Deshalb fordern wir die Auflage eines Liquiditäts- und Kapitalhilfeprogramms für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten. Dabei übernimmt das Land Berlin nach einer Plausibilitätsprüfung der Marktfähigkeit des Unternehmens die Bürgschaft für bis zu 10 000 € pro neu geschaffenem Arbeitsplatz. Diese Bürgschaft versetzt den Unternehmer in die Lage, bei seiner Bank weitere Kreditlinien zu erhalten, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Der Unternehmer selbst muss diese Landesbürgschaft persönlich verbürgen.
Die Vorteile dieses Instruments liegen auf der Hand. Die Zinsen für Kredite für die Unternehmen sinken, die Kapitalbeschaffung wird erleichtert, die Abhängigkeit von Banken wird reduziert. Gleichzeitig können wir auf diese Weise Sozialleistungen verringern und Steuereinnahmen erhöhen. Das Risiko der öffentlichen Hand ist durch die persönliche Bürgschaft des Unternehmers begrenzt.
Mit diesem Programm, das Sie ganz schnell umsetzen müssen, können Sie verhindern, dass in diesem Jahr noch mehr Unternehmen sterben und noch mehr Arbeitsplätze vernichtet werden. Darüber hinaus erhöhen Sie doch bitte, Herr Wirtschaftssenator, nicht die Wasserpreise um 20 % bis 30 %, sondern senken sie in einer solchen Situation die Gewerbesteuer um 25 %.
Wäre es aber nicht notwendig, Berlin als unser Unternehmen zu sehen und zu sagen, „Berlin macht auf“? Lassen Sie uns da aufmachen, wo besonders viel dichtgemacht wird, bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wir müssen ihnen Chancen eröffnen, weil sie und ihre Mitarbeiter unsere Chance sind. Wir wollen
Berlin aufmachen und appellieren an Sie, im Interesse aller Berliner, unser Soforthilfeprogramm für Arbeitsplätze bei den kleinen und mittleren Unternehmen hier in Berlin umzusetzen! – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Steffel! – Und nun erhält für die PDS das Wort Frau Freundl. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Arbeitslosigkeit beschäftigt uns nun schon mehr als 10 Jahre. Es ist der beste Beweis dafür, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Oft haben wir über die Effekte von Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik gestritten, aber nie über die Notwendigkeit. Deshalb will ich gleich zu Beginn betonen, dass Arbeitslose und Arbeitsuchende unsere Unterstützung brauchen, dass Arbeitslosigkeit ein Problem für Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft an sich ist und dass wir alles dafür tun sollten, dass dieses Problem nicht den Betroffenen zugeschoben wird, nach dem Motto: Langzeitarbeitslos in Berlin – Pech für dich und deine Familie!
Arbeitsmarktpolitik muss motivierende und aktivierende Politik sein und muss es auch bleiben. Wie wichtig und wie sinnhaft diese Strategie ist, zeigen die Erfolge der Beschäftigungs- und Ausbildungsprogramme für erwerbsfähige Sozialempfangende. Der hohe Mitteleinsatz in Berlin ist gerechtfertigt und darf nun nicht durch bundesgesetzliche Änderungen in Frage gestellt werden. 124 Millionen € an Landes- und europäischen Mitteln wer-den für diesen Bereich in diesem Jahr ausgegeben. Es sind knapp 177 Millionen €, die für die Arbeitsmarktpolitik aufgewendet werden.
Auch das wird langfristig zu höheren Steuereinnahmen und nicht zu geringeren führen. Es wird zu Mehrinvestitionen, zu mehr Arbeitsplätzen und zu mehr Kaufkraft und nicht zu weniger führen. Das können Sie tun, Herr Wirtschaftssenator. Tun Sie es für Berlin!
3. Nutzen Sie den Tourismus stärker als Motor für Arbeitsplätze in Handel, Hotellerie, Gastronomie und bei den Dienstleistungen! Deshalb empfehlen wir die Ausschreibung zur Entwicklung einer internationalen Werbekampagne für junge Kreative hier für Berlin. Die Kosten einer derartigen dreijährigen Kampagne und ihrer Vermarktung sollten durch die Erlöse aus der Privatisierung der Messe Berlin gegenfinanziert werden.
Wir würden das mit einer sofortigen Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verbinden. Dies allein wäre bereits eine neue Werbebotschaft für Berlin. Flankiert werden müsste die gesamte Offensive durch gezielte Anzeigen, Werbespots, Kampagnen und Vermarktung von Events in wichtigen Zielregionen in Europa und darüber hinaus.
Wir sind der Überzeugung, dass die hier dargestellten Maßnahmen einen unmittelbaren und sofortigen Beschäftigungseffekt haben und die Rettung vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen mit sich bringt und wir im Ergebnis weniger Insolvenzen und mehr Arbeitsplätze hier in Berlin haben. Das können Sie tun, Herr Wirtschaftssenator. Tun Sie es für Berlin!
Apropos Öffnungszeiten: Ich bin überzeugt, dass es in der Tat „Öffnungszeit“ für Berlin ist, Öffnung verstärkt in die Kooperation mit den neuen Bundesländern, Öffnung nach Warschau und Stettin, Öffnung für neue Ideen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Noch hat Berlin sein Renommee als attraktive, dynamische Stadt nicht verloren. Aber mehr und mehr wird das Gemurmel in Deutschland und der Welt lauter, „Berlin hat fertig“ oder „Berlin macht dicht“ oder „Berlin ist pleite“, wie der Herr Finanzsenator sagt.
Der Wert der Kontinuität der Arbeitsmarktpolitik auf Berliner Ebene, auf Ebene dieses Senats, kann gar nicht hoch genug vor dem Hintergrund der jetzt in Rede stehenden Einsparungen und Umstrukturierungen der Bundesanstalt für Arbeit bewertet werden. Es ist ausgesprochen löblich, dass im Nachtragshaushaltsentwurf eigentlich eine finanzielle Stabilität gesichert wurde, sogar 6,8 Millionen € zusätzlich für außerbetriebliche Ausbildungsförderung und SAM für freie Träger.
Ganz klar ist, dass diese Mittel, die sogar noch einmal eine Steigerung um 1 000 Förderfälle auf eine Arbeitsmarktentlastung von knapp 58 000 Personen in dieser Stadt bedeuten, nur greifen können, wenn die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin ihre Kofinanzierungsmittel zur Verfügung stellt und ihre Instrumente weiterhin für Arbeitslosengeldempfänger und Arbeitslosenhilfeempfänger zur Verfügung stellt. Dafür sind intensive Gespräche notwendig.
Ich unterstütze ausdrücklich die Forderung der arbeitsmarktpolitischen Sprecher der ostdeutschen SPDFraktionen vom 3. März dieses Jahres.
Die wirkliche Einführung von Jobcentern wird es in diesem Jahr voraussichtlich nicht geben, weil viele Voraussetzungen – Stichwort: Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – nicht gegeben und nicht so einfach zu realisieren sind.
Das ist ein Problem, das auf Bundesebene gelöst werden muss. Die Vorbereitungen, die in diesem Punkt schon realisiert worden sind – gemeinsame Anlaufstellen zu schaffen –, funktionieren zwischen Landesarbeitsamt, Bezirken und der Senatsebene sehr gut.
Was aber richtig ist und was ich hier noch einmal ganz deutlich herausstelle: Deutschland hat ein Umsetzungsproblem. Oft gibt es Ankündigungen, die sehr gut klingen, auch Angebote, denen wir uns nicht verschließen. Ein Beispiel ist das Job-Aqtiv-Gesetz, ein schon etwas länger auf Bundesebene verabschiedetes Gesetz, wo es gestattet und wo es auch wichtig ist, genauer hinzuschauen, wie einzelne Punkte umgesetzt werden. In diesem Fall bemühe ich das Stichwort „Profiling“. Wir fanden es außerordentlich gut, dass hier eine passgerechte, berufs- und qualifikationsadäquate Beratung gewährleistet werden sollte. Und wir fanden auch den Grundsatz von „fördern und fordern“ sehr gut, Zumutungen auch mit Angeboten zu verbinden. Schauen wir nun hin, was zum Teil unter der Überschrift Profiling, Berufswegeplanung passiert. Das ist ziemlich traurig.
Ich finde es nett, dass Sie das auch unterstützen! – Sie fordern, dass der Bundeszuschuss für 2003 nicht auf Null heruntergefahren wird. Sie fordern 850 Millionen € bundesweit in diesem Jahr für ABM und SAM. Das ist eine Forderung, der sich die ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten angeschlossen haben.
Sie wollen nicht, dass das Arbeitslosengeld II auf das Sozialhilfeniveau heruntergefahren wird. Sie befürchten einen Verschiebebahnhof zwischen Sozial- und Arbeitsämtern. Sie wollen, dass Langzeitarbeitslosen weiterhin eine passgenaue Förderung angeboten wird. Und ich hoffe in diesem Fall ganz persönlich, dass der Bundeskanzler seine Ost-Abgeordneten auf Bundes- und Länderebene erhört, sich selbst einen Ruck gibt und die regionalen Besonderheiten der Arbeitsmarktpolitik tatsächlich auch berücksichtigt; denn eins ist klar: Auch wenn das Hartz-Konzept optimal verwirklicht wird, wird die Notwendigkeit aktiver Arbeitsmarktpolitik und ihrer Instrumente in Berlin, in Nordrhein-Westfalen – und in Ostdeutschland überhaupt – zusätzlich weiter bestehen.
Wenn man sich anguckt, was tatsächlich an Beschäftigungsförderung, an Ausbau von Beschäftigungsmöglichkeiten über die Einführung der Hartz-Gesetze passieren soll, stellt man ganz schnell eines fest: Es gibt in Berlin ein Angebot und einen Versorgungsgrad an Kinderbetreuungsmöglichkeiten, und das ist ein wichtiger Standortfaktor für diese Stadt.
Berlin ist mit seinen zahlreichen strukturellen Defiziten sehr bekannt, aber wenige kennen das wirklich optimale Angebot der Kinderbetreuung für 0- bis 12-jährige Kinder – das in dieser Legislaturperiode im Bereich der verlässlichen Halbtagsgrundschule auch ausgebaut werden soll, die im Westteil der Stadt flächendeckend eingerichtet werden soll – und zusätzliche Angebote von ganztägiger Betreuung an der Schule. Ich bitte alle, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, dass mit diesem wichtigen Standortfaktor für Berlin und in Berlin und über Berlin hinaus viel zu wenig geworben wird. Ich bitte alle Senatoren, alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses, darüber noch einmal nachzudenken und mit diesem Standortfaktor für diese Stadt zu werben.
Natürlich, wir können überhaupt noch nicht bilanzieren, was die Einführung von Innovationen am Arbeitsmarkt gebracht hat. Wir können eine Zwischenbilanz ziehen und – was ich wichtig finde – noch einmal sagen: Den Vorwurf, der insbesondere von den Grünen gemacht wurde, dass vieles an den Hartz-Gesetzen, die bereits verabschiedet wurden, an einem Umsetzungsproblem des Berliner Senats scheitert – Stichwort: Jobcenter –, kann ich nur zurückweisen. Diesen Ball gebe ich zurück.
Da berichtet ein Kursteilnehmer, was er in einer Maßnahme in Berlin vor einigen Wochen erlebt hat. Er sollte ein Bild zeichnen, wo er sich derzeit in seinem Leben, in seiner Arbeitsmarktsituation befindet. Er sollte dann seine Idealvorstellung davon, wo er jetzt gern auf dem Berliner oder bundesdeutschen Arbeitsmarkt wäre, wiederum in Form eines Bildes, kennzeichnen. Er sollte die Augen schließen und sich seinen Fantasien hingeben. – Abgesehen davon, dass die Vorlagen voller Rechtschreibfehler waren, bleibt das nicht ohne Konsequenzen.
Eine weitere Teilnehmerin berichtet davon, dass sie erst kürzlich in die Arbeitslosigkeit gekommen sei und nach einer Profilingmaßnahme wesentlich deprimierter war als vorher. Sie war nicht nur mit sehr vielen unterschiedlichen Berufen in dieser Maßnahme konfrontiert worden. Das Problem war, dass sie, seit drei Monaten arbeitslos, mit Arbeitslosen in einer Gruppe war, die seit sieben Jahren und länger arbeitslos waren, und dass die Sichtweise und Dimension dieser sehr deprimierten Arbeitslosen den Kurs bestimmt haben.
Ich kann Ihnen auch folgendes Beispiel nicht ersparen: Der Bund der Steuerzahler erwähnt in seinem Schwarzbuch 2002 ein Bewerbungstraining, in dem Teilnehmer zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins aufgefordert waren, Blechdosen an Schnüren hinter sich herzuziehen und laut scheppernd über den Alexanderplatz zu laufen.
Zweitens heißt „innovative Arbeitsmarktpolitik“ verdeckt nicht mehr als ein plumpes „Weiter so!“, nur mit dem Unterschied, dass Sie sich nun vor die HartzReformen stellen können und diese als Allheilmittel zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit lobpreisen dürfen. Dabei wissen wir nur zu gut, dass ein großer Teil der PDS mit Hartz überhaupt nichts anfangen kann. – Das sieht im Übrigen auch der Wirtschaftssenator so. – Begreifen Sie endlich, dass die Hartz-Reformen ein Mittel sind, Arbeitslosigkeit lediglich besser zu verwalten, und hören Sie endlich auf, der Bevölkerung weiszumachen, dass das Problem in Deutschland und Berlin damit auch nur in Ansätzen bewältigt wird.
Die Arbeitslosigkeit in der Stadt ist im letzten Monat auf ein Rekordniveau gestiegen. Die Zahl haben wir heute häufig gehört: 318 000 Berlinerinnen und Berliner waren im Februar dieses Jahres offiziell arbeitslos gemeldet. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wenn man ehrlich ist, muss man noch die ca. 70 000 bis 80 000 erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger hinzuzählen, weiterhin all die Menschen, die in den Förderprojekten im weitesten Sinne integriert sind. Dazu gehören ABM, SAM, aber auch die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dann kommt man auf eine Zahl von weit über 400 000. Bei einer Bevölkerungszahl von 3,3 Millionen sind dies weit mehr als 10 %. Angesichts dieser dramatischen Lage fand ich es erschreckend, dass Sie, Herr Senator Wolf, in einer Presseerklärung vom 6. März 2003 nichts Besseres zu tun hatten, als den schwarzen Peter an andere weiterzugeben – nach dem Motto: Alle anderen sind schuld, nur ich nicht! – Herr Senator, hören Sie endlich damit auf, die Bundesanstalt für Arbeit oder den Bundeswirtschaftsminister allein dafür verantwortlich zu machen, dass wir eine derart hohe Arbeitslosigkeit in der Stadt haben!
Zusätzlich sollten sie Passanten ansprechen und diese an die Nase fassen. Kosten dieser Maßnahme: 10 000 € pro Teilnehmer. Wenn diese Maßnahmen eingespart werden, wird es von meiner Seite keine Kritik geben.