Protocol of the Session on June 17, 2004

Beschlussempfehlung StadtUm Drs 15/2814 Antrag der FDP Drs 15/1742

d) Bericht

Bericht des Sonderausschusses zur Tarifkalkulation bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) zum sog. Kalkulationsirrtum bei der Berechnung der Straßenreinigungsgebühren

Bericht Drs 15/2754

e) Antrag

Aus den Erkenntnissen des Sonderausschusses „BSR“ lernen: Müllentsorgung in Berlin reformieren!

Antrag der FDP Drs 15/2760

f) Antrag

Schruoffeneger

BSR-Gebührenskandal muss ein Einzelfall bleiben: Gesetz über Gebühren und Beiträge modernisieren!

Antrag der CDU Drs 15/2870

Diese Vorgänge wurden mehrfach vertagt oder nicht auf die Tagesordnung genommen. Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der einzelnen Artikel miteinander zu verbinden, und höre dazu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschriften und die Einleitungen sowie die jeweiligen Artikel der Drucksachen 15/1320, 15/2241 und 15/1742. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 10 Minuten bei freier Aufteilung auf maximal zwei Redebeiträge zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. – Bitte sehr, Herr von Lüdeke hat das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlass unserer Debatte ist der Bericht des Sonderausschusses BSR, den ich als Ausschussvorsitzender dem Präsidenten übermittelt habe. Ich möchte aus diesem Anlass zunächst noch einmal kurz meine Rolle als Ausschussvorsitzender einnehmen und Ihnen kurz von der Arbeit des Sonderausschusses BSR berichten.

Ich rufe in Erinnerung, dass der Einsetzungsbeschluss des Abgeordnetenhauses vom Februar 2003 stammt. Der Ausschuss konstituierte sich am 31. März 2003. Er hatte insgesamt 11 Sitzungen, teilweise öffentlich, teilweise nichtöffentlich. Am 22. März dieses Jahres haben wir den Bericht verabschiedet. Anlass für die Einsetzung des Sonderausschusses – Sie erinnern sich alle – war der sogenannte Gebührenskandal, der Ende 2002 bekannt geworden ist. Es ging dabei um die fehlerhaften Entgeltabrechnungen der Straßenreinigung für die Jahre 1999 bis 2000 und 2001 sowie 2002.

Es stellte sich die Frage, ob das Unternehmen BSR korrekt geführt wurde, da zunächst durch Medienberichterstattung und später durch Unterrichtung der Senatsverwaltung bekannt wurde, der Rechnungsfehler bei der Straßenreinigungsgebühr sei für die Tarifperiode 2001/2002 vorsätzlich fortgeführt worden. Zudem standen Fragen der Abfallentsorgungsplanung ab 2005 auf der Tagesordnung.

Der Untersuchungsauftrag bezog sich konkret auf folgende Sachverhalte, die Ursachen der fehlerhaften Tarifkalkulation und die Möglichkeiten der Rückerstattung der überhöhten Entgelte an die betroffenen Bürger, auf die Korrektheit der Berechnung der Höhe der Rückstellungen der BSR für Deponiesanierung, auf die Frage, ob Quersubventionierung des Monopolbereichs der BSR durch die gewerblichen Aktivitäten der BSR stattfinden, auf die Auswirkungen der genannten Sachverhalte und die diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse auf Stabilität und Zukunftsfähigkeit der BSR. Die Auswirkung der geplanten Abfallanlagen, der Ausschreibung einzelner Abfall

fraktionen auf die Gebührenhöhe war der letzte Punkt der Untersuchung.

Wir hatten eine Reihe von Anhörungen und Befragungen. Wir hatten die Senatsverwaltung und die BSRVorstände zu Gast. Wir hatten ein intensives Studium bereitgestellter Unterlagen zu erfüllen. Dabei hat es uns insbesondere die BSR durch zögerliche Herausgabe von Unterlagen und die fast schon grundsätzliche Vertraulichkeitseinstufung dieser Unterlagen nicht gerade leicht gemacht. Während der Ausschussberatung zeigten sich die Ausschussmitglieder ungeachtet der Fraktionszugehörigkeit oft kritisch gegenüber den Einlassungen der Befragten und haben auf diese Weise zum Erkenntnisgewinn des Ausschusses allseitig beigetragen.

