Vielen Dank, Herr Zimmer! – Das Wort hat nun für die Fraktion der Sozialdemokratie Frau Spranger! – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Herr Zimmer, Sie schauen mich schon sehr aufmerksam an! – Herr Sarrazin hat vorhin in seiner
Rede gesagt, der Umgang mit dem Haushalt gebiete Ehrlichkeit. Verehrter Herr Zimmer, auch wenn Sie immer wieder versuchen herunterzuspielen, dass Sie über Jahre Regierungspartei waren, so muss ich Ihnen doch sagen: Die Menschen dieser Stadt haben es trotzdem nicht vergessen.
Wir wussten – und insofern haben Sie sicherlich Recht – von Anfang an, dass dieses Ereignis der I. Lesung des Haushalts 2002/2003 verhältnismäßig spät im Jahr stattfinden würde, da nach der Vereinbarung eines Koalitionsprogramms zwischen der SPD und der PDS und nach einer Regierungsneubildung Zeit nötig war – und auch immer noch notwendig sein wird –, mit der Tradition des Weiter-so zu brechen und den Haushalt des Landes Berlin auf ein realistisches Fundament zu stellen, von dem aus die strukturellen Veränderungen der nächsten Jahre vorgenommen werden können. Unser Programm für diese Legislaturperiode
steht unter dem Motto der Schaffung einer Zukunftsperspektive für unsere Stadt. Dieses erfordert nicht wohl klingende Oppositionsanträge, die die radikale Umkrempelung der Stadt in acht Wochen verlangen – das sieht man immer wieder auf der Tagesordnung dieses Abgeordnetenhauses.
Wir sind angetreten, um den Haushalt nach nüchterner Analyse der Ausgangslage und unter Beachtung der Realitäten zu sanieren und dabei das soziale Gesicht der Stadt zu wahren und der Jugend dieser Stadt eine Zukunft zu geben,
ohne dabei weiterhin allen alles zu versprechen. Realistische Strukturveränderungen bedürfen einer gründlichen Vorbereitung. Sie können – das muss man zur Kenntnis nehmen – nicht nur auf dem Papier als Absichtserklärung festgehalten werden. Denn von solchen Strukturvorschlägen habe ich in knapp drei Jahren Parlamentserfahrung genug gesehen. Sie müssen als umsetzbares Konzept vorliegen und dann auch umgesetzt werden. Dieses alles muss vor dem Hintergrund sehr ehrgeiziger Eckzahlen für die kommenden Haushaltsjahre geleistet werden. Die Schließung des Primärdefizits ist die unverzichtbare Voraussetzung – Herr Sarrazin hat das bereits gesagt –, wenn wir in diesem Land einen gesunden Haushalt haben wollen. Darüber hinaus ist dieser Akt der Selbsthilfe Berlins die unabdingbare Voraussetzung für die Einforderung der Solidarität anderer, in welcher Form auch immer.
Die erste Etappe auf diesem Weg ist der Teilhaushalt 2002. Auch wenn ich keine Sportpolitikerin bin, möchte ich es in der Sprache des Radsports sagen: Man muss wohl feststellen, dass diese Etappe mit Platz 2 belegt wurde. Als Haushälter jubeln wir über den Haushaltsentwurf deshalb sicher etwas verhaltener. Das habe ich gestern auch im Hauptausschuss gesagt. Aber wir wissen auch, dass echte Strukturentscheidungen leider nicht innerhalb weniger Wochen haushaltsreif zu machen sind.
Denn jede Entscheidung, die wir treffen, die mit Kürzungen verbunden ist, trifft leider immer auch Menschen dieses Landes.
Wir vertrauen darauf, dass wir es wie Erik Zabel machen, der beim Radrennen auch nicht jede Etappe gewinnt und am Ende in der Sprinterwertung doch immer vorne liegt.
Für das Jahr 2003 bedeutet das, dass es Nachsteuerungen geben muss. Dieses werden wir auch tun. Wer aber glaubt – das ist hier schon ansatzweise gekommen –, dass der Senat uns in einem Haushaltsstrukturgesetz, das er nun bald vorlegen wird,
bereits alles auflisten kann, was in den nächsten fünf Jahren an Strukturentscheidungen zu leisten sein wird, der hat von Haushaltspolitik, gelinde gesagt, keine Ahnung und gaukelt den Menschen der Stadt etwas vor.
Wir sind auch dafür angetreten, die Haushaltspolitik dieses Landes endlich wieder unter das Motto der Klarheit und Wahrheit zu stellen
oder etwas zu versprechen, von dem jeder hier im Hause, der seriös Politik betreibt, weiß, dass es nicht eingehalten werden kann. Nichtsdestotrotz werden wir wichtige Strukturentscheidungen im Haushaltsstrukturgesetz finden, denn der Senat ist hart dabei zu arbeiten,
Einiges haben wir bereits in Beantwortung, was wir zentral in diesen Haushaltsberatungen auch beraten werden. Wir wollen das zentrale Überhangmanagement als entscheidendes Instrument zur intelligenten Steuerung und zur Reduzierung von Personalkosten nutzen, ein Management für den Gebäudebestand des Landes etablieren, das zu Kostenersparnissen führt, über die Struktur verschiedener Landesämter nachdenken und diese effizienter gestalten. Schließlich werden wir alle öffentlichen Ausgaben auf die Reduzierbarkeit auf den Kernbestand hoheitlicher Aufgaben zu überprüfen haben und uns von der Frage leiten lassen, ob Dritte bestimmte Aufgaben günstiger und teilweise vielleicht sogar etwas besser wahrnehmen können, als das die öffentliche Verwaltung kann.
Auch um die aufgelaufenen Probleme der städtischen Wohnungsbaugesellschaften kümmern wir uns. Wir haben das Thema bereits in unserer Koalitionsvereinbarung aufgegriffen und werden uns auch in nächster Zeit intensiv mit Strukturkonzepten auseinander setzen.
Dass wir die finanzielle Sanierung der Hauptstadt unter schwierigen Ausgangsbedingungen starten, ist hier jedem klar. Deshalb noch kurz einige Fakten: Die konsumtiven Sachausgaben werden in den beiden Haushaltsjahren um 331 Millionen $ gesenkt. Die Personalkosten bzw. -ausgaben sind erstmalig realistisch nach dem Ist veranschlagt und werden im Rahmen des mit den Gewerkschaften zu vereinbarenden Solidaritätspakets um schließlich jährlich eine halbe Milliarde § gesenkt werden.
Das Abgeordnetenhaus hat vor einigen Tagen auf Vorschlag der Regierungsfraktionen beschlossen, in den nächsten zwei Jahren auf Diätenerhöhungen zu verzichten. Solidarität ist also auch hier keine Einbahnstraße. Inwieweit auch Spitzenbeamte ihren Beitrag leisten müssen, wird im Rahmen des Solidarpakts zu verhandeln sein. Das ist aber Beamtenrecht – das weiß jeder –, das unter Umständen verändert werden muss.
Das Primärdefizit wird ohne die Einbeziehung der Vermögensaktivierung um über 300 Millionen $ reduziert. Immerhin auch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Die Notwendigkeit der jährlichen Vorsorge von 300 Millionen – ich werde jetzt nicht die
gesamte Bankendiskussion noch einmal aufmachen, auch wenn Sie das gern haben wollten –, das wird zur Abdeckung der Risiken aus der Bankgesellschaft entsprechend eingestellt. Die Neuverschuldung hat eine Schwindel erregende Höhe erreicht. Das heißt aber, dass wir mit den angehäuften Lasten in den nächsten Jahren radikal aufräumen müssen.
Im nächsten Jahr wird der Weg der schrittweisen Senkung der Neuverschuldung selbstverständlich fortgesetzt. Schon in diesem Jahr beginnen wir mit der Senkung der Ermächtigung zur Aufnahme von Kassenverstärkungskrediten von 12 auf 10 % der Ausgaben, um die Möglichkeit für versteckte Kreditaufnahmen deutlich zu reduzieren. Das haben wir als Vorschaltgesetz heute in Zweiter Lesung zu beschließen, eine Maßnahme der Haushaltsehrlichkeit, die gestern im Hauptausschuss von der gesamten Opposition abgelehnt wurde, was uns gerade bezogen auf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr verwundert, weil ich mich daran erinnern kann und das noch einmal nachgelesen habe, dass das immer eine der ältesten Forderungen der Grünen war. Die Vorgabe der Vermögensaktivierung ist immer noch sehr ehrgeizig. Trotzdem haben wir einen realistischen Ansatz dafür gefunden. In den Vorjahren – ich nenne nur das Jahr 2001 – waren immerhin noch 5,6 Milliarden veranschlagt, jetzt sind es 450 Millionen für 2002 bzw. 600 Millionen für das Jahr 2003.
Bei all diesen Zahlen drückt sich auch im Doppelhaushalt der Vorrang für Bildung konkret aus. Allen alles zu finanzieren – das habe ich schon gesagt –, ist leider auch im Bildungsbereich nicht mehr möglich. Trotzdem werden wir 1 040 Lehrer neu einstellen. Wir werden das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm weiterführen.
Wir werden im Haushalt noch ein paar Veränderungen vornehmen. Das haben wir auch gestern im Hauptausschuss gesagt. Ich will einen Bereich nennen, der von vielen sehr angeschaut wird – das sind die IuK-Titel. Wir werden im Rahmen intelligenter Umstrukturierungen Mittel finden, um z. B. eine verbesserte Ausstattung im Justizbereich sicherzustellen. Unser Motto bei den Informationstechnologien sollte sein: Investieren, um später einsparen zu können!
Mit solchen positiven Ansätzen wird es uns in den anstehenden Haushaltsberatungen und weit darüber hinaus gelingen, die angekündigte haushaltspolitische Umsteuerung umzusetzen. – Ich danke!
Vielen Dank, Frau Kollegin Spranger! – Das war, wir haben es gehört, verhaltener Jubel. Für Herrn Dr. Lindner von der FDP ist die Jubelskala jetzt wieder vollkommen offen. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
[Gaebler (SPD): Was heißt denn hier „verhalