Protocol of the Session on April 6, 2006

Bürgschaftscontrolling ist schon angesprochen worden. Da hat dieser Ausschuss massive Konsequenzen zur Folge – hoffentlich. Und zum Dritten die Überwachung und Einhaltung der Umsetzung von EU-Förderrichtlinien. Ein Zeuge im Ausschuss hat uns kundgetan, dass aus dem damaligen Umweltförderprogramm die Mittel herausgegeben wurden, ohne dass es Förderleitlinien gegeben hätte. Ein absolutes Unding! Die EU schreibt es vor. Förderrichtlinien für die Vergabe dieser Mittel unter EUBeteiligung, klare Kriterien: Wer bekommt es? Wie sind die Voraussetzungen? Wann wird zurückgefordert? In welchem Umfang gehen Mittel an wen? – Das hat es hier nicht gegeben. Das war ein Selbstbedienungsprogramm mit der Konsequenz, dass wir jetzt wahrscheinlich zurückzahlen müssen. Und das war ein Mangel, den auch die Verwaltung von Peter Strieder zu vertreten hat.

Wir müssen uns demzufolge auch damit auseinander setzen, ob es Regressmöglichkeiten gibt; eine ganz klare Frage, die hier zu beantworten ist. Möglicherweise werden wir ähnliche Aufstände erleben wie eben schon bei der ersten Darstellung dieses Problems. Wir sind gespannt, wie sich insbesondere PDS und SPD bei dieser Frage verhalten werden. Wir werden Sie jedenfalls nicht davon entpflichten, dazu eine Entscheidung treffen zu müssen.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Dann zahlen Sie doch mal Ihre 10 Millionen zurück von der Bürgschaft!]

Bitte? –

[Henkel (CDU): Lass dir nicht mit sachfreien Erwägungen dazwischenreden!]

Nein, es hat ja einen gewissen Unterhaltungswert, wenn ohne Sinn und Verstand dazwischengeredet wird. Das wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen.

[Wansner (CDU): Muss aber gerügt werden!]

[Dr. Lindner (FDP): Manipuliert!]

Insofern ist das ein ganz übler Beleg dafür, dass von Mentalitätswechsel weit und breit nichts zu sehen ist. Strieder hat sich seine Verwaltung und viel Geld zur Beute gemacht. Das hat dieser Untersuchungsausschuss eindrucksvoll belegt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

[Gelächter bei der CDU und der FDP – Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

[Wansner (CDU): Ausschussvorsitzende kritisiert man nicht!]

Und ich glaube tatsächlich, dass es durchaus eine ganze Menge gemeinsame Feststellungen, die man neben dem notwendigen Dank an die Mitarbeiter, die Kollegen, auch an den Rechnungshof, der unsere Arbeit intensiv begleitet hat, geben kann.

[Wansner (CDU): Kommen Sie endlich mal zur Sache!]

Ich hätte mir heute schon erhofft, dass es bei Ihnen dafür reicht. Das war leider nicht der Fall.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Zuruf von der Linkspartei.PDS: Kann er nicht! – Doering (Linkspartei.PDS): Altersstarrsinn!]

Zur Sache ist die erste Feststellung – das haben Sie offensichtlich nicht verstanden –, dass so ein Untersuchungsausschuss nicht kleinkarierte Beute einer einzelnen Partei ist, sondern ein Aufklärungsinstrument und dass Sie das nicht erkannt haben. Dass Herr Braun noch einmal nachdrücklich demonstriert hat, dass es ihm darum auch nicht ging, das ist das Eindrucksvolle an Ihrem Auftritt

Sie, meine Damen und Herren in der Opposition, konzentrieren sich unverändert auf die Person Peter Strieder, weil er erklärtermaßen ein einflussreicher und langjähriger Unterstützer des Tempodroms war. Ich frage mich allerdings im Gegensatz dazu: Wer hat das Tempodrom seinerzeit eigentlich nicht unterstützt,

beispielsweise in der Regierung Diepgen oder in der Landesbank, der Lottostiftung, Parteien, Medien oder der Kulturlandschaft Berlins? Wer war denn dagegen oder zumindest kritisch gegenüber diesem maßlosen Projekt oder der Tatsache, dass sich das Land Berlin in bewährter Manier und in vollem Umfang in die finanzielle Haftung begeben hat? Und wo waren eigentlich beispielsweise die Berliner Grünen, als es schwierige Sanierungsentscheidungen zu treffen galt? – Sie waren doch alle dabei, ohne dass Sie davon heute noch etwas wissen wollen. Und auch meine Partei, selbstverständlich, wenn auch nur in der Spätphase beteiligt, trägt politische Verantwortung für bestimmte Entscheidungen in der Endphase dieses Projekts. Nicht die Anzahl der Unterstützer dieses Projekts ist das politische Problem, sondern der absolute Mangel an gesunder Vorsicht und Realismus, und zwar auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Berliner Öffentlichkeit und ihrer Institutionen.

gewesen. Und das, finde ich, verdiente noch mal eine Unterstreichung.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Dr. Lindner (FDP): Jetzt kritisieren Sie den Vorsitzenden!]

Ich glaube, dass die Aufarbeitung des Tempodroms ihre politische Bedeutung nicht daraus gewinnt, wie hoch der entstandene Schaden ist, weil wir ganz schön viele Bauprojekte in einer Größenordnung von 30 Millionen € mit einem möglichen Schaden zwischen 5 und 10 Millionen € haben und hatten im Land Berlin.

Nein, der beispielhafte Charakter des Tempodroms resultiert daraus, dass im Einzelnen von einem Ausschuss nachvollzogen worden ist, worin das politische und institutionelle Fehlverhalten besteht und wie es immer wieder sein kann, dass das Land Berlin, dass Politik und Institutionen so gravierende Fehler machen, wie wir sie beim Tempodrom beobachten mussten. Es ist deshalb auch, glaube ich, gemeinsamer und notwendiger Anspruch dieses Hauses – zumindest würde ich das immer wieder formulieren –, dass das Ergebnis der Aufklärungsarbeit gewesen ist, dass wir zusammen aus diesen Fehlern lernen und auch zusammen einen Aufbruch hin zu einer realistischeren, nachhaltigeren und professionelleren Politik im Umgang mit Abwägungsentscheidungen, politisch gewollten Projekten und den mit ihnen einhergehenden Risiken finden.

Fünf Jahre nach dem Ende der großen Koalition und ausgelöst durch den größten Bankenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik illustriert die überschaubarere Skandalchronik des Tempodroms nochmals sehr eindrucksvoll, wenn auch in viel kleinerem Rahmen, woran Berlin lange Jahre krankte und weshalb die Berliner Politik immer wieder vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Fehlentscheidungen steht. Denn die Geschichte des Tempodroms ist für mich nichts anderes als ein politisches Sittengemälde der selbstgefälligen Haltungen aus der Ära der großen Koalition, des maßlosen „Anything goes“, das die Politik dieser Stadt viel zu lange bestimmt hat.

Das Problem Tempodrom beginnt mit dem spätfeudalen Umzugsdekret Helmut Kohls und den größenwahnsinnigen Ambitionen der Tempodrom-Gründer Moessinger und Waehl, unterstützt von einer Berliner Politik, Medien und Öffentlichkeit, die sich alle miteinander zu keinem Zeitpunkt die Frage nach den Risiken und Nebenwirkungen, ja nach der Plausibilität des Projekts als solchem stellten. Und das Tempodrom ist die Geschichte der Umsetzung dieses allgemeinen politischen und öffentlichen Willens durch eine zahnlose und kritikfreie Bürokratie und durch sämtliche Institutionen – Banken, Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsgremien –, die in Verkennung ihrer eigentlichen Aufgaben zu keinem Zeitpunkt die Kraft zum Widerspruch, zur Infragestellung oder auch nur dafür gefunden haben, halbwegs seriös und professionell die Aufgabe zu erfüllen, für die sie eigentlich zuständig waren.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist die tatsächliche und ziemlich bittere Wahrheit hinter dem in seinen Dimensionen vergleichsweise bescheidenen Skandal Tempodrom. Dass Sie das nicht erkennen, meine Damen und Herren von der Opposition, sondern unverändert quasi erkenntnisfrei darauf insistieren, dass Peter Strieder alleine verantwortlich war,

[Braun (CDU): Hat gar keiner gesagt!]

zeigt, dass die Botschaft immer noch nicht angekommen ist oder zumindest von Ihren parteitaktischen Erwägungen verdrängt wird. Ausdruck ist hierfür z. B. in Ihrem Entschließungsantrag die auch von der Kollegin Kolat schon zitierte Aussage, Peter Strieder habe massiven Druck zur Erteilung der Landesbürgschaft über 10 Millionen € ausgeübt, die tatsächlich in vielfacher Hinsicht ein Schlüssel zum Verständnis dieses Projekts ist, und zwar deshalb, weil es uns hier herzlich egal hätte sein können, wenn ein privates Projekt in die Pleite geht. Das kann man bedauern. Aber hier hat das Land Berlin unmittelbare und tatsächliche und in Größenordnungen bestehende finanzielle Haftung für ein Projekt übernommen, und das ist ein Schlüsselfehler an dieser Stelle gewesen, insbesondere wenn sie derart voraussetzungslos vergeben wurde wie in diesem Fall.

Es ist allerdings schlichtweg falsch, dass Peter Strieder diesen Druck auf die Vergabe der Landesbürgschaft ausgeübt hat. Und das wissen Sie! Ich bin besonders enttäuscht, dass FDP und Grüne an dieser Stelle für das politische Versagen der CDU Schmiere stehen, deren Hauptverantwortung die Vergabe dieser Bürgschaft war.

mit der politischen Debatte, die wir miteinander in der Öffentlichkeit geführt haben – – Nicht einmal das halten Sie aus, nicht einmal dafür haben Sie die Größe oder die Souveränität, jemandem zuzuhören, Herr Kollege Wansner, der – im Gegensatz zu Ihnen – zwei Jahre in der Sache gearbeitet hat, aber das nur nebenbei, es ist bezeichnend für Ihren Stil!

