Protocol of the Session on May 18, 2006

[Heiterkeit]

Ich habe mir überlegt, wer verhandeln soll – es kann nicht der Finanzsenator sein, das ist unmöglich, es geht um Einzelverhandlungen mit Hunderten von Fonds und Tausenden von Anlegern, und aufgemerkt: Es verhandelten ja genau diejenigen, die das System einmal erfunden haben und es betreuen.

[Heiterkeit bei der SPD]

Auf diese Verhandlungen kann ich mich, was das Endergebnis angeht, nicht verlassen. Darum war meine Position damals: Auch wenn es Härten gibt, gibt es nur eine Methode. Wenn es keinen Rechtsanspruch gibt – das haben wir damals extra gutachtlich prüfen lassen, es war klar, es gibt keinen –, dann war klar, gibt es nur den Ausstieg.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Ich war dankbar, dass dies am Ende so entschieden wurde. Manche Dinge muss man einfach einmal entscheiden.

Zu den Zahlen: Damals habe ich gefragt, was es koste; das dauerte dann. Die Zahlen, die ich eben nannte, waren in keiner Weise bekannt. Das wusste nicht meine Verwaltung, nicht die Bauverwaltung: Die Akten sind bei der IBB. – Ja, sagte ich, da möchte ich doch gerne pro einzelnem Jahrgang genau ausgewertet haben, was es kostet. – Ja, das geht nicht, da muss man in die einzelnen Akten hineingehen und das zusammenzählen.

[Heiterkeit des Abg. Hillenberg (SPD)]

Kurzum, es dauerte noch einige Zeit, dauerte Monate, bis sich die Zahlen eingependelt hatten. Ich kann Ihnen jetzt sagen, was die Anschlussförderung für die Jahrgänge 1989 bis zum Jahr 1997 insgesamt gekostet hätte: 3,3 Milliarden €. Bei 28 000 Wohnungen sind das pro Wohnung 118 000 €. Heute bauen wir eine Sozialwohnung mit 60 m² für 90 000 €, und hier sollte man nur für die Anschlussförderung – das sind nicht die Baukosten, das ist nicht die Förderung während der ersten Hälfte, das wären die während der zweiten gewesen – mehr bezahlen

Dieses Prinzip wurde jetzt in Leipzig bestätigt. Wäre es nicht bestätigt worden, wäre es ein Umsturz für das ganze deutsche Verwaltungsrecht geworden. Darum war ich immer optimistisch, dass wir in diesem Punkt am Ende obsiegen würden. Gleichwohl wäre eine derartige lange Prozessdauer – mittlerweile viereinhalb Jahre, die sehr viel Geld kosteten und sehr viel Energie banden, in meiner Verwaltung, bei mir persönlich, aber auch bei den Betroffenen – nicht notwendig gewesen. Wir wollten das nicht, Herr Lindner!

als solche Wohnungen überhaupt kosten. Das System, Herr Lindner, kann nicht vernünftig sein.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Dr. Lindner (FDP): Wem erzählen Sie das? – Doering (Linkspartei.PDS): Sie haben sich doch über den Ausstieg beschwert!]

Darum war die Entscheidung richtig. Sie war in ihrer relativen Radikalität gerade richtig.

Der Ausstieg aus der Anschlussförderung ist zwar eine Rieseneinsparung, aber allerdings – und insofern muss man hier ein bisschen Wasser in den Wein gießen – im Verhältnis zu den ganzen Belastungen für den Haushalt aus dem Wohnungsbau leider nur ein Teilbeitrag. Ich habe die Zahlen aktuell zusammengestellt. Wir haben für Wohnungsbauförderung aus dem Landeshaushalt von 1991 bis 2005 20,7 Milliarden € bezahlt. Trotz des Ausstiegs aus der Anschlussförderung zahlen wir bis zum Jahr 2019 ab diesem Jahr weitere 6,5 Milliarden €. Zusammen sind das aus dem Landeshaushalt 27 Milliarden € nur für den Wohnungsbau. Gut, das sind auch Altlasten, Altförderungen aus der Zeit der Teilung, ist aber gleichwohl ein gewaltiger Betrag. Mit Zins und Zinseszins ist allein der Wohnungsbau für etwa zwei Drittel unserer gesamten Schulden verantwortlich.

[Dr. Heide (CDU): Hört, hört!]

Insofern war der Ausstieg aus der Anschlussförderung überfällig, auch in Bezug auf die Klage in Karlsruhe. Wir mussten wirklich zeigen, dass wir aus dem System, das für unsere Notlage wesentlich verantwortlich ist, radikal aussteigen, man hätte uns sonst in der ganzen Republik vorgeführt. Dass dies geschehen ist, ist gut.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Übrigens, Herr Lindner: Wir haben nicht geklagt. Ich habe von den Freshfields ein Gutachten machen lassen, nachdem die Bauverwaltung sagte, es gebe einen Rechtsanspruch und ich im Haus keine Akten fand – wir haben sie erst nach drei Jahren gefunden,

[Braun (CDU): Spricht für die Zustände im Haus!]

die vielen Umzüge hatten auch dazu geführt, dass es keine Akten mehr gab –, dann noch ein Gutachten. Die Gutachten sagten eindeutig, dass es Verwaltungsrecht ist. Im Verwaltungsrecht gilt das Prinzip: keine verbindliche Zusage ohne Dienstsiegel und Unterschrift. Das gab es nicht, also war es auch nicht verbindlich. Das war für mich immer klar. Wir haben auch nicht geklagt. Geklagt haben diejenigen, die wegen ihrer eigenen materiellen Vorteile dieses eherne und wahnsinnig einfache Prinzip des Verwaltungsrechts nicht anerkennen wollten.

Wenn ich mich nur umschaue, was in diesem Raum von allen Seiten immer wieder, in der Vergangenheit und in der Zukunft, an Aussagen, politischen Zusagen, Versprechungen u.s.w. gemacht wird, ist das Teil der Politik. Das tun wir alle ununterbrochen.

[Ratzmann (Grüne): Ja, diese Regierungsbank!]

„Und sage ich euch zu, wenn...“, das ist doch das normale politische Leben. Wir hätten das Chaos und den Ruin des Staates, wenn all das, was jemand, der in Verantwortung ist – oder auch nicht ist –, einmal irgendwo wohlwollend äußert, gleich zu Ausgaben führen würde.

[Heiterkeit – Ratzmann (Grüne): Sagen Sie das im Wahlkampf!]

Das muss formalisiert werden. Das wird dadurch formalisiert, z. B. in einem Brief „im Auftrag“ mit Dienstsiegel, „für die Richtigkeit der Unterschrift Meier, Verwaltungsangestellte“. – Das braucht man, sonst gibt es kein Geld.

Nun zu den Betroffenen: Das sind drei. Das ist erstens der Staat, das ist vorbei, den hat es Geld gekostet. Zweitens sind es die Mieter, drittens sind es die Eigentümer und Investoren. Für die Mieter haben wir mit dem Ausstieg aus der Anschlussförderung ein umfassendes Paket wirklich großzügiger Hilfen verabschiedet: bis zu 90 Prozent des Mietanstiegs bis zur Mietspiegelhöhe für bis zu fünf Jahren plus Umzugshilfen, Ausnahmen für Behinderte usw. Das Paket kann sich sehen lassen. Es ist auch vom Mieterbund gelobt worden. Wir haben auf dem Gebiet praktisch keine Klagen. Ich habe aktuell geschaut, wie oft dies in Anspruch genommen wurde: Wir haben 590 Fälle von Mietbeihilfe, 400 Fälle von Umzugsbeihilfen. Das ist moderat. Wir haben hier also keinen wahnsinnigen Druck.

