Ein Gesamtkonzept gegen die Diskriminierung von Frauen in der Privatwirtschaft hatte sich auch die rotgrüne Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode vorgenommen. Mit der nachdrücklichen Unterstützung all derjenigen, die sich dadurch einen Emanzipationsschub für Frauen in Wirtschaft und Arbeit, eine Offensive gegen tradiertes wirtschaftliches Denken und Handeln, für neue Unternehmenskulturen, flache Hierarchien und demokratische Kommunikationszusammenhänge erhofften, sollte ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft auf den Weg gebracht werden.
Eine Win-win-Situation wurde angestrebt. Diese Chance hat die Wirtschaft jedoch als Zumutung betrachtet und nicht genutzt. Sie hat die Verabschiedung eines Gleichstellungsgesetzes verhindert und ist stattdessen unter großem öffentlichen Druck und unter hohem publizistischem Aufwand am 3. Juli 2001 eine Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft mit der Bundesregierung eingegangen. Innerhalb von zwei Jahren sollte es klar messbare Veränderungen geben unter anderem bei der Verankerung von Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit als Unternehmensphilosophie, bei der Förderung der Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als ausdrückliche Aufgabe der Führungskräfte, bei der Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen mit beispielhaft genannten Maßnahmen, in den Angeboten an junge Frauen für zukunftsorientierte Ausbildungsberufe mit beruflichen Perspektiven nach dem Abschluss, der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter mit beispielhafter Aufzählung geeigneter betrieblicher Maßnahmen und bei der Beteiligung der Belegschaft bei der Konzeption und Umsetzung von Zielvorgaben.
Im Januar 2004 wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände die erste Bilanz zur Chancengleichheit vorgestellt. Nach dem großen publizistischen Getöse mit dem halben Bundeskabinett und den Verbandsspitzen bei der Verhinderung des Gesetzes war die Vorstellung der Ergebnisse eher traurig, da reichten eine Parlamentarische Staatssekretärin und die Geschäftsführer der Spitzenverbände.
Der Deutsche Juristinnenbund hat im Februar dazu Stellung genommen. Sein trauriges Fazit war: Noch immer arbeiten Zweidrittel aller Beschäftigten in Betrieben, in denen es weder Vereinbarungen noch freiwillige Maßnahmen zur Chancengleichheit gibt. Als wichtigstes Ergebnis der Bilanz 2003 – und völlig zu Unrecht – werden
flexibilisierte Beschäftigungszeiten mit Familienfreundlichkeit gleichgesetzt und überaus positiv bewertet.
Herausgekommen ist, dass eine Umsetzung der Vereinbarung überwiegend nicht stattgefunden hat. Der in der Bilanz festgestellte sinkende Frauenanteil an den Studierenden, der Widerspruch der hohen beruflichen Qualifikation von Frauen und ihren geringen beruflichen Chancen konnte nicht aufgelöst werden. Dessen Ursache besteht doch genau darin, dass Frauen chancengerechte und diskriminierungsfreie Arbeitsbedingungen verweigert werden.
Die Forderung nach einem effizienten Gleichstellungsgesetz und die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie bleibt für die PDS weiterhin aktuell, damit die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft endlich verwirklicht werden kann.
Wir sind in guter Gesellschaft von vielen Frauenverbänden und -organisationen. Nötig ist ein Umdenken hinsichtlich der Rollenverteilung von Mann und Frau, und nötig sind auch verbindliche Ziele, ein Controlling und gegebenenfalls auch Sanktionsmöglichkeiten im Zusammenwirken von Gleichstellungspolitik und Wirtschaftsförderung, wenn Wirtschaftspolitik steuernd wirksam werden will. Auch dafür tritt die PDS aktiv ein.
Das neue Instrument des Gender-Mainstreaming, das offenbar so schwer auszusprechen ist und das doch so große Wirkung entfalten kann, wurde 1999 mit der Verabschiedung des Amsterdamer Vertrages von Seiten der Europäischen Kommission als Strategie für mehr Chancengleichheit eingeführt. Im Vergleich zu bisherigen Konzepten und Instrumenten ist das Neue am GenderMainstreaming die Möglichkeit, Produkte, Dienstleistungen und Strukturen mit einem systematischen Verfahren überprüfen zu können, ob sie für Männer oder Frauen benachteiligende oder fördernde Wirkungen haben.
