Protocol of the Session on September 9, 2004

Dagegen weist das Allensbach-Institut seit Jahren auf einen festen inneren Zusammenhang der Werte Patriotismus, Zukunftsbejahung, Optimismus, hohe Arbeitmotivation, Kinder- und Familienfreundlichkeit hin. Umgekehrt: Da, wo Patriotismus keinen hohen Stellenwert hat, ist Optimismus wenig verbreitet, Zukunftsbejahung schwach entwickelt, Arbeitsmotivation deutlich niedriger und die Familienbindung auch viel schwächer. Der Blick ins europäische Ausland bestätigt diesen Befund. Nationen mit ausgeprägtem Patriotismus haben eine deutlich positivere Einstellung zur Zukunft, Optimismus, Arbeitsfreude und – am Beispiel Frankreichs ließe sich das nachweisen – auch eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Unser Land krankt an mangelndem Patriotismus.

[Ah! und Gelächter von der PDS – Liebich (PDS): Sie haben den falschen Tagesordnungspunkt: Nicht 10 Jahre Patriotismus, sondern 10 Jahre Berlin-Bonn-Gesetz ist Thema!]

Deswegen gelingen die Reformen nicht. Das ist meine feste Überzeugung. Darüber können Sie lachen, aber es ist gerade der Osten, der darunter leidet, das sollten Sie von der PDS einmal beherzigen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Unser Land krankt an mangelndem Optimismus,

[Gaebler (SPD): Machen Sie doch einmal einen Antrag dazu!]

deswegen kommt keine Dynamik, kein Aufbruch, kein Ruck zu Stande, keine freudige Übernahme von Verantwortung, und sei es auch nur ein wenig mehr Selbstverantwortung.

[Pewestorff (PDS): Ja, der Patriot muss aufpassen!]

Unser Land krankt an mangelnder Solidarität, Herr Gaebler, die aus Patriotismus erwächst. Deswegen ist die Bereitschaft, den Ostländern oder auch Berlin zu helfen, die so nötig wäre, so schwach entwickelt.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Der Umzug der Bundesregierung, von Botschaften und Verbänden nach Berlin hat nach einer Untersuchung der Prognos AG direkt und indirekt 52 000 Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen. Das ist beachtlich, aber es zeigt, dass die Rolle als Bundeshauptstadt nur ein Teilbeitrag zur Lösung der Wirtschaftsprobleme bringen kann. Mit anderen Worten: Der Regierungsumzug hat Schlimmeres verhindert, aber ein Abgleiten in die wirtschaftliche Stagnation nicht verhindern können. Einen wirtschaftlichen Aufschwung am Standort Berlin hat er erst recht nicht in Gang setzen können.

[Unruhe]

Hoffnungsvollere Erkenntnisse haben Sie, Herr Senator Wolf, uns mit Ihrer müden Rede in Beantwortung dieser Großen Anfrage auch nicht geben können. Auch Sie können die trostlose wirtschaftliche Realität dieser Stadt nicht verdrängen.

Ich habe das alles hier gesagt, weil ich weiß – wie meine Kollegen auch –, dass diese Stadt fünf Jahre nach dem Regierungsumzug und zehn Jahre nach dem BerlinBonn-Gesetz aus eigenen Kräften wirtschaftlich nicht auf die Beine kommen kann, um das zu leisten, was sie für unser Land leisten könnte. Wir brauchen die Hilfe des Bundes und der Länder, um das an Wirtschaftskraft nachrüsten zu können, was wir benötigen, um dauerhaft wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen zu können. Wir brau

Wir sind zu klein heute im weltweiten Wettbewerb, wir dürfen unsere Kräfte nicht verzetteln. Die Bündelung muss der föderalen, dezentralen Struktur keinen Abbruch tun, es wird diese mittel- und langfristig wieder stärken. Dieser Gedanke muss in die Föderalismusdiskussion eingeführt werden.

Wir brauchen daher einen Senat, einen Regierenden Bürgermeister, der die Aufgabe entschlossen anpackt, für eine solche Rolle Berlins in Deutschland zu werben.

Wenn ihn das überfordert, dann muss er den Weg frei machen für einen Senat, der das tut,

chen Investitionen, öffentliche und private, um die wirtschaftliche Basis wieder zu bekommen, die wir einst hatten. Wir brauchen die nationale Solidarität, weil wir in Berlin unsere wirtschaftliche Misere nur zum Teil selbst verschuldet haben.

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS) – Unruhe]

Der Kollege Krug hat das eben schon angesprochen und den Bundespräsidenten dazu zitiert.

Wir brauchen diese Solidarität, weil sich gezeigt hat, dass die Blütenträume, die Anfang der 90er Jahre bestanden, sind zerstoben. Wir sind von einer Megametropole in Deutschland – wie manche Befürchtungen lauteten – weit entfernt. Acht Jahre realer Wirtschaftsrückgang sind die Realität. Berlin ist heute, was Wachstum anbetrifft, zusammen mit einer tschechischen Region das Schlusslicht in Europa.

