Protocol of the Session on August 26, 2004

Das war die unterste Kategorie, was Sie geboten haben. Sie beschimpfen denjenigen, der die Missstände aufzeigt, anstatt sich darum zu kümmern, welche Missstände auf Senatsseite herrschen.

[Beifall bei der CDU]

Die Staatsanwaltschaft wirft diesen Senatoren vor, Gelder in Millionenhöhe veruntreut zu haben. Kommen Sie nächsten Montag mit zu den Hartz-Demonstranten und erklären Sie den Menschen, die um ihre Sozialleistungen kämpfen, worum es hier geht!

[Zurufe von der SPD und der PDS]

Weder Herr Lederer noch Herr Felgentreu – – Ich verstehe, dass Ihnen das peinlich ist, aber Sie werden es anhören müssen.

[Zurufe von der SPD und der PDS]

Nun beruhigen Sie sich! – Herr Lederer! Herr Felgentreu! Sie haben das System, das Prinzip der Gewaltenteilung nicht verstanden. Sie haben nicht begriffen, dass es nicht die Staatsanwaltschaft ist, die Eingriffe vornimmt, sondern ausschließlich die Gerichte. Die Staatsanwaltschaft muss über die Hürde gerichtlicher Entscheidungen. Möchte sie einen Haftbefehl, einen Durchsuchungsbeschluss oder Anklage erheben, braucht sie dafür eine gerichtliche Entscheidung. Von sich aus kann sie das nicht machen. Wenn Sie das nicht wissen, dann gehen Sie zum Kollegen Lorenz, der erklärt Ihnen, wie das funktioniert.

[Gram (CDU): Fragt Gaebler, der kann es noch besser!]

[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der PDS]

Ich nutze die Rederunde deshalb dafür, um noch einmal auf den Kollegen Lindner einzugehen. Herr Lindner! Sie haben akribisch die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters verfolgt. Ich habe Ihre Äußerungen auch genau verfolgt, Herr Lindner. Dabei ist mir aufgefallen, dass Sie sich selbst heute einen kleinen Heiligenschein aufgesetzt haben. Sie haben vorhin gesagt, Sie seien total zurückhaltend gewesen in ihren öffentlichen Äußerungen. Ich kann mich daran erinnern, dass der Kollege Lindner irgendwann gesagt hat: Wenn Anklage erhoben wird – er hat sich nicht darüber ausgelassen, ob das passiert, nein, man hat ja keinen Habitus, keine Körpersprache, keine Subtexte! –, aber wenn Anklage erhoben wird, dann erwartet er den Rücktritt des Finanzsenators. – Ich weiß auch deshalb genau, dass er dies gesagt hat, weil er gleichzeitig hinzugefügt hat, dass er das sehr bedauern würde. – Herr Kollege Lindner! Wie es auch immer ist, wir sollten es jetzt langsam dabei bewenden lassen. Machen wir einen Punkt und lassen Sie die Heuchelei. Ziehen Sie Ihre Anträge zurück. Es wird hier sonst wirklich oberalbern.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Gibt es von der FDP-Fraktion eine Wortmeldung? – Das Wort hat der Herr Kollege Dr. Lindner. – Bitte schön!

Da wird peinlich darauf geachtet, dass jede Vermischung des politischen Amtes mit der Aufsicht über eine darunter stehende Behörde nicht durcheinander gebracht, sondern klar getrennt wird. Die politische Leitung hat sich in solchen Fragen äußerst zurückzuhalten. Vor allen Dingen dann, wenn es um die eigenen Kabinettskollegen geht, insbesondere dann, wenn sie der eigenen Partei angehören. Was in anderen Ländern längst üblich ist, muss auch in Berlin üblich werden. Deshalb fordere ich Sie auf: Enthalten Sie sich jeglicher Kommentierung der Arbeit der Justiz in Berlin. – Herzlichen Dank!

Schönen Dank, Herr Dr. Lindner!

Jetzt kommen wir zur Abstimmung. Diese ist namentlich beantragt. Ich bitte Sie nachzusehen, ob Sie Ihre Karten haben und das Licht leuchtet. Hatten alle Gelegenheit, die Karte einzustecken? – Noch nicht. Es werden noch Karten als Ersatzkarten ausgegeben. Ich bitte noch ein wenig um Geduld. Wir starten die Namentliche Abstimmung

Herr Regierender Bürgermeister! Das Bemerkenswerte an Ihren Ausführungen ist gewesen, dass Sie von Angeschuldigten gesprochen haben.

