Protocol of the Session on December 12, 2002

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Mit der in dieser Woche vom Senat erlassenen Rechtsverordnung für den Betrieb von Drogenkonsumräumen hat der Senat die Voraussetzung geschaffen, das in Berlin bestehende Drogenhilfeangebot noch differenzierter vorzuhalten.

Um die Einrichtung von Drogenkonsumräumen, von manchen auch Fixerstuben genannt, gibt es seit mehreren Jahren eine teilweise sehr kontrovers geführte Debatte. Auch hier im Abgeordnetenhaus haben wir darum gestritten. Übrigens bedauere ich sehr, dass besonders die konservativen Fraktionen nur knapp vertreten sind, weil sie immer wieder ideologischer Widerpart in dieser Debatte waren. Nur wenn es dann um die Sachdiskussion geht, sind sie nicht da.

[Zurufe von den Grünen und der FDP – Czaja (CDU): Die Konservativen sind doch Sie!]

Wir kommen gleich darauf. Besonders die CDU natürlich. – Auch hier in Berlin im Abgeordnetenhaus reden wir nicht zum ersten Mal darüber. Bereits vor zwei Jahren, als auf Bundesebene der rechtliche Rahmen für die Länder geschaffen wurde, gab es von der PDS und auch von den Grünen Initiativen zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen hier in Berlin. Seitdem wurde vor allem von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, nahezu ein Glaubenskrieg um diese Frage geführt. Während wir im Parlament Argumente austauschten, Anhörungen abhielten und teilweise ideologische Grabenkämpfe austrugen, haben andere Städte wie Frankfurt am Main und Hamburg bereits gehandelt. Dort wurden Drogenkonsumräume eingerichtet, und wie die Bilanz zeigt, ganz überwiegend gute Erfahrungen damit gemacht.

[Henkel (CDU): Quatsch!]

Quatsch, sagt jemand, der keine Ahnung hat. –

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

[Wieland (Grüne): Ist doch gescheitert!]

Wenn in Berlin der Bund der Kriminalbeamten die Fixerstuben als einen „drogenpolitischen Offenbarungseid“ bezeichnet und darauf hinweist, dass „das Drogenproblem nicht nur aus ein paar schwerstabhängigen Altfixern, sondern auch aus einer Masse von Jugendlichen besteht, die sich bei Partys mit Designerdrogen vollpumpen“, dann haben Sie einen sehr einseitigen Blick auf diese Problematik. Selbstverständlich ist das oberste Anliegen der Politik die Aufklärung, Prävention und Erziehung der Jugend in dem Sinne, dass sie selbständig Alternativen wählen kann und auch in die Lage versetzt wird, die Folgen ihres Tuns abzuschätzen. Diesem Ziel kommt man aber mit Verboten und Kriminalisierung nicht näher, wie die Entwicklung der letzten Jahre ganz deutlich zeigt.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Die Anerkennung von Drogensüchtigen als Kranke und ihre entsprechende Betreuung ist ganz gewiss keine Aufforderung zum Drogenkonsum! Da spielen andere Faktoren eine Rolle. Wer weiß denn noch, wann und warum er sein erstes Bier getrunken hat? Am Biertisch lassen sich

Die Koalitionsparteien werden eine moderne und wirksame Drogenpolitik unterstützen. An Brennpunkten, an denen Drogenprobleme soziale Probleme nach sich ziehen, sind zur Problemlösung regionale Konzepte unter Einbeziehung aller Beteiligten neu zu entwickeln. Suchtpolitik wird nur durch enge Verbindung von Suchtprävention, ausstiegsorientierten Hilfen, Substitution, Gesundheitshilfen sowie der konsequenten Bekämpfung von Handel und Schmuggel erfolgreich sein. Zu einem solchen Konzept gehören auch Drogenkonsumräume.

Dieser Text zeigt unseren drogenpolitischen Ansatz. Hier geht es nicht um die heftigen und verbissenen ideologisierten alten Kämpfe, sondern um die Einbettung einer neuen Facette in ein Geflecht von vernünftigen und zeitgemäßen Maßnahmen, die dem Ziel dienen, sich vor allem präventiv und gesundheitspolitisch der vorhandenen Realität zu stellen. Die restriktive Politik der vergangenen Jahre mit ihrer Kriminalisierung von Drogengebrauchern hat keine wesentlichen Veränderungen der von vielen beklagten Situation gebracht. Klagen tun alle, neue Vorschläge gibt es nur ganz wenige. Ganz im Gegenteil, diese Politik hat immer neue Probleme geschaffen und Problemlösungen regelrecht verhindert. Die PDS hatte auch als Erfahrung aus vielen parlamentarischen Aktivitäten darauf gedrängt, dass sich in Berlin endlich etwas bewegt in den drogenpolitischen Ansätzen. Die Fixerstuben sind dabei nur eine Erweiterung. Wir können uns auch einen anderen Umgang mit Cannabis als Medizin vorstellen,

locker Sucht und Folgen zerreden. Sie kennen vielleicht die Fixer aus Ihrem Park um die Ecke oder Sie leben in einer günstigen Gegend, wo Sie diesen verelendeten Ge stalten nicht begegnen müssen. Auch deswegen denke ich, dass dies ein Problem nicht nur derjenigen selber ist, die krank sind, sondern auch derjenigen, die dort in der Umgebung wohnen, und dieses neue Angebot kann auch für die Anwohner eine Lösung bringen.

Kriminalisierungs- und Ausgrenzungskonzepte haben uns bisher nicht die erwarteten Erfolge gebracht. Daher ist es richtig, durch die Einrichtung von Drogenkonsumräumen zu versuchen, Schwerstabhängige besser als bisher zu erreichen. Fixerstuben sind zunächst nichts anderes als die erweiterte und verbesserte Form der früheren Gesundheitsräume. Die gab es ja schon. Neben der ursprünglichen Absicht, durch die kostenlose Abgabe von sauberem Spritzbesteck an Abhängige Infektionen mit Krankheiten wie z. B. Aids oder Hepatitis zu verhindern, werden nun auch ständige ausstiegsorientierte Beratungen und Behandlungsmaßnahmen angeboten. Durch sofortige medizinische Hilfeleistungen können Zwischenfälle verhindert werden.

Drogenkonsumräume sind auch keine rechtsfreien Räume. Drogen werden nicht abgegeben, und den Trägervereinen wird auferlegt, Kontakt mit der Polizei zu halten, um Straftaten wie den organisierten Drogenhandel einzudämmen. Die erste Einrichtung dieser Art wurde 1994 in Frankfurt eröffnet. Viele wissen es gar nicht, manche denken, dass Berlin hier Vorreiter wäre.

[Zuruf von den Grünen]

Ja, nicht die Fachleute natürlich. Die denken das nicht. – Mit großem Erfolg gibt es das in Frankfurt. Mittlerweile gibt es in Deutschland 13 solcher Angebote. Durch die Rechtsklarheit gibt es auch die Möglichkeit von einheitlichen Standards. Hamburg hat als erstes Bundesland Fixerstuben für rechtens erklärt. Allein dort gibt es 7 Räume mit insgesamt 50 Plätzen, in denen sich täglich etwa 1 000 Schwerstabhängige unter hygienisch einwandfreien Bedingungen mitgebrachte Drogen verabreichen. Während die Zahl der Drogentoten bundesweit zunahm, ging sie in Hamburg spürbar zurück. Eine solche ausstiegsorientierte Einflussnahme zeigt Wirkung. Man muss die Klienten aber erreichen, und das wird in dieser Form besser möglich sein.

Die Debatte um die Fixerstuben erinnert mich auch an die Debatte, die wir vor einigen Jahren um die Vergabe von Spritzbestecken in den Justizvollzugsanstalten hatten. Es gab auch dort einen Aufschrei, auch viele Vorbehalte, vor allem auch der Justizbeamten selbst. Es bewegt sich immer in einer gewissen Grauzone. Nun ist dieser Modellversuch 4 Jahre lang gelaufen. Natürlich sind die Vorbehalte nicht alle ausgeräumt. Aber die Erfolge dieses Versuchs zeigen doch, dass es sich gelohnt hat und dass an dieser Stelle hier auch weitergemacht werden kann. Hepatitisinfektionen sind zurückgegangen, auch andere Folgen von illegaler Weitergabe von Spritzbesteck konnten gesenkt werden oder sind nicht mehr vorhanden.

In der Koalitionsvereinbarung heißt es unter der Überschrift „Suchtprävention“:

[Beifall bei der PDS]

mit den Festlegungen zum Umgang mit Cannabis überhaupt. Da könnte man eigentlich von „Grün“ auf der Bundesebene einiges erwarten – na, mal sehen.

Mit der Entscheidung auf Bundesebene wurde die Möglichkeit gegeben, die z. B. in Hamburg, Hannover, Frankfurt am Main und Saarbrücken zum Teil schon seit 1994 existierenden Fixerstuben oder Druckräume oder Gesundheitsräume aus der rechtlichen Grauzone zu befreien und die guten Erfahrungen in anderen Städten anzuwenden. Mit der nun auch in Berlin vorhandenen Rechtsverordnung ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Hilfen für langjährige, gesundheitlich verelendete Drogenabhängige getan. Auch in diesem Zusammenhang muss der gesundheitliche und psychosoziale Aspekt besonders hervorgehoben werden.

Diese Maßnahmen, die jetzt in der Praxis umgesetzt werden können, sind eng verzahnt mit Beratungen an der Basis sozusagen. Es gibt in Kreuzberg-Friedrichshain, wie Sie wissen, schon langjährig die sogenannte Druckrauminitiative, wo auch parteiübergreifend vor Ort an diesem Problem gearbeitet wurde. Schon lange haben BVVen in dieser Stadt Beschlüsse darüber gefasst, dass sie in ihren Bezirken eine solche Einrichtung wollen und dass sie sie

Wir haben keine offene Drogenszene, auch das ist die von Ihnen eingeforderte Realität. Aber ich will das Hamburger Beispiel, Frau Dott, gern aufnehmen. Wir haben vorhin hier ganz kurz in einem bilateralen Techtelmechtel über Zahlen gesprochen. Nachdem in Hamburg 1994/95 zunächst drei als Gesundheitsräume bezeichnete Einrichtungen eröffnet wurden, hat man dort den seither eingeschlagenen Weg fortgesetzt. In den Folgejahren wurden stetig neue Fixerstuben eingerichtet und die Zahl der Konsumplätze erheblich erhöht. Ende 2000 gab es bereits acht solcher Einrichtungen. Das Ziel der Drogenpolitik des damaligen Senats war die Eindämmung der besonders problematischen offenen Drogenszene in Hamburg. Statistische Zahlen aus den eben genannten Zeiträumen belegen allerdings das Scheitern dieser Politik auf erschreckende Weise. Denn die polizeiliche Kriminalstatistik wies für Hamburg einen Anstieg der festgestellten Drogendelikte von 10 558 im Jahr 1996 auf 13 101 im Jahr 1999 auf. Dies entspricht einem Anstieg von 25 %. Mir hat weder in den Ausschüssen noch heute hier im Plenum jemand erklären können, warum diese negativen Begleiterscheinungen ausgerechnet für Berlin nicht zutreffen sollen.

Dabei ist es eine gesicherte polizeiliche Erkenntnis, gerade eben auch aus Städten mit Erfahrungen in Sachen Fixerstuben wie Hamburg, Frankfurt am Main, Saarbrücken oder Hannover – Sie selbst haben sie genannt –, dass sich im Umfeld von Drogenkonsumräumen quasi regelmäßig aggressive Dealerszenen entwickeln, die die öffentliche Sicherheit gefährden und das Sicherheitsgefühl der Anwohner im Bereich dieser Drogenräume stark beeinträchtigen. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass es konzentriert um diese Räume herum aus sogenannten Konkurrenzgründen zu Gewalttaten zwischen den Dealern kommt. Es ist eine weitere polizeiliche Erkenntnis, dass es innerhalb dieser Einrichtungen ebenfalls zu Gewalt kommt, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass in diesen Drogenkonsumräumen auch Kokain- und Crack-konsumenten auftauchen, die durch ein sehr aggressives Verhalten gekennzeichnet sind. Hinzu kommt, dass sich insbesondere obdachlose Heroinabhängige oftmals im Nahbereich der Fixerstuben aufhalten. Damit tragen sie letztlich indirekt, so jedenfalls eine weitere polizeiliche Erkenntnis, Beschaffungskriminalität in die räumliche Umgebung von Fixerstuben.

da für sinnvoll halten. Diese Vorbesprechungen werden inzwischen auch in einer praktischen Arbeitsgruppe fortgeführt. So sollte eigentlich Politik umgesetzt werden. Auch die Einwohnerinitiative vom Kotti beispielsweise ist interessiert an der Lösung ihres Problems. Wir denken, dass jetzt alle Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass die Maßnahmen zügig umgesetzt werden können. Ein Bus soll angeschafft werden. Feste Standorte sind im Gespräch und auch inzwischen materiell untersetzt. Wir sind sehr froh und hoffnungsvoll, dass im Frühjahr des kommenden Jahres die Dinge dann auch so umgesetzt werden können, wie sie jetzt geplant sind. Ich denke, es ist an der Zeit, all den Engagierten, die sich bisher damit befasst haben, vor allem auch den Initiativen, viel Erfolg zu wünschen und vor allem auch den Betroffenen endlich die Möglichkeit einzuräumen, dass ihnen wirksam geholfen werden kann. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Kollegin Dott! – Für die CDU hat das Wort der Herr Kollege Henkel. – Bitte schön!

[Over (PDS): Oh, jetzt kommt ein Fachmann!]

Ich weiß gar nicht, wie Sie das beurteilen wollen. Sie sind ja keiner.

[Over (PDS): Ich habe Sie gelobt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde der rot-roten Koalition, die Begründung dazu und die eben gehörte Rede unter der Überschrift „Drogenkonsumräume – Prävention und Hilfe statt Kriminalisierung“ war aus meiner Sicht der untaugliche Versuch, uns wieder einmal weismachen zu wollen, dass man die Drogenprobleme in unserer Stadt mit der Errichtung von zwei Fixerstuben als Beginn und einem mobilen Spritzenbus in den Griff bekommt.

[Dr. Flemming (SPD): Hat keiner gesagt!]

Aber genau diese Vorstellungen und die damit verbundenen Blütenträume einer erfolgreichen Drogenpräventionspolitik werden sich nicht einmal im Ansatz erfüllen. Auch und gerade dann nicht, wenn man unterstellt, dass die Fixerstubenproblematik zwei Seiten hat, eine gesundheitspolitische und eine sicherheitspolitische. Beide Seiten rangieren gleichauf, und beide Seiten werfen Fragen auf, die uns eben von der Koalition auch heute nicht hinreichend beantwortet wurden.

[Frau Seelig (PDS): Die haben Fachleute schon lange geklärt!]

Frau Dott, der Verweis auf Hamburg und Frankfurt am Main in diesem Zusammenhang ist eben kein Vergleich und insofern nicht sonderlich hilfreich, denn im Gegensatz zu diesen beiden Städten haben wir in Berlin bisher jedenfalls keine offene Drogenszene.

[Gelächter bei der PDS]

Und wenn es nach uns ginge, dann sollte es auch dabei bleiben.

[Beifall bei der CDU – Over (PDS): Gehen Sie doch mal in die Stadt und gucken sich die Realität an!]

[Beifall bei der CDU]

[Frau Oesterheld (Grüne): Wo sind sie denn jetzt?]

Meine Fraktion bleibt bei ihrer Haltung: Solche Zustände wollen wir für Berlin nicht. Darüber hinaus werden gescheiterte Feldversuche in anderen Städten nicht dadurch besser, dass man einen weiteren unnötigen Versuch hinzufügt. Fixerstuben sind kein neuer Weg in der Drogenpolitik, sondern ein veraltetes Konzept, das höchstens noch ein ordnungspolitisches Modell ist. Wenn es nach Ihnen geht, sollen die Süchtigen in diesen Räumen gettoisiert werden, damit sie keine öffentliche Belästigung mehr

Verhinderung eines einfachen Zugriffs auf Drogen und keine Verharmlosungspolitik gegenüber Rauschgiften.

Ich bin sicher, dass die Toleranz gegenüber illegalen Drogen bei den Bürgerinnen und Bürgern keineswegs so hoch ist, wie uns sogenannte Experten glauben machen wollen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung von Drogen gelingt nicht durch eine an Ideologien orientierte Politik, sondern nur durch ein pragmatisches, auf die tatsächlichen Probleme dieser Stadt bezogenes Handeln.

darstellen. Allerdings – darauf hatte ich eben hingewie sen – gelingt Ihnen nicht einmal das. Keinem Drogensüchtigen wird geholfen, wenn man ihm erleichterte Bedingungen für seinen Drogenkonsum schafft und ihn somit in seiner Sucht festhält.

[Frau Seelig (PDS): Keine Ahnung haben Sie!]

Eine Heilung der Drogensucht wird durch Fixerstuben auch nicht ansatzweise erreicht. Insofern ist es ausgesprochener Quatsch, wenn die Gesundheitssenatorin davon spricht, dass mit diesem Angebot der Fixerstuben ein Angebot zur Überlebenshilfe für Abhängige gemacht wird.