Protocol of the Session on January 31, 2002

Die vorgesehenen Strukturveränderungen in der Hochschulmedizin sind aber nichts anderes als Teil der Anstrengungen, den Berliner Landeshaushalt zu konsolidieren und uns damit auch auf die Fusion vorzubereiten. Das bitte ich unsere Nachbarn und auch die Mitglieder dieses Hauses zur Kenntnis zu nehmen.

[Eßer (Grüne): Das sehen die Brandenburger aber anders! – Czaja (CDU): Wie kann man in 10 Minuten so viel Käse reden?]

Im Übrigen sind die seit 1995 gesetzlich vorgesehenen Ausbildungskapazitäten in der Hochschulmedizin mit Brandenburg abgestimmt. Von einem unkoordinierten Vorgehen kann auch hier keine Rede sein!

[Niedergesäß (CDU): In der Medizin war das aber anders!]

In den heftigen Diskussionen der vergangenen Wochen ist gelegentlich der Eindruck erweckt worden, nur die Universitätskrankenhäuser seien gute Krankenhäuser und nur dort würde eine gute Versorgung sichergestellt. Dies ist schlicht und einfach nicht zutreffend. Es gibt viele wichtige medizinische Einrichtungen außerhalb der Universitätsklinika. Ich möchte nur drei nennen: Das sind zum einen das deutsche Herzzentrum, an dem hervorragende Forschung auch durch universitäre Einrichtungen betrieben wird, das Unfallkrankenhaus Marzahn mit der Berufsgenossenschaft als Träger und das ehemals städtische Krankenhaus Neukölln. Diese stehen stellvertretend für eine Vielzahl medizinischer Einrichtungen in der Stadt, die hervorragende Arbeit leisten. Auch das sollte in der ganzen Diskussion noch einmal gewürdigt werden!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich möchte noch ein Wort zur Einwerbung von Forschungsmitteln für Berlin sagen. Das ist auch solch eine Nebelkerze, die gern geworfen wird. Natürlich hat die Medizin ein großes Gewicht bei der Einwerbung von Forschungsmitteln für Berlin. Sie steht dort – erstens – nicht allein und sie steht dort – zweitens – nicht an der Spitze. In den naturwissenschaftlichen Bereichen der Freien Universität, der Technischen Universität sowie der Humboldt-Universität und auch gerade bei den ingenieurwissenschaftlichen Bereichen der Technischen Universität wird im Verhältnis wesentlich mehr Geld im Verhältnis zu den eingesetzten öffentlichen Mitteln eingeworben als bei den medizinischen Fakultäten. Die außeruniversitäre Forschung erhält pro 100 Millionen Euro 400 Millionen Euro Bundesmittel dazu. Das ist das Vierfache dessen, was wir dort investieren, und wird an zusätzlichen Mitteln eingeworben.

[Czaja (CDU): Was heißt: „Von uns?“ – [Henkel (CDU): Wer schreibt solche Reden?]

Das alles wollen wir in Zukunft auch nicht gefährden. Deshalb muss gehandelt werden. Wenn wir nicht rechtzeitig handeln, wird uns in diesem Bereich vieles verloren gehen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Auch deshalb möchte ich mich noch einmal an die Oppositionsparteien wenden: Die FDP und die Grünen haben Anträge vorgelegt, die weniger dem Populismus huldigen, als es die CDU tut, die aber auch etwas die Tendenz erkennen lassen, dass alles noch einmal ergebnisoffen geprüft werden soll, und sehen wollen, was dabei am Ende herauskommt. Ob dies dann wirklich umgesetzt wird, muss noch einmal extra diskutiert werden.

[Wieland (Grüne): Blödsinn!]

Darauf kann ich nur erwidern: Je länger die Entscheidung aufgeschoben wird und je weniger klar ist, dass der Handlungszwang jetzt besteht, umso weniger wird das gerettet werden können, was eigentlich verteidigt werden soll.

[Wieland (Grüne): Das ist doch vom Senat so beschlossen worden!]

Deshalb führt kein Weg an dem vorbei, was wir hier vorlegen, es sei denn, alternative Vorschläge werden im Rahmen des jetzt anlaufenden Prozesses vorgelegt.

