Protocol of the Session on March 21, 2002

Einig sind wir uns doch hoffentlich auch darin, dass die Leuchttürme der Kultur erhalten bleiben müssen. Hierbei kann und darf nicht gespart werden. Deshalb muss die Diskussion darüber auch aufhören und beendet werden. Natürlich ist nicht alles Staatsaufgabe, aber der Staat muss auch in der Tourismuswirtschaft Rahmenbedingungen setzen, damit die Branche ihre Aufgabe optimal erfüllen kann.

Herr Senator Gysi, lassen Sie mich auch hier einige kritische Anmerkungen mit der Frage verbinden, ob der Senat entsprechend tätig werden möchte, um der Branche zu helfen! Teilweise ist das Gesetzgebung des Bundes. Es handelt sich hier überwiegend um mittelständische Unternehmen mit 5 bis 20 Beschäftigten wie z. B. Busunternehmen, Reisebüros oder auch Restaurants. Lassen Sie mich fünf Beispiele aufzählen:

Das 325-§-Gesetz – früher: 630-DM-Gesetz – muss geändert werden. Wir brauchen mindestens 400 §, um den Bedarf geringfügiger Beschäftigung zu decken.

Das Kündigungsschutzgesetz ist zu lockern, um mehr Flexibilität zu erreichen. Das schafft auch zusätzliche Arbeitsplätze.

Der Umsatzsteuersatz muss halbiert werden. Frankreich hat 5,5 %. Die Tourismusbranche kann nur durch Halbierung dieses Umsatzsteuersatzes in Deutschland wettbewerbsfähig werden – gemessen an Gesamteuropa.

Auch die Trinkgeldbesteuerung gehört auf den Prüfstand.

Die Auswirkungen von Basel II für die Branche sind zu minimieren, denn gerade die mittelständischen Unternehmen haben nur eine geringe Eigenkapitalausstattung, was sich dann negativ auf Kreditzinsen auswirken kann.

Sicherlich gibt es weitere Punkte, die man aufgreifen kann. Ich will es aber dabei belassen. Man sieht auch so schon, dass es genug Arbeit für die Politik gibt.

Zu Beginn des neuen Jahres haben wir die Einführung des Euro-Bargeldes in Europa erlebt. Dieses könnte Kurzreisen in die Metropolen deutlichen Auftrieb verleihen – also auch Berlin. Nutzen wir auch diese Chance!

Ein altes Sprichwort sagt: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“ Das stimmt wohl auch heute noch. Die Frage ist aber: Welcher Inhalt prägt diesen Bericht? Ist es ein positiver Bericht oder ein negativer? – Sorgen wir gemeinsam durch Nutzung unserer großartigen Chancen dafür, dass Gäste Berlins stets positive Erlebnisse zu erzählen haben! Zeigen wir ihnen, dass diese Stadt als große Metropole lebens- und liebenswert ist! – Berlin muss nicht die schönste deutsche Stadt sein, aber die spannendste und interessanteste Stadt, das bedeutendste Tor zu Osteuropa und die Schwelle zu Westeuropa.

[Pewestorff (PDS): Wir haben einen tätigen Wirtschaftssenator!]

Hier leben Menschen verschiedener Kulturen und Nationalitäten friedlich nebeneinander, und hier kann auch deutsche Geschichte geatmet werden.

[Beifall bei der CDU]

Historische Bauwerke zeugen davon, und es gibt Dinge – Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss! – der Vergangenheit, auf die man mit Freude gucken kann, und es gibt auch Dinge der Vergangenheit, die nachdenklich stimmen. Berlin aber hat Zukunft, Berlin bietet Chancen. Das alles müssen die Besucher spüren, wenn sie hier sind, und in ihren Herzen mitnehmen, wenn sie wieder abreisen. Es sind die preiswertesten Botschafter Berlins in Deutschland und in der Welt. Freunde brauchen wir doch allemal in Berlin.

[Bm Dr. Gysi: Und Freundinnen!]

Auch Freundinnen, Herr Senator! –

[Heiterkeit]

Gemeinsam können wir dazu beitragen, dieses Bild zur Visitenkarte Berlins zu machen. Bemühen wir uns alle, dass weltweit der Satz gilt: Berlin ist und bleibt eine Reise wert! – Herr Präsident, ich danke für die Großzügigkeit!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Pewestorff (PDS)]

Das Wort hat Frau Petra Hildebrandt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Atzler! Ein kurzes Vorwort: Ein bisschen schade finde ich es ja doch, dass die CDU-Fraktion es aufgrund der Vorlieben ihres Fraktionsvorsitzenden offenbar schon aufgegeben hat, Berlin zur schönsten Stadt Deutschlands zu machen.

[Pewestorff (PDS): Das ist ja München! – Niedergesäß (CDU): Sehr witzig!]

Das können wir so nicht teilen, sondern wir werden das weiter versuchen. Vielleicht können wir auch Herrn Steffel irgendwann überzeugen.

Die ITB, die wir als Anlass genommen haben, um uns diesem Thema zu widmen, ist vorbei. Dazu haben wir vorhin schon etliches gesagt. Aber wir müssen die wichtigsten Punkte noch einmal festhalten: Es ist ein großer Erfolg für Berlin gewesen und soll es auch weiterhin sein. Wenn ich mir das Meckern und Jammern in dieser Stadt manchmal vorstelle, dann hoffe ich auch, dass die Touristen das so nicht mitbekommen. Sie scheinen auch manchmal eine völlig andere Einstellung zu dieser Stadt zu haben, als der eine oder andere Tenor in diesem Hause vermuten lässt.

Tourismus ist als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in unserer Stadt anzusehen. Er hat es verdient, dass wir uns heute auch einmal kräftig um ihn kümmern.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Berlin als deutschlandweit größter Kongress- und Tagungsstandort hat nicht nur als Messestadt große Entwicklungschancen. Die ITB zeigt, dass zunehmend Städtereisen für die Touristen jeden Alters interessanter werden. Die Zahlen sprechen hierbei für sich. Tourismus ist eben ein wichtiger Wachstumsmarkt, und Berlin konnte im europäischen Vergleich immerhin den vierten Platz im Städtetourismus einnehmen. Nach absoluten Gästezahlen gemessen ist Berlin deutschlandweit an erster Stelle. Somit sind wir nicht nur das beliebteste Städtereiseziel der Inlandstouristen, sondern wir sind eine Tourismusmetropole von europäischem und internationalem Rang.

[Beifall bei der SPD]

Tourismus ist ein Multi-Produkt. Das heißt, es geht hierbei nicht nur um den Wirtschaftsbereich und die Reise an sich, sondern es sind viele Produkte und Dienstleistungen damit verbunden, die sich in allen möglichen Branchen wiederfinden, so dass auch eine entsprechend breite Wirkung zu entfalten ist.

Wir verzeichnen derzeit rund 600 Millionen § Steuereinnahmen jährlich in Berlin, und wie wir bereits bemerkten, ist das ein wesentlicher Faktor, den es weiter zu steigern gilt.

[Beifall bei der SPD]

Und an dieser Stelle, um einigen Fragen vorzukommen, ist der Ausbau des Großflughafens in Schönefeld ein eminenter Punkt. Die Anzahl der Nonstop-Flugverbindungen zu wichtigen Städten und Handelsmetropolen ist nicht nur für die touristische Entwicklung in der Region wichtig. Wir alle wissen, dass es ein wichtiger Punkt für die wirtschaftliche Entwicklung und die Ansiedlung von Unternehmen überhaupt ist, aber eben auch für den Tourismus. Und deswegen stehen wir weiterhin dafür und werden dieses Projekt so schnell wie möglich vorantreiben.

[Beifall bei der SPD]

Tourismus in Berlin ist eigentlich kein rein Berliner Thema. Da kommen wir wieder auf die Querschnittsfrage zurück: Es ist ein Berlin-Brandenburger Thema. Denn die Angebote, die Berlin unterbreitet, betreffen auch das Umland, und in Kooperation mit Brandenburg bieten wir eine große Palette an attraktiven Arrangements für jeden Touristengeschmack an.

