Protocol of the Session on September 12, 2002

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7, Drucksache 15/665:

Große Anfrage der Fraktion der CDU über Ist mit der Einführung von DRGs künftig noch eine patientenorientierte Krankenversorgung in Berlin gewährleistet?

Zur Begründung der Großen Anfrage hat nun ein Mitglied der Fraktion der CDU das Wort. Das ist der Kollege Czaja. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass die ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD sehr gespannt zuhören wird. – Am 1. März 2002 hat der Bundesrat dem Fallpauschalengesetz zugestimmt. Damit befürchten einige, dass die Industrialisierung der Patientenversorgung eingeläutet wird. Andere glauben, dass damit eine faire Vergütungsgrundlage nach Diagnose und der Rückgang von unnötigen Verweildauern in Krankenhäusern erzeugt wird.

Worum geht es? Das Gesetz sieht vor, Krankenhäuser ab dem Jahr 2003 flächendeckend auf ein neues Finanzierungssystem umzustellen. Die Finanzierung erfolgt dann nach den so genannten DRGs – diagnosis related groups –; das Krankenhaus bekommt für jeden eingewiesenen Patienten eine an die Diagnose gekoppelte Pauschalsumme, mit der es finanziell auskommen muss. Zwar hat eine solche pauschale Bezahlung auch positive Effekte, denn die Krankenhäuser werden damit vergleichbarer. Doch in dem neuen System liegen auch viele Gefahren, besonders für die Stadt Berlin. Bei einer diagnosebezogenen Pauschalhonorierung fährt nämlich das Krankenhaus am besten, das vermehrt Patienten mit lukrativen Diagnosen so kostengünstig wie möglich behandelt und sie so früh wie möglich aus dem Krankenhaus entlässt. Kliniken geraten mit einem solchen Finanzierungssystem unter starken Kostendruck. Sie müssen sich dementsprechend im harten Konkurrenzkampf bewähren und die Patienten, die günstig sind, aufnehmen, die weniger günstig sind, ablehnen. Kein Land der Welt hat bisher die DRGs daher flächendeckend eingeführt. Das System, das ursprünglich aus Australien stammt, ist auch dort nicht flächendeckend eingeführt worden, sondern nur zu knapp 56 %. Gerade für Berlin mit einem eng gestrickten Netz von Krankenhäusern und derzeitig ca. 23 000 Krankenhausbetten wird dies starke Auswirkungen haben, die das derzeitig gute Versorgungsnetz auf eine schwere Bewährungsprobe stellen wird. In Berlin haben wir bekanntermaßen ein hohes Angebot an Hochleistungsmedizin und Maximalversorgung, welches nicht nur die Versorgung der günstigen Diagnosen ermöglicht, sondern auch die Verantwortung über die Region hinaus, wie z. B. im Deutschen Herzzentrum oder im Unfallkrankenhaus, wahrnimmt. Dies wird für die Krankenversorgung also von wichtiger Bedeutung sein, ob dies in Berlin noch finanzierbar ist.

Die CDU-Fraktion hält daher eine reine Bettendiskussion für fragwürdig und würde lieber eine Qualitätsdiskussion führen. Gemeinsam mit vielen Berlinerinnen und Berlinern fragen wir uns, ob weiterhin, wie vom Staatssekretär Schulte-Sasse begonnen, nur eine Bettenreduzierungsdiskussion in der Stadt betrieben wird,

[Frau Jantzen (Grüne): Die führen Sie ja jetzt wieder!]