Insofern ist es ein wenig schade, dass bei der Schlussabstimmung über den Ausschussbericht die den Ausschuss bestimmende politische Mehrheit vieles von dem, was an Erkenntnisgewinn gewonnen oder zumindest zweifelhaft war, keinen Niederschlag finden konnte. Wir müssen feststellen, dass der Ausschussbericht nur begrenzte Aussagefähigkeit hat, weil wir – wie ich schon anfangs erwähnte – eben von öffentlichen und nichtöffentlichen Sitzungen und von einer Vielzahl vertraulicher Unterlagen bestimmt waren, die wir im Ausschussbericht nicht erwähnen konnten. Daher können im Bericht manche Andeutungen, die gemacht werden, aus Geheimschutzerwägungen nicht herausgestellt werden.

Insofern kann im Wesentlichen nur Folgendes festgestellt werden, was ich Ihnen verkürzt wiedergeben möchte, da Ihnen der Bericht bereits seit längerem vorliegt und auch Gegenstand von Pressekonferenzen und Presseberichterstattungen war: Bei der Tarifkalkulation sind bezüglich der Definition und der betriebswirtschaftlichen Grundlagen einige Reformen durchzuführen. Die Aussagen der Vorstandsmitglieder zur Frage nach dem Zeitpunkt der Information über die fehlerhaften Entgeltberechnungen oder gar eine Billigung der Fortsetzung waren widersprüchlich. Deshalb muss die BSR aus unserer Sicht ihre Kommunikation deutlich verbessern.

Die tatsächlich erforderliche Höhe der Deponierückstellung kann der Ausschuss nicht qualitativ bewerten. Es wird auf ein Gutachten verwiesen, das im Sommer dieses Jahres veröffentlicht werden soll. Es gab widersprüchliche Aussagen zur Existenz einer Quersubventionierung von denjenigen Anzuhörenden, die nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, dem Ausschuss keine Auskunft zu erteilen. Der Ausschuss kann diese Frage nicht abschließend beurteilen. Bezüglich der Stabilität und Zukunftsfähigkeit der BSR vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass der durch die Rückzahlung der überhöhten Gebühren entstandene Schaden von 66 Millionen € die wirtschaftliche Stabilität der BSR nicht gefährdet.

Die BSR hat zu den Ausschreibungsverfahren zur Abfallbeseitigung, die während der Arbeit des Ausschusses noch liefen, keine Aussagen gemacht. Die Ausschrei

Vizepräsident Dr. Stölzl

bungsunterlagen konnten im Datenraum jedoch eingesehen werden. Der Informationsgewinn stellte sich gerade hier als äußerst schwierig dar. Die im Ausschuss vertretenen Fraktionen waren unterschiedlicher Auffassung darüber, inwieweit die Vorgaben des Ausschreibungsbeschlusses des Abgeordnetenhauses vom 27. März 2003 tatsächlich umgesetzt wurden. Die Parlamentskontrolle der Eigenbetriebe und der Anstalten des öffentlichen Rechts soll gestärkt werden, um die Transparenz der Wirtschaftsführung dieser Betriebe zu erhöhen. Die Verwaltung soll ihre Aufsichtspflichten künftig intensiver wahrnehmen.

Ich hoffe, dass der Bericht des Ausschusses dem einen oder anderen in dieser Stadt einen Erkenntnisgewinn verschafft. Zum Abschluss möchte ich noch allen Mitgliedern des Ausschusses, den Mitarbeitern in der Verwaltung des Abgeordnetenhauses vor allen Dingen und den Fraktionen für die geleistete Arbeit, auf der anderen Seite aber auch den Angehörten für ihr Erscheinen im Ausschuss danken.

Für meine Fraktion möchte ich Folgendes anfügen: Unsere Ursprungsforderung war die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dort hätten wir zielgerichtete Fragen stellen können, und wir sind heute noch davon überzeugt, dass wir damit einen höheren Erkenntniswert erreicht hätten, als wir ihn mit dem Sonderausschuss erreicht haben.

