternommen, im Wege einer vernünftigen Verhandlung zu einem Ausstieg zu kommen. Er hat es absichtlich, zumindest fahrlässig, an die Wand fahren lassen.

Das ist ein eklatantes Beispiel dafür, wie eine unverantwortliche Politik zuerst vorhandene Probleme verstärkt und dann – wie wir meinen – mit unbedachten Lösungen neue schafft. Sie haben sich – wie so häufig, ich komme noch darauf – in die Hoffnung geflüchtet, dass Ihnen Gerichte weiter helfen, wo Ihre Politik versagt hat. Angezeigt wäre es gewesen, mit den Betroffenen, mit den Gesellschaften, mit den Mietern ein vernünftiges Ausstiegsszenario über einen gewissen Zeitpunkt zu finden, mit Eigentümern, Anlegern, Banken. Das haben Sie nicht getan. Die Folgen müssen Sie jetzt tragen.

An Sie gerichtet, Herr Kollege Nelken von der Linkspartei.PDS, sage ich, dass es schon – ich möchte jetzt nicht Heuchelei sagen – merkwürdig ist, wenn Sie in diesem Senat den Ausstiegscrash mittragen, dann sagen, nun wären die armen Mieter an der Reihe. Natürlich werden dann auch Mieten erhöht. Da, wo es möglich ist, wo es der Markt hergibt, werden die Mieter die Folgen Ihres Ausstiegscrashs, den Sie produziert haben, zu tragen haben. Sie werden dank Ihrer Politik höhere Mieten zu bezahlen haben. Das muss man ganz klar sehen. Deshalb ist merkwürdig, dass Sie heute sagen, dass Sie die armen Mieter schützen müssen. Die hätten Sie schützen können, wenn Sie rechtzeitig, zu Beginn der Legislaturperiode an

Sie sind aber nicht Justiz, Sie sind Exekutive! Und diese kann sich nicht darauf zurückziehen, ihr eigenes Versagen durch Gerichtsurteile kaschieren zu lassen. Die Bürger erwarten mehr als das, was Sie sich gerade leisten. Sie erwarten eine vernünftige Politik, die mit Investoren vernünftig umgeht und dafür sorgt, dass wir ein Klima haben, in dem Geld in diese Stadt gelenkt wird.

einem vernünftigen, einvernehmlichen Ausstiegsszenario gebastelt hätten.

[Beifall bei der FDP]

Wenn es nun nicht funktioniert, können sich die betroffenen Mieter unmittelbar bei Ihnen bedanken.

Dann sagten Sie, Herr Schimmler, anfänglich – Frau Oesterheld, das ist auch die Richtung, in der Sie sich, bewegten –, dass es jetzt auch die höheren Gehaltsklassen trifft. Diejenigen, die Sie jetzt meinen und sich vorstellen, die Initiatoren, die Bauträger und ähnliches, haben am Anfang verdient. Sie verdienen nicht bei der Anschlussförderung. Das sind die Gesellschaften. Sie haben ihre Kasse gemacht. Das ist unstreitig. Die interessiert das gar nicht. Es sind die Initiatoren, die längst draußen sind oder nur noch mit ihrer Geschäftsführungsgesellschaft dabei sind, wo nur noch relativ verdient wird. Diejenigen, die es trifft, sind die Anleger und Investoren.

Nun sagen Sie, Frau Oesterheld, dass Sie mit denen kein Mitleid haben. Es ist schon Schadenfreude gewesen. Die Lumpen hätten die Steuern verkürzt. Ich bin einverstanden damit. Ich bin überhaupt kein Freund eines solchen Systems hoher Steuersätze und gleichzeitigen Steuerbegünstigungsmodelle, mit denen versucht wird, volkswirtschaftliche Ströme in Gang zu setzen und zu lenken. Das halte ich für Unsinn. Es funktioniert nicht, dass einerseits ein Hochsteuersatzsystem installiert wird, mit hohen Steuersätzen im gewerblichen und privaten Bereich, über ein solches Fördersystem vom Bürger erwartet wird – es war eine Erwartung, die die Politik gestellt hat –, steuerreduzierend sein Geld in bestimmte Investitionen zu lenken und sich dann als Teil des Systems – das haben Sie auch, als Sie in der Regierungsverantwortung waren – zu verstehen und zu sagen, die anderen hätten Pech gehabt. Das ist kein redlicher Umgang mit den Leuten.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben das getan, was Politik auf Bundes- und Landesebene von ihnen erwartet haben. Sie haben ihr Geld nicht auf ein Schweizer Konto übertragen. Sie haben nicht in Aktien oder andere Dinge investiert, sondern es genau dort hineingesteckt, wo man es von ihnen erwartet hat. Deswegen gibt es für Häme und Schadenfreude überhaupt keinen Anlass.

[Beifall bei der FDP]

Das Ganze führt zu einem Vertrauensschaden. Berlin ist aber im Moment – das sage ich deutlich – nicht in der Situation, sich weiter im Bereich der Wirtschaft, im Bereich von Investoren weiteren Vertrauensschaden leisten zu können. Wir müssen uns nur die Situation der Stadt ansehen. Ich habe Ihnen gesagt, dass Ihre rot-rote Politik letztlich darin besteht, sich von einem Gericht zum anderen zu hangeln. Sie sitzen wegen des Flughafens in Leipzig, Sie sitzen wegen der Anschlussförderung in Leipzig, Sie sitzen wegen der allgemeinen Haushaltssituation in Karlsruhe. Die Flucht in die Justiz ersetzt aber keine vernünftige Politik, vor allen Dingen keine Wirtschaftspolitik.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben in Ihrer Verantwortung eine Steigerung der Arbeitslosenquote von 15,2 % auf 18,2 % zu verantworten. Das ist Ihre Politik. Sie haben die Schulden verdoppelt. Sie haben die Arbeitslosenquote um 3 % erhöht, und Sie sind PISA-Letzter. Das ist – zusammengefasst – das Ergebnis rot-roter Politik.

[Beifall bei der FDP]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hoff?

Nein! – Da ist man nicht in der Situation, Anleger zu verprellen, Wirtschaft zu verprellen und zum Gericht zu laufen, sondern da ist man an sich in der Situation, vernünftig mit ihnen umzugehen, für den Standort zu werben und eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die den Bürgern zugute kommt. Aber da haben Sie komplett versagt. Und jetzt feiern Sie hier Ihre Urteile!

[Zuruf des Abg. Brauer (Linkspartei.PDS)]

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Aber das Einzige, was Sie sich leisten, ist, neue Investoren als Heuschrecken zu titulieren und davon abzuschrecken, diese maroden Wohnungsbaugesellschaften endlich zu kaufen.

Herr Eßer, ich weiß gar nicht, warum Sie so herumplärren. Sie hatten in der Begründung der Aktualität doch eigentlich ganz vernünftige Ansätze! Sie sind wohl zurückgepfiffen worden!

[Beifall bei der FDP]