Protocol of the Session on February 21, 2002

[Gram (CDU): Dafür schafft ihr die Ehrenamtlichen ab, Herr Wowereit!]

Zur Gewährleistung von Sicherheit gehört Rechtssicherheit.

[Czaja (CDU): Hat man ja gestern gesehen!]

Was nützt es den Menschen, wenn sie Recht haben, aber nicht Recht bekommen? – Auch hier liegt eine Kernaufgabe des Staates. Ziel des Senats ist es, die Berliner Justiz zu modernisieren. Das umfasst die Abläufe, aber auch die Ausstattung. Wir wollen die Justiz zu einem modernen Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger entwickeln.

Sicherheit ist eine Frage sozialer Absicherung. Wer unverschuldet in Not gerät, muss sich auch in Zukunft auf den Staat als Unterstützer verlassen können.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Dafür gehören Hilfen für diejenigen, die sich nicht selbst helfen können. Sicherheit ist eine Frage von Bildungs- und Berufschancen für Jugendliche. In einer Gesellschaft, die über keine Rohstoffe verfügt, wird Bildung zur Schlüsselressource. Bildung entscheidet über individuelle Teilhabechancen in der Gesellschaft. Bildung entscheidet aber auch insgesamt über die Entwicklungsfähigkeit unseres Landes.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vor Jahren gab es einmal die Behauptung, Wirtschaft werde in der Wirtschaft gemacht.

[Pewestorff (PDS): Wer war das doch gleich?]

Manche erinnern sich noch an den Urheber dieser These, ich glaube, er war auch vorübergehend Mitglied dieses Hauses – Herr Lindner, stimmt das? – Diese These ist falsch. Stärkung der Wirtschaftskraft ist eine Kernaufgabe. Dafür gibt 290 000 gute Gründe, 290 000 Menschen in Berlin, die Arbeit suchen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Lindner (FDP): Staatswirtschaft!]

Wir haben die Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese eine Chance bekommen. Dafür werden wir arbeiten!

Wer von Kernaufgaben spricht, muss auch sagen, welche Aufgaben der Staat künftig nicht mehr selbst erledigen sollte. Die Expertenkommission Staatsaufgabenkritik hat dazu sinnvolle und wegweisende Vorschläge unterbreitet. Ich danke allen Mitgliedern für ihre engagierte und kompetente Arbeit!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich hätte vielleicht „Scholz-Kommission“ sagen sollen, damit die CDU auch mitklatscht, aber das darf man nicht mehr sagen.

[Heiterkeit bei der SPD und der PDS]

Die Empfehlungen liegen vor. Jetzt kommt die Phase der Umsetzung. Ich möchte hierzu ein paar Beispiele nennen. Der Senat wird die Übertragung von Kitas an freie Träger konsequent fortsetzen. Wir setzen auf Eigeninitiative gesellschaftlicher Gruppen. Wir werden sicherstellen, dass sich alle Kitas zu wirklichen Bildungseinrichtungen entwickeln, unabhängig davon, ob sie staatlich betrieben werden oder sich in freier Trägerschaft befinden.

Ich möchte noch ein zweites Beispiel anführen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat Konsequenzen aus der rückläufigen Bautätigkeit der öffentlichen Hand gezogen und wird sich künftig bei öffentlichen Bauten auf ihre Bauherrenfunktion beschränken. Damit können mehrere hundert Stellen wegfallen. Das Land gewinnt Spielräume und konzentriert sich auf die Vorgabe von Standards und auf die Kontrolle von Qualität, Kosten und Zeit.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Niedergesäß (CDU): Die macht ihr völlig kaputt!]

Es geht nicht um Staat oder nicht Staat. Das ist eine alte Debatte. Wir wollen Berlin zu einer Modellstadt für ein neues Miteinander von Staat und nichtstaatlichen Akteuren machen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Wansner (CDU): Nicht mit diesem Bausenator!]

An dieser Stelle möchte ich auch über ein Thema sprechen, das zu einer besonderen Belastung für das Land Berlin geworden ist. Es ist die Aufarbeitung der Krise unserer Bankgesellschaft. Zunächst geht es darum, die Bank finanziell abzusichern und gegen Risiken abzuschirmen, die aus unverantwortlichen Geschäften der Vergangenheit resultieren.

Der Senat steht zur Bankgesellschaft. Wir werden gemeinsam mit den Partnern alles tun, um ihre Wettbewerbsfähigkeit am Bankenplatz Deutschland wiederherzustellen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS – Dr. Steffel (CDU): Strieder!]

