Protocol of the Session on September 9, 2004

Dem haben Sie schon teilweise die Geschäftsgrundlage entzogen, indem Sie vor kurzem erklärten, es gebe keinen Nachtragshaushalt.

[Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Das ist ein völlig klarer Bruch der Geschäftsgrundlage.

[Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Selbstverständlich sind da brauchbare Vorschläge drin. Es könnten auch noch mehr Vorschläge drin sein – ich komme gleich darauf –, und ich bin guter Hoffnung, dass wir noch einen Teil hineinbekommen. Aber wenn Sie jetzt schon erklären, dass es sowieso keinen Nachtragshaushalt gibt, erklären Sie auch, was sie selbst davon – zumindest in Teilen – halten. Da hat Herr Eßer Recht: Das, was Sie von vornherein – schon vor der Einsetzung – an Desinteresse geäußert haben, zieht sich konkret in der Frage „Nachtragshaushalt – ja oder nein?“ weiter durch. Sie wollen das nicht.

[Liebich (PDS): Was habe ich denn verhindert?]

Sie interessiert das nicht. Sie wollen im Ergebnis weiterwursteln wie bisher.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Brauer (PDS): Haben Sie Visionen?]

Herr Liebich, da gebe ich wiederum Ihnen Recht: Jede Fraktion hat das Recht, im Zwischenbericht klarzumachen, wo man unterschiedlicher Meinung ist.

Das ist also keine technische Frage. Wir müssen vielmehr abkehren von dem Gedanken, jeden kleinen Einzelfall des täglichen Lebens in abstrakt-generelle Normen zu gießen. Insofern war das Beispiel des Kollegen Ritzmann mit dem Schrot schon richtig: Lieber Gott im Himmel! Es wird seit mehreren Hundert Jahren mit Schrot geschossen. Meine Güte! Muss man da gleich wieder eine Vorschrift

machen? Muss man bei jeder Zigarette, die irgendwo geraucht wird, eine Vorschrift machen?

Da scheiden sich die Geister. Da muss man die innere Bereitschaft haben, auch einmal die eine oder andere Sache zuzulassen, die einem vielleicht nicht gefällt und die vielleicht nicht optimal ist. Man muss Abstand davon nehmen, jede Kleinigkeit zu regeln.

Wenn wir hierbei keinen Mentalitätswechsel erreichen und glauben, wir könnten das Leben wasserdicht machen – das ist nämlich die zweite Sache: Die absolute Sicherheit für jede Lebenslage, die den Leuten vorschwebt!

Frau Klotz! Eine letzte Bitte habe ich noch an Sie: Es wäre ganz angenehm, wenn wir den Referenten, die auf eigene Kosten anreisen – und das ist mehr ein Appell an das Haus –, vielleicht ein Glas Wasser zur Verfügung stellen könnten. Das müsste doch auch in Berlin noch drin sein, dass man Leuten, die auf eigene Kosten lange anreisen, ein Gläschen Wasser hinstellt.

[Liebich (PDS): Sie drücken sich davor! – Doering (PDS): Nicht schwadronieren, konkret werden!]

Wir haben – konkret, selbstverständlich – das schriftlich verteilt. Das müssen Sie sich einmal geben lassen, Herr Zwischenrufer von der linken Seite! Wir haben klargemacht, wo wir Unterschiede setzen. Das betrifft die Frage zusätzlicher Steuern. Was Sie Einnahmengenerierung nennen, City-Taxe und Ähnliches, das kommt für uns überhaupt nicht in Betracht.

[Abg. Liebich (PDS) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Liebich?

[Doering (PDS): Da müsste man ja konkret werden!]

Zweitens: In der Frage der Landesbeteiligungen wünschen wir uns eine klare Hereinnahme der Beweislastumkehr, die schon die Scholz-Kommission vorgeschlagen hat. Der heutige Vormittag – so, wie Sie sich, Herr Gaebler, und Sie von der PDS – –

[Doering (PDS): Matuschek!]

Frau Matuschek! Genau! – Wie Sie sich in der Frage der BVG positioniert haben, zeigt uns, wie wichtig es ist, die Beweislastumkehr hereinzunehmen. Sie halten weiter an den Staatsmonopolen fest wie eh und je! Deswegen kommen wir hierbei nur weiter und auch zu konkreten haushaltswirksamen Ergebnissen, wenn wir zu einer Umkehr der Beweislast kommen, so dass der Staat nachweisen muss, dass er es besser oder zumindest gleich gut kann wie ein Unternehmen der Privatwirtschaft.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Lassen Sie mich zum Schluss noch das Thema Bürokratieabbau darstellen, denn das ist der Schlüssel und die zentrale Frage.

[Liebich (PDS): Wo ist jetzt der Vorschlag, den ich verhindert habe?]

Es ist richtig – und damit wende ich mich auch an die CDU wegen der heutigen Anträge –: Das ist keine technisch zu lösende Frage. Selbst wenn man alle Vorschriften abschaffte, hätten Sie das durch automatische Begründungen – Sie kennen das durch die Begründungen jetzt im Haushalt, nach unserer Klage und dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs – bzw. durch Pauschalbegründungen wieder hineingenommen. Es muss vielmehr zu einem Mentalitätswechsel kommen.

[Zurufe von der PDS]

[Zurufe von der PDS]

Herr Kollege Lindner, Ihre Redezeit ist leider gänzlich vorbei!

[Pewestorff (PDS): Endlich!]

Ja! – Wenn wir davon nicht herunterkommen, kommen wir nicht weiter.

[Gaebler (SPD): Bringen Sie ihnen doch eins mit! – Weitere Zurufe von der SPD und der PDS]

Dann werden wir sicherlich zu einem noch besseren Ergebnis kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Zurufe – Unruhe]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Jedenfalls deute ich die Unruhe nicht als Wortmeldung. Die Besprechung des Zwischenberichts ist damit abgeschlossen. – Ich mache ein Pause, damit Sie meinen Worten folgen können.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

Große Anfrage

10 Jahre Berlin-Bonn-Gesetz: eine Bestandsaufnahme der sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Regierungsumzuges

Große Anfrage der SPD und der PDS Drs 15/2683

Zur Begründung der Großen Anfrage hat nun die Fraktion der PDS das Wort mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. – Bitte schön, Herr Krüger!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In regelmäßigen Abständen mahnen

Krüger, Marian

Die Debatte, welche nationalen Aufgaben die Bundeshauptstadt wahrnehmen soll, hat einen neuen Auftrieb erhalten insbesondere durch die Überlegungen und Vorschläge der deutschen Nationalstiftung und durch die ehrenwerte Initiative des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, den Status von Berlin im Rahmen der Arbeit der Föderalismuskommission neu zu regeln. Auch wenn hier noch einige Fragen strittig sind, zeichnet sich doch ab, dass das bisherige Regelwerk, das neben dem Berlin-Bonn-Gesetz vor allem aus zahlreichen bilateralen Verträgen zwischen dem Bund und Berlin besteht, durch eine neue gesetzliche Regelung ersetzt wird. Zumindest gibt es zwischen den beiden Koalitionsparteien und den Grünen eine substantielle Übereinstimmung, und dabei möchte ich an das Thesenpapier des Kollegen Ratzmann und der Frau Bundesministerin Künast erinnern.

Die CDU scheint im Kern die alte Linie der Finanzierungsmethoden aus der Ära Kohl-Diepgen weiterführen zu wollen. Ich kenne das Gefühl, dass nicht alles schlecht gewesen ist, aber wir brauchen jetzt neue Regelungen.

Die prekäre finanzielle Lage der Stadt Berlin war für die deutsche Nationalstiftung Anlass, Ende vergangenen Jahres eine viel beachtete Studie mit dem Titel „Berlin – was ist uns die Hauptstadt wert?“ herauszugeben. Wenn im Hinblick auf den Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters häufig davon die Rede ist, dass Berlin darauf verzichten sollte, allzu offen über Geld zu reden, dann kann ich nur auf die Wortmeldungen von Helmut Schmidt, Kurt Biedenkopf, Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen in dieser Studie verweisen – das ist, denke ich, Begründung genug, 200 Seiten Begründung für den Vorschlag von Klaus Wowereit!

Politiker aller Parteien eine Debatte über den Sinn der Hauptstadt an. Zu den Merkwürdigkeiten dieser Debatte zählt unzweifelhaft der Umstand, dass kaum jemand zu beachten scheint, dass die Sinnfrage in gewisser Weise bereits geklärt worden ist. Im Berlin-Bonn-Gesetz heißt es dazu:

Der Bund unterstützt das Land Berlin bei den ihm vom Bund zur Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Repräsentation übertragenen Aufgaben.