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen können von dieser Vorgehensweise profitieren, denn Gender-Mainstreaming kann problemlos in Methoden wie Qualitätsmanagement, Changemanagement oder andere bewährte Prozesse eines Unternehmens integriert werden. Dieser Ansatz hilft zum Beispiel bei der Überprüfung, inwieweit die Berücksichtigung von Chancengleichheit mit den Anforderungen nach stärkerer Flexibilisierung einhergeht. Die Strategie des Gender-Mainstreaming kann Angebotsstrukturen und -zeiten, Kompetenz- und Produktentwicklung sowie Lösungen für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie beeinflussen.
Anders ausgedrückt: Für kleine und mittelständische Unternehmen kann Gender-Mainstreaming zum Motor notwendiger Marktanpassungen werden. Das ist die Empfehlung der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main zur Verbindung von Gleichstellungsförderung und
Unternehmensinnovation und ein gutes Beispiel für eine Win-win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte.
Die Regierungskoalition hat sich in Sachen der Förderung der Chancengleichheit in der Berliner Wirtschaftspolitik viel vorgenommen. Sie betritt auf vielen Gebieten Neuland und ist in der Umsetzung in einigen Teilen bundesweit auch Vorreiterin. Dazu gehören Gender-Projekte in der bezirklichen Wirtschaftsförderung, wie auch das Gendern des Wirtschafts- und Arbeitsmarktberichtes, was ein starkes Umdenken und neue Kommunikationsformen aller Beteiligten in der ebenfalls neuen und bisher einmaligen Verzahnung der Ressorts Wirtschaft, Arbeit und Frauen erfordert.
Wirtschaft und Wirtschaftspolitik werden nicht mehr als geschlechtsneutral angesehen. Neue Erkenntnisse über Mittelverteilung und -nutzung und die Wirkung von Förderprogrammen kann dann zu entsprechenden Schlussfolgerungen und einem neuen Politikansatz führen. Anders als zu früheren Zeiten ist der Bereich Frau und Wirtschaft nicht mehr das kleinste Kapitel im Wirtschaftsbericht, sondern neuer Mittelpunkt und lila Faden der Wirt- schafts-, Arbeitsmarkt- und Frauenpolitik. Das ist eine große Chance und eine große Herausforderung, und die packen wir kräftig an.
Obwohl die schriftliche Beantwortung der Großen Anfrage noch nicht allen vorliegt, möchte ich mich ganz herzlich bei denen bedanken, die daran gearbeitet haben. Es ist ein relativ umfangreiches Werk geworden und für uns eine gute Grundlage, daran weiterzuarbeiten. – Danke schön!
Danke schön, Frau Kollegin Holzheuer-Rothensteiner! – Es schließt sich nun die FDP an. Frau Kollegin Senftleben hat das Wort – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Mein Großvater, geboren 1884, verordnete seinen vier Töchtern einen von ihm ausgewählten Beruf, und er fand auch, das war seine Aufgabe. Meine Eltern ermöglichten ihren zwei Söhnen ein akademisches Studium, wir drei Töchter hatten nach dem Abitur die Wahl zwischen Lehrerin, PTA oder MTA, und auch meine Eltern fanden das ganz normal. Für mich und meinen Mann ist das eben nicht normal und gehört vielmehr zur Normalität, dass wir unseren Töchtern sagen: Macht das, was euch Spaß macht – selbstständig, eigenverantwortlich müsst ihr eure Entscheidung treffen.
Unsere Gesellschaft hat sich enorm gewandelt, und das in drei Generationen: Weg vom Frauenbild „Kinder, Küche, Kirche“ hin zu einer Rollenverteilung zwischen
Männern und Frauen, in der die qualifizierte Berufsausbildung für Frauen selbstverständlich geworden ist. Heute will die Frau an der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabe ebenso partizipieren wie der Mann, und dass sie es kann, hat sie längst bewiesen.
In der heutigen Großen Anfrage geht es um Chancengleichheit in der Wirtschaft und in der Verwaltung. Hier muss mehr getan werden, und es stellt sich die Frage: Wie können wir das erreichen? Durch Gesetze und Verordnungen? Durch staatlich ausgeübten Zwang à la Ausbildungsplatzabgabe, wie sie heute von Rot-Grün im Bundestag diskutiert wird? – Geschätzte Kolleginnen, Sie irren, wenn Sie die Wirtschaft zwingen können, und Sie irren auch, wenn Sie glauben, dass Zwang zum Erfolg führt.
