Das Statistische Landesamt hat die amtliche Statistik für den Berlintourismus des Jahres 2001 am 22. Februar – auch sehr aktuell – vorgelegt. Beeindruckende Zahlen: 4,93 Millionen Gäste aus dem In- und Ausland haben unsere Stadt besucht. Nach dieser amtlichen Statistik gab es 11,35 Millionen Übernachtungen. Übrigens erfasst diese Statistik nur die Übernachtungen in Beherbergungsstätten mit 9 oder mehr Betten. Obwohl es im Verhältnis zu 2000 ein Minus von 1,5 % gegeben hat, war es das beste Ergebnis seit 1992. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste in unserer Stadt ist allerdings bei 2,3 Tagen geblieben.
Hier müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir die Aufenthaltsdauer der Gäste in unserer Stadt, zum Beispiel auch für Wiederholungsbesucher, verlängern? Ich könnte mir vorstellen, dass wir die touristische Stadt vergrößern: Ausflüge ins
Umland, ob in den Spreewald oder in die Fontane- und Schinkelstadt Neuruppin oder in meinen Geburtsort Rheinsberg. Aber auch unsere Stadt Berlin ist mehr als das, was Touristen häufig, zu häufig, meine ich, heute zu sehen bekommen. Berlin ist eben auch Spandau, Marzahn oder Köpenick.
Wenn wir nach Köpenick sehen, finden wir dort zum Beispiel im Tourismusverein Köpenick-Treptow ein Beispiel für eine regionale Tourismusinitiative, die „Gelbe Welle“, Tourismus auf dem und vom Wasser; die Pläne für ein touristisches Wegeund Leitsystem könnten und sollten beispielhaft für die gesamte Stadt sein, auch die Zusammenarbeit zwischen ihnen und Privaten – habe ich den Namen „Wall“ eben gesagt?
Aber auch die Frage stellt sich, was Verwaltung an möglichen Entwicklungen fördert und behindert. Die Planung der Standorte für ein solches touristisches Wege- und Leitsystem gleicht eher einem Irrweg durch die Verwaltungen. Deshalb meine ich: Wenn wir über Tourismus in der und für die Stadt debattieren, dürfen wir das nicht auf e i n e Senatsverwaltung fokussieren. Es ist letztlich Aufgabe fast aller Senatsverwaltungen. Wenn wir darüber reden, die touristischen Gebiete nicht nur im Kernbereich der Stadt zu sehen, bietet sich die Chance, gerade diese Randlagen Berlins als Bindeglied, als Scharnier zwischen Kurfürstendamm, Museumsinsel und dem brandenburgischen Umland zu sehen.
Aber wir können nicht die Augen vor Problemen verschließen. Die Ruine des Müggelturms ist ein Mahnmal, auch viele leere und verlassene Ausflugsgaststätten,
gerade in einem Gebiet, wo die Leute, wenn sie über BBI und Schönefeld reden, nicht nur auf erhoffte Chancen und Möglichkeiten, sondern meistens sorgenvoll zum Himmel sehen. Deshalb sollte die in vielen Fragen sehr erfolgreich arbeitende BTM – Berlin Tourismus Marketing GmbH – ihren Gesichtskreis über das Zentrum hinaus erweitern. Mehr Möglichkeiten als nur ein Verweis, ein Link auf der Internetseite, in den Südosten der Stadt muss möglich sein.
Auch Marzahn, ein Gebiet in dieser Stadt, das für viele Schlagzeilen gut und nützlich scheint, ist mehr als nur das Ziel von Architekturstudenten und Architekturkritikern. Es gibt auch Sehenswertes in Marzahn zu entdecken. Ich nenne nur den chinesischen Garten.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich weiß schon, wo Marzahn liegt, Herr Pewestorff. Ich hoffe, Sie wissen auch, wo Neukölln liegt.
Aber das war nicht meine Frage. Sie hatten eben eine kurze Andeutung zum Thema Flughafen gemacht. Wenn wir über das Reiseziel Berlin reden, ist der Flughafen ja kein ganz unwichtiges Thema.
Sie sprachen von „sorgenvoll gen Himmel blicken“. Das kann man immer machen, besonders wenn man christlich ist. Aber was darf ich darunter verstehen? Sind Sie nicht auch mit mir der
Ansicht, dass der Großflughafen in Schönefeld für den Tourismus in Berlin ein ganz zentrales Projekt ist und deswegen schleunigst vorangetrieben werden sollte?
In der Osterzeit sollte man als Christ nicht sorgenvoll zum Himmel blicken, sondern hoffnungsvoll. – So viel zum ersten Teil Ihrer Frage.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Nehmen Sie es den Menschen, die sich vor Entwicklungen, die auch durch zu optimistische oder euphorische Prognosen untersetzt werden, bedroht fühlen – – Diese Menschen fühlen sich bedroht, wenn sie Prognosen sehen, die sich möglicherweise über ihren Dächern abspielen, in einer Gegend, in die man zieht, wenn man Grün und Wasser sucht – das suchen nicht nur Touristen, sondern auch manche Menschen, um dort zu wohnen. Dass Berlin eine Verkehrsinfrastruktur braucht, einen leistungsfähigen, angemessenen, internationalen Verkehrsflughafen, ist selbst dort nicht unstrittig. Aber die Diskussion, wo und zu welchen Lasten, die müssen Sie mit den Menschen vor Ort führen. Das kann ich Ihnen nicht abnehmen – nicht mal in Neukölln.
Aber wenn Sie in der Koalitionsvereinbarung auch über das Thema Fusion Berlin-Brandenburg lesen und dort auch eine Perspektive für die Stadt sehen, meine ich, dass die Zusammenarbeit gerade auf touristischem Gebiet praktisch eine Vorwegnahme dieser Fusion darstellen kann. Die Pläne für 2002 stimmen mich hoffnungsvoll bezüglich der Gemeinsamkeiten. Nach einem schlechten Start – Sie erinnern sich vielleicht noch an das Scheitern der Tourismusabgabe – ist die Berlin Tourismus Marketing GmbH durchaus ein positives Beispiel für die praktische Zusammenarbeit von Privaten, Begünstigten und der öffentlichen Hand – das abgedroschene Schlagwort PPP. Aber auch hier gilt zukünftig vor dem Hintergrund einer Banken- und Finanzkrise – dazu brauche ich Ihnen nichts zu erzählen –: Die Stadt wird weniger einsetzen und investieren können. Vielleicht können wir mehr inspirieren, und dann müssen alle mehr transpirieren.
Die Basis ist in Berlin gut. Der Chef der Tourismus Marketing GmbH, Herr Nerger, hat festgestellt, dass Berlin „Tourismushauptstadt“ Deutschlands ist. Das ist ein weiterer Superlativ. Der Regierende Bürgermeister hat bei der Eröffnung der ITB auf die Infrastruktur hingewiesen: 50 Bühnen, 80 Sinfonieorchester, 170 Museen und Sammlungen. Das ist doch was. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Auch wenn wir nicht die Chance haben, alle 11 000 gastronomischen Einrichtungen – von der Eckkneipe bis zum Feinschmeckerrestaurant – in unserem Leben zu besuchen, so ist das doch auch etwas, was die Stadt Berlin als Wirtschaftsfaktor und Ort des Lebens und Erlebens auszeichnet.
Trotzdem müssen wir uns als Wirtschaftspolitiker, als Verantwortliche – auch auf anderen Gebieten – mit der Analyse auseinander setzen. Die Bettenzahl steigt weiter: Von jetzt 63 000 auf 75 000 in den nächsten vier Jahren. Profitieren davon nur die großen, international organisierten Ketten, oder welche Chancen haben mittelständische Unternehmen im Tourismus in Berlin? Viele Menschen können auch in Deutschland nicht oder nur eingeschränkt reisen – Arbeitslosigkeit, soziale Not. Welche Angebote bietet Berlin jenseits von Adlon, Hilton und Estrel seinen Gästen – auch jungen Menschen aus aller Welt? Der 11. September hat auch hier gezeigt, wie verletzlich Entwicklungen sind. Wir müssen uns mit den Zahlen zur Entwicklung vor und nach der unsäglichen Katastrophe auseinander setzen.