Wir verbinden miteinander hoffentlich die Erwartung, dass sich aus der Auseinandersetzung mit diesen Projekten in Zukunft eine veränderte Sicht im Land Berlin ergibt, eine andere Psychologie in den Verwaltungen, mehr Rückgrat bei der Prüfung solcher Projekte, ein höheres Risikobewusstsein im Umgang damit, ein höheres Maß an öffentlicher Kritikfähigkeit. Realismus – das brauchen wir! Realismus – bis hin zu einem Punkt, wo man von einem Projekt lieber Abstand nimmt, als unnötige oder überbordende Risiken einzugehen. Wir brauchen vor allem die Erkenntnis, dass Phantasterei, Illusionen, Großmannssucht und anderes keine guten Ratgeber der Berliner Politik waren und es auch nicht wieder werden sollten. In diesem Sinne hoffe ich, dass sich die Mühe aller Beteiligten zur Aufklärung dieses Einzelfalls und auch das Interesse der Berliner Öffentlichkeit, das sich über zwei Jahre hingezogen hat, gelohnt haben. Und dafür danke ich!

[Zimmer (CDU): Jetzt sind wir wieder schuld!]

Das ist unbestritten. Sie waren zuständig. Sie haben die beiden Verwaltungen gestellt. Ihre Akteure in diesen Verwaltungen haben uns im Ausschuss zu Protokoll gegeben – und wenigstens dafür hätte es doch reichen können –, dass sie zu keiner Zeit mit Peter Strieder über die Vergabe dieser Bürgschaft gesprochen haben. Herr Kurth, Herr Branoner, Herr Holzinger – keiner hat je mit Herrn Strieder über diese Bürgschaft gesprochen, zumindest nach ihrer Aussage. Wie können Sie dann feststellen, er habe das getan! Das ist einfach die Unwahrheit, die Sie hier sagen.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

Und dass Sie das mitmachen – beschämend!

[Frau Schultze-Berndt (CDU): Schon wieder beschämend!]

Ja, es ist beschämend, dass man nicht einmal an diesem Punkt wenigstens mit FDP und Grünen, denen Ihr Interesse nicht zu unterstellen ist, zu dieser zentralen Erkenntnis kommen kann, denn es hätte sie nichts gekostet, das zu tun.

[Zurufe von der CDU]

Ich respektiere den Kollegen Meyer, ich schätze den Kollegen Schruoffeneger. Wir haben in diesem Ausschuss gemeinsam an vielen Punkten seriös zusammengearbeitet. Weshalb hat es bei Ihnen nicht dafür gereicht, in Ihrem Entschließungsantrag der CDU an diesem Punkt in den Arm zu fallen, mit dieser Form der Projektion von Verantwortung auf eine Person, die diese nicht innehatte? – Weil Sie dazu auch in gewisser Form beitragen, dass die tatsächliche Verantwortung, die politische Unterstützer wie Peter Strieder auch in ihren Ämtern hatten, verklärt wird, und zwar durch ihre Überzeichnung. Ja, Peter Strieder hatte zweifellos politische Verantwortung. Er hat sie in seinem Amt auch für bestimmte Entscheidungen ausgenutzt, aber er hat sie an bestimmten Punkten auch nicht ausgenutzt, weil andere diese Entscheidungen für ihn gefällt haben. Solch differenzierte Betrachtung wird nach zwei Jahren Aufklärungsarbeit doch wohl noch miteinander möglich sein.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Ich habe bei der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses gesagt, der schwerwiegendste und folgenschwerste Vorwurf war der, dass Entscheidungen des rotgrünen Übergangssenats gekauft worden seien. Den haben insbesondere Sie von der CDU vertreten, indem Sie gesagt haben, das Sponsoring der SPD-Wahlparty durch Herrn Specker stehe in einem sachlichen Zusammenhang mit der damaligen Entscheidung des rot-grünen Übergangssenats. Viel schlimmer kann man Politik nicht treffen. Deshalb war es auch die Hauptaufgabe dieses Ausschusses, zu diesem Vorwurf, der öffentlich erhoben worden ist, so oder so Stellung zu nehmen. Und das haben wir getan, sowohl in der Arbeit als auch in den Schlussfolgerungen. Nichts ist übriggeblieben, und darüber bin

ich heilfroh, von diesem Vorwurf, dass die Berliner Politik in dieser Sachentscheidung käuflich gewesen oder beeinflusst worden sei. – Immerhin!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Wir verbinden – das ist mein letzter Punkt –

[Wansner (CDU): Ein Glück!]

[Wansner (CDU): Sie haben doch nicht viel davon verstanden! In welchem Ausschuss waren Sie eigentlich?]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat nunmehr der Kollege Schruoffeneger. – Bitte schön!

[Klemm (Linkspartei.PDS): Einer muss ja mal die Wahrheit sagen!]