So wie die Wirtschaft sich jetzt gegen die Ausbildungsplatzabgabe wehrt, wird sie gegen verordnete Zwangsmaßnahmen zur Chancengleichheit von Mann und Frau Sturm laufen. Wir müssen also dazu kommen, dass die Wirtschaft zum Partner wird und nicht zum Gegenspieler.
Die Probleme liegen deutlich auf der Hand: Frauen, insbesondere Mütter und die, die es noch werden wollen, werden von dem Unternehmer, dem Arbeitgeber, nicht als Potential angesehen. Zunächst einmal stellen sie ein finanzielles Risiko dar. Wichtig ist deshalb – wie Herr Wolf es vorhin forderte – ein Umdenkungsprozess, und da bin ich optimistisch, denke ich an die Vereinbarung, die die Bundesregierung im Jahr 2001 mit den Wirtschaftsverbänden auf freiwilliger Basis abgeschlossen hat. 2003 wurde Bilanz gezogen.
Wenn wir diese Bilanz durchlesen, erkennen wir sehr deutlich: Das Umdenken in der Privatwirtschaft hat bereits begonnen, dies belegen unzählige Beispiele. Allerdings, gemessen an der Gesamtzahl arbeitender Frauen, gemessen an der hohen Zahl gut ausgebildeter Akademikerinnen ist zum Beispiel der Anteil von Frauen in Führungspositionen marginal – in der Wirtschaft, aber auch in der Berliner Verwaltung.
Hier schauen wir uns einmal – das ist heute schon häufiger gefallen – den Bericht zum Landesgleichstellungsgesetz – LGG – näher an. Dieser ist auch eine Art Bilanz. Wir erkennen dabei, dass auch in der Berliner Verwaltung der Anteil von Frauen in Spitzenpositionen dürftig ist – trotz des LGG, trotz zahlreicher Frauenbeauftragter. Bei der Justizverwaltung haben wir den gleichen Anteil von Männern und Frauen in der Anfangsphase ihrer Karriere. Später ist dies nicht mehr so. Wieso? – Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Der Bericht äußert sich dazu in keiner Weise.
223 Seiten Statistik und Bestandsaufnahme, dabei wird aber noch nicht einmal der Versuch unternommen, die wichtige Frage zu beantworten, woran es denn eigentlich liegt, dass Führungspositionen primär von Männern
eingenommen werden. Der Bericht offenbart einen Senat, der offensichtlich im Dunkeln tappt. Auf dieser Basis des Nichtwissens werden nun Leitlinien zur „Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Berliner Wirtschaftspolitik“ erfasst. Schon dieser Titel ist unglücklich und vielleicht sogar ahnungslos.
Woran liegt es, das Frauen weniger Chancen im Berufsleben haben? Woran liegt es, dass wir zu wenig Frauen in Führungspositionen haben? – Liegt es an den mangelnden Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder in Kita und Krippe? Liegt es daran, dass fast ausschließlich Mütter den Erziehungsurlaub wahrnehmen und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf Mütter begrenzt wird und nicht gleichermaßen auf die Väter? Liegt es an dem geringen Engagement der Wirtschaft oder am geringen Engagement der Verwaltung?
An mangelnden Betreuungsangeboten kann es in Berlin eigentlich nicht liegen. Die Berliner Kita- und Krippenlandschaft ist gut bestellt. Herr Senator Sarrazin, das muss endlich einmal als Standortvorteil deutlich herausgestellt werden. Damit muss man werben. Das darf nicht als Ausstattungsvorteil gegenüber Hamburg abgetan werden.
Zum Erziehungsurlaub: Lediglich 3 % der Väter nehmen ihn wahr. Gesellschaftlich ist er nicht anerkannt. Das Haushaltseinkommen schrumpft. Seine Karriere bekommt einen Knick. Sein Ego leidet. Deswegen wird der Erziehungsurlaub von den wenigsten Vätern akzeptiert.