Doch wir brauchen die nationale Solidarität auch, weil wir diesem Land etwas zu bieten hätten, was es lange entbehrt hat und was es heute dringlicher braucht denn je: eine echte Metropole, in der die Kräfte des Landes sich bündeln können, in der neue Entwicklungen angeregt und angestoßen werden. Das Stichwort „Laboratorium der Moderne“ ist gefallen. Wir brauchen eine Metropole, in der sich die Initiativen von Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik vernetzen, Synergien bilden, Innovationen schaffen, Wachstum kreieren.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Hoffmann (CDU)]

Das alles hat diese Stadt Berlin einstmals geleistet. Sie hat wesentlich zum Fortschritt unseres Landes beigetragen. Nach 1870, um die Jahrhundertwende bis in die 20er Jahre hat sie wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen in diesem Land angestoßen, von denen wir in Deutschland noch heute zehren. Sie hat Institutionen und Unternehmen, die in Berlin entstanden und gewachsen sind, nach dem Zweiten Weltkrieg an andere Bundesländer abgegeben. Die Großbanken, die in Berlin gegründet worden sind, wären beispielhaft zu nennen; Unternehmen wie Siemens und andere, die ihre Sitze in die westlichen Bundesländer verlagert haben. Wir halten in Deutschland zu Recht viel vom Föderalismus, von der dezentralen Struktur, aber der Beitrag, den die Metropole Berlin für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands geleistet hat, wird kaum erwähnt. Viele wissen nicht einmal darum. Berlin müsste mit diesem Pfund seiner einst realen und jetzt wieder möglichen wirtschaftlichen Funktion für Deutschland doch wuchern.

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Es müsste dafür werben. Ja, wir können uns einen Senat, der bei der Aufgabe versagt, für Berlin und die künftige Rolle der Stadt zu werben, nicht länger leisten. Der Senat müsste Verständnis und Unterstützung für diese Funktion Berlins wecken, denn unser Land ist „in die Jahre gekommen“,

[Gelächter bei der PDS]

was die Dynamik und das Wirtschaftswachstum angeht. Wir bleiben zurück in Europa. Wir bräuchten heute ein Kraftzentrum, das die Entwicklung wieder in Gang setzt.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Das kann eine Hauptstadtmetropole sein, die die Kräfte bündelt.

[Hoffmann (CDU): Das kann doch kein roter Senat leisten!]

[Doering (PDS): Dr. Lindner!]

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

denn es ist von existentieller Bedeutung für unsere Stadt.

Aber es muss noch mehr geleistet werden. Die Werbung ist das Eine, die richtige Politik für den Standort das Andere. Die Standortbedingungen müssen sich verbessern, denn da liegt vieles im Argen. Misserfolge, Wegzug von Unternehmen, fehlende Ansiedlung neuer Unternehmen, das ist alles nur zu bekannt. Es stimmt eben vieles nicht am Standort Berlin, und es gibt viele Fehler, die vermeidbar wären.

[Zuruf von Bm Wolf]

Nicht alle, aber manche, Herr Senator Wolf! – So steht sich Berlin oft selbst im Weg durch ideologische Borniertheit, durch bleierne Bürokratie und provinzielle Arroganz gegenüber Investoren.

[Beifall bei der FDP]

Als Beispiel dafür, wie in Berlin mit ansiedlungswilligen Institutionen umgegangen wird, könnte ich den geplanten Umzug des BND herausheben: Eine Kakophonie von Parteien, Bezirken und Bürokraten schlägt dem BND entgegen!

Die Verkehrspolitik, der produzierte Stau, wäre als nächstes zu erwähnen.

[Beifall bei der FDP]

Nehmen wir die mangelnde verkehrliche Anbindung des Potsdamer Platzes: Reden Sie einmal mit Daimler-BenzManagern, wie die darüber denken! Die Schließung des Flughafens Tempelhof bietet jedoch das beste Beispiel der wirtschaftsfeindlichen Arroganz unserer Stadt. Der

Eine Beratung ist nicht mehr gewünscht. Der Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfiehlt mehrheitlich gegen die FDP bei Enthaltung der Grünen die Annahme in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 15/3095 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das waren die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das ist die FDP. Enthaltungen? – CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Eine Beratung ist nicht mehr gewünscht. Der Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie empfiehlt mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Annahme in neuer Fassung. Wer so gemäß Drucksache 15/3108 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das waren die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! –Das waren alle Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen.

Senat leistet diese Hausaufgaben nicht; er schafft es nicht, für bessere Standortqualitäten zu sorgen, wo er es könnte.

[Zurufe von der PDS]

Und weil das so ist, möchte ich mich zum Schluss an die Bundesregierung wenden. Nach zehn Jahren BonnBerlin-Gesetz ist es der Stadt Bonn gelungen, wirtschaftlich den Wegzug eines Teils der Bundesregierung und des Bundestages nicht nur zu kompensieren, sondern noch mehr Arbeitsplätze als vorher vorhanden zu schaffen. Bonn steht besser da als vor dem Umzug! Berlin dagegen ist auf dem Niveau von 1991 stehen geblieben. Berlin benötigt daher Hilfe zur Selbsthilfe. Dazu zählt ein stärkeres Bekenntnis der Bundesregierung zur Bundeshauptstadt.

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Herr Ratzmann, das unterscheidet uns! – Es ist jetzt an der Zeit, die gesamte Bundesregierung nach Berlin zu holen.

[Beifall bei der FDP]

Es ist aus Kostengründen und aus organisatorischen Gründen geboten. Vor allem aber ist es erforderlich, um zu demonstrieren, dass in Berlin der Gesamtstaat Deutschland in seinen Kräften gebündelt repräsentiert wird.