ob mit den geplanten Bettenkapazitäten noch eine ordentliche Versorgung möglich ist, ob eine wohnortnahe Versorgungsstruktur erhalten bleibt und ob die Hochleistungsmedizin, die für Deutschland eine sichtbare generale Aufgabe übernommen hat, aus dieser Berechnung herausgenommen wird. Und wir fragen uns, wie der Senat angesichts des gestrigen Jahrestages des Attentats auf das World Trade Center und der Erfahrungen aus der Flutkatastrophe den notwendigen Vorhaltungen für den Katastrophenschutz Rechnung tragen kann. Im Namen vieler besorgter Berlinerinnen und Berliner bitten wir deshalb den Senat um die Beantwortung unserer Fragen.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Czaja! – Zur Beantwortung hat nun Frau Senatorin Dr. Knake-Werner das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anfrage der CDU befasst sich in Teilen mit den Auswirkungen des neuen Krankenhausvergütungssystems – Herr Czaja hat es gerade begründet –, den Fallpauschalen und den daraus für die Krankenversorgung in Berlin zu ziehenden Konsequenzen. Ich will auch noch mal kurz zum Verständnis sagen, worum es bei diesem Vergütungssystem geht, welches einerseits Chancen beinhaltet, aber auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann, wenn zukünftig in den Krankenhäusern die Leistungsvergütung nicht mehr nach den bisher erbrachten Pflegetagen unabhängig von der Zahl der Behandlungsfälle und unabhängig von der Schwere der Erkrankung gezahlt wird, sondern wenn zukünftig nach dem Fall

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Frau Sen Dr. Knake-Werner

pauschalengesetz berechnet wird oder nach der Fallpauschale abgerechnet wird. Es geht dabei darum, dass zukünftig etwa 800 Fallgruppen geschaffen werden sollen. Damit besteht die Möglichkeit, jeden Behandlungsfall in diesem Fallpauschalensystem grundsätzlich gleich zu vergüten. Dabei werden Alter und besonders aufwändige Behandlungen wegen des Vorliegens mehrerer Erkrankungen gleichzeitig individuell zu einer Fallpauschalenbestimmung zusammengefasst. Mit der Einführung der Fallpauschalen soll Fehlanreizen entgegengewirkt werden, die bisher vor allem darin bestanden, dass ein Krankenhaus durch unnötig lange medizinisch nicht begründete Verweildauer seine Einnahmen verbessern konnte, und zwar zu Lasten der Krankenkassen. Das ist für alle erkennbar ein offensichtliches Problem. Es geht tatsächlich darum, auch hier ein Stück weit entgegenzuwirken.

Die umfassende Vergütung von Krankenhausleistung auf der Basis von Fallpauschalen wird nach Einschätzung aller Experten die Verweildauer in den Krankenhäusern verkürzen. Damit kann es zur Absenkung um etwa 20 % bis 30 % kommen. Insgesamt soll das neue Vergütungssystem nach den Erfahrungen in anderen Ländern zu mehr Wirtschaftlichkeit, zu höherer Transparenz im Leistungsgeschehen und in der Vergütung der Krankenhausleistung führen. Ganz wichtig dabei ist, dass das Geld der Leistung folgen soll. Dort, wo schwerkranke Patienten behandelt werden, wird auch künftig mehr gezahlt.

Aber es gibt keine Therapie ohne Nebenwirkung. Befürchtet werden Risikoselektion, wird verfrühte Entlassung aus den Krankenhäusern, ohne dass die Therapieerfolge bereits ausreichend gesichert sind. Manche malen das Schreckensbild der blutigen Entlassung an die Wand. Befürchtet wird auch von manchen Kommentatoren, dass auf Grund des Kostendrucks die Versorgungsqualität leiden könnte, obwohl das Gesetz das eigentlich durch die Dokumentation der Behandlungsqualität zu verhindern sucht. Ich sehe diese Risiken durchaus. Aber durch entsprechende Vorkehrungen beispielsweise durch Stärkung integrativer Versorgungsansätze mit einer Verzahnung von stationären und ambulanten Versorgungsstrukturen oder durch die Implementierung qualitätssichernder Maßnahmen kann und muss natürlich auch den Risiken entgegengewirkt werden. Eine ebenso große Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung von Patientenrechten und natürlich der gesundheitliche Verbraucherschutz.

Das Fallpauschalengesetz gilt als sogenanntes lernendes Gesetz. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass aus der Sicht des Bundesgesetzgebers durch eine begleitende Evaluation die Auswirkungen von Problemen frühzeitig erkannt und ebenso rechtzeitig korrigiert werden können. Die endgültige Gestaltung des deutschen DRG-gestützten Krankenhausvergütungssystems wird deshalb erst gegen Ende der Übergangsfrist zum Jahr 2007 feststehen. Während einige dies als Risiko betrachten, sehen andere darin durchaus eine deutliche Chance. Da niemand derzeit im Detail weiß, welche konkreten Auswirkungen genau das neue pauschalierte Vergütungssystem innerhalb und außerhalb des Krankenhauses zeitigen wird, sind Lern- und Reaktionsfähigkeit aller Beteiligten in diesem Prozess absolut notwendig.

Ich sehe in dieser Einführung eine große Herausforderung für die Entwicklung neuer Versorgungsstrukturen, die nicht nur mit der Einführung der DRGs zusammenhängen, sondern auch zum Beispiel mit der Einführung der neuen Chroniker-Programme. Beides zusammen muss zu einem neuen gesundheitsplanerischen Ansatz führen. Darum bemühen wir uns in Berlin.

Ganz allgemein zu den Auswirkungen in Berlin lässt sich folgendes sagen: Das neue Vergütungssystem wird dazu beitragen, dass die hohen Fallkosten und die dafür verantwortlichen strukturellen Faktoren im Berliner Krankenhausbereich an das Bundesniveau herangeführt werden können. Dies trägt natürlich zu den notwendigen Entlastungen der Krankenkassen bei und damit zur solidarischen Sicherung der Gesundheitsversorgung sowie zur Verbesserung der Umfeldbedingungen für den Wirtschaftsstandort Berlin. Ich lege ganz großen Wert darauf, dass diese Erwartungen auch eintreten.

Gleichzeitig ergeben sich aus den DRG-Vergütungen Konsequenzen für die Krankenhausversorgungsstruktur und den Versorgungsbedarf. Hier wird es die Aufgabe der Krankenhausplanung sein, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen. Ich will allerdings klar zum Ausdruck bringen, dass in der anstehenden Fortschreibung des Krankenhausplans, den wir bekanntermaßen Ende 2002 vorlegen wollen, die Auswirkungen der DRGs aus den genannten Gründen nur sehr begrenzt berücksichtigt werden können. Bisher steht noch nicht einmal fest, wie die bisher erbrachten Leistungen in der neuen Vergütungssystematik endgültig abgebildet werden. Damit ist auch für die einzelnen Krankenhausträger noch keine ausreichende Grundlage gegeben, für eine strategische Ausrichtung ihrer Häuser, bei der die entscheidende Frage zu klären ist, welche Leistungen zukünftig unter wirtschaftlichen Bedingungen und bei hoher Qualität erbracht werden können. Es geht also um Leistungen, Herr Czaja, um das noch einmal nachdrücklich zu sagen. Ich hoffe, dass auch wir beide endlich von der Bettenzählerei wegkommen. Sie öffnen sozusagen Tür und Tor, wenn Sie immer appellieren, nicht nach Betten, sondern nach Leistung planen. Genau das ist unsere Aufgabe!

Die vorwiegende Ausrichtung der Krankenhausplanung auf zukünftige Leistungen, die Entwicklung einzelner Häuser ohne die erforderlichen Details wäre allerdings völlig spekulativ und erlaubt eben kein sachgerechtes und kein transparentes Vorgehen. Auch das will ich noch einmal ausdrücklich unterschreiben. Wir werden aber bei der Fortschreibung des Krankenhausplans das heutige Leistungsgeschehen in ganz anderer Weise in den Vordergrund rücken als bisher. Durch Einbeziehung der Daten, die bereits derzeit zur Verfügung stehen, nehmen wir eine differenzierte Leistungsanalyse vor. Damit dient die Fortschreibung der Krankenhausplanung vor allen Dingen der Vorbereitung der Krankenhausträger, sich auf dieses System einzustellen. Wir müssen wegkommen von der Bettenzählerei und hin zu einer Planung nach den zu erbringenden Leistungen kommen.

