Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in einem Solidarpakt bis 2019 auf jegliche Gehaltssteigerung verzichtet.
Wahr ist, dass die Gehaltstabelle des neuen Tarifvertrages bereits Ende 2007 gekündigt werden kann. Wahr ist, dass der neue Tarifvertrag, den Sie als Lösung aller Probleme verkaufen, eine Mindesthaltbarkeit von gerade einmal zwei Jahren hat. Sie versuchen, das Parlament und die Öffentlichkeit darüber zu täuschen, dass es sich um einen Tarifvertrag mit Haken und Ösen handelt, und wollen sich gleichzeitig als Retter der BVG, Retter der Berliner Finanzen und obendrein noch Freund der Fahrgäste feiern lassen. Sie malen uns ein rosarotes Wolkenkuckucksheim nach dem Motto: Jetzt haben wir einen Tarifvertrag, der führt zu einem wettbewerbsfähigen Unternehmen; da können wir den Landeszuschuss senken und zugleich darauf verzichten, weiter brutal an der Fahrpreisschraube zu drehen. Für wie dumm halten Sie eigentlich die Öffentlichkeit?
Ich kann nur erkennen, dass Sie versuchen, sich gerade einmal über den Wahltermin im Herbst dieses Jahres zu retten. Danach geht – so, wie die Dinge liegen – alles wieder von vorne los. Wollen Sie dann trotz der extremen
Andernfalls setzen Sie sich verstärkt dem ohnehin vorhandenen Verdacht aus, sie hätten vor einem halben Jahr über den Tarifvertrag verhandelt und entschieden, ohne einen Überblick über dessen Auswirkungen auf den weiteren Sanierungsverlauf bei der BVG zu haben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! „Mit Zuversicht ins neue Jahr!“ – so die Überschrift unseres Regierenden Bürgermeisters am 31. Dezember in der „BZ“. Ich zitiere weiter:
Das abgelaufene Jahr war alles in allem ein gutes Jahr für Berlin, und wir werden auch im neuen Jahr alles tun, um Berlin weiter nach vorn zu bringen.
Haushaltsnotlage den Staatszuschuss erhöhen, oder geht es mit den Fahrpreiserhöhungen, die angesichts der Wahlen für dieses eine Jahr ausgesetzt sind, dann weiter wie gehabt?
Meine Damen und Herren von SPD und Linkspartei! Wir möchten wissen, was Sie dazu zu sagen haben, denn nach fünf Jahren rot-roter Regierungstätigkeit hat die BVG unverändert zu hohe Kosten und zu wenig Erfolg bei den Kunden. Sie schreibt deswegen rote Zahlen und stopft ihre Finanzlücke durch Steuerzuschüsse und immer höhere Fahrpreise. Seit der Wiedervereinigung hat sich der Preis für eine Monatskarte um sage und schreibe 112 % erhöht, und in den letzten Jahren sind die Fahrpreise zehnmal schneller gestiegen als die Nettoeinkommen der Berlinerinnen und Berliner. Ich frage Sie: Wie können Sie das verantworten, denn irgendwann ist doch wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht?
Wir wollen deshalb wissen: Sind Sie bereit, auch nach der Wahl auf Fahrpreiserhöhungen zu verzichten oder sich wenigstens zu mäßigen? Welche Angebotsverbesserungen können die Kunden der BVG von Ihnen erwarten? Halten Sie an dem Plan fest, der BVG durch eine so genannte Direktvergabe das Monopol auf die Verkehrsdienstleistungen einzuräumen, auch wenn steigende Fahrpreise, Ausdünnung des Angebots und weitere Staatszuschüsse die Folge davon sind? Werden Sie riskieren, diese Direktvergabe auch dann vorzunehmen, wenn die europäische Rechtslage dem entgegensteht? Welche Sparmaßnahmen planen Senat und BVG, um die Jahresfehlbeträge auszugleichen, die auch in den zukünftigen Jahren in zweistelliger Millionenhöhe anfallen werden? Wie gedenken Sie mit dem Problem erneuter Tarifauseinandersetzungen umzugehen, nachdem klar geworden ist, dass bei der BVG keineswegs bis 2019 Friede herrschen wird?
Nun weiß ich selbstverständlich auch aus den Vorgesprächen, dass Sie diese Fragen heute hier nicht beantworten werden. Die Mehrheit des Hauses möchte, dass wir gemeinsam überlegen, was wir gegen die Vernachlässigung und die Misshandlung von Kindern bis hin zu deren Tod unternehmen können. Das ist eine Entscheidung, die absolut nicht zu kritisieren ist,
denn die in der letzten Zeit bekannt gewordenen Fälle – Herr Steuer hat darauf hingewiesen –, in denen die wehrlosesten menschlichen Wesen überhaupt – Kinder im Alter von drei oder fünf Jahren – ein schreckliches Schicksal erlitten haben, ohne dass irgendwer sie geschützt hätte, haben uns wohl alle schockiert – nicht nur Sie, Herr Gaebler. Wir Bündnisgrünen haben aber auch noch eine Große Anfrage zum Thema BVG im Geschäftsgang, und der Senat ist bislang nicht fähig, unsere Fragen zu beantworten. Ich erwarte, dass dann, wenn wir heute völlig berechtigt über das Thema Kindesmisshandlungen und Kindestötungen in Familien diskutieren, diese Antworten zum Thema BVG in der nächsten Plenarsitzung gegeben werden.
Man glaubt, sich zu verlesen: „Weiter voranbringen!“ – Eine solche Wahrnehmung kann man ja wohl nur dann haben, wenn man die Realität ganz und gar ausgeblendet hat und inzwischen in seiner eigenen Welt lebt.
Wir Berliner nehmen die Situation unserer Stadt völlig anders wahr – und unabhängige Beobachter im Übrigen auch. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“, die am 28. Dezember in einem langen Artikel über Berlin titelte:
Tristesse liegt in der Luft. Industriebetriebe ziehen ab. Die Bahn will weg. Es boomt vor allem der Niedergang. Berlin und der Hauptstadtmythos: Wenn das so weitergeht, gibt es bald keine Arbeit mehr.
[Gaebler (SPD): Die Bahn bleibt doch hier! Lesen Sie auch mal an anderen Tagen Zeitung! – Weitere Zurufe von der SPD]
Ich lese auch anderes, Herr Gaebler! – Der „Tagesspiegel“ schreibt z. B. in seiner Vorausschau für das Jahr 2006: „Ganz Berlin zieht an die Alster.“ – Da wird das, was im letzten Jahr geschehen ist, einfach in die Zukunft verlängert, und Sie sehen, wie weit es noch kommen kann, nämlich am Ende sogar zur Gründung einer Partei: „Bürger für Hamburg“, die in Berlin bei der Abgeordnetenhauswahl mit dem Slogan antritt: „Anschluss an Hamburg!“
Wir von der FDP-Fraktion haben Ihnen einen Antrag vorgelegt, der zeigt, wie man das machen kann – eine Hauptstadtkonzeption zu entwickeln, aus der Berlin neue Kraft für die Zukunft schöpfen kann. Da gibt es noch Gewichtiges für uns zu tun: Wir müssen in diesem Lande um Verständnis für Berlin werben und aufzeigen, dass
Berlin diesem Land viel zu geben hat. Berlin ist die einzige Stadt, die dieses Land besitzt, die das Potential zur internationalen Metropole hat und weltweite Wirkung für Deutschland entfalten könnte. Herr Regierender Bürgermeister! Diese Werbung wird von Ihnen nicht geleistet, aber es wäre so bitter nötig. Deshalb waren wir dafür, einen Hauptstadtkonvent einzurichten. Übrigens habe ich alten Unterlagen entnommen, dass der Senat 2002 auch schon einmal so weit war und einen solchen Konvent einrichten wollte. Wir brauchen ihn heute dringender denn je. Wir müssen über unsere Hauptstadtrolle viel intensiver nachdenken und sehr viel intensiver für sie in diesem Lande werben.
Ich lasse nunmehr über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen. Da sich im Ältestenrat bereits eine Mehrheit für den Vorschlag der CDU-Fraktion abzeichnete, lasse ich zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema Kinderschutz zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind CDU, SPD und Linkspartei.PDS. Danke! – Die Gegenprobe! – Das ist die FDP. Enthaltungen? – Das ist Bündnis 90. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Thema der CDU für die Aktuelle Stunde angenommen. Die anderen Themenvorschläge sind damit erledigt.
Aber die Nachrichten gehen ja weiter in diese Richtung. Die „Welt“ schreibt z. B. heute: „Zank ums Geld, Berlin verfällt.“ – So geht das weiter.
Den Regierenden Bürgermeister ficht das alles nicht an. Er schreibt seine Erklärung zum neuen Jahr fast wortgleich von der Erklärung zum letzten Jahr ab. Sie können auf „BerliNews“ nachlesen, was er im letzten Jahr gesagt hat. Die Agenda ist die gleiche, die Botschaft ist die gleiche, auch die Resultate sind jeweils nicht anders, denn es geht immer weiter bergab.
Da zeigt sich überdeutlich, wie leicht man es sich unter den besonderen politischen Umständen mit dem Regieren machen kann, Herr Regierender Bürgermeister! Sie meinen, die Wahl sei für Sie schon gelaufen, weil Ihnen ein Herausforderer fehlt.
Wir werden in die Lücke springen. – Es reicht aber nicht, so zu regieren. Die Situation in Berlin ist dramatisch, und wir verlangen von Ihnen, Herr Wowereit, dass Sie jetzt endlich handeln. Wenn Sie schon Forderungen anderer wie z. B. der IHK, die sagt, dass Akquise und Bestandserhaltung von Unternehmen Sache des Regierenden Bürgermeisters sein müsse, nicht aufnehmen, dann müssen wir Sie dazu zwingen. Wenn nicht anders, dann hier durch eine Debatte. In Wahrheit gibt es nichts Dringenderes und Wichtigeres, als das Thema jetzt zu diskutieren.
Wir stehen vor einem entscheidenden Jahr für Berlin. In diesem Jahr wird sich viel für uns entscheiden – in Karlsruhe und vielleicht auch schon in Leipzig. Deshalb kommt es darauf an, dass wir unsere Stärken – die Hauptstadtrolle – nutzen, dass wir für uns werben, und zwar als Wirtschaftsstandort, aber auch um die politische Unterstützung in diesem Lande, denn die haben wir bitter nötig.
Wo sind die Freunde Berlins? Wo sind sie in der Hauptstadtdebatte, die über das Berlin-Bonn-Gesetz neu entflammt ist? – Wir sehen doch, dass sich Bonn absichert und Berlin wieder zurückbleibt. Wir haben es dringend nötig zu werben.
Herr Regierender Bürgermeister! Kinderschutz ist ein aktuelles und wichtiges Thema. Das sehen wir ein. Aber für die Zukunft Berlins, für die Zukunft unserer Stadt und unserer Bürger gibt es in Wahrheit kein wichtigeres und kein drängenderes Thema, als sich mit den Chancen unserer Hauptstadtfunktion zu befassen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Ich weise auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen.
Damit kommen wir zu den Entschuldigungen von Senatsmitgliedern. Der Herr Regierende Bürgermeister wird heute ab ca. 17.15 Uhr abwesend sein. Grund hierfür ist – wie Ihnen sicherlich bekannt ist – die Eröffnungsveranstaltung der 71. Internationalen Grünen Woche. Herr Senator Wolf wird ab ca. 16.30 Uhr abwesend sein, weil er den Vorempfang zu der Grünen-Woche-Eröffnung bestreitet.
Zu Beginn der Fragestunde schlage ich Ihnen vor, die Fragen der Abgeordneten Frau Spranger und Frau Michels gemeinsam zu stellen und zu beantworten. Ist das in Ordnung? – Gut, dann verfahren wir so. Das bekannte Verfahren wird dabei angewendet.