Protocol of the Session on February 21, 2002

(B) (D)

RBm Wowereit

gerade in Zeiten nach dem 11. September 2001, ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir in Berlin miteinander in dieser Stadt leben. Ich denke gerne zurück an das Friedensgebet, wo sich Menschen aller Religionen der Stadt in beeindruckender Weise versammelt haben, um auf ihre Weise für den Frieden zu beten. Das ist ein Beitrag, der lebensnotwendig ist für diese Stadt.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall der Abgn. Frau Dr. Klotz (Grüne), Wieland (Grüne) und Goetze (CDU)]

Berlin nimmt in der Bundesrepublik eine zentrale Stellung ein, wenn es um die Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte geht. Berlin ist ein Ort des Gedenkens. Das hat mit der wechselhaften Geschichte der Stadt zu tun. Dazu haben viele aktive Berlinerinnen und Berliner beigetragen, indem sie sich beispielsweise für das Holocaust-Mahnmal in der Mitte der Stadt engagiert haben.

[Hahn (FDP): Instrumentalisieren haben lassen!]

Ich wünsche mir, dass es ein Platz wird, zu dem viele Menschen kommen, um der ermordeten Juden Europas zu gedenken und daraus für die Zukunft zu lernen. Ich wünsche mir, dass viele Menschen hingehen und sich ermutigen lassen, sich für das friedliche Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Herkunft in unserer heutigen Gesellschaft zu engagieren.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Viel früher als viele andere Teile der Republik wurde Berlin zu einer Einwanderungsstadt mit allen Chancen, aber auch mit allen Folgeproblemen.

[Zuruf des Abg. Hahn (FDP)]

Emigrantinnen und Emigranten gehören zu Berlin, sie sind Teil dieser Gesellschaft.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Beifall der Abgn. Dr. Steffel (CDU) und Goetze (CDU)]

Wenn die Ausländerbeauftragte ausländischen Berlinern rät, Randbezirke in den Abendstunden zu meiden, dann ist das ein schlimmes Alarmzeichen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wir alle sind gefragt einzuschreiten, wenn anderen Unrecht geschieht. Und weil Gewalt nur von wenigen ausgeht, ist entscheidend, wie die vielen anderen sich verhalten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU und der PDS]

Gleichgültigkeit kann und darf nicht die Antwort sein.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Entschiedenes gemeinsames Einschreiten ist gefragt. „Gesicht zeigen“ bleibt die richtige Losung gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus,

[Wegner (CDU): Und Linksradikalismus!]

Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz.

[Starker Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich danke an dieser Stelle Frau John für ihren langjährigen unermüdlichen Einsatz für die Integration der in Berlin lebenden Einwanderer.

[Allgemeiner Beifall]

Die Ausländerbeauftragte mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist eine wichtige Adresse in Berlin für viele Menschen, die Rat und Hilfe suchen. Der Senat wird ihre Stellung zu einer Beauftragten für Integration und Migration ausbauen.

Das Erlernen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Es ist daher richtig, dass im Entwurf für ein neues Zuwanderungsgesetz der Spracherwerb besonders hervorgehoben wird.

[Zuruf von der FDP: Wer soll das bezahlen?]

Auch aus diesem Grund sage ich ganz klar: Dieses wichtige Gesetz darf nicht zum Wahlkampfthema werden. Eine vernünftige Regelung im Konsens aller Demokraten ist nach wie vor erstrebenswert, und alle parteitaktischen Spielchen sollten bei diesem Gesetz aufhören.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Und gerade Berlin braucht auf seiner demographischen Entwicklung in der Zukunft Zuwanderung, und auch wenn es heute schwer verständlich ist, Menschen ohne Arbeit klarzumachen, dass wir neue Menschen brauchen, die auch hier Arbeitsplätze einnehmen, ist das ein Prozess für die nächste Zeit. Und wir sollten uns ihm rechtzeitig und vernünftig stellen. Dazu gibt es auch keine Alternative, und das ist keine Frage von Parteigrenzen.

Integration heißt nicht nur, Menschen aufzunehmen und ihnen eine Chance in dieser Gesellschaft zu geben. Integration setzt auf beiden Seiten den Willen zur Integration voraus. Grundregeln und Werte des Zusammenlebens zu beachten und einzuhalten, sind unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen der Integration.

Lassen Sie mich auf ein Thema zu sprechen kommen, das vordergründig eins der Stadt ist, aber weit über Berlin hinaus Symbolkraft entfaltet. Es geht um die Gestaltung des Schlossplatzes, um die Gestaltung des Berliner Stadtzentrums und damit der historischen Mitte Berlins. Der Vorschlag der Schlossplatzkommission ist eine gute Grundlage, denn er beschäftigt sich nicht primär – anders als das in der veröffentlichten Meinung immer der Fall ist – mit der Fassade. Der Vorschlag, den Stadtraum zu rekonstruieren, ist ein Weg, um urbanes Leben an diesen geschundenen Ort zurückzubringen. Die Kommission schlägt vor, die Kubatur des Schlosses mit der Rekonstruktion einiger Fassadenelemente aus dem historischen Schloss zu verbinden und ansonsten neuer, moderner Architektur eine Gestaltungsmöglichkeit an diesem hervorgehobenen Ort in der Mitte Berlins zu geben. Dies ist ein Vorschlag, der Diskussion verdient. Und natürlich ist mit diesem Vorschlag die Diskussion noch nicht beendet. Ich danke daher ausdrücklich den Mitgliedern der Kommission für ihre wertvolle, anregende Arbeit. Wir werden in nächster Zeit intensiv darüber beraten und mit allen Beteiligten mögliche Wege sondieren. Und wir werden mit der Bundesregierung das Verfahren auch absprechen müssen. Eins muss erreicht werden, und das ist nicht mehr nur eine Frage allein der Architektur – oder Aufbau der Fassade oder nicht: das, was der Palast der Republik früher in der DDR dargestellt hat, nämlich einen Ort der Begegnung von Menschen unterschiedlichster Struktur, das muss wieder hergestellt werden an diesem wichtigen Ort mitten in Berlin. Und diese Auseinandersetzung müssen wir viel eher führen als die Frage, welche Fassade dort hin kommt.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zurufe von der CDU]

Die diesjährige Berlinale wurde mit Tom Tykwers neuem Film eröffnet.

[Czaja (CDU): Jetzt wissen wir wenigstens, warum die Regierungserklärung verschoben wurde!]

Das Drehbuch ist dem Nachlass von Krysztof Kieslowski entnommen. Tykwer hatte die Wahl zwischen drei Projekten, für die Kieslowski Drehbücher hinterlassen hat: „Fegefeuer“ lautet der eine Titel, „Hölle“ der zweite, aber Tykwer hat sich für „heaven“, also für Himmel entschieden. Manch einem von uns, der sich mit dem Haushalt beschäftigt, mag Berlin wie die Hölle vorkommen. Berlin ist aber mehr als die Summe aller Schulden und Zinsen. Die erfolgreichen Filmfestspiele sind nur ein Symbol für dieses

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

Mehr, für den Glanz, der von Berlin ausgeht. Dieser Glanz ist der richtige Akzent gegen Fatalismus und Verzweiflung. Jammern hilft nicht weiter.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Berlin ist eine Stadt der Gegensätze, nicht fertig, aber offen. Lassen wir uns vom kreativen Klima anregen, das Berlin so schwungvoll macht und in Schwung hält. Lassen wir uns auf die frischen und originellen Ideen ein, die viele Alteingesessene, aber auch neu Hinzugezogene gerade in den Jahren seit der Vereinigung entwickelt haben. Setzen wir auf das Engagement aller Berlinerinnen und Berliner. Setzen wir auf die Idee der einen Stadt, ohne einheitlich zu sein. Setzen wir auf die Idee einer Metropole, die nicht zum Moloch wird. Setzen wir darauf, Hauptstadt zu sein, ohne es ständig behaupten zu müssen. Setzen wir auf die Stärken unserer Stadt. Sie sind unser Kapital.

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Gemäß § 62 Abs. 4 der Geschäftsordnung ist vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses über eine auf die Tagesordnung gesetzte Erklärung des Regierenden Bürgermeisters die Besprechung zu eröffnen, wenn das Abgeordnetenhaus nicht die Vertagung der Besprechung beschließt. Nach dem, was mir bekannt ist, hat Herr Gaebler das Wort zu einem G e s c h ä f t s o r d n u n g s a n t r a g.

[Czaja (CDU): Da fehlt ja nur noch der Bruderkuss! – RBm Wowereit: Er ist im Gegensatz zu euch nicht gefährlich!]

Bitte schön, Herr Gaebler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bisher gute Übung in diesem Hause gewesen, dass die Aussprache zur Regierungserklärung, die ein neuer Regierender Bürgermeister oder eine neue Regierende Bürgermeisterin, die wir leider noch nicht hatten, abgibt, in der nächsten Plenarsitzung besprochen wird. Darüber gab es auch Einigkeit bei fast allen Fraktionen dieses Hauses, bis auf die Fraktion der FDP. Nun kann man das vielleicht dem zugute halten, dass die FDP lange nicht in diesem Parlament vertreten war.

[Frau Senftleben (FDP): Ah ja!]

Deshalb müssen wir jetzt hier aber formal den Antrag stellen, diese B e s p r e c h u n g z u v e r t a g e n. Ich glaube, dass es auch für die Oppositionsfraktionen sinnvoller ist, diese Rede vielleicht noch in Ruhe zu reflektieren

[Unruhe und Gelächter bei der CDU]

und dann in zwei Wochen auch entsprechend fundiert darauf eingehen zu können. Die heutigen Zwischenrufe haben gezeigt, dass das vielleicht spontan nicht immer angemessen möglich ist. Deswegen bitten wir um Vertagung.