Protocol of the Session on December 12, 2002

Hier ist schon gesagt worden – das kann auch ich nur wiederholen –, dass wir in den kommenden Jahren vor ganz andere Dimensionen gestellt werden, was den Lehrerbedarf betrifft. Nicht umsonst steht in der Koalitionsvereinbarung der Einstellungskorridor, die Zahl 4 000, eben weil eine so hohe Zahl an Kolleginnen und Kollegen in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird und durch jüngere Kolleginnen und Kollegen ersetzt werden muss. Wenn es jetzt gelingt, zu erreichen, dass ein großer Teil der Lehrerinnen und Lehrer auf einen Teil ihrer Arbeitszeit und ihres Geldes verzichtet und damit Platz, Raum und Geld für junge Kolleginnen und Kollegen schafft, wäre damit die Möglichkeit gegeben, andere und weiter gehende Reformvorhaben zu verwirklichen. Mit diesem Appell

[Beifall bei der PDS]

will ich es bewenden lassen, weil ich denke, er ist das Wichtigste, was wir in den nächsten Tagen und Wochen umzusetzen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Schaub! – Am Schluss der Redeliste ergreift Frau Senftleben für die FDP das Wort und das Mikrophon. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entschuldigung, aber es geht nicht anders.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Die ganze Fraktion ist irgendwie verschnupft!]

Irgendwie ja, ich weiß nicht, woran es liegt, Frau Dr. Klotz!

[Krestel (FDP): Die vielen Bürgergespräche!]

Frau Dr. Tesch, Sie sagten eben, es sei alles prima, wir müssten eigentlich nichts ändern. Dann sprachen Sie bewusst die zwei Prozent an, die den Schulen in bar zur Verfügung stehen. Es gibt Modellschulen, die das bereits machen. Auf welche Idee ist der Finanzsenator als erstes gekommen? – Dass er dieses Geld streicht, weil das Geld ja da ist, dann ist alles viel einfacher. Wenn wir das als neue Struktur auffassen, dann kann ich nur sagen: Armes Berlin!

[Beifall bei der FDP]

Es ist kein Geheimnis und gehört zur bitteren Wahrheit, dass bereits heute der Unterrichtsausfall erschreckend hoch ist. Es gibt nicht genügend Lehrkräfte, aber das Szenario geht noch viel weiter. In den nächsten Jahren werden Lehrkräfte in Berlin zur Mangelware. Darauf weisen Studien hin; Lehrervereinigungen, Gewerkschaften, aber auch die Politiker aus der Opposition – ich meine, wir sind da alle in einem Boot – werden nicht müde, dieses kritisch zu hinterfragen.

Mitte des Jahres bezeichneten Sie, Herr Böger, den Lehrerbedarf als ausreichend gesichert: für Fremdsprachenfrühbeginn ab Klasse 3, für zusätzlichen Deutschunterricht für die Grundschüler, Unterstützung von Schülern und Schülerinnen nichtdeutscher

und Schülerinnen nichtdeutscher Herkunftssprache, Aufbau weiterer Ganztagsschulen etc. Es sollten rund 1 000 neue Stellen geschaffen werden. Altersbedingte Abgänge wollte Herr Böger durch weitere 3 000 Neueinstellungen ausgleichen. Alles kein Problem, kein Grund zur Besorgnis – so hieß es immer wieder.

[Beifall bei der FDP]

Herr Mutlu, die Grünen haben es erkannt, und die gesamte Opposition ist da auf Ihrer Seite. Die Situation an den Berliner Schulen wird sich in den kommenden Jahren dramatisch zuspitzen. Im vorliegenden Antrag werden mehrere Anhaltspunkte geliefert, wie aus Sicht der Grünen die Misere bewältigt werden kann. Es sollen Migranten und Migrantinnen bewusst für das Lehrerstudium motiviert werden: richtig! Der Einsatz von native speakers: richtig! Fachleute aus anderen Bereichen, von außen, zum Unterricht hinzuziehen: völlig richtig! Allen diesen Vorschlägen können wir zustimmen. Aber ich weiß nicht, ob es Vorschläge sind, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.

Es gibt in diesem Antrag der Grünen auch Vorschläge, die ich näher betrachten möchte. Erstens: Das Einstellungsverfahren wird schneller, flexibler und schulnäher gestaltet. – Ich finde diese Formulierung etwas vage, aber wenn ich das interpretiere, heißt es, dass die Schulen bei der Neueinstellung der Lehrer stärker mit einbezogen werden, möglicherweise auch Personalhoheit erhalten sollen. Nun gut, da bin ich dabei, aber eine präzisere Ausdrucksweise wäre besser gewesen.

Zweitens sagen Sie, mit kurzfristigen Maßnahmen sollen alle vorhandenen Potentiale zur Sicherung der Unterrichtsversorgung ausgeschöpft werden. – Ich glaube nicht, dass Sie damit die Verlängerung der Arbeitszeit der Lehrer meinen.

Schritt eins: Der Senat beschließt für den Haushalt 2003 als Sparauflage, dass die Bezirke bei der Behindertenarbeit 50 Millionen € einzusparen haben. Schritt zwei: Die Senatsverwaltung für Soziales führt Kostenverhandlungen mit den freien Trägern, die eben jene Behindertenarbeit durchführen, für die die Bezirke in Zukunft weniger Vergütung zahlen sollen. Jetzt würde jeder denkende Mensch erwarten, dass der „Sparen-bis-esquietscht-Senat“ eine Senkung der Kostensätze für die Behindertenarbeit aushandelt, so dass die zur Zahlung verpflichteten Bezirke ihre Sparvorgabe auch erfüllen können. Doch weit gefehlt: Am Ende der Verhandlungen verkündet die Sozialsenatorin Frau Knake-Werner stolz, dass die Kostensätze für die Behindertenarbeit unverändert bleiben. Man könnte denken, dass sich bei der Frau Senatorin jetzt das Gewissen gemeldet hat.

Aber dann müsste seitens des Senats logischerweise Schritt drei folgen: Die Rücknahme der Sparvorgabe an die Bezirke, damit diese die Rechnungen der freien Träger für die vom Senat bestellte Behindertenarbeit auch bezahlen können. Da geht man aber wieder fehl. Diesen logischen dritten Schritt geht der Senat nicht. Er tritt lieber gleichzeitig als die nette Tante mit dem sozialen Gewissen einerseits, und als der strenge Onkel Sparkommissar andererseits auf. In die Lücke und das dadurch entstehende Finanzierungsproblem fallen die Bezirke hinein. Denen antwortet man dann mit einem fröhlichen „Seht zu, wie ihr mit den gleichen Kosten und mit 50 Millionen weniger Geld hinkommt. Das ist jetzt euer Problem!“. Das nenne ich Chaos stiften,

Herr Mutlu, die Tendenz ist richtig. Dem Antrag der Grünen stimmen wir zu, wie wir es auch im Ausschuss getan haben. Aber wir alle dürfen uns keinen Sand in die Augen streuen. Der Vorschlag der GEW ist richtig, aber wir erreichen eine flächendeckende Unterrichtversorgung, wenn wir neue und junge Lehrer einstellen. Daran führt kein Weg vorbei. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Senftleben!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Sowohl der Fachausschuss als auch der Hauptausschuss empfehlen mehrheitlich gegen CDU, FDP und Grüne, den Antrag Drucksache 15/238 abzulehnen. Wer dem Antrag jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Es wäre nett, wenn Sie sich setzen würden, verehrte Damen und Herren Kollegen, weil wir hier oben ein unklares Bild haben.

[Gaebler (SPD): Es ist ja die Hälfte nicht da bei Ihrer Fraktion! Ist ja wohl ein Witz!]

Im Sitzen geht es besser! – Ganz klar, dieser Antrag ist mehrheitlich abgelehnt. Vielen Dank, wir wollten es hier oben nur optisch ganz klar sehen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 23:

Beschlussempfehlung

Abschaffung der Bezirke durch finanzielle Erdrosselung verhindern

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/1067 Antrag der Grünen Drs 15/972

Es ist eine Beratung von bis zu 5 Minuten pro Fraktion vorgesehen. Es beginnt die Fraktion der Grünen, und ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit für den ersten Redner, Herrn Eßer. Er hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird in der Stadt inzwischen munter diskutiert, ob sich die derzeitige Aufgabenteilung zwischen Landesebene und Bezirken bewährt hat oder ob diese geltende Aufgabenteilung nicht vielmehr ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit darstellt. Das Resultat dieser sehr grundsätzlichen Debatte muss noch der Zukunft überlassen werden. Einstweilen gilt für uns, mit den Widersprüchen so gut wie möglich zurechtzukommen. Darum geht es in unserem Antrag.

Wir wollen den Senat daran hindern, die Widersprüche, die es auf dem Gebiet der Sozialleistungen gibt, speziell in der Eingliederungshilfe für Behinderte, bei der Krankenhilfe für Sozialhilfeempfänger und bei den Hilfen zur Erziehung, bis ins Chaos zu steigern. Wie man dieses Chaos geradezu planvoll herbeiführt, dazu ein Beispiel

aus der jüngsten Vergangenheit, womit sich dieser Antrag beschäftigt.

[Beifall bei den Grünen]

während Sie das anscheinend für die getreuliche Umsetzung einer so genannten sozial gerechten Sparpolitik halten. So geht es nicht. Man darf Ihnen das nicht länger durchgehen lassen.

Deswegen beantragen wir, dass der Senat den Bezirken die Kosten für 2002 und 2003 auch erstattet, jedenfalls in den Fällen, wo sie durch seine eigenen Versäumnisse entstanden sind. Das Jahr 2002 ist nun fast Vergangenheit, aber im Jahr 2003 kommt das Thema wieder auf den Tisch, auch dann, wenn die Koalition unseren Antrag ablehnen sollte. Dann werden Sie sich mit unserem Vorschlag auseinander zu setzen haben, durch die Streichung des 13. Ruhestandsgehaltes für Pensionäre im Beamtenstatus den Bezirken für deren unterfinanzierte Sozialleistungen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Der Innensenator Herr Körting, las ich, fand den Vorschlag erwägenswert. Den anderen Senatsmitgliedern und den Abgeordneten von SPD und PDS kann ich nur ein besinnliches Weihnachtsfest wünschen. Vielleicht reicht die Besinnung dazu aus, ein Jahresendwunder hervorzubringen, und sie stimmen dann wenigstens im Nachtrag 2003 unserem Vorschlag, die Bezirke nicht zu er

Ferner hat die rot-rote Regierung die Ausstattung der Transferausgaben auf der Grundlage der Ist-Ausgaben, der tatsächlichen Ausgaben des Vorjahres, abgestellt, was ein wichtiger Schritt in Richtung realistischer Ausstattung des Transferteils bedeutet. Die rot-rote Regierung hat mit dieser Neuordnung bewirkt – und das war auch Ziel der rot-roten Regierung –, die hohen Ausgaben im Transferbereich nicht als gottgegeben anzusehen, sondern hier Einsparpotentiale zu erschließen und – ganz wichtig –

auch die Wirkungen dieser Mittel zu kontrollieren. Die Leistungsempfänger stehen hier ganz klar im Mittelpunkt.

Wir wissen, und das ist auch Ergebnis einer langen Debatte, dass die Steuerung der Sozialausgaben, sowohl in der Verantwortung der Bezirke als auch in der Verantwortung der Hauptverwaltung liegt. Die Betonung liegt auf „sowohl als auch“. – Herr Eßer, Ihr Beitrag hat gezeigt, dass Sie das immer noch nicht kapiert haben.

In der Verantwortung der Bezirke liegen in der Falleingangsphase die Entscheidung über Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen, aber auch die Wirkungskontrolle. Viele Bezirke reagieren inzwischen mit Fallrevisionen, was in der Zwischenzeit zu Kosteneinsparungen geführt hat. Wir werden sehen, dass es zu weiteren Einsparungen in diesem Bereich kommt. Die aktuellen Zahlen belegen das. Auch die Hauptverwaltungen können die Ausgaben über Rechtsvorschriften, Verordnungen und Kostensätze beeinflussen. Auch hier haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass eine ganze Menge passiert. Nehmen wir zur Kenntnis, dass Rot-Rot an dieser Stelle auch einiges bewegt hat.

drosseln und dies durch die Streichung des 13. Ruhestandsgehalts der Pensionäre zu finanzieren, zu.

Eines noch abschließend: Ich habe eben aus den Reihen der SPD erfahren, dass die Zahlen in dem Antrag, so wie er jetzt vorliegt, bezweifelt werden. Auch ich bin in der Tat der Meinung, dass drei Zahlen aktualisiert werden müssten. Wir schließen uns dann gern einem entsprechenden Änderungsantrag an, wenn sich die SPD dem Grundanliegen nicht mehr länger verschließt. Aber damit ist ausweislich der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, wo sie die Ablehnung empfehlen, nicht zu rechnen. Insofern können wir uns die ganze Zahlenarbeit sparen. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Eßer! – Wir fahren fort mit der SPD, und Frau Kolat hat das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Eßer hat zugegeben, dass dieser Antrag von vielen Fehlern und falschen Zahlen wimmelt.

[Wieland (Grüne): Na! – Unruhe bei den Grünen]

Ich habe mit Aufmerksamkeit verfolgt und eigentlich darauf gehofft, dass Sie hier aufklären, was Sie mit diesem Antrag wollen. Wir haben auch in Verbindung mit der Aktuellen Stunde: „Bezirkliche Selbstverwaltung stärken und Bürokratie abbauen“ schon diesen Antrag diskutiert. Wir haben auch im Hauptausschuss darüber diskutiert, und ich meine, dass die Argumente schon ausreichend ausgetauscht sind. Aber ich möchte hier noch einmal die Position meiner Fraktion zum Thema Transferausgaben in den Bezirken und die damit verbundenen Überschreitungen darstellen.

Die rot-rote Regierung hat die Zumessungssystematik der Transferausgaben in den Bezirken neu gegliedert. Die Zumessung T-Teil wurde neu eingeführt. Wir erinnern uns an die Aufregung und die Aufschreie gerade in den Oppositionsreihen zum Thema T-Teil. Dann aber, nach einer Phase inhaltlicher Auseinandersetzung, konnte man auch aus den Reihen der Opposition ganz leise Töne hören, die meinten, die Einrichtung des T-Teils sei doch sinnvoll und schon längst überfällig gewesen.