Ausschlafen, Sorge um den Adapter für den Rasierapparat - das ist etwas für Weicheier oder Kultursenatoren.
Einen Tag später erklärte uns der Regierende Bürgermeister, wie man PR macht für Berlin und wie man den Ahnungslosen da drüben Deutschland bekannt macht: „So erklärte ich den Mexikanern, was Ostalgie ist.“ Wie das geht? Man stellt sich drei Wecker, das hat er uns auch erklärt, und dann: „Rein in die helle Hose, das blaue Jackett...“, und auf geht’s in die TV-Frühschau. Keine ganz politische Sendung, aber genau das Richtige für Wowereit, mault der „Tagesspiegel“.
Dann brachte uns der Reiseführer zur Kathedrale. War da was los! Die Menschen spielten Panflöte wie in Berlin die Indios vor Wertheim.
[Gelächter bei der FDP – Krestel (FDP): Der hätte mal selber beichten sollen! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Mit Vorlesen aufhören, das ist so schrecklich!]
Es ist schrecklich? Ja, Frau Klotz. – Und am nächsten Tag verschonte er uns nicht mit den wahren Sorgen des Staatsmanns in der Ferne: „Wie kriege ich meinen neuen Totenkopf nach Hause?“ Wie wenig wir doch von der Welt wissen! Der Bürgermeister räsonniert in Anbetracht des Aztekenschmucks:
Die hatten ja da noch Geld. Was hätten die bloß gemacht, wenn sie unsere Haushaltssorgen gehabt hätten?
Ja, die Frage hatten wir uns noch nicht gestellt. Ebensowenig die nächste: „Warum Mexikaner Angst vor Eukalyptus haben ?“ - die Überschrift des nächsten Tages. Das haben wir in der Tat auch nicht gewusst.
Ebenso wie man mit Landsleuten, und seien es Brieftaubenzüchter aus Elmshorn, im Ausland umgeht: Man lässt sich mit ihnen fotografieren. Autogramme für Motorrad
Vielleicht noch nicht, aber die Tendenz geht dahin, Politik nur noch als Showbiz zu verstehen. Und das ist es, Herr Regierender Bürgermeister, was die Sache unerträglich macht. Denn – das haben Sie vielleicht nicht gemerkt – Berlin ist in einer weit schlechteren Lage, als die Stimmung in der Stadt bezeugt. Wir sind auf der schiefen Bahn. Die Stadt rutscht ab und nimmt dabei immer mehr Fahrt auf. Erkundigen Sie sich mal bei den Sozialämtern, wer da heute vorstellig wird. Es geht schnell bergab, und da ist politische Führung gefragt.
Das ist es, was wir brauchen, Herr Regierender Bürgermeister. Und das ist es, was Sie offensichtlich vermissen lassen. Insofern möchte man die Mahnung, die Ihnen der Clown in Mexiko auf den Weg gegeben hat, nur nachdrücklich wiederholen: „Ja, sind Sie denn...?“ – Das ist unsere Erkenntnis aus Ihrer Mexikoreise. – Schönen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Hahn! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Gaebler. – Bitte schön, Herr Gaebler!
polizisten gehören selbstverständlich auch dazu. Den Tag darauf erfahren wir, wie man sich richtig ernährt, und wie Politik gemacht wird – gleich in einem Aufwasch: „Buen apetito! Politik wird mit dem Bauch gemacht.“: „Bohnenmus, Avocadomus, Huhn, Beef – auf einer Dienstreise muss man sehr viel essen.“ Das haben wir nun auch gelernt. Und was man dann auch noch braucht: „... kleine Salzbrezeln, die ich nacheinander wegknabbere“.
„Wir leben doch im Paradies!“, konnten wir lesen. Und am nächsten Tag, das war der 18. Oktober, Sie erinnern sich, das war der Tag, an dem der Regierende Bürgermeister die Reise mit einem Urlaub verwechselte – er kam durch sein Handy darauf: „Vogelstimmen haben mich geweckt, Vogelstimmen aus dem Handy.“ – lernten wir Stil: „In der mexikanischen Stadt Tolcucu sah ich eine Reiterin im Damensattel,
die Zügel in der einen, das Handy in der anderen Hand. Das hatte Stil.“ – Da sind wir nun auch über Stil belehrt worden.