Bleiben die Investoren und Anleger. Da muss man sagen – das war der Charme dieser Modelle –, jeder der hier Geld investiert hat – meist war es sehr wenig Eigenkapital, es waren vor allem Schulden, die investiert wurden –, hat gewaltige negative Einkünfte bekommen. Die stehen ihm zu, Herr Lindner, das ist sein gutes Recht. Er hat sie gleichwohl bekommen. Wir haben es für einige Fälle ausgerechnet: Jeder Anleger, der seine Steuerersparnisse entweder eingesetzt hätte für Tilgung, soweit er selbst Investor ist, oder für eine Rücklage für spätere Nachschüsse, hat jetzt auch kein Problem. Nur diejenigen, die alles eingestrichen und das Modell ausgelebt und nicht getilgt haben, haben in der Tat Probleme, das mögen große Probleme sein.

Im Einzelfall soll das gar nicht bestritten werden. Allerdings gilt auch hier, was gesagt wurde, in denkbar wünschenswerter Eindeutigkeit, dass jemandem, der unternehmerisch tätig ist, zugemutet werden muss, das Risiko seines Engagements selbst zu beurteilen und dass er sich nicht darauf verlassen kann, dass der Staat 15 Jahre später Zusagen geben wird, die er nicht gibt zu dem Zeit

punkt, wo er sich für diese Investition entscheidet. Das ist dort ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht. Und das muss man jetzt den Initiatoren von Fonds und den Finanzbetreuern und -beratern vorwerfen, dass sie ihren oft naiven Anlegern nicht klar gemacht haben, dass sie deshalb negative Einkünfte bekommen, weil sie sich an einem möglicherweise wirtschaftlich riskanten Geschäft beteiligen. Es war eine unternehmerische Tätigkeit, und diese hat jetzt im Einzelfall möglicherweise bestimmte Folgen.

Ich glaube übrigens, dass die Zahl der Insolvenzen entweder von Fonds oder von Anlegern wesentlich kleiner sein wird, als das bisher immer behauptet wurde, weil sich der Markt insgesamt wieder belebt hat und weil alle Beteiligten Zeit hatten, sich über die vergangenen vier Jahre hinweg anzupassen. Wenn es jetzt im Einzelfall zu Insolvenzen kommt – das wird bei dem einen oder anderen Fonds unvermeidlich sein –, tritt damit kein ungeordneter Zustand ein. Das Objekt bleibt erhalten. Die Mieter wohnen weiter im Objekt. Die Miete geht über. Möglicherweise können auch z. B. unsere Gesellschaften dann aus diesen Insolvenzen Objekte zu angemessenen Preisen erwerben – wenn es denn passt.

Der eigentliche Zweck dieser Förderung, wenn er denn überhaupt einmal so bestand, nämlich Wohnungen zu schaffen und an den Markt zu geben, wird durch Insolvenzen einzelner Anleger, Fonds oder Gesellschaften überhaupt gar nicht beeinträchtigt. Insoweit, nachdem wir uns jetzt auf breiter Front in der Sache selbst vollständig durchgesetzt haben, muss man jetzt ohne Aufgeregtheit den Markt in der Tat wirken lassen. Eine Insolvenz ist ein marktwirtschaftliches Instrument und hat noch nichts zu tun mit Vertrauensmissbrauch, Herr Lindner! Im Gegenteil, dass wir so verfahren, hat das Vertrauen in Berlin und in seine Fähigkeit, auf staatlicher Ebene urteilsstark und vertrauenswürdig zu sein, bundesweit wesentlich verstärkt.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Dies war ein Vertrauensgewinn für Berlin, weil wir eben sagen: So machen wir das nicht. – Wer hier getäuscht wurde – es wurde überhaupt keiner getäuscht. Wer enttäuscht wurde, das war jenes enge Gewebe – ich könnte auch einen anderen Ausdruck nehmen –,

[Frau Hämmerling (Grüne): Der Filz!]

aus Bauunternehmen, Initiatoren, Fondsanlegern usw., die an diesem System über viele Jahrzehnte sehr gut verdient haben und sich einfach nicht denken konnten, dass dies eines Tages zu Ende ist. Die in der Tat werden enttäuscht. Aber es gibt nichts ohne einen Preis, und das war eben der Preis. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin!

Der Kollege Reppert, der noch eine Minute Redezeit hätte, hat sich freundlicherweise bereit erklärt, das Ganze zu Protokoll zu geben. – Danke schön, Kollege Reppert!

Die Aktuelle Stunde steht unter dem Motto: Berlin auf

dem richtigen Weg! Aber sind wir wirklich auf dem richtigen Weg? – Rein finanziell, auf den Berliner Haushalt bezogen, mag dies der richtige Weg sein. Aber wie sieht es mit den betroffenen Mieterinnen und Mietern aus? – Es gibt zwar eine Härtefallregelung, aber bei der Berechnung des Mietenausgleichs wird diese Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete gekappt, das heißt: Alles, was darüber hinausgeht, muss der Mieter selbst tragen. Wird der Ausgleich für längstens 5 Jahre gezahlt, sinkt der gewährte Mietenausgleich jährlich um weitere 5 %. All das immer unter der Voraussetzung, Sie überschreiten bestimmte Einkommensgrenzen nicht.

Bei den Umzugshilfen gilt das Windhundprinzip. Der

jenige, der sich sehr früh zu einem Auszug entscheidet, erhält eine höhere Prämie als der, der sich erst nach Ablauf der fünf Jahre dazu entschließt. Auch bei den Behindertenwohnungen ist eine befriedigende Lösung nicht in Sicht. Ich sage Ihnen, das beschlossene Papier zum Mieterschutz ist geradezu lächerlich, und Sie wissen das ganz genau.

In der Koalitionsvereinbarung war man sich noch ei

nig, dass die städtischen Wohnungsgesellschaften dringend eine Neuordnung brauchen. Die Kraft für die Neuordnung der Wohnungsgesellschaften und des sozialen Wohnungsbaus insgesamt ist offensichtlich mit dem Ende der Anschlussförderung und mit dem planmäßigen und außerplanmäßigen Förderabbau aufgebraucht.

Im Gutachten von Ernst & Young kommt man zum

Schluss, dass das größte Problem der Wohnungsbaugesellschaften darin besteht, dass der Eigentümer keine Strategie habe. Hat der Senat die notwendigen Schlüsse daraus gezogen? – Nein, ich glaube nicht.

Stattdessen geht der Förderabbau im sozialen Woh

nungsbau munter weiter, die Mieten steigen und steigen. Davon betroffen sind immerhin rund 100 000 Wohnungen. Die viel diskutierte Kappungsgrenze von 5,50 €/m2 – netto, kalt – gehört der Vergangenheit an. Ab 2007 können die Mieten unabhängig von der Stadtlage jetzt auf bis zu 5,63 €/m2 – netto, kalt – steigen. Dies alles nur zu bedauern, Frau Senatorin Junge-Reyer, reicht allein nicht aus, Sie müssen sich gegenüber der PDS schon durchsetzen!

Auf Grund der aktuellen Lage am Wohnungsmarkt

sind diese Mieten in zahlreichen Stadtlagen jedoch nicht durchsetzbar. Irgendwoher müssen die städtischen Wohnungsunternehmen aber den Fehlbetrag, der sich aus dem Wegfall der Anschlussförderung und dem Förderabbau ergibt, aufbringen. Sie können dies nur durch weitere

Verkäufe ihres Wohnungsbestandes, durch Entlassungen ihrer Mitarbeiter, indem die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, und durch Mieterhöhungen in den Bereichen, wo dies möglich ist. Damit wird der rot-rote Senat zum Preistreiber in der Mietenpolitik.