Nicht die Polizeibeamten haben hier einen Fehler gemacht, sondern der Innensenator hat einen taktischen Fehler begangen. Die Polizeibeamten mussten diesen Fehler allerdings ausbaden mit acht Verletzten, einer davon musste im Krankenhaus behandelt werden. Mein Mitgefühl, das Mitgefühl der CDU-Fraktion gilt unseren verletzen Polizeibeamten, die dieses wieder einmal ertragen mussten.
Danke schön, Herr Kollege! – Es ist leider so, weil es einige Zwischenrufe dazu gab, dass das Thema einer Sache schwer von der Begründung zu trennen ist, wie wir alle wissen, weil meist die Sache die Begründung ist.
Dann hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Eßer das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege, zur Begründung Ihres Antrags!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen Ihnen heute vorschlagen, hier zum Thema „Haushaltsnotlage in Berlin – Konsolidierung bis 2009 – Realität oder Wunschdenken?“ zu diskutieren. Und ich will Ihnen – insbesondere Ihnen, Herr Gaebler – kurz die Gründe für diesen Vorschlag darlegen. Denn dass der Senat darauf verzichten will, die Finanzkrise Berlins noch zu verschärfen, indem er sich um die Olympischen Spiele bewirbt, ist ja sehr löblich und wird von uns unterstützt. Interessanter aber wäre zu diskutieren, welche Vorstellungen die Fraktionen hier im Hause eigentlich davon haben, wie sie das Land aus der Haushaltsnotlage herausführen wollen.
Sogar der Umfang des damit verbundenen Stellenabbaus in Höhe von 15 000 Stellen und die damit verbundene Einsparung in Höhe von 1 Milliarde DM war im Wahlkampf kaum strittig. Nur aus der CDU, Herr Niedergesäß, wurden Stimmen laut, die schon soziale Verwerfungen voraussahen. Wir wüssten deswegen gerne – und ich glaube, die Öffentlichkeit auch –, ob hier irgendjemand im Saal ist, der dieses Programm für eine schlankere und für effizientere Verwaltung nicht durchführen möchte.
Heftige öffentliche Kontroversen hat es dagegen darum gegeben, ob es möglich ist, eine weitere Milliarde DM Personalkosten durch einen Solidarpakt mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes einzusparen. Wir hatten hier die Vorstellung, kostensenkende Arbeitszeitmodelle mit Beschäftigungssicherung und mehr Mitbestimmung zu kombinieren. Und für uns war und ist noch klar, dass ein solcher Beschäftigungspakt nur im Einvernehmen mit den Gewerkschaften zu erreichen ist und der Umfang von 1 Milliarde DM allenfalls eine anzustrebende Zielgröße darstellt. Deswegen fanden wir den Vorschlag der SPD hochgradig unseriös, und das hat uns auch erstaunt, die Einsparungen von 1 Milliarde DM zur Not auch einseitig mittels Arbeitszeitverlängerung und betriebsbedingten Kündigungen durchzusetzen und auf diese Weise – gewissermaßen als gesichert in die mittelfristige Finanzplanung für die kommende Legislaturperiode einzutragen. Wir finden, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob die SPD an dieser Absicht festhält. Und wir wüssten natürlich auch gern, ob die PDS sich dem anzuschließen gedenkt.
Schließlich wüssten nicht nur wir gerne, ob die SPD weiterhin an der Finanzplanung der großen Koalition festhält, die eine Haushaltssanierung bis 2009 zum Ziel hatte. Im Wahlkampf haben Sie das jedenfalls immer behauptet. Nicht gesprochen haben Sie damals von dem Streichkonzert, das dazu notwendig ist. Das wurde für uns auch erst in den Koalitionsverhandlungen richtig offenbar. Konsolidierung bis 2009 erfordert nämlich nicht nur die erwähnte Streichung von 2 Milliarden DM beim Personal, sondern auch die Absenkung der konsumtiven Ausgaben um kaum realistische 3,5 Milliarden DM pro Jahr, und das in Preisen von heute gerechnet. Rechnet man seriöserweise in den zu erwartenden Preisen von 2006, kommt gar die Summe von geradezu irrwitzigen 5 Milliarden DM an notwendigen Einsparungen heraus. Und hinzukommen müsste obendrein ein Einfrieren bzw. ein Absenken der Investitionen, und das über Jahre. Ein solcher Haushalt wäre eindeutig verfassungswidrig und würde in uns bestimmt einen Kläger finden, falls nicht der Kollege Wolf seine vor zehn Tagen angekündigte Klage aufrechterhält und uns das erspart.
Wir wüssten also gern, ob die SPD an diesen Absichten festhält und ob die PDS sich diesen Plänen – Konsolidierung bis zum Jahr 2009 – anzuschließen gedenkt. Wir wüssten auch gern, was die anderen Fraktionen darüber denken.
Die einzige Instanz, die sich bislang klar geäußert hat, ist der Landesrechnungshof. Der hat in seinem Jahresbericht zu der Chimäre von der schwarzen Null im Jahr 2009 festgestellt:
Die objektiven Voraussetzungen der vom Senat eher hypothetisch erörterten extremen Haushaltsnotlage sind bereits erfüllt. Vor diesem Hintergrund ist die optimistische Einschätzung, sich aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien zu können, kaum realistisch. Der Rechnungshof ist der Auffassung, dass die Hilfe nach Lage der Dinge nur vom Bund kommen kann.
Wir wüssten gern – und ich glaube, die Öffentlichkeit ebenso –, ob hier noch irgend jemand im Saal ist, der diese Analyse des Rechnungshofs bezweifelt.
Alles in allem, Herr Gaebler, ist das genug Stoff, um die aktuell alles überlagernde Frage zu diskutieren: Wie kommt Berlin aus der Haushaltsnotlage heraus und welche Absichten verfolgen die einzelnen Parteien auf diesem Weg tatsächlich? – Ich bitte Sie deshalb, unserem Themenvorschlag für die Aktuelle Stunde zuzustimmen!
Schönen Dank, Herr Kollege Eßer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse nunmehr über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Erstes war die Mehrheit. Damit ist diese Aktuelle Stunde beschlossen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Wie immer werde ich diese Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 A aufrufen. Wir werden diese Aktuelle Stunde mit der Großen Anfrage vom Tagesordnungspunkt 5 sowie den weiteren zu diesem Komplex eingegangenen Anträgen verbinden.
Noch ein Hinweis zur A k t u e l l e n S t u n d e auf Antrag der Fraktion der PDS z u m T h e m a „Wa h l v e r s p r e c h e n e i n h a l t e n – d e r B i l d u n g d e n Vo r r a n g g e b e n “ aus unserer l e t z t e n S i t z u n g. Hierzu hatten wir die Aussprache vertagt. Inzwischen hat die Fraktion den Antrag auf Durchführung dieser Aktuellen Stunde z u r ü c k g e z o g e n.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie noch auf die Ihnen vorliegende K o n s e n s l i s t e sowie auf das Ve r z e i c h n i s d e r D r i n g l i c h k e i t e n hinweisen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Weiterhin habe ich mitzuteilen, dass leider der S e n a t n i c h t ganz v o l l s t ä n d i g w ä h r e n d d e r g e s a m t e n S i t z u n g v e r t r e t e n sein wird, sondern dass Frau Senatorin von Friesen sich für die Zeit zwischen 15.45 Uhr und 17.15 Uhr wegen eines wichtigen Firmentermins entschuldigt hat.
Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat die Frau Abgeordnete Frau Dr. Felicitas Tesch von der Fraktion der SPD zum Thema
1. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dem kürzlich veröffentlichten internationalen Bildungsvergleich PISA und dem darin zum Ausdruck kommenden schlechten Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler für den Berliner Bildungsbereich?
2. Gibt es bereits Vorstellungen, in welcher Weise bildungspolitische Zielsetzungen nach PISA für eine Verbesserung der Situation der betroffenen Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerschaft umgesetzt werden können und müssen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Tesch! Sie stellen – wenn ich das vorweg sagen darf – eine Mündliche Anfrage in kleiner Form zu einem sehr großen Thema. Die internationale Untersuchung PISA in mehr als 30 Staaten – allen OECD-Staaten –, in der geprüft, abgefragt und getestet wurden die Fähigkeiten in Lesekompetenz, die mathematische und die naturwissenschaftliche Kompetenz, nicht Wissen, ich betone das, sondern die Fähigkeit zu Lesen und das, was man gelesen hat, intelligent zu verwerten, und die Fähigkeit in mathematischen Zusammenhängen zu denken und die Fähigkeiten, naturwissenschaftliches Denken zu bewerkstelligen, diese Studie hat für die Bundesrepublik Deutschland, zurückhaltend formuliert, ernüchternde Ergebnisse gebracht. Man kann es auch schärfer formulieren: Dies ist eine Blamage für die Bundesrepublik Deutschland. Wir bewegen uns bei den verschiedensten Ergebnissen in der Regel immer unterhalb des Durchschnitts aller OECD-Staaten, und in manchen Bereichen liegen wir sogar im unteren Feld, manchmal kurz über Brasilien, ohne etwas gegen Brasilien zu sagen.
Die erste Forderung ist, Frau Kollegin, dass alle diejenigen, und nicht nur die Bildungspolitikerinnen und -politiker, sondern alle in der Bundesrepublik Deutschland zunächst einmal diese Studie sehr systematisch studieren und lesen sollten. Meine Empfehlung lautet übrigens – bevor man mit sehr kantigen Formulierungen an die Öffentlichkeit tritt, wie ich sie gemeinhin jetzt in verschiedenen Zeitungen lese, wie beispielsweise die Forderung nach Zentralabitur oder bedingungslosen Wettbewerb, das gibt diese Studie gar nicht her –, das muss man erst einmal sehr sorgfältig studieren. Danach muss man auch zu einschneidenden Konsequenzen in der Bundesrepublik Deutschland kommen. Diese Konsequenzen werden allerdings, auch dessen müssen wir uns bewusst sein, nicht unmittelbar und sofort Ergebnisse zeitigen, sondern dies wird längere Zeiträume in Anspruch nehmen, was nicht heißt, dass man überhaupt gar nichts tun sollte.
Nach einer ersten Analyse glauben wir, um zum zweiten Teil Ihrer Frage zu kommen, dass wir in Berlin insbesondere auf fünf Ebenen unser Hauptaugenmerk richten sollten. Das sind Bereiche, die sich unseres Erachtens sehr eindeutig und präzise aus den Ergebnissen der Studie ableiten lassen.
Zum Einen müssen wir in Berlin und generell auch in der Bundesrepublik Deutschland die Grundbildung der Schülerinnen und Schüler verbessern. Damit meint man gemeinhin Verbesserungen im Primarbereich, dazu zählen wir klassisch die sechsjährige Grundschule in Berlin, aber eben auch die Vorschule und den Kindergarten. Niemand will in Deutschland den Kindern ihre Kindheit und Unbeschwertheit rauben, darum geht es nicht, aber wir müssen frühzeitiger – auch in den Kindergärten – beispielsweise mit Spracherziehung beginnen und anderen Dingen, die das Lernen und die Fähigkeit zu Lernen erleichtern. Das ist der erste Punkt, den wir beachten müssten.
Als Zweites sollten wir uns in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere auch in Berlin systematisch an den Ausbau schulischer Ganztagsangebote machen. Es ist sehr wichtig, insbesondere in der Grundschule Ganztagsangebote zu
unterbreiten, um den Kindern länger als während der reinen Unterrichtszeit ein vernünftiges pädagogisches Umfeld zu bieten, um so Defizite aus Elternhäusern ausgleichen zu können.
Als Drittes hat die PISA-Studie ergeben, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Integration von Kindern mit Migrantenhintergrund sehr schlechte Ergebnisse aufweist. Ich denke, wir müssen endlich in der Bundesrepublik Deutschland begreifen, dass wir faktisch schon ein Einwanderungsland sind.
Es macht keinen Sinn, ständig über dieses Thema zu räsonieren, zu streiten, es zu leugnen. Wir sind ein Einwanderungsland. Wir haben deshalb auch die Aufgabe und können andererseits die Anforderung stellen, an diejenigen, die bei uns sind und bei uns bleiben sollen, dass wir die Integration unter anderem auch sicherstellen durch das Erlernen der Sprache, die hier Umgangssprache ist, nämlich Deutsch. Deutsch zu lernen ist der Schlüssel für die Integration und die Möglichkeit im Bildungswesen auch Erfolg zu haben. Auch das müssen wir in unserem Bildungssystem sehr frühzeitig und energischer angehen.
Der vierte Bereich – der kostet sogar, sage ich an die Finanzsenatorin gewandt, ausgesprochen gar kein Geld – schließlich ist folgender: Wir brauchen in der Bundesrepublik eine gemeinsame Anstrengung zur Verbesserung der Qualität der Bildung. Wir brauchen in der Bundesrepublik Überlegungen und Neuorientierungen darüber, wie und was wir in der Schule lernen. Das heißt, wir brauchen eine Verbesserung und Revision unserer Curricula und insbesondere unserer Methodik und Didaktik in der Berliner Schule.
Schließlich brauchen wir in Berlin – und in Deutschland – eine Reform der Lehreraus- und -fortbildung. Generell ist dazu zu sagen, dass nach meinem Eindruck in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Berlin die Studien zu lange dauern und es dann so ist, dass Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie dann endlich, wenn wir Glück haben, mit dem zarten Alter knapp über dreißig erstmals in die Schule kommen können, dass dann danach als Pflicht keine Fortbildung mehr verlangt wird. Viele Lehrerinnen und Lehrer machen das, aber es ist denkbar auch möglich, dass man danach 30 Jahre seinen Beruf ausübt, ohne sich weiter systematisch fortzubilden. Eine der Forderungen muss sein, dass wir eine Fortbildungspflicht für Lehrerinnen und Lehrer einführen und auch dafür Angebote machen, damit man sich in diesem wichtigen Feld weiter entwickeln kann.