Ich möchte ganz kurz zu den Grundsätzen der Fortschreibung der Krankenhausplanung kommen. Wir werden bei dem Planungshorizont 2005 bleiben. Wir wollen versuchen, detaillierte Aussagen zu der notwendigen Bettenkapazität zu machen, allerdings auf der Grundlage einer leistungsspezifischen und vorhandenen Leistungskapazität in den Häusern. Bei der notwendigen Strukturanpassung wird es nach unserer Entscheidung im Haus bei den 6 von uns ausgewiesenen Planungsregionen bleiben. Es wird selbstverständlich die Trägerpluralität gewahrt. Selbstverständlich ist auch, dass das universitäre Angebot einbezogen werden muss in die Planung und zwar mit einer verbindlichen Absprache mit der Wissenschaftsverwaltung. Das habe ich auch mit dem zuständigen Kollegen Thomas Flierl so besprochen. Es muss dann auch für den universitären und den außeruniversitären Bereich verbindlich sein. Daran hapert es zurzeit ein kleines bisschen.

Es ist nicht vorrangiges Ziel der Krankenhausplanung, weitere Standorte als bisher vorgesehen zu schließen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass für die bedarfsorientierte Versorgung ein bestimmter Standort nicht mehr notwendig ist, wird im Einvernehmen mit den Trägern und allen Betroffenen genau darüber beraten und zu entscheiden sein.

Damit bin ich bei einem wichtigen Punkt unserer zukünftigen Krankenhausplanung. Es wird ein konsensuales Prinzip sein. Wir haben die Betroffenen der Krankenhausplanung an einem Tisch und die Chance, mit ihnen gemeinsam so viel transparent wie möglich herzustellen, und auf der Grundlage differenzierter Analysen deren Leistungsgeschehens werden wir gemeinsam die Entscheidungen treffen. Wir wollen, so weit es irgend geht, Rechtsstreitigkeiten ausschließen. Sie wissen, das bringt nichts. Um das auch noch einmal deutlich zu sagen: Leistungsdiktate seitens der Krankenkassen wird es unter unserer Führung auch nicht geben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Weil Sie den Katastrophenfall angesichts des 11. Septembers und der Flut gerade ausdrücklich angesprochen haben, will ich nur kurz sagen: Im Zusammenhang mit der Flut ist es dem

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Frau Sen Dr. Knake-Werner

Krisenstab, der in meinem Haus tagt und für den Bereich der Krankenhäuser verantwortlich ist, gelungen, innerhalb von drei Stunden von den Krankenhäusern Rückmeldungen über 1 400 Betten zu erfahren, die wir durch viele Überlegungen und Umorganisationen für die Evakuierung der Dresdener Krankenhäuser zur Verfügung gestellt haben. Ich fand das eine enorme Leistung, die ausdrückt, dass wir in Berlin auch auf Katastrophensituationen eingestellt sind und uns diesbezüglich keine Sorgen zu machen brauchen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Abschließend möchte ich feststellen: Ich glaube, dass es durch die Einführung des DRG-Vergütungssystems auch in Berlin tiefgreifende Veränderungen in der Versorgungslandschaft geben wird. Es sind damit große Chancen für eine Optimierung der bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Versorgung gegeben. Ich gehe davon aus, dass wir zukünftig in den Regionen eine Situation bekommen werden, wo krankenhausübergreifend Gesundheitsversorgungszentren entstehen müssen, die Rehabilitation, Ambulanz, Beratung und viele andere gesundheitliche Einrichtungen brauchen, und eine gesundheitliche Versorgungsstruktur geschaffen wird, die die Situation in den Krankenhäusern auf gute und komplementäre Art und Weise ergänzt. Das mit der Krankenhausplanung einzuleiten, ist ein wichtiges Anliegen für uns. Ich denke, dass wir den ehrgeizigen Zeitplan, den wir uns vorgenommen haben, einhalten werden. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Zur Besprechung der Großen Anfrage stehen uns nach der Geschäftsordnung bis zu 10 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die CDU. Das Wort hat Herr Kollege Czaja. – Bitte schön!