Zum mangelnden Engagement der Wirtschaft: Es ist richtig, dass nicht alle Unternehmen – vor allem nicht die kleinen und mittleren – Feuer und Flamme sind, wenn es darum geht, Frauen, Mütter und die, die es werden wollen, einzustellen. Aber wen wundert das? – Erstens sind die rosigen Zeiten längst vorbei. Wenn ich mir die Bundesregierung anschaue, müssen wir darauf auch noch länger warten. Zweitens tragen überwiegend die Arbeitgeber die Kosten, beispielsweise beim Mutterschutz, und drittens sollten wir kritisch hinterfragen, ob Schutzbedingungen am Arbeitsplatz in der Form notwendig sind, ob sie vielleicht eher hindern statt fördern.
Wie sieht es mit dem Engagement der Verwaltung aus? – Hier gibt es Nachholbedarf. Wie der vorhin erwähnte Bericht zeigt, müssen wir hier hinderliche Strukturen überprüfen. Und die Frage sei erlaubt: Ist das jetzige LGG wirklich das Nonplusultra, oder müssen wir auch hier mal ein bisschen nachdenken?
Was muss geändert werden? – Das Gleichstellungsgesetz hat für die Verwaltung nicht die erhofften, durchschlagenden Erfolge gebracht, jedenfalls nicht im Hinblick auf die Führungspositionen. Die 223 Seiten Statistik belegen in der Tat, dass sich etwas bewegt hat. Beispielsweise liegt der Anteil der Schulleiterinnen an Grundschu
len bei über 50 %. In den Sonderschulen liegt er sogar bei über 60 %. Aber – schade, dass der Regierende Bürgermeister nicht da ist – im Bereich der Senatskanzlei gibt es keine Abteilungsleiterin. Und das ist nicht gut so.
Hinderlich scheint die Beförderungspraxis in der Verwaltung zu sein. Im öffentlichen Dienst wird eben nach Dienstalter und nicht nach Leistung befördert. Für Frauen, die den Erziehungsurlaub nutzen, ist dies ein eklatanter Nachteil, denn die Frauen wollen loslegen. Sie wollen Leistung zeigen, und deswegen gehört diese Praxis dringend abgeschafft.
Ich komme zur viel gescholtenen – und wahrscheinlich bald zu Zwängen verdonnerten – Privatwirtschaft, die angeblich nichts tut. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die von mir vorhin erwähnte Bilanz von 2003 zur freiwilligen Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden. Thema Weiterbildung: Fortbildungsmaßnahmen für Väter und Mütter gleichermaßen während der Elternzeit sind für einige Industrie- und Handelskammern bereits gang und gäbe. Das wäre, Herr Wolf, auch für Berlin ein praktikabler Vorschlag. Mentoringprogramme, mit deren Hilfe Einsteiger in das Unternehmen integriert werden, sind inzwischen weit verbreitet, um den Anteil an Frauen in Führungsetagen zu erhöhen, und zwar ohne Quote.
Zum Unternehmen Schering, das Sie vorhin erwähnten, Herr Wolf: Es ist richtig, dass Schering das Prädikat erhalten hat, eine besonders familien- und frauenfreundliche Personalführung zu haben. Und wer hat dieses Prädikat vergeben? – Der Verein Total E-Quality. 80 Unternehmen sind daran beteiligt. 1,5 Millionen Arbeitnehmer haben davon profitiert. All das sind nur Beispiele. Sie müssen mehr werden, aber es sind erste wichtige Schritte.
Hieraus wird deutlich, dass Unternehmen das Potential von Frauen erkannt haben. Unternehmen schätzen die sozialen Kompetenzen von Frauen, und sie sind an einer familien- und frauenfreundlichen Personalführung interessiert. Allein in den zwei Jahren, in denen die freiwillige Vereinbarung zwischen Politik und Verbänden besteht, ist eine Menge erreicht worden, und zwar ohne ein Gesetz.
Um zu einer wirklichen Chancengleichheit zu kommen, brauchen wir jedoch mehr: ein anderes Denken in Gesellschaft und Politik. Es liegt nicht allein in der Macht der Berliner Politik, wenn ich meine Vorschläge vorstelle, aber ich denke, Herr Senator Wolf, Sie könnten sie an die Bundesebene weitergeben.
Erster Vorschlag: Wir müssen uns die Frage stellen, ob es weiterhin primär Aufgabe der Arbeitnehmer sein soll, die Kosten während des Mutterschutzes zu übernehmen. Ist es nicht vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die dann auch von der Gesellschaft getragen werden müsste? – Ich finde, ja. Wie sieht es beim Erzie