[Beifall bei der FDP]

Auch inhaltlich sieht sich die FDP-Fraktion in der Forderung, mehr Wettbewerb bei Straßenmüll- und Hausmüllentsorgung zuzulassen, durch die Ausschussberatung nur bestärkt. Der Verlauf der Anhörungen hat immer wieder gezeigt, wie BSR und Senatsvertreter sich an manchen Punkten für Fehlentscheidungen verantwortlich machten, sich an anderen Stellen aber immer wieder gegenseitig argumentativ stützten. Dies ist deswegen ein unbefriedigender Zustand, weil der Senat sowohl Auftraggeber für die Leistungen der BSR als auch deren Aufsichtsbehörde ist, gleichzeitig aber durch den Aufsichtsratsvorsitz integraler Bestandteil. Diese Mixtur aus engstem Zusammenwirken von Politik und dem Unternehmen BSR auf der einen Seite und der Monopolsicherung auf der anderen ist das eigentliche Übel. Sie kann wirksam niemals, auch nicht durch Kontrollmechanismen, aufgelöst werden. Unsere Verpflichtung als Abgeordnete muss es sein, den Geldbeutel der Bürger zu schonen. Deshalb unsere Forderung, die allgemein bekannt ist: Weg mit dem Monopol BSR!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege von Lüdeke! – Es folgt die SPD-Fraktion, und die Frau Kollegin Leder hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion ist an erster Stelle festzuhalten, dass sofort nach Bekanntwerden der fehlerhaf

ten Tarifkalkulation der BSR zu keiner Zeit von unserer Seite eine lückenlose Aufklärung, verbunden mit der Benennung der Verantwortlichen, in Frage gestellt wurde. Wir haben immer auf eine schnelle und vollständige Rückzahlung gepocht. Um jedoch diese Aufklärung mit einer zukunftsorientierten Beratung verbinden zu können, haben wir einen Sonderausschuss gefordert. Dieser Position konnte sich die Opposition erst nach einigen Sitzungen anschließen, als wir nämlich im Rahmen von Anhörungen feststellen mussten, dass von den Eingeladenen entweder gar keine oder qualitativ nichts sagende Aussagen zu erwarten waren, da gegen sie Ermittlungsverfahren liefen und sie demzufolge aus Besorgnis einer Strafverfolgung ihren Anspruch auf das Aussageverweigerungsrecht geltend gemacht haben. Selbst der Vorsitzende hat einmal festgestellt: Er fand es nicht besonders gut, „wenn man die Leute im Anschluss an ihre Aussagen mit Strafanträgen konfrontiert.“

In diesem Sonderausschuss wurde sehr viel Zeit auf Diskussionen verwendet, welche Unterlagen die BSR dem Ausschuss vorzulegen hatte, insbesondere nachdem festzustellen war, dass nach der 3. Sitzung Inhalte der nichtöffentlichen Beratung preisgegeben wurden. Nachdem wir uns dann geeinigt hatten, die Langfassung des Cap Gemini Ernst & Young-Gutachtens in den Datenraum zu stellen, hatten Teile der Opposition keinen großen Wunsch mehr nach Leseintensität, die in einem Untersuchungsausschuss sogar noch größer geworden wäre. So konstatierte Herr Wellmann, dass unsere Aufgabe ein politischer Auftrag sei und kein Nachvollziehen irgendwelcher Aktenstücke und keine Oberbuchhaltung dessen, was die BSR gemacht hat.

Großen Raum eingenommen hat auch die zukünftige Abfallpolitik mit dem Verfahren zur Ausschreibung zur Siedlungsabfallentsorgung ab 2005. Wie ist doch damals auf den Senat eingeschlagen worden, nicht wahr, Frau Kubala? Sogar ein Missbilligungsantrag musste herhalten. Und nun, nach der Auswahlentscheidung im Ergebnis der europaweiten Ausschreibung ist die Entsorgungssicherheit des Landes ab dem 1. Juni 2005 gesichert.

[Gaebler (SPD): Typisch Wellmann!]

Als Fazit der gesamten Sonderausschussarbeit ist festzustellen: Der FDP ging es nicht darum – wie von Herrn Lindner am 20. Februar vehement hier angekündigt –, die FDP werde nicht locker lassen, bis alle Geschichten auf den Tisch kommen, und dazu einen Untersuchungsausschuss forderte und die Koalition beschuldigte, in einem Sonderausschuss etwas verbergen zu wollen. Nein! Der FDP ging es darum, den Ausschuss zu instrumentalisieren, um die BSR als landeseigenes Unternehmen zu beschädigen und um, wie überall und ständig wiederholt, nach Privatisierung zu krähen. Hier offenbart sich Ihr gegensätzlicher Standpunkt zu unserer Fraktion, was die Daseinsvorsorge betrifft.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ganz schnell – so wie wir ihn jetzt auch nicht sehen – haben wir festgestellt, wie rapide das Interesse von Herrn

von Lüdeke

Lindner versiegt war und er sich nicht mehr blicken ließ, als er nämlich feststellen musste, das betriebsinterne Informationen so einfach nun doch nicht zu erwerben sind. Dann bemühte sich das beratende Mitglied Herr Schmidt, den nicht immer gerade mit übermäßiger Kompetenz ausgestatteten Vorsitzenden zu unterstützen.