Aber eins bleibt: Tourismus ist als Wirtschaftsfaktor kaum zu überschätzen. Die amtliche Statistik unterschätzt dies eher. Das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr hat festgestellt: 1999 gab es zusätzlich zu den erfassten Touristen noch 67,9 Millionen Tagesausflügler. Hinzu kamen 6,9 Millionen Geschäftsreisende, die für nur einen Tag in Berlin waren. Zusätzlich – wahrscheinlich bei Freunden, Verwandten oder in Pensionen mit weniger als neun Betten – weitere 28 Millionen Besucher pro Jahr. 2001 schätzten die Volkswirte der Bankgesellschaft – vielleicht haben sie sich nicht verschätzt – die Tourismusausgaben in unserer Stadt auf insgesamt 8,7 Mil
liarden DM. Das ist wahrlich ein aktuelles und notwendiges Thema. Was braucht Berlin mehr als Wirtschaftskraft? Wenn der Tourismus zu einer weltoffenen, menschlichen, besuchenswerten Stadt beitragen kann, sollte auch unser Votum sei, diese Stadt unseren Gästen so angenehm wie möglich zu machen – im wohlverstandenen eigenen – auch wirtschaftlichen – Interesse. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort hat nun der Kollege Atzler für die Fraktion der CDU. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Unabhängig davon, ob dieses Thema vor der gegenwärtigen wirtschaftlich-politischen Situation hochaktuell ist oder ob es auch noch andere Themen gegeben hätte, ist klar, dass es ein wichtiges Thema ist, das es verdient, hier einmal in einer Aktuellen Stunde angesprochen und behandelt zu werden.
In früheren Jahren blieb das Reisen nur wenigen vorbehalten, und es war mitunter sehr beschwerlich. Das hat sich inzwischen grundlegend verändert, denn viele Menschen nutzen die Möglichkeit, durch Reisen neue Erkenntnisse zu erlangen. Das gilt sowohl für junge Manschen – Jugendtourismus stellt mittlerweile ein eigenes Marktsegment dar – als auch für ältere Menschen, die durch höhere Lebenserwartung – bei guter Gesundheit – Spielräume größerer Freizeit für sinnvolle Reisen nutzen können.
Hieraus ist eine Tourismuswirtschaft erwachsen, deren Wirtschaftskraft in ihrer Bedeutung oft völlig unterschätzt wird. Allein in Deutschland bietet diese Branche für fast 3 Millionen Menschen Arbeitsplätze und fast 100 000 Ausbildungsplätze. Als personalintensive Branche ist die Tourismuswirtschaft ein Hoffnungsträger bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass das Potential für Arbeitsplätze im Bereich Urlaub, Freizeit und Reisen noch überhaupt nicht ausgeschöpft ist. So viel vorab zu den bundespolitischen Aspekten dieses Themas.
Wie sieht die Situation in Berlin aus? Ich versuche, Wiederholungen zu vermeiden, weil mein Vorredner auch darauf einging. Es ist in der Tat so, dass in Berlin mittlerweile über 50 000 Arbeitsplätze in der Tourismuswirtschaft angesiedelt sind. Es ist wahr: Es gab über 11 Millionen Übernachtungen in der deutschen Hauptstadt in Hotels, und weitere 27 Millionen waren private Übernachtungen bei Freunden und Bekannten. Welche Auswirkungen hat das wirtschaftlich? Der Umsatz der Tourismusbranche betrug 4 Milliarden §, wobei 50 Prozent dem Gastgewerbe, 35 Prozent dem Einzelhandel zu Gute kamen. Etwa 15 Prozent verteilten sich auf Museen, Theater und Taxifahrten. Dass dies bereits im Jahr 2000 gelungen ist, ist sicherlich – hier darf ich das sagen – den Aktivitäten des damaligen Wirtschaftssenators Branoner zu verdanken.
Aber nicht nur: Die schon erwähnte Berlin Tourismus Marketing GmbH, die Partner für Berlin GmbH und die Partner Hotels e. V. leisten an dieser Stelle vorbildliche Arbeit. Deshalb ist es notwendig, ihnen an dieser Stelle einmal dafür zu danken. Sie verdienen auch weiterhin unsere finanzielle Unterstützung.
Nicht nur das, Herr Pewestorff. Sie wissen, dass auch eine gewisse Summe Privatkapital eingeflossen ist. Das ist richtig und sinnvoll. Diese Ergänzung halten wir für notwendig.
Leider waren die Torismuszahlen aus verschiedenen Gründen im letzten Jahr rückläufig. Sie haben es erwähnt: Um 1,5 Prozent. Das ist sicherlich kein Drama, aber es zeigt auch, dass Berlin mit seinen Bemühungen nicht nachlassen kann und darf, wenn der Rückgang nicht zum Trend werden soll.
Die BTM hat in ihrer Prognose wiederum gesagt, dass wir im kommenden Jahr mit mehr Touristen rechnen können. Wir sollten dafür aber auch etwas tun. Und was soll das sein? – Wenn ich „wir“ sage, darf ich dabei auch Herrn Senator Gysi einschließen, der natürlich nicht alleine, Herr Pewestorff, aber sehr wohl als Senator die politische Verantwortung für entsprechende Entwicklungen trägt. – Die Visitenkarte Berlins wird geprägt von dem Bild, das die Stadt bietet. Ich meine hierbei nicht nur Baulichkeiten und Plätze, von denen es in Berlin viele gibt, wie Sie wissen, sondern es ist dabei auch von Bedeutung, wie wir mit den Gästen umgehen.
Erfüllt die Stadt die Wünsche und Bedürfnisse der Touristen? – Hierbei gibt es einiges zu überdenken. Ich darf exemplarisch einige Defizite anreißen und nennen: Da gibt es die Ladenöffnungszeiten. Die strengen deutschen Gesetze werden von den ausländischen Touristen überhaupt nicht verstanden – zumindest von denen nicht, von uns ja teilweise auch nicht. Sie wollen z. B. auch Shopping-Weekends haben.
Dann haben wir die Theaterferien. Wenn die Touristen in den Ferien zu uns kommen, haben die meisten Theater, Opernhäuser und Variete´s geschlossen. Man muss sich fragen, ob das so sinnvoll ist. – Ich weiß, dass es davon Ausnahmen gibt.
Die Beschriftung an Exponaten in Museen ist zumeist nur in Deutsch. Sollte man sie nicht auch mit einer zweiten Sprache wie Englisch versehen?
Die Verkehrsverbindungen für Bahn und Pkw sind zwar noch relativ gut – das „noch“ ist Herrn Senator Strieder gezollt, weil man nie weiß, auf welche Überraschungen dieser Senator noch kommt, was den Verkehr anbelangt –, aber die Parkplatzsituation ist nicht gut zu nennen. Da erwarten Touristen mehr, als im Moment vorhanden ist. Auch der Ausbau des Großflughafens gehört natürlich dazu. Es ist vorhin gesagt worden, dass es an dieser Stelle keine Widersprüche mehr gibt. Wir wollen sehen. Wir messen den Senat an seinen Taten.
Auch der Ausbau der Messe ist wichtig. Allein Messe und Kongresse – dieses Segment – bringen jährlich 500 Millionen § Kaufkraft in unsere Stadt. Das muss man sich einmal überlegen. Die Leitmessen wie die ITB, die Funkausstellung und die Grüne Woche müssen in Berlin gehalten und ergänzt werden, damit wir auf diesem Weg weiter vorankommen.
Ein weiterer Punkt war in der Tat – Herr Pewestorff hat es anders angesprochen – der Presse zu entnehmen, dass sich nämlich der Senatsbaudirektor jetzt eines Entwurfs von 1994 für ein Wegeleitsystem annimmt, was in der letzten Legislaturperiode noch gutgläubig als endgültig bestellt verkündet wurde. So etwas muss aufhören. Das kann nicht sein, das kann nicht gehen. Bei derartigen Dingen muss zielorientierter und schneller die Umsetzung vonstatten gehen.
Einig sind wir uns doch hoffentlich auch darin, dass die Leuchttürme der Kultur erhalten bleiben müssen. Hierbei kann und darf nicht gespart werden. Deshalb muss die Diskussion darüber auch aufhören und beendet werden. Natürlich ist nicht alles Staatsaufgabe, aber der Staat muss auch in der Tourismuswirtschaft Rahmenbedingungen setzen, damit die Branche ihre Aufgabe optimal erfüllen kann.