So wie die Vielfalt dieser Angebote sehr unterschiedlich ist, ist auch die Zahl und die Herkunft derer, die uns besuchen, unterschiedlich. Das Tourismuskonzept für Berlin wird die Vielfalt Berlins brauchen, und – das muss man vielleicht auch dazu sagen – es betrifft eben nicht nur den Bereich Wirtschaft und den Senator Gysi, sondern alle anderen Bereiche auch.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Schließlich geht es hier um Sprachfähigkeiten der Berlinerinnen und Berliner, um Kenntnisse anderer Kulturen. Denn wenn Sie in der Stadt unterwegs sind, ist – zumindest statistisch – jeder Elfte, den Sie dort treffen, ein Tourist. Ich denke, das ist eine ganze Menge.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Im Tourismuspotential Berlins liegen noch einige Reserven, denen wir uns widmen müssen. Das ist zum einen der weitere Ausbau des Tagungs- und Kongressmarktes. Hier spielt die Messe Berlin eine wichtige Rolle. Und hier wird es für die Koalition auch darum gehen, das Zusammenspiel der jeweiligen Kräfte, die sich um das Tourismuskonzept bemühen, es weiter zu verbessern und miteinander abzustimmen. Großveranstaltungen wie die Loveparade und im Übrigen auch die Leichtathletik-WM, der sich die Koalition verschrieben hat, sind ein ganz wichtiger Punkt für den Tourismus. Immerhin gibt es allein durch die Loveparade einen Kaufkraftzufluss von ungefähr 250 Millionen DM – DM deshalb, weil wir in diesem Jahr noch keine Loveparade hatten. In Euro wird man es für dieses Jahr ebenso messen können. Handel, Shoppingtouren sind beim Städtetourismus sicherlich zentrale Punkte. Hier gibt es ebenfalls eine klare Ausrichtung der Koalition. Hier sind die Möglichkeiten, die gesetzlichen Möglichkeiten zur Ausweitung des Ladenschlusses so weit wie möglich auszunutzen; die Bundesratsinitiative spricht ihre eigene Sprache.

Tourismus ist kulturverbindend. Das ist etwas, was diese Stadt schon immer geschafft hat, und darauf werden wir auch setzen. Ich sagte schon vorhin etwas dazu, was die Sprachkenntnisse der Berlinerinnen und Berliner betrifft und viele andere Dinge auch. Es bietet gerade für eine Großstadt Möglichkeiten auch im Bildungsbereich, genau darauf zu setzen. Wer von uns war beispielsweise nicht im Schüleraustausch in anderen Städten – ob das in Paris war oder woanders?

[Mleczkowski (FDP): Ich!]

Dem einen oder anderen war es vergönnt, und ich denke, das war eine hervorragende Grundlage, um auch später seine Leidenschaft für bestimmte Ecken Europas zu entdecken. Genau diese Rolle muss Berlin auch spielen.

[Wieland (Grüne): Diese Debatte fördert die Flucht aus Berlin! – Heiterkeit]

Weshalb diese Debatte die Flucht aus Berlin befördert, verstehe ich nicht,

[Wieland (Grüne): Weil hier alle weglaufen!]

denn die Zahlen sprechen für sich. Es kommen genug nach Berlin, Herr Wieland, Gott sei Dank, die im Übrigen die Stadt offensichtlich positiver als Sie manchmal empfinden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Kommen wir auf die nackten Zahlen, vielleicht wird das Herrn Wieland etwas überzeugen. In der direkten Beziehung mit dem Tourismus geht es immerhin um 66 000 Arbeitsplätze und 4 900 Ausbildungsplätze. Das ist einer der wichtigsten Bereiche für den Ausbildungsmarkt. Dabei handelt es sich sowohl um niedrig als auch höher qualifizierte Ausbildungsplätze, was eine alte Industriestadt wie Berlin mit dem entsprechenden Abbau an Arbeits- und Ausbildungsplätzen ebenfalls braucht.