Wir wollen hier festhalten, dass der vom Vorsitzenden zunächst vorgelegte Abschlussbericht von allen Fraktionen in der Luft zerrissen wurde und daraufhin die Koalition einen Entwurf für einen Abschlussbericht vorgelegt hat. Dieser Entwurf enthielt dann wesentlich konkretere Forderungen, viel kritischere Beschreibungen und eine Vielzahl von Arbeitsaufträgen.

[Thiel (FDP): Stimmt doch gar nicht! Das ist doch gar nicht wahr!]

Nicht zu vergessen: Dieser Ausschuss hat dazu geführt, dass die BSR eine neue Geschäftsführung hat. Diese hat in der Zukunft eine große Verantwortung zu tragen und eine starke Herausforderung zu bewältigen. Hoffen wir, dass sie dieser Aufgabe gerecht wird, im Interesse der Berlinerinnen und Berliner und damit der Gebührenzahler und im Interesse der Beschäftigten, ohne deren Motivation eine gute Arbeit nicht möglich ist.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Frau Kollegin Leder! Für eine Kurzintervention hat sich und erhält das Wort der Kollege Schmidt, FDP. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Jetzt muss ich doch ein paar Sachen klarstellen.

Wir waren vollen Mutes in den Sonderausschuss gegangen, das ist richtig. Wir hatten von Anfang an einen Untersuchungsausschuss gefordert, weil uns von Anfang an klar war, dass das Ergebnis dieses Sonderausschusses recht dürftig sein würde. Es ist richtig, wir sind in den Sonderausschuss, zumindest am Anfang, mit großem Elan gegangen, hatte doch die Koalition signalisiert, alle Möglichkeiten, die es in einem Untersuchungsausschuss gebe, könnten wir dort nutzen, zumindest alle, die rechtlich möglich sind. Aber das hat sich dann zum Beispiel in der Diskussion über die Ausschreibungsunterlagen der BSR gezeigt. Da war selbst Herr Gaebler sehr erzürnt, dass wir die BSR so lange bitten mussten, bis überhaupt einige Informationen herüber kamen. Da ist es leicht zu erklären, dass unser Fraktionsvorsitzender dann irgendwann die Geduld verloren hat.

Am Ergebnis des Sonderausschusses, dem Bericht, kann man feststellen, dass Sachverhalte, die offenkundig sind, die auch der Rechnungshof mehrfach kritisiert hat, keinen Eingang gefunden haben. Da fühlen wir uns in unserer Kritik von Anfang an bestätigt, dass dieser Sonderausschuss fragwürdig war und ein Untersuchungsausschuss vielfach weitergeholfen hätte.

Zum Schluss noch ein Punkt, der den Berichtsentwurf Herrn von Lüdekes betrifft. Es kann mir sehr gut vorstellen, welche Kritik seitens der Koalition gekommen wäre, hätten wir diesen Bericht anders abgefasst. Herr von Lüdeke hat sich bewusst dafür entschieden, dem Ausschuss einen neutralen Berichtsentwurf vorzulegen, um ihm den Vorwurf der Parteilichkeit nicht anheften zu können. Die Fraktionen hatten dann die Möglichkeit, diesen Berichtsentwurf mit Änderungsanträgen aufzuwerten. Wenn ich mir ansehe, wie der erste Berichtsentwurf aussah und was die Koalition dann zum Schluss vorgelegt hat, dann kann ich wesentliche Unterschiede nicht erkennen. Die Punkte, die wir als FDP-Fraktion in diesen Bericht eingehen lassen wollten, haben Sie niedergestimmt, obwohl – wie gesagt – sie bereits vom Rechnungshof mehrfach kritisiert worden waren.

Insgesamt muss man festhalten: Dieser Sonderausschuss war in der Arbeit sehr enttäuschend. Ein Untersuchungsausschuss hätte uns vielfach weiter gebracht. Die Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen waren äußerst unzureichend. Das lag nicht nur an der BSR, sondern auch an der Koalition, die viele Sachverhalte von Anfang an blockiert hat. – Vielen Dank!