Quietschen für die Bankgesellschaft und für Landowskys Geschäfte, für eine in den Sand gesetzte Olympiabewerbung, die übrigens damals schon 51 Millionen DM gekostet hat, oder für großzügige Grundstücksgeschäfte zum Nutzen Dritter, das ist kein Leitbild. Und auch ein irreales Zieljahr 2009, in dem angeblich keine weitere Netto-Neuverschuldung mehr gemacht werden muss, ist keine Vision, sondern eine Augenwischerei wider besseres Wissen, und das werden wir auch immer wieder anmahnen.
Was Berlin im Moment wirklich braucht, das sind ganz andere Ziele. Es sind Schulen, die sich in der nächsten OECD-Studie vielleicht nicht mehr hinter Brasilien oder hinter Rumänien wiederfinden, es ist eine außergewöhnliche Kultur- und Wissenschaftslandschaft, das sind aber z. B. auch Jobangebote für Sozialhilfeempfangende und ist auch eine schlanke, moderne und flexible Verwaltung. Das sind die wirklichen Ziele, die sich eine Regierung setzen muss. Und dafür lohnt es sich von mir aus auch zu quietschen, wenn es denn hilft.
In einem Kommentar der „Berliner Zeitung“ in dieser Woche heißt es: „Olympia und Berlin, das ist eine verdammt unglückliche Beziehung.“ Vielleicht kann daraus irgendwann einmal eine glückliche Beziehung werden, mit Sicherheit jedoch nicht im nächsten Jahrzehnt. Deshalb bitte ich Sie, im Interesse Berlins unserem Antrag „Keine Luftbuchung für Olympia“ Ihre Zustimmung zu geben.
Vielen Dank, Frau Dr. Klotz! – Nach diesem ersten Rundwettlauf der besten Argumente hat nun für den Senat der Vertreter des Sports, Herr Böger, das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte für den Senat die Fragen der CDU. Und Sie können ja, Herr Kollege Rexrodt, dann prüfen, ob es ein Eiertanz oder Argumente sind.
Die erste Frage: Welche Chancen und Perspektiven versprechen sich die übrigen deutschen Städte und Regionen, die sich um die Austragung der Olympischen Spiele 2012 beworben haben oder nach eigenen Aussagen noch bewerben werden? – Hier ist festzuhalten: Städte, die sich um die Austragung Olympischer Spiele bewerben, erwarten in erheblichem Maße positive Effekte für die Entwicklung der Stadt und der Region, die sich auch noch lange nach den Olympischen Spielen rechnen. Zu nennen sind hier: tourismuswirksame Imageeffekte, Ankurbelung der Bauwirtschaft, Verbesserung der Sportstätteninfrastruktur, Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Attraktivierung des Messe- und Kongressstandorts, Beschäftigungseffekte für die einheimische Wirtschaft. Und schließlich geht es hier um das größte und auch – wie ich finde – schönste Sportereignis, und das hat sicherlich auch positive Effekte für das Land, das einen solchen Zuschlag erhält. Die deutschen Bewerberstädte für 2012 verbinden mit ihren Bewerbungen auch ganz spezifische Erwartungen. Lassen Sie mich einige nennen. In NordrheinWestfalen, dort bewirbt sich die Rhein-Ruhr-Region mit dem Zentrum Düsseldorf, soll beispielsweise die verkehrliche Infrastruktur durch den Bau des Metrorapid entlang der olympischen Sportstätten zwischen Dortmund und Düsseldorf nachhaltig verbessert werden. In Hamburg geht es den Planern um die städtebauliche Aufwertung von drei Stadtteilen im Rahmen der Planungen zur Hafencity. So viel zur Frage 1.
Zur Frage 2: Warum ist der Senat mit seiner Erklärung einer Beteiligung Berlins an der Ausrichtung Olympischer Spiele im Jahre 2012 so zögerlich, und was hat ihn bisher daran gehindert, sich eindeutig und positiv zu einer Berliner Beteiligung zu bekennen? – Der Senat ist keinesfalls zögerlich, sondern im Gegenteil sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst mit einer möglichen Bewerbung Berlins umgegangen. Immerhin waren Erfahrungen aus der gescheiterten Bewerbung für 2000, zudem umfangreiche Anforderungen des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, des Internationalen Olympischen Komitees und der internationalen Sportverbände, Entwicklungen im letzten Jahrzehnt, die gegenwärtige Situation sowie Prognosen für die Zukunft abzuwägen. Dabei war auch der Aspekt zu berücksichtigen, dass Olympische Spiele – das ist leider wahr – anders als zum Beispiel in Sydney, nicht immer nur eine positive Bilanz aufweisen. Es gibt auch die Erfahrung, dass die Olympiastadt 1976, Montreal, noch Jahrzehnte nach den Spielen die Kosten für das Olympiastadion abstottern musste, dass in Barcelona gegen den Willen der Bevölkerung ganze Stadtviertel der Olympiaplanung weichen mussten und dass sich das Wohnen dort zum Teil erheblich verteuert hat. Letztlich war eine ehrliche Bilanzierung von Kosten und Nutzen vorzunehmen, und letztlich haben auch Finanzierungsrisiken die entscheidende Rolle gespielt.
Bei der Risikoabwägung wurden folgende Aspekte betrachtet: Erstens die Kosten für die nationale Bewerbung, die wir, um dies noch einmal der Klarheit halber zu sagen, in diesem Jahr entscheiden müssen, um bis zum 15. Mai eine Bewerbungsschrift abzugeben, und eine Entscheidung darüber, ob das NOK Deutschland Berlin genommen hätte, wäre dann im April 2003 gefallen, mit der weiteren Folge, wenn Berlin ausgewählt worden wäre, dass im Jahr 2005 dann die internationale Entscheidung des IOC für 2012 gefallen wäre, mit der weiteren Maßgabe, wenn wir dort den Zuschlag bekommen hätten, dann hätte dies sofort Investitionen ausgelöst. Ansonsten hätte dann eben die nächste Runde begonnen für die Spiele 2016. Also erstens die Kosten für die nationale Bewerbung, zweitens die Kosten für die internationale Bewerbung. Sie betragen voraussichtlich 50 Millionen DM, das Finanzierungsrisiko liegt hier bei der öffentlichen Hand. Auch wenn man zuversichtlich sein kann, dass sich Private, insbesondere die Wirtschaft, an diesen Kosten beteiligen werden, wird eine volle Kompensation wahrscheinlich nicht gelingen.
Entscheidend sind jedoch die Kosten für eine olympiataugliche Infrastruktur, für die es Modellrechnungen gibt mit sehr pessimistischen bis hin zu sehr optimistischen Aussagen.
Nach sorgfältiger Analyse und unter Einbeziehung der Erfahrungen anderer Städte zeigt es sich, dass Berlin zwar in Deutschland wegen der bereits vorhandenen Infrastruktur die Stadt mit den besten Ausgangsvoraussetzungen ist,
aber auch in Berlin mindestens noch sieben weitere Sporthallen ab 6 000 Zuschauerplätzen sowie die bereits in Planung befindliche Mehrzweckhalle gebaut werden müssten, um das olympische Wettkampfprogramm darstellen zu können. Wir hoffen sehr, dass die Mehrzweckhalle tatsächlich gebaut wird, aber die sieben weiteren Sporthallen hätten wir als Stadt selbst bauen und finanzieren müssen.
Insgesamt würden hierfür erhebliche Investitionskosten aufgewendet werden müssen. Geht man davon aus, dass die Mehrzweckhalle, ich sagte es bereits, privat finanziert wird, eine Sportanlage sich in Brandenburg befinden könnte und von dort finanziert werden müsste, und soweit wie möglich temporäre Anlagen geschaffen werden könnten, zum Beispiel durch Herrichtung von Messeeinrichtungen, so ist mit Infrastrukturkosten
Herr Senator! Können Sie uns die Sportstätten im Einzelnen nennen, die da noch zu bauen und zu finanzieren wären?
Ja, die kann ich Ihnen auch im Einzelnen nennen. Das ergibt sich aus der Fülle der olympischen Sportarten, die im Olympiaprogramm sind, wobei wir im Übrigen für 2012 noch nicht ganz genau wissen, ob noch weitere Sportarten hinzu kommen, zum Beispiel ist kürzlich in Sydney auch noch Baseball hinzu gekommen,
das ist eine Entscheidung des IOC. Ich kann Sie Ihnen auch gern schriftlich nachreichen, es ist keine Zahl, die wir einfach erfinden, sondern auf Grund sehr sorgfältiger Analysen, weil wir mehrere Machbarkeitsstudien in unserem Haus bereits gemacht haben, sehr klar und plausibel ist. Sie müssen für Olympische Spiele in einer Stadt diese zusätzlichen Hallen, ich habe von sieben weiteren gesprochen, mindestens bauen. Dabei ist schon eingerechnet, dass wir – wie ich finde, glücklicherweise, nicht wie andere hier im Haus meinen, schlimmerweise – hervorragende Sporthallen schon haben, wie die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom und auch die Schwimmhalle. Die kosten zwar der Stadt Geld, das ist wahr, dennoch sind sie hervorragende Sportstätten und sind auch dafür weiter geeignet.
Neben den Sport- und Trainingsstätten, ich wiederhole mich, die bis zu maximal 1,5 Milliarden DM kosten würden, kommen noch hinzu die Kosten für die olympischen Unterkünfte, namentlich für das Olympische Dorf, für 16 000 Athleten und Athletinnen sowie Betreuer und Betreuerinnen. Abhängig von der Nachnutzung ist hier mit einem erheblichen Finanzierungsrisiko für die öffentliche Hand zu rechnen, das in etwa 1,5 Milliarden DM bis
2 Milliarden DM betragen könnte. Das Finanzierungsrisiko zusammengefasst liegt für Berlin hinsichtlich der Infrastrukturkosten somit bei insgesamt 3 Milliarden DM bis 3,5 Milliarden DM.
Unbestritten ist allerdings auch, dass Einnahmen erzielt werden können. Nach Berechnungen privater Initiativen sind Einnahmen bis zu 3,6 Milliarden DM erzielbar. Sie beruhen, wie sehr häufig bei Einnahmen, auf Annahmen. Alle Verträge, zum Beispiel die über die Vermarktung, wären noch zu verhandeln. Es ist somit ungewiss, ob dieses Einnahmeergebnis auch tatsächlich erzielt werden kann. Unabhängig von den monetären Effekten wird bei konservativer Betrachtung unter Einschluss der Risiken, die sich noch aus den Organisations- und Durchführungskosten ergeben können, ein Finanzierungsrisiko sichtbar, das für eine Stadt, die sich in einem lang anhaltenden Konsolidierungsprozess befindet bzw. ihn erst startet, nicht vertretbar ist. Von einer Bewerbung Berlins war aus diesen Gründen für 2012 abzusehen.
Zu Frage 3: Ist dem Senat bewusst, welchen verheerenden nationalen und internationalen Eindruck er bei einem Verzicht auf eine Beteiligungserklärung der deutschen Hauptstadt machen würde? – Natürlich haben die deutschen Bewerberstädte und das Nationale Olympische Komitee für Deutschland registriert, dass die Hauptstadt Deutschlands den Hut nicht in den Ring wirft. Ob denn nun eine andere deutsche Stadt international überhaupt eine Chance hat oder ob künftig nur Metropolen wie Berlin Chancen haben, Austragungsort Olympischer Spiele zu werden, können wir im Grunde alle nicht seriös beurteilen. Ich darf daran erinnern, dass sich zum Beispiel nicht die spanische Hauptstadt Madrid, sondern Barcelona beworben und auch den Zuschlag für 1992 erhalten hat. Nicht London, sondern Manchester hieß in den vergangenen Jahren der Olympiabewerber Englands. Eines möchte ich hier ganz deutlich machen: Berlin wird die vom Nationalen Olympischen Komitee ausgewählte deutsche Bewerberstadt ohne Wenn und Aber nachhaltig unterstützen. [Beifall der Frau Abg. Hämmerling (Grüne) – Dr. Rexrodt (FDP): Das ist ja unglaublich!]
Zur Frage 4: Wie kann der Senat seine zögerliche Haltung angesichts der in Berlin bereits vorhandenen zahlreichen olympiatauglichen Sportanlagen und der Erfahrung der Stadt mit der Durchführung zahlreicher internationaler Großveranstaltungen in den vergangenen Jahren erklären? – Ich habe bereits betont, es wurde nicht zögerlich gearbeitet, sondern sorgfältig und verantwortungsbewusst abgewogen. Natürlich wissen wir und weiß ich auch ganz persönlich um die Qualität der Berliner Sportstätten. Ohne Frage sind wir im Vergleich zu den anderen Bewerberstädten sicherlich weit vorne dabei, zumal wir nach der Fertigstellung des Olympia-Stadions 2004 über das bundesweit einzige olympiataugliche Leichtathletikstadion verfügen und – ich habe es schon erwähnt – über drei höchstmoderne Sporthallen und künftig wahrscheinlich auch eine Großhalle mit Olympiatauglichkeit. Nur darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dass damit für Olympische Spiele schon alles getan wäre. Wir hätten – ich wiederhole mich – zusätzlich weitere Wettkampfstätten und Trainingsstätten gebraucht, die olympiatauglich gebaut, modernisiert oder temporär hätten errichtet werden müssen. Wir hätten einen Messeausbau für fünf bis sechs Sportarten für das internationale Medienzentrum finanzieren müssen. Zusätzlich hätten wir vor allem das olympische Dorf für die Unterbringung von 16 000 Sportlerinnen und Sportlern mit ihren Betreuern gebraucht. Über die hohe Veranstaltungskompetenz Berlins besteht wohl zwischen uns allen Konsens. Bekannt ist die große Zahl von Europa- und Weltmeisterschaften, die wir auch in den kommenden Jahren und im letzten Jahrzehnt in vielen Sportarten in Berlin erfolgreich durchgeführt haben. In jedem Jahr finden in Berlin Traditionsveranstaltungen – Berlinmarathon, ISTAF, Pokalendspiel, Sechstagerennen usw. – statt. Das ist alles ohne Frage für die Sportstadt Berlin hervorragend. Aber – und das ist die Summe – bei der beklemmenden Haushaltslage war das letzten Endes nicht ausschlaggebend.
Zur Frage 5: Wird sich der Senat angesichts der vorhandenen verkehrlichen, touristischen und kulturellen Infrastruktur Berlins nunmehr unverzüglich und uneingeschränkt zu einer Teilnahme
Berlins an der Olympiabewerbung Deutschlands bekennen? – Nach Abwägung aller Argumente, die zu betrachten waren, wird sich Berlin um die Olympischen Spiele 2012 nicht bewerben. Das ist für manchen in der Stadt eine große Enttäuschung. Der Oppositionssprecher Steffel hat von einer Stand-by-Position gesprochen, die ich hatte. Die war auch vollkommen korrekt, weil in der Rede von Herrn Steffel gar nicht klar wurde, dass damals, als ich Stand-by, also eine abwartende Position, gesagt habe, das NOK in Deutschland sich überhaupt noch nicht entschieden hatte, ob sich das NOK bewirbt, denn ob sich Deutschland bewirbt, entscheidet nicht die CDU Berlin, sondern das NOK Deutschland. Das muss man einmal klarlegen. Nachdem sich das NOK im Herbst dieses Jahres entschieden hatte, war ich der Auffassung, dass wir in Berlin sehr engagiert, aber auch nüchtern unsere Chancen abwägen sollten. Und – ich will dies hier nicht verheimlichen – ich persönlich bin der Auffassung, dass eine solche Olympiabewerbung für die Stadt unter Abwägung aller Risiken auch verantwortbar gewesen wäre.
Es bleibt – und dies muss man auch deutlich sagen – in der Politik zunächst einmal nicht die Auffassung von Einzelnen stehen. Ich sage auch in Respekt derjenigen, die andere Argumente – nicht Polemik, andere Argumente – gefunden haben, dass auch sehr viel dafür durchaus spricht, angesichts der sehr komplizierten Haushaltslage Berlins mit enormen Anstrengungen, die auf die Stadt zukommen, dass es dort angesichts dieser Herausforderungen sehr verantwortlich auch sein kann zu sagen: Dies machen wir jetzt nicht. – Es ist wohl auch wahr, Herr Steffel, dass Sie sicherlich den Präsidenten des Deutschen Sportbundes nicht zur Linksfront in diesem Land ernennen werden. Es wäre mir jedenfalls neu, dass Herr von Richthofen sich dort eingereiht hat. Wenn ich ganz richtig orientiert bin, ist Herr von Richthofen im Allgemeinen in dieser Stadt als sehr sportinteressierter, -begeisterter und sicherlich als Mensch zuzuordnen, der eher im konservativ-liberalen Umfeld sich zu Hause fühlt.
Ich möchte den Gedanken erst zu Ende führen. – Sie wissen sehr genau, dass der Präsident des Deutschen Sportbundes sehr engagiert und sehr nachhaltig dagegen argumentiert hat, dass diese, seine Heimatstadt Berlin, in der er lange Jahre der Präsident des Landessportbundes war, sich um Olympia erneut bewirbt.
Sein Hauptargument war dabei erstens, dass die Stadt Berlin gegenwärtig, mittelfristig ganz andere Sorgen hat und sich um ganz andere Dinge kümmern soll. Und zweitens war sein Hauptargument, dass es Berlin gut anstünde, nun in diesem Fall zurückzustehen für die anderen deutschen Bewerberstädte. Ich bitte Sie, Herr Steffel, dies einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen und es sich nicht so einfach zu machen, sich hier hinzustellen und zu sagen: Da gibt es die Linksparteien – wer immer das auch sein mag –, die haben keine Visionen, die haben keine Vorstellungen,