Ich wundere mich. Diesen Punkt habe ich vorhin bereits angesprochen. – Neben der Verantwortung der Regierung gibt es auch eine Verantwortung der Opposition für dieses Land Berlin. Das ist ein klares Beispiel, bei dem alle zusammenstehen müssten.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Niedergesäß (CDU): Wenig überzeugender Beifall bei der SPD! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist auch nicht zum Klatschen!]

Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen und um Landesvermögen, das wir treuhänderisch für die Berliner verwalten. Es handelt sich hier um eine gemeinsame Aufgabe auch für die Opposition.

[Hoffmann (CDU): Aber durch Handeln und nicht durch schöne Reden! Nicht ist bislang geschehen! – Gram (CDU): Sie sind schon über 6 Monate im Amt!]

Ich finde es interessant, dass gerade Vertreter einer Partei, in der es gestern zwei Festnahmen gegeben hat, aus eigenen Reihen solche Sprüche ablassen! –

[Beifall bei der SPD und der PDS – Henkel (CDU): Sind Sie Regierender Bürgermeister oder Stadtkomiker?]

Das zweite ist die strafrechtliche und zivilrechtliche Aufarbeitung. Dies ist Sache der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichte, die sich mit Akribie und Nachdruck um die Aufklärung der Vorgänge der Bankgesellschaft kümmern. Gestern hat es dazu erste sichtbare Maßnahmen gegeben.

Ich füge hinzu: Es ist wichtig, dass die Justiz verstärkt gegen Wirtschaftskriminalität vorgeht. Filz und Korruption dürfen keine Chance haben.

[Beifall bei der SPD, der PDS und der CDU]

Das Dritte ist die Prüfung und unverzügliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Schuldigen. Auch das ist Sache des Haupteigentümers, des Landes Berlin.

[Wansner (CDU): Strieder!]

Die Verjährungsfristen sind kurz. Der Senat wird daher entschieden die Möglichkeiten des Aktienrechts nutzen. Es darf nicht sein, dass beispielsweise verantwortliche Vorstände ihre Pension oder Abfindung genießen, während der angerichtete Schaden vollständig bei der Allgemeinheit, beim Land Berlin, der Bankgesellschaft und ihren Beschäftigten abgeladen wird.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Herr Gram! Ich finde es richtig, dass Sie in diesem Zusammenhang den Namen Landowsky erwähnt haben.

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

Natürlich kann so der angerichtete Schaden auch nicht annähernd ausgeglichen werden. Schadenersatzforderungen gegenüber Verantwortlichen geltend zu machen ist nicht nur eine haushaltspolitische Pflicht, sondern auch ein Gebot der politischen Gerechtigkeit.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das Prinzip der Verantwortung muss hier gelten. Wir werden alles tun, damit ein Prinzip in dieser Stadt keine Zukunft hat, nach dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Strikte Etatdisziplin, konsequente Ausgabensenkung, Aufgabenkritik und Modernisierung des Staates sind untrennbar miteinander verbunden. Dazu gehört auch, Ansprüche geltend zu machen, von dem Land Schaden abzuhalten. Das sind unsere Aufgaben, für die wir selbst verantwortlich sind. Berlin kann sich nicht am eigenen Schopf aus dem Wasser ziehen. Langfristig werden wir nicht umhin kommen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir werden unsere Eigenverantwortung ernst nehmen. Erst wenn wir uns selbst geholfen haben, werden uns auch andere helfen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir werden – das ist das erste Thema – die bereits laufenden Gespräche mit dem Bund über die spezifischen Belastungen Berlins durch die Hauptstadtfunktionen fortsetzen. Das betrifft den Bereich der Sicherheit, aber auch die Übernahme von Bau-, Ausbau- und Instandhaltungsmaßnahmen für die Infrastruktur. Schließlich betrifft es bestimmte Aufgaben im kulturellen Bereich.

Ein zweites Thema sind Rechtsansprüche Berlins gegenüber dem Bund im Vermögensbereich. Das betrifft zum Beispiel das in Berlin gelegene ehemalige Preußen- und Reichsvermögen, die Rückzahlung von Vorwendeinvestitionen im Bereich der Reichsbahn und den Wertausgleich für kulturell genutzte Grundstücke wie das Jüdische Museum.

Das dritte Thema betrifft die Übernahme von Verpflichtungen aus dem sozialen Wohnungsbau sowie von weiteren teilungsbedingten Verbindlichkeiten. Auch darüber werden wir mit dem Bund verhandeln. Eine baldige Entlastung erwartet der Senat dort, wo der Bund in der Bundeshauptstadt im kulturellen Bereich ausschließlich Kompetenzen hat, diese aber bislang nur teilweise wahrnimmt. Dies betrifft neben der Museumsinsel und der Staatsbibliothek den weiteren Kulturbesitz des ehemaligen Preußen sowie sämtliche nationalen Gedenkstätten in der Bundeshauptstadt.