Ich fasse zusammen: Wer die Hochschulmedizin für die Zukunft fit machen will, wer es gut und ehrlich mit den wissenschaftlichen Bereichen in dieser Stadt meint, wer Forschung und Wissenschaft für die Stadt sichern will und wer sich den Herausforderungen der Gesundheitsreform in diesem Zusammenhang stellt, muss zu Veränderungen bereit sein. Das zeigt auch unser Antrag. Bis zum Ende des Jahres müssen Entscheidungen fallen. Deshalb hören Sie mit Polemik und gegenseitigen Vorwürfen auf! Lassen Sie uns das Gespräch führen. Wir sind zu diesem Dialog bereit! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Henkel (CDU): Wowereit interessiert das doch gar nicht!]

Herr Abgeordneter Gaebler! Herzlichen Dank! – Das Wort hat nun für die Fraktion der CDU Herr Dr. Steffel!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn eine Stadt wie Berlin, die zum Mekka der Medizin werden möchte, ein Universitätsklinikum schließt, ist das so als würde ein Juwelier, um seine Lagerkosten zu reduzieren, seine Diamanten wegwerfen!

Unser gemeinsames Hauptziel ist es doch wohl, den Menschen in Berlin eine lebenswerte Perspektive zu bieten. Wir wollen, dass die Berliner an ihre Stadt glauben, dass sie sich hier wohl fühlen, dass sie gerade angesichts der jüngsten Arbeitsmarktzahlen eine persönliche Perspektive am Arbeitsmarkt hier in Berlin sehen und dass sie mit Vertrauen in ihre persönliche Zukunft schauen. Ich bin überzeugt, dass alle hier im Haus vertretenen Fraktionen dieses Ziel teilen.

Um dieses Hauptziel zu erreichen, sind nun andere Teilziele anzustreben. Beispielsweise ist die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, die Ansiedlung und Förderung von Unternehmen, die Stärkung der Wirtschaft, aber auch der Kaufkraft, die Verbesserung von Bildung, Ausbildung, Forschung und Lehre und nicht zuletzt die dringende Wiederherstellung des guten Rufs der deutschen Hauptstadt dringend notwendig. Auch in diesen Teilzielen, so hoffe ich, stimmen wir sicherlich alle überein. Wir wissen auch, dass Berlin viel Geld braucht, um seine Pflichten den Bürgern gegenüber zu erfüllen, seine Schulden zu tilgen und die Zukunftsoptionen dieser Stadt zu wahren und – wenn möglich – zu vermehren.

Was aber nicht alle wissen – zumindest ist dies mein Eindruck und hier scheiden sich offensichtlich die Geister –, ist, dass dieser Sanierungsprozess heutzutage nur noch funktioniert, wenn man die Zukunftsoptionen einer Stadt sichert, ausbaut und vor allem nutzt. Wir müssen Werte schöpfen. Nur dann können wir unsere finanzielle Basis sanieren und die Netto-Neuverschuldung stoppen. Wir streiten um den richtigen Weg. So wichtig die Reduzierung der Kosten ist, ist für uns als christliche Demokraten die Mehrung der Einnahmen noch viel wichtiger, um die Zukunftschancen Berlins zu sichern.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Dazu gehören offensichtlich eine Vision von Berlin, Mut, Risikobereitschaft sowie unternehmerisches Denken und Handeln. Unsere Ziele mögen die gleichen sein. Doch – und das ist in der Demokratie auch akzeptabel – sind unsere Wege genau entgegengesetzt. Wir vertrauen auf die Stärken Berlins und sind uns sicher, dass es nur diese Stärken sind, die uns finanziell wieder auf die Beine helfen können. Sie hingegen wollen die Ausgaben senken, indem Sie die Säulen unseres Standortes kappen, also die Diamanten wegwerfen.

Zugegeben, Berlin hat Stärken u n d Schwächen. Sie haben, um den Machtwechsel herbeizuführen, die Schwächen der Stadt hervorgehoben. Sie haben die Stärken der Stadt und diejenigen, die die Stärken der Stadt beschrieben haben, des Realitätsverlusts bezichtigt, aber Sie haben dabei übersehen, dass die Realität in Berlin eben nicht so eng und so kurzatmig ist wie Ihre Wahlkampfstrategie, gerade und auch hier in Berlin. Um die Stärken zu nutzen und die Schwächen zu vermindern, müssen wir diese

Stärken ausbauen und nicht umgekehrt. Sparpolitik als Selbstzweck legt den Schluss nahe, dass man die Ziele der Methode opfert; dass der Weg wichtiger wird als das Ziel; dass die Mittel wichtiger werden als der Zweck. Und plötzlich wird aus der dienenden Funktion der Finanzpolitik ein eigenständiges Ziel, das sich gleichwertig zwischen die eben genannten anderen Ziele – Schaffung von Arbeitsplätzen, Qualität von Lehre und Wissenschaft – drängt.

[Zuruf des Abg. Wolf, Harald (PDS)]

Folgerichtig legen Sie nun, aus ihrer Betrachtung heraus, Hand an jene Bereiche, deren unmittelbarer fiskalpolitischer Sofortnutzen nicht gleich auf den ersten Blick zu erkennen ist – an Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Dass Sie nun ausgerechnet Theater mit einer bürgerlichen Farbe abwickeln wollen, dass ausgerechnet eine amerikanische Stiftung wie das Klinikum Benjamin Franklin und damit die Freie Universität unter Ihren Beschuss geraten, dass Privatschulen und freie Träger benachteiligt werden sollen, wirft die Frage auf, ob hier unter dem Deckmantel der Sparpolitik nicht eher ideologische Klientelpolitik betrieben wird.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Und dabei müsste uns doch allen klar sein, dass Wissenschaft und Kunst zu den großen Pfunden gehören, mit denen Berlin noch wuchern kann, dass Berlin nicht nur einen Ruf als „Stadt des Geistes“ zu verteidigen hat, sondern dass genau dies die viel beschworene Vision ist, die einende Stadtidee, die von allen eingefordert wird und die erkennbar längst auf der Hand liegt. Die Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin ist also ein Akt gegen die Zukunft Berlins.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich bestreite ausdrücklich nicht, dass es zwischen finanzpolitischen und wissenschaftspolitischen Anliegen auch zu Zielkonflikten kommen kann. Das gilt übrigens für alle Bereiche, deren Wert nicht überwiegend ökonomisch oder materiell kurzfristig unmittelbar zu Buche schlägt. Gerade Sozialdemokraten und selbst Sozialisten sollten dies auf Grund ihrer antikapitalistischen Traditionen verstehen können. Ich bin mir sehr sicher, sie tun es auch. Zum Beispiel rät der SPD-Fachausschuss „Stadt des Wissens“ in seiner Stellungnahme dem Senat „dringend, diese Entscheidung zurückzunehmen“.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Nach unserer Auffassung reguliert sich ein freier Markt weitestgehend selbst. Aber wir haben es auch immer als unsere politische Pflicht betrachtet, jene Bereiche zu schützen, die sich nicht auf ihre Marktmacht stützen können. Und es zählt zu den vornehmsten Aufgaben von Politik, diese Bereiche, wie Kunst, Kultur, Forschung, Lehre und Bildung, den Kräften des Marktes gegenüber zu behaupten.

[Zuruf der Frau Abg. Flesch (SPD)]

Eigentlich dachte ich, dass es dafür eine breite Koalition geben müsse, von den Neoliberalen bis zu den Sozialisten. Und im Grunde bin ich davon überzeugt, dass es diese Koalition sogar hier und heute in diesem Hause gibt. Der einzige Grund, anders zu reden oder gar zu handeln, scheint mir in der allzu frühen Festlegung im Koalitionsvertrag zu liegen. Deshalb will ich mich gern, Herr Regierender Bürgermeister, sehr sachlich mit den Gründen auseinandersetzen, die angeblich oder tatsächlich die Schließung dieses Universitätsklinikums so zwingend machen. Ich wende mich insbesondere an Sie, Herr Regierender Bürgermeister, weil ich hoffe, dass Sie trotz Ihrer frühen Festlegung rationalen Argumenten doch noch zugänglich sein könnten.

Sie behaupten, dass die Schließung der Humanmedizin an der Freien Universität strukturelle Einsparungen bringe. Die Wahrheit ist aber, dass sie im nächsten halben Jahrzehnt mit Sicherheit keine strukturellen Einsparungen bringt und auch danach weit weniger, als von Ihrem Koalitionsvertrag behauptet. Und es gibt Verträge – Sie wissen das –, die uns zwingen, die Zahl der Studenten im medizinischen Bereich in Berlin aufrecht

zuerhalten. Das heißt, sie müssen dann eben woanders, aber doch in Berlin studieren. Auch dazu brauchen wir Professoren und Einrichtungen. Außerdem entstehen langfristige Folgekosten, wie zum Beispiel Pensionskosten für Professoren und Beamte.

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Sie behaupten weiter, dass Sie mit Ihrer Entscheidung Kosten von rund 100 Millionen Euro pro Jahr einsparen können. Die Wahrheit ist aber, dass mit der Schließung des Fachbereichs Humanmedizin rund 25 Millionen Euro an so genannten Drittmitteln und Zusatzfinanzierungen verloren gehen, und zwar unwiederbringlich, und dass darüber hinaus zwischen 80 und 190 Millionen Euro an den Bund zurückgezahlt werden müssen. Außerdem müsste das neue städtische Krankenhaus – auch das wissen Sie – vollkommen aus der Landeskasse finanziert werden. Oder haben Sie etwa vor, im Nachgang dann auch dieses Krankenhaus am Standort Benjamin Franklin zu schließen?

[Zuruf des Abg. Wolf, Harald (PDS)]

Sie behaupten weiter, dass es besser sei, ein einziges Klinikum zu sichern, statt zwei auf wackeligen Beinen zu erhalten. Die Wahrheit ist aber auch hier, dass gerade die Konkurrenz der beiden Klinika zu den unbestreitbaren Fortschritten der letzten Jahre geführt hat. Gleichzeitig ist aber auch die Kooperation zwischen Klinikum Benjamin Franklin, Charite´ und Klinikum Buch nachhaltig intensiviert worden. Dazu kommt, dass es im Universitätsklinikum Benjamin Franklin Forschungsschwerpunkte gibt, die wir sonst in der gesamten Region Berlin-Brandenburg an keinem Standort finden. Und Brandenburg hat unter ausdrücklichem Verweis auf zwei Universitätsklinika hier in Berlin auf die Errichtung einer eigenen medizinischen Fakultät verzichtet.

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Mit der Aufgabe der FU-Medizin würden übrigens die Schwerpunkte Entzündliche Erkrankungen, Endokrinologie, Herz-Kreislauferkankungen, Neurowissenschaften und Tumormedizin mit all ihren Leistungen entfallen, der jüngst etablierte Studiengang Bioinformatik übrigens ebenso. Die Auswirkung der geplanten Schließung auf weitere Fachbereiche an der Freien Universität, beispielsweise den Fachbereich Psychologie, sind dabei überhaupt noch nicht berücksichtigt. Die Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin wäre – und das ist nach meiner Überzeugung die gravierendste und folgenschwerste Wirkung Ihrer Entscheidung – das Ende der Freien Universität als Volluniversität und eine Gefahr für die gesamte Freie Universität.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall der Abgn. Frau Dr. Klotz (Grüne) und Wieland (Grüne)]

Sie behaupten weiter, dass das Universitätsklinikum Benjamin Franklin zu teuer sei. Die Wahrheit ist aber auch hier, dass der Fachbereich Humanmedizin enorme Anstrengungen zur Kostenminimierung geleistet hat und dabei auch außerordentlich erfolgreich war. Es wurde erheblich Personal abgebaut, die Zahl der Studierenden gesenkt, die Sollzahlen der Professuren sogar um ein Drittel. Die Wirtschaftlichkeit des Krankenhausbetriebes wurde deutlich gesteigert, Doppelangebote abgebaut. So liegen zum Beispiel – und diese Zahlen sprechen für sich – die Kosten für einen Studienplatz am Universitätsklinikum Benjamin Franklin heute um rund 26 000 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Im Gegenzug liegen allerdings die Drittmitteleinwerbungen je Professur am Universitätsklinikum Benjamin Franklin mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt: Für je 1 000 Euro Landesmittel, Herr Finanzsenator, holt das Klinikum zusätzlich 300 Euro Drittmittel nach Berlin – ein Zuwachs von 38 % seit 1995. Allein mit diesen Drittmitteln werden in Berlin weit über 500 Arbeitsplätze gesichert. Insgesamt hängen – direkt oder indirekt – Tausende Arbeitsplätze von der FU-Humanmedizin ab. Die Schätzungen beginnen am unteren Ende bei 5 000 bis 6 000 und lassen sich leicht verdoppeln. Dabei darf man die Ausstrahlung auf die Forschung in rund 150 kleineren Firmen keineswegs übersehen. Auch deren Existenz wäre durch eine Schließung gefährdet. Prof. Einhäupl vom Wissenschaftsrat hat dies – wie ich meine, zu Recht – so formuliert: