Wir werden Herrn Görler in den Untersuchungsausschuss einladen. Sie wissen, dass ich auch der Meinung bin, dass Herr Görler ein gerüttelt Maß an Verantwortung trägt. Und da werden wir rangehen. Das ist doch völlig unbestritten. Warum regen Sie sich denn auf? Das machen wir alle hier zusammen, davon gehe ich mal aus.
Jetzt will ich mal zu einem Punkt kommen, der in der öffentlichen Diskussion immer wieder angesprochen wurde, nämlich dem Argument, dieser Koalitionsvereinbarung fehle es an Visionen für diese Stadt.
[Dr. Rexrodt (FDP): Reden Sie doch mal zur PDS und nicht die kleinkarierte Nummer, die Sie da abziehen! Kleinkariert ist das!]
Wenn Sie ein Interesse haben, über die PDS zu reden, lade ich Sie gern ein. Wir können da gern ein Privatissimum machen, aber ich möchte hier über die Politik für diese Stadt reden. Ich habe hier schon oft genug über die PDS geredet und werde es auch weiterhin tun. Wenn Sie auch weiterhin hier im Hause bleiben, werden Sie dazu noch genug Gelegenheit haben, Herr Rexrodt.
Zum Thema Visionen: Ich glaube, das Problem dieser Stadt in der Vergangenheit war nicht, dass es ihr an Visionen gemangelt hat. Visionen hatten wir in den letzten zehn Jahren mehr als genug. Es wusste nur keiner, wie sie realisiert werden; oder wenn sie zu realisieren versucht wurden, dann nur auf Pump. Daran müssen wir heute abbezahlen. Ich habe eine Vision für diese Stadt, die nicht einfach zu erreichen ist. Meine Vision für diese Stadt lautet, dass sich diese Stadt und die Akteure in dieser Stadt endlich an den Realitäten orientieren und aus den Realitäten ihre Zukunftsperspektiven herausarbeiten. Daran hat es nämlich in der Vergangenheit gemangelt.
Das ist nicht Glitter, das ist nicht Glamour, sondern das ist harte Arbeit an den Zukunftschancen in dieser Stadt, und darum geht es jetzt. Dazu werden Sie in der Koalitionsvereinbarung eine ganze Menge finden, was in die Zukunft weist. Sie werden dort für den Bereich öffentliche Sicherheit und zum Bereich Justiz ein klares Bekenntnis zu innerer Liberalität und zu einer Politik finden, die sich dazu bekennt, dass sie Bürgerinnen und Bürger
nicht mehr als Bedrohung für den Staat sieht, sondern Sicherheit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet, und dass sie sich klar zu Bürgerrechten in dieser Stadt bekennt. Mit Ehrhart Körting steht ein Innensenator zur Wahl, der sich vorteilhaft von allen CDU-Innensenatoren unterscheidet, unter denen die Stadt in den letzten Jahren immer wieder gelitten hat.
Er widersteht der Versuchung aller seiner Vorgänger – mit Ausnahme von Erich Pätzold in einem kurzen Intermezzo –, das Thema innere Sicherheit zu einem populistischen Thema zu machen, wobei man versucht, mit Law-and-order-Parolen die Hoheit über die Stammtische zu gewinnen, anstatt sachgerecht, in aller Ruhe, Arbeit für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, für Deeskalation und ein friedliches Zusammenleben in dieser Stadt zu leisten. Dieses Agieren mit der Koalitionsvereinbarung und dem Personalvorschlag ist auch in Zukunft gesichert. Dies ist eine gute Entscheidung für Berlin. Das macht die Stadt endlich weltoffen und liberal, weil es darum geht, in Zukunft Flüchtlinge in dieser Stadt anständig zu behandeln und deutlich zu machen, dass Einwanderinnen und Einwanderer mit zu den Zukunftschancen der Stadt gehören, hier willkommen sind und dementsprechend begrüßt und behandelt werden. Das ist ein Fortschritt dieser Koalition und ein Wahren und Herstellen von Zukunftschancen für die Stadt.
Und wir haben es geschafft, in dieser Koalitionsvereinbarung trotz der schwierigen Finanzlage die Priorität auf Bildung zu setzen. Es wird mit dieser Koalition pädagogische Verbesserungen und ein weiteres Arbeiten am Zustand der Bildungsinfrastruktur in Richtung Verbesserungen geben, trotz der schwierigen Finanzlage. Auch das ist ein klares Signal in die Stadt, um Zukunftschancen zu gewährleisten.
Herr Rexrodt, ich habe mich sehr gefreut, von Ihnen in den letzten Tagen und auch heute wieder zu hören – nachdem Sie in Ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsminister vor allem durch den berühmten Satz bekannt geworden sind: „Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht“, womit Sie deutlich machen wollten, dass es auf Sie nicht ankommt, das war zu dieser Zeit auch so –,
wie wichtig Sie diese Position des Wirtschaftssenators oder des Wirtschaftsministeriums finden, wie wichtig Sie das Setzen von Rahmenbedingungen für die Wirtschaft finden, dass die Politik da also nicht völlig gegenstandslos ist, sondern wichtige und zentrale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schafft. Ich habe aus Ihren Ausführungen auch einen gewissen Neid erkennen können. Ihre Verärgerung über so manche positive Äußerung aus der Wirtschaft über den neuen Senator ist auch jetzt wieder an Ihren Ausführungen sehr deutlich geworden.
Auch dazu nenne ich eine ganz einfache Vision für diese Stadt: Meine Vision wäre, dass uns das gelingt, was seit Jahren in dieser Stadt immer wieder gesagt wird: Wir müssen endlich d i e Anlaufstelle für Investoren haben, wir müssen endlich die Verwaltungsverfahren so vereinfachen, dass Investoren in dieser Stadt nicht abgeschreckt werden, sondern hier vernünftige Bedingungen vorfinden. Wir wollen auch endlich die IBB zu einer vernünftigen Förderbank in dieser Stadt machen. Wenn uns all dieses gelingt, ist das ein deutliches Signal und eine deutliche Verbesserung. Es ist eine bescheidene Veränderung, aber gemessen an der Politik der letzten zehn Jahre eine wirkliche Vision für diese Stadt. Jetzt werden wir doch einmal sehen, ob Gregor Gysi nicht in der Lage ist, zu zeigen, dass jemand auch als demokratischer Sozialist erfolgreiche Wirtschaftspolitik machen kann. Ich glaube, es kann in dieser Stadt nur besser werden nach dem, was seine Vorgänger geleistet haben.
Das Thema Finanzen kann man nicht nur unter dem Thema Kürzungen diskutieren, sondern es muss um strukturelle Veränderungen gehen. Eine weitere Vision, die wir für diese Stadt haben, ist eine umfassende Verwaltungsmodernisierung. Wir
müssen den öffentlichen Dienst und die Krise der Finanzen in dieser Stadt dazu nutzen, uns die Aufgabe zu stellen, am Ende dieses Jahrzehnts den modernsten öffentlichen Dienst zu haben, der neue Formen der Leistungserbringung aufweist und eine moderne, effektive, unbürokratische Verwaltung hat, die sich als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger und nicht als Selbstbeschäftigungsunternehmen versteht. Auch damit soll ein Beitrag zur Konsolidierung geleistet werden. Das ist ein ambitiöses Projekt in dieser Stadt mit ihrer Geschichte und ihrer großen Verwaltung. Das werden wir angehen.
Wir werden alles dieses angehen bei Wahrung der sozialen Gerechtigkeit in der Stadt. Wir werden darauf achten, dass die Lasten nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verteilt werden. Lieber Herr Rexrodt, da gehört es auch an der einen oder anderen Stelle dazu, dass man sich von dem Dogma, nirgendwo Steuererhöhungen vorzunehmen, verabschiedet. Da ist es mir lieber, dass an der einen oder anderen Stelle eine verkraftbare Steuererhöhung vorgenommen wird
und ich dafür zum Beispiel die Kitabeiträge stabil lasse. Das ist eine Entscheidung, die man politisch treffen muss und die auch verantwortbar ist.
Wir werden noch sehr intensiv in der nächsten Zeit über die Koalitionsvereinbarung diskutieren. Diese Koalitionsvereinbarung ist eine tragfähige Vereinbarung für fünf Jahre. Aber wir wissen auch alle: Koalitionsvereinbarungen sind das eine, Regierungshandeln ist oftmals das andere. Deshalb will ich klar sagen, wo der Mentalitätswechsel in dieser Stadt einsetzen muss: Das, was zwischen Koalitionspartner vereinbart wurde, muss auch gemeinsam umgesetzt werden.
In dieser Stadt ist es Übung und in den vergangenen zehn Jahren in der großen Koalition der Fall gewesen, dass Koalitionspartner weniger miteinander gearbeitet haben, sondern vielmehr versucht haben, gegeneinander zu arbeiten und sich gegeneinander zu profilieren. Das ist nicht gut für die Stadt, sondern bedeutet, dass notwendige Entscheidungen blockiert werden, statt eine Diskussion darüber zu führen, wie Veränderungen sinnvoll durchgesetzt werden.
Weil der Zwischenruf wegen der SPD kommt: Ich muss Ihnen sagen, in diesen Koalitionsverhandlungen war wirklich angenehm, dass man über die Sache geredet hat und versucht hat, über ein gemeinsam erkanntes Problem zu gemeinsamen Problemlösungen zu kommen. Das ist dann manchmal für den einen oder anderen schwierig.
Ja, das ist neu. Das hatten Sie nicht hinbekommen, und ich hoffe, dass wir es schaffen, dieses Klima der Koalitionsverhandlungen, das gemeinsame Ringen um Probleme und Problemlösungen nicht nur in der Koalition hinzubekommen, sondern ich sage das auch ausdrücklich als Angebot an die Opposition. Den gemeinsame Dialog, die gemeinsame Diskussion über die Zukunft in dieser Stadt, die unser gemeinsames Projekt über die Parteigrenzen hinweg sein sollte, wie wir zu vernünftigen Lösungen kommen können, biete ich ausdrücklich an. Dabei sollte parteipolitische Profilierung nicht über die Sache gestellt werden, sondern wir sollten dabei versuchen, zu sachgerechten Lösungen zu kommen. Deshalb das ausdrückliche Angebot an die Opposition, in diese Diskussion, in diese Auseinandersetzung zu gehen, wobei ich klar sage: Wir erwarten von Seiten der Opposition keine Schonfrist.
Wir haben in der Vergangenheit, als wir in der Opposition waren, durchaus unsere oppositionelle Kritik als sachgerechte Kritik und häufig auch als konstruktive Kritik formuliert. Ich wünsche mir, dass das auch in dieser Legislaturperiode von der jetzigen Opposition so gemacht wird. Aber eine Garantie dafür haben wir natürlich nicht.
Letzter Punkt, und damit will ich sagen, was auch zum Mentalitätswechsel gehört: Es gibt einen Kritikpunkt an dieser Koalition und an diesem Senat, über den ich nicht hinwegreden will, der berechtigt ist, der einen Schwachpunkt betrifft. Das ist die Repräsentanz von Frauen in diesem Senat. Das hätten wir uns anders gewünscht. Ich glaube, dass es auch in beiden Parteien klar ist, dass diese Lösung, wie wir sie jetzt haben, unter diesem Aspekt keine gute Lösung ist.
Ich finde, es muss einfach dazu gehören, dass man auch sagt, wo man nicht zufrieden ist, wie einem etwas nicht gelungen ist, dass man da nicht darüber hinwegredet und das nicht beschönigt. Deshalb will ich das an dieser Stelle deutlich benennen.
Ich sage deshalb: Wir werden uns der Kritik stellen, nicht nur aus der Opposition, sondern auch der Kritik und der Auseinandersetzung, die aus der Stadt und von gesellschaftlichen Gruppen kommt. Ich sage gleich, was der entscheidende Punkt ist und was sich mit dieser Koalition ändern muss: dass in dieser Stadt die notwendigen Entscheidungen angepackt werden. Das heißt, dass endlich entschieden wird und das, was entschieden wird, auch umgesetzt wird. Ich glaube, das ist der wesentliche und entscheidende Mentalitätswechsel, der für diese Stadt notwendig ist, und das ist visionär angesichts des Ausgangspunktes nach den letzten zehn Jahren. – Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Dr. Klotz das Wort. – Bitte schön, Frau Dr. Klotz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In wenigen Stunden wird Realität sein, was in Berlin, der ehemaligen Mauerstadt, nicht für möglich gehalten wurde: Ein rot-roter Senat übernimmt die politischen Geschicke. SPD und PDS werden gemeinsam regieren.
Dieser Tag hat eine historische Dimension, das ist unbestritten. Diese historische Dimension ist in der Rede von Christoph Stölzl zum Ausdruck gekommen, auch wenn ich nicht alles teile, was Sie an Einschätzungen vertreten haben. Ich muss wirklich sagen – zu Herrn Müller und auch in Richtung von Harald Wolf –: Ich finde es ein wenig billig, darauf mit formaler Kritik zu reagieren, dass er als Vizepräsident dieses Recht nicht hätte. Ich finde, diese historische Dimension muss heute auch – darauf liegt die Betonung – zum Ausdruck kommen, und dieses Recht dazu haben wir in diesem Parlament.