Kurz und gut: Wir stellen nun, nachdem wir dieses Reisetagebuch gelesen haben, die Frage, wer hier eigentlich Nachhilfe braucht in Sachen Internationalität.
Was ist eigentlich das Ärgerliche an dieser Reise? – Soweit es noch klar gemacht werden muss: Es ist nicht das Reisen. Herr Regierender Bürgermeister! Reisen Sie! Reisen bildet.
Auch Sie müssen da weiter nachlegen – reisen Sie also weiter! Die Empfehlung geht im übrigen an das ganze Haus: Wir alle müssen mehr reisen! Das ist wichtig für uns; wir müssen heraus aus unserem provinziellen Mief. Das wissen wir nicht erst seit dieser Reise des Regierenden Bürgermeisters.
Was ist also das Ärgerliche an der Reise? – Es ist nicht das PR-Desaster, der „Schwatz der Sierra Madre“, wie der „Spiegel“ monierte. Und es ist auch nicht die Frage, ob unser Regierender Bürgermeister wirklich so ist, wie das Tagebuch ihn darstellt. Das – die „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ des Klaus W.– wollen wir nicht glauben, Herr Regierender Bürgermeister. – Nein, diese Reise wirft ein Licht auf Ihren Regierungsstil. Das kann kaum noch bestritten werden. Regieren im Damensattel, möchte man sagen, „Showereit“, Unterhaltung als Politikersatz, jeden Tag in der Klatschkolumne, Smalltalk mit Promis, Glamour gegen die Misere. So steigt der Beliebtheitsgrad, und nur noch darauf kommt es an. Sind wir also schon in der „Brave New World“, die Aldous Huxley beschrieb? Totale Unterhaltung, sanfte Verdummung ersetzen Politik? „Amüsieren“ wir uns „zu Tode“? – um auch noch Neil Postman zu zitieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, im Gegensatz zu vielen der Journalisten, von denen einige hier zitiert wurden, war ich nicht mit in Mexiko, sondern habe die Reise von hier aus verfolgt. – Herr Hahn! Sie haben hier ausdrücklich zitiert, vorrangig aus einem Presseorgan. Ich finde es interessant, dass das offensichtlich zu Ihrer Lieblingslektüre gehört. Ich finde, man soll sich immer breit informieren, in allen Medien. Dass Sie speziell die „Bild-Zeitung“ als Informationsquelle nehmen, spricht nicht unbedingt für Ihre Fraktion,
zeigt aber auch das Problem, das wir in dieser Debatte haben. Sie lassen sich durch zugegebenermaßen etwas eigenwillige Tagebuchnotizen in einem Presseorgan dazu verleiten, zu sagen, Sie brauchten mehr Information über die Reise. Anders ist Ihr Antrag nicht zu verstehen – positiv gesagt.
Was dem Sozialdemokraten Klaus Wowereit gefällt: 13 von 16 Bürgermeistern in der mexikanischen Hauptstadt gehören seit den Kommunalwahlen im Sommer der linksgerichteten PRD an. Was sie bei einem Treffen mit dem Regierenden Bürgermeister erzählen, lässt die Berliner Probleme klein erscheinen.
wozu in Mexiko auch ein Kongress stattgefunden hat. – Ich gebe Ihnen das gern nachher, damit Sie auch eine andere Seite lesen und sehen, dass Sie keinen Bericht brauchen.
Dann haben wir hier den nächsten Reisetagebuchbericht: „Ab zur alten Universität.“ Erst wird der französische Teil des Festivals eingeweiht. Weiter zur Skulpturenausstellung, zu zwei Kirchen, in mehrere Museen. Dann kann im Geburtshaus des Malers Diego Riviera der deutsche Teil des Cervantino-Festivals eröffnet werden.
Herr Gaebler! Ist Ihnen bekannt, dass die Senatskanzlei dieses Reisetagebuch Satz für Satz – so war es zumindest zu lesen – autorisiert hat?