Protocol of the Session on January 17, 2002

[Czaja (CDU): Basierend auf 29 %!]

und insbesondere auf der deutschen Sozialdemokratie.

[Beifall bei der SPD]

Die neue Regierung wird dafür sorgen, dass diese Stadt sich einen Ruck gibt und die innere Einheit zügig vorantreibt. Wir wollen das Gemeinsame, nicht das Trennende zwischen Ost und West in den Vordergrund stellen. Es wird kein Gefeilsche geben, wie in früheren Jahren, um politische Schwerpunkte im Ost- oder Westteil. Wir haben das ganze Berlin im Visier unserer Politik.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das schwierigste Amt neben dem des Regierenden Bürgermeisters ist zweifellos das des Finanzsenators. Mit Thilo Sarrazin steht ein hervorragender Kandidat zur Verfügung. Er wird sich bei seiner Arbeit auf die beiden Regierungsfraktionen von SPD und PDS verlassen können. Aber für die Konsolidierung ist nicht nur Herr Sarrazin zuständig. Das muss hier auch jedem klar sein. Da ist das gesamte Abgeordnetenhaus in der Verantwortung. Vergessen Sie das bitte nicht, insbesondere meine Damen und Herren von der Opposition.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen zu der Berliner Dauerdebatte, die sich heute auch wieder in den Zeitungen widerspiegelt, wo es um die Gretchenfrage für viele geht: Wofür spart diese Koalition eigentlich? – Angeblich wissen wir ja nicht, hier miteinander, wofür wir sparen. Ich kann Ihnen das aber ganz genau sagen, wofür wir hier sparen. Wir sparen, damit diese Stadt überhaupt lebensfähig bleibt. Wir sparen, damit diese Stadt ihre Strahlkraft und ihre Dynamik behält. Wir sparen, um das soziale Netz zu sichern. Wir sparen, damit die Kunst und Kultur in dieser Stadt sich weiter wohl fühlt und aufblüht. Wir sparen für kleine und große Berliner, wir sparen für schwache und starke, für Investoren, für Studenten und Rentner. Und wir sparen dafür, dass Berlin eine wunderbare Stadt bleibt und in 10 Jahren noch attraktiver ist als heute. Genau dafür sparen wir. Und ich glaube, das müsste inzwischen bei den meisten auch angekommen sein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich appelliere an Sie alle, auch an die Oppositionsfraktionen, trotz aller kritischen Auseinandersetzungen an der Bewältigung der großen Aufgaben für unsere Stadt mitzuarbeiten. Auch wenn die Bundestagswahl am 22. September für manch einen ein magisches Datum ist, so erwartet die Bevölkerung in dieser Stadt harte Sacharbeit und kein Wahlkampfgetöse. Von der künftigen Berliner Landesregierung wird nicht nur in unserer Stadt viel erwartet. Es werden fünf harte Jahre voller Arbeit werden. Aber die Stadt wird sich bewegen und weiter zusammenwachsen. Daraus wird sie neue Kraft schöpfen. Lassen Sie uns mit Optimismus und Tatkraft an diese Arbeit gehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Müller! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Herr Kollege Dr. Rexrodt das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, heute ist ein denkwürdiger Tag! Gerade einmal elf Jahre nach der Wiedervereinigung unsereres Landes und unserer Stadt bilden Sozialdemokraten und die Partei des Demokratischen Sozialismus eine gemeinsame Regierung im Bundesland Berlin.

Die PDS steht in unmittelbarer Kontinuität zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, einer revolutionärmarxistischen Partei, die in offener Diktatur dafür verantwortlich war, dass die Menschen im Ostteil Deutschlands ihrer Freiheit beraubt, drangsaliert, eingekerkert und in nicht wenigen Fällen auf der Flucht erschossen wurden.

[Beifall bei der FDP – Mutlu (Grüne): Das ist ja eine Steffel-Rede!]

Die PDS behauptet heute, etwas anderes zu sein. Dies hält einer Prüfung nicht stand, einer juristischen ohnehin nicht, aber das ist nicht das Wichtigste. Einer politischen vielleicht insoweit, als man offensichtlich die Methode zur Erreichung des gesamtgesellschaftlichen Zustands Sozialismus gewechselt hat. Nicht die Revolution soll dieses Ziel herbeiführen, sondern – ja was eigentlich? So richtig steht da nichts im Parteiprogramm der PDS. Aber nehmen wir einmal an, dass realistischerweise der Weg über den Mehrheitsentscheid gewählt werden soll.

Das politische Ziel dieser Partei ist ein Sozialismus, der beschrieben wird als eine „Bewegung gegen die Ausbeutung des Menschens gegen den Menschen“, ein Wertesystem, in dem die Existenzkrise der Zivilisation, die Umwälzung der herrschenden kapitalistischen Produktions- und Lebensweisen zu einer Frage des menschlichen Überlebens macht. Und damit es dann keine Missverständnisse gibt, wird gesagt: „Es muss darum gehen, die von Profit und Kaptalverwertung bestimmte Entwicklung der Volkswirtschaften und der Gesellschaften zu Gunsten einer Entwicklung zu überwinden, die von der Verwirklichung gemeinschaftlicher Interessen geprägt wird.“ Dann wird im Parteiprogramm der PDS von realer Vergesellschaftung gesprochen und festgestellt, dass ein „weltweit geführter Hochtechnologiewettbewerb zwischen den kapitalistischen Machtzentren wesentliche Entwicklungspotenzen der Welt verschlingt und global zerstörerisch wirkt“.

Ich trage das an diesem denkwürdigen Tag nur deshalb vor, weil im Europa des 20. Jahrhunderts immer wieder vergessen wurde, die Programme und Kampfschriften der Parteien zu lesen, und weil es mehrfach böses Erwachen gab, als diese Programme, wenn die Verhältnisse es dann hergaben, auch umgesetzt wurden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Und ich trage das auch deshalb vor, weil eine erklärtermaßen sozialistische, auf Vergesellschaftung orientierte Partei ab heute den Wirtschaftssenator und stellvertretenden Bürgermeister der deutschen Hauptstadt stellen wird. Die sind ja gar nicht mehr so, wird dem entgegengehalten. Die leisten ja operativ gute Arbeit. Meine Damen und Herren, operativ gute Arbeit wurde oft geleistet. Subjektiv und objektiv, wie die Sozialisten zu sagen pflegen, und doch war das Ergebnis dieser Arbeit oft ein einziges Desaster.

Niemand wird in Zweifel stellen, dass die rot-rote Regierung, die heute Gestalt annimmt, demokratisch und parlamentarisch legitimiert ist. Aber niemand wir auch in Abrede stellen können, dass dieser Vorgang bei Millionen von Menschen in Deutschland und darüber hinaus Fragen und Befürchtungen aufkommen lässt, Fragen und Ängste, die ihre Ursachen eben nicht nur in der Vergangenheit der PDS haben, sondern in deren Gegenwart. Die PDS ist eben nicht nur der witzige und wendige und der schlaue Herr Gysi, die PDS ist eine Partei, die zu weiten Teilen aus alten Kadern besteht, die nicht in der pluralistischen Demokratie angekommen sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wo gibt es das klare und unzweideutige, nicht das wendige, konditionierte und auf Artikel 15 verengte Bekenntnis der PDS zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, zum Eigentum und der Marktwirtschaft?

[Beifall bei der FDP]

Die PDS lebt zu weiten Teilen von Spannungen und Ungleichheiten zwischen West und Ost. Sie nutzt diese Spannungen. Sie schürt sie, statt Brücken zu schlagen und Gräben einzuebnen. Es gibt merkwürdige Verrenkungen. Wenn man diese Partei fragt, wie das denn wohl gemeint sei: Verstaatlichung nein, aber Vergesellschaftung ja.

In einem muss man sehr differenziert argumentieren: Es gibt die Partei, die PDS, und es gibt die Wähler der PDS. Letztere sind in großer Zahl, nicht alle, nicht Sozialisten und rückwärtsgewandt. Das sind Menschen, die mit ihrer Stimme für die PDS etwas transportieren und etwas bewirken wollten.

[Brauer (PDS): Genau!]

Und da müssen wir, die wir aus dem Westen kommen, uns fragen, warum das so ist. Es gibt sicherlich viele Antworten. Eine, vielleicht die wichtigste, ist – so scheint es mir –, dass sich viele Menschen in den neuen Ländern, auch im Ostteil unserer Stadt, in ihren Biographien nicht ausreichend gewürdigt sehen. Sie haben in der DDR fleißig gearbeitet. Sie haben aus schwierigen Situationen das beste gemacht. Sie haben gute Vorsätze gehabt. Sie haben das Beste gewollt. Und nun soll das alles unnütz sein, wie ihnen vermittelt wird oder wie sie glauben, dass es im Westen so verstanden wird. Wer lässt sich schon gern sagen, dass sein Leben unnütz war? Niemand. Und das hat auch niemand so verdient. Da wird die PDS nun als Anwalt und Sachwalter gesehen. Obwohl sie das nur auf sehr fadenscheinige Weise ist, aber mit der Stimme für die PDS kann man es denen, die es angeht, einmal richtig klar machen. So wird bei vielen gedacht.

Und überhaupt wird gedacht: Der Herr Gysi, der zeigt es denen auch, die so oft arrogant sind oder zumindest so wirken. Die CDU und die SPD haben uns vorgeführt, was Filz bedeutet in dieser Stadt. Die denken nur an ihren eigenen Vorteil. So wird empfunden. Und da ist manches wahr. Es muss ernst genommen werden, besonders im Westen, bei Parteien und Menschen. Ich nehme meine eigenen Partei dabei nicht aus. Wir sollten alle etwas mehr Sensibilität zeigen, damit es die, die auf der falschen Schalmei spielen, nicht allzu leicht haben in unserem Land.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Nun, so wird auch noch gesagt, habe es doch mit der Beteiligung der PDS an der Macht etwas Gutes an sich, das sei doch ein Beitrag zur inneren Vereinigung. Außerdem könne die PDS nun zeigen, ob sie in der Lage ist, das einzulösen, was sie so vollmundig unter die Leute gebracht hat. Das letztere ist sicher richtig. Bereits die Koalitionsvereinbarung zeigt, dass nicht alle Bäume in den Himmel wachsen. Aber mit der inneren Vereinigung scheint es mir so eine Sache zu sein. Alles, was nicht geht, da habe ich keinen Zweifel, wird die PDS in Zukunft bei denen abgeben, die ihr angeblich einen Scherbenhaufen hinterlassen haben. Investiert wurde auch vorher nicht genug. Und die Schulden: Das sind natürlich Herr Diepgens Schulden.

[Doering (PDS): Das ist doch auch so!]

Die sind es auch! Aber die PDS wird geflissentlich verschweigen, dass diese Schulden in Gänze deshalb gemacht worden sind, um mit den Hinterlassenschaften des real existierenden Sozialismus wenigstens einigermaßen fertig zu werden.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wenn es um die innere Vereinigung geht, dann werden auch diejenigen um ihre Befindlichkeit zu fragen sein, die unter dem DDR-Regime gelitten haben, diejenigen, die ihren aufrechten Gang nicht verloren hatten, die Bürgerrechtler, von denen ich einige auf der Zuschauertribüne gesehen habe.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wie ist denen zumute? Oder jenen, die aufmerksam den Untersuchungsbericht des Bundestages über Herrn Gysis Kontakte zur Staatssicherheit gelesen haben? Das sind sehr viele Menschen im Osten Deutschlands, die das lesen und nachdenken, heute, am 17. Januar 2002.

Nicht nur im Osten gibt es Befindlichkeiten, solche, mit denen wir vielleicht nicht gut genug umgegangen sind. Auch im Westen gibt es Befindlichkeiten. Bei Menschen, die die offene Feindschaft und den Hass des DDR-Regimes über 40 Jahre täglich erfahren haben, im Geschäftsleben, im privaten Bereich, an den Grenzen, bei Besuchen, den Mief, die Spießigkeit, den anmaßenden Ton, das Auftreten der so genannten Staatsorgane der DDR. Sie haben sie nicht vergessen – dieses miese, kleine, aus Angst und Engstirnigkeit geborene Aggressionsverhalten der Würdenträger dieses Systems.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Meine Damen und Herren von der PDS! Mit einer, wie ich es sehe, so dümmlichen Bemerkung wie der, es gebe nichts zu entschuldigen, weil nichts entschuldbar sei, dürfen Sie uns nicht davonkommen. Schuldbekenntnisse haben Sie in anderem Zusammenhang immer munter eingefordert – und nicht nur munter, sondern hart und unerbittlich.

Das ist nur der eine Teil dieser neuen Landesregierung. Und die anderen, die Sozialdemokraten? – Sie sind bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus deutlich abgestraft worden – nicht so stark wie die Union –, aber sie sind als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen. Sie haben den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. Haben sie ihn denn richtig genutzt? – Eine Fortsetzung der großen Koalition war unmöglich. Dies ist zuzugestehen. Meine Partei, die FDP, hat nach sechsjähriger Abstinenz vom Abgeordnetenhaus ein gutes Wahlergebnis erzielt. Wir waren angetreten, um Rot-Rot zu verhindern. Wir sind aufgeschlossen und konzessionsbereit in die „Ampel“-Verhandlungen gegangen. Wir wollten die „Ampel“ – eine schwierige Konstellation, aber durchaus dazu angetan, die aus den unterschiedlichen Kulturen kommenden Spannungen dazu zu nutzen, um Verkrustungen, wie sie in Berlin gewachsen waren, auch aufzubrechen.

Wir hatten während der Verhandlungen dicke Kröten geschluckt – solche, die uns von grüner Seite präsentiert wurden, einer Partei, die sich in Berlin in kleinteiligen Themen ergeht.

[Ha, ha! von den Grünen – Mutlu (Grüne): Das müssen Sie gerade sagen! – Cramer (Grüne): Nun mal langsam!]

Hofbegrünungsprogramme, Quartiersmanagement in Sanierungsgebieten, Erschwerung des Tabak- und Erleichterung des Drogenkonsums, Lehrerarbeitszeiten und das Wohl der Kindergärten – alles ehrenhafte Themen, aber sehr anstrengend, wenn man dazu ausschließlich und nächtelang verhandeln muss.

[Heiterkeit]

Wir hatten sie alle geschluckt, die Kröten, auch diejenigen von Herrn Strieder im Umwelt- und im Verkehrsbereich. Sie waren nicht minder dick und nicht minder ekelig.

[Heiterkeit – Beifall bei der FDP und der CDU – Eßer (Grüne): Da sieht man ja, warum das nichts geworden ist!]