[Zuruf von der FDP: Vielleicht weiß er mehr?]

Angeschuldigt ist man dann, wenn Anklage erhoben ist. Vorher ist man „beschuldigt“, das wissen Sie, Sie sind Jurist.

[Zurufe von der SPD und der PDS]

Das Entscheidende – und diesen Unterschied müssen wir schon noch herausarbeiten – ist: Sie sagten einerseits, es sei juristisch nicht haltbar, und auch nach einer Anklage bleibe der entsprechende Senator im Amt. – Das ist problematisch. „Juristisch nicht haltbar“, damit nehmen Sie eindeutig eine nicht politische, sondern rechtliche Bewertung vor. Diese steigern Sie dadurch, dass Sie sagen, auch nach einer Anklage blieben die betroffenen Personen im Amt. Es ist allgemein in Deutschland so üblich, dass die entsprechenden Damen und Herren aus dem Amt scheiden, wenn Anklagen gegen sie zugelassen sind.

[Liebich (PDS): Lambsdorff!]

Natürlich, auch Graf Lambsdorff ist dann aus dem Amt geschieden. Wenn man dann in diesem Kontext sagt: Auch wenn es sich um einen Angeklagten handelt, bleibt er im Amt. – Damit attestiert man selbstverständlich gleichzeitig der Justiz, dass sie in diesem Fall völlig daneben liegt und dass man selbst Recht hat, und zwar juristisch, denn Sie haben gesagt, es sei juristisch nicht haltbar. Das ist in der Tat ein völlig anderer Vorgang, als wenn Sie sich politisch vor Ihre Senatoren stellten, was Sie selbstverständlich können. Das ist ein riesiger Unterschied. Das wissen Sie auch. Da sind Sie eindeutig zu weit gegangen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie können jederzeit sagen, dass Sie sich hinter Ihre Senatoren stellen und dass Sie im Übrigen auf die Justiz vertrauen, dass die Dinge ihren Gang nehmen. Dann wäre die Sache erledigt. Ansonsten haben Sie sich nicht an Spekulationen zu beteiligen nach dem Motto: Was passiert, wenn. – Die Opposition kann das tun. Wir können sagen: Wenn er verurteilt wird, muss er entlassen werden. – Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich habe vorhin gesagt, dass wir nicht den Rücktritt gefordert haben, solange nicht Anklage erhoben ist. Dabei bleibe ich auch.

Wenn Sie sich jedoch anschauen, was jüngst passiert ist: Da ist eine Justizministerin in Baden-Württemberg, die meiner Partei angehört, zurückgetreten, weil ihr der Vorwurf gemacht worden ist, dass sie an dem Tag, als dem Kabinettskollegen Döring zugestellt wurde, dass gegen ihn ermittelt werde, ihn angerufen und ihm dies mitgeteilt hat. Eine Sache, die am selben Tag diesem Minister offiziell mitgeteilt worden ist. Allein dies reichte aus, dass die Kollegin Werwigk zurückgetreten ist.

[Zuruf von der PDS]

Daran können Sie erkennen, wo der Maßstab in anderen Bundesländern liegt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

[Gongzeichen]

Ich bitte darum, die Meinung abzugeben! – Hatten alle die Gelegenheit? – Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung.

[Gongzeichen]

Wir schauen das Ergebnis an: Mit Ja haben 56 gestimmt, mit Nein 73, eine Enthaltung, ohne Abgabe vier. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu den lfd. Nrn. 52 und 53, die bereits durch die Konsensliste erledigt sind.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses findet am Montag, dem 30. August 2004, um 9.00 Uhr, statt. Die Einladung hierzu haben Sie bereits erhalten. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg. Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 19.41 Uhr]

Namentliche Abstimmung

Dringlicher Antrag

Missbilligung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit

Drs 15/3105 –

Fraktion der SPD

Dr. Arndt, Michael nein

Böger, Klaus nein

Borsky-Tausch, Karla nein

Buchholz, Daniel nein

Dr. Felgentreu, Fritz nein

Fischer, Heidemarie nein

Dr. Flemming, Bert nein

Flesch, Kirsten nein