[Matz (FDP): Aber jetzt nicht wieder so’n Schweinkram, mit Schäferstündchen und so!]

Schäferstündchen, ja, Herr Matz! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Senatorin! Sie haben uns heute einen Einblick gegeben, wie Sie vor den Kassen einen Kniefall machen und sagen, wir müssen die DRGs einführen, und da werden die Krankenhäuser schließen, die bisher vorgesehen waren, und wir haben den Zeitplan eingehalten. Das erste Mal in der Geschichte des Parlaments haben wir einen Antrag eingebracht, den Krankenhausplan fortzuschreiben. Das hat Ihre Fraktion und die SPD-Fraktion im Gesundheitsausschuss überhaupt nicht debattiert und in den Hauptausschuss überwiesen. Zum ersten Mal hat der Hauptausschuss einen Antrag zurück überwiesen und gesagt, so viel Dekadenz kann es nicht geben, ihr müsst den Antrag schon bearbeiten, der Krankenhausplan muss fortgeschrieben werden, weil es in der Koalitionsvereinbarung steht, und erst dann haben Sie sich auf den Termin 31. Dezember geeinigt, den letzten Termin, der überhaupt geht. Das „schnell“ und „im Zeitplan“ zu nennen, ist etwas vermessen, Frau Senatorin.

Im Übrigen hat Ihr Staatssekretär die Kassendiskussion angefangen. Ihr Staatssekretär hat in einer Veröffentlichung in der „Berliner Morgenpost“ damit angefangen, dass wir 3 000 Betten weniger brauchen. Darauf ist dann Herr Müller von der AOK Berlin eingestiegen und hat gesagt, nicht 3 000, Herr SchulteSasse, nein, 5 000 Betten müssen wir einsparen, und dann kam noch Herr Motzkus, und dann waren sie alle drei zusammen und haben sich große Gedanken über die Berliner Gesundheitsversorgung gemacht und natürlich nur über Betten diskutiert. Dann sollten Sie eher Ihren Staatssekretär als uns zurechtweisen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Berlinerinnern und Berliner kennen doch diese Diskussion: Krankenhäuser sollen geschlossen werden, das Angebot verringert, Wege für Patienten weiter, die Suche nach einem Bett wird für einen niedergelassenen Arzt mühsamer – gebracht hat es an Kosteneinsparungen gar nichts; die Krankenkassen selbst mussten eingestehen, dass die Bettenreduzierung in Berlin

nichts an Kosteneinsparungen gebracht hat. Nein, im Gegenteil, die Kosten sind sogar leicht gestiegen. Dies musste auch Herr Müller von der AOK eingestehen. Nur eines wurde erreicht: Die ärztliche Arbeit wurde durch dieses System stärker ökonomisiert. Denn der Arzt steuert nun plötzlich nur das, was er, über die Diagnose verschlüsselt, unmittelbar in Geldfluss für das Krankenhaus umsetzt. Es liegt großer Druck auf den Ärzten. Sie werden nicht mehr nach ihrer ärztlichen Behandlung, sondern ihrer Kodierspezialität bezahlt; sie verbringen mehr Arbeitszeit als zuvor mit dem korrekten und gewinnorientierten Ausfüllen von Erhebungsbögen, als ihre wirkliche Arbeit zu leisten. Immer weniger Studenten wollen daher in Berlin Medizin studieren. Früher kamen noch 20 Studenten auf einen Studienplatz; heute sind es nur noch 2. Von denen, die das Medizinstudium beginnen, bleiben weniger als 20 % in Deutschland am Patienten tätig. Weniger Bürokratie und mehr Möglichkeit zur Verwirklichung des ärztlichen Pflege- und Heilungsanspruchs ist daher unser Anspruch. Wir glauben, das hätte die Senatsverwaltung noch deutlicher machen sollen.

Wie unter diesen Bedingungen mit der für den Patienten so wichtigen Ressource Mensch am Krankenbett umgegangen wird, ist absehbar. Die optimale Versorgung des Patienten gerät dabei zunehmend in den Hintergrund. Die Ärztekammer Berlin warnt seit langem vor den absehbaren negativen Folgen dieser gnadenlosen Ökonomisierung für die Versorgung der Patienten. Zwar ist zu begrüßen, dass im neuen Gesetz Begleitforschungen vorgesehen sind, die die Effekte der DRGs, vor allem die frühere Entlassung der Patienten, analysieren sollen. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass aus den ermittelten Ergebnissen auch Konsequenzen im Sinne der Qualitätsverbesserung gezogen werden. Der Senat sollte daher aufgefordert sein, anstatt der immerwährenden Bettendiskussion diese Qualitätsoffensive stärker zu führen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Bis heute ist unklar, wie die poststationäre Versorgung organisiert und finanziert werden soll. Sie, Frau Senatorin, haben gesagt, die niedergelassenen Ärzte müssen stärker in diese Versorgung einbezogen werden. Das Krankenhaus darf nicht nur den Patienten mit Medikamenten versorgen, sondern es muss mehr leisten. Dies macht es notwendig, dass über die Finanzierung der getrennten Finanzierungstöpfe nachgedacht wird. Auch darüber haben wir bis heute sehr wenig gehört. Eine weiter verkürzte Verweildauer wird auch auf das Budget der Hauskrankenpflege und der ambulanten Reha starken Einfluss nehmen. Schon heute fließt jeder zweite Euro in diese Einrichtungen, die nach Auskunft vieler Experten viel zu wenig auf Qualität und patientenorientierte Pflege achten. Wir fordern daher, dass Sie unsere Anträge auf Errichtung einer Schiedsstelle für die Pflege und zu mehr Fortbildungsangeboten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege unterstützen. Das hat dieser Senat bisher nicht getan. Stattdessen sind diese Anträge im Gesundheitsausschuss immer wieder vertagt worden.

[Frau Jantzen (Grüne): Ist doch gerade erst eingebracht worden!]

Auf ein weiteres Problem ist heute wenig eingegangen worden. Wenn Bettenkapazitäten sinken, dann wird auch die ErsteHilfe-Versorgung und die Aufnahme in den Rettungsstellen immer schwieriger werden. Wir haben daher vorgeschlagen, dass durch die Schaffung von Erste-Hilfe-Zentren, die gemeinsam von niedergelassenen Doktoren und Krankenhausärzten betrieben werden, nicht nur eine schnelle Behandlung ermöglicht wird, sondern auch einfache Diagnosen nicht die teuren Einrichtungen der Hochleistungsmedizin blockieren. Aus den bereits angesprochenen Erfahrungen des 11. Septembers und der Flutkatastrophe ist dies auch aus der Sicht der Vorhaltung von Kapazitäten für den Katastrophenschutz zwingend erforderlich. Sie werden doch sicher den Bericht in der „Berliner Morgenpost“ über die Behandlung im Unfallkrankenhaus Marzahn kurz vor dessen fünfjährigem Geburtstag gelesen haben. Darin war zu lesen, dass für den normalen Patienten eine Versorgung in einer Rettungsstelle am Wochenende erst nach vier bis fünf Stunden möglich ist. Viele Berlinerinnen und Berliner wissen

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doch, wie lange sie am Wochenende in der Klinik warten müssen, bis sie notfallversorgt werden können. Dieses Problem kann man durch solche Erste-Hilfe-Zentren lösen. Wir haben es vorgeschlagen – Sie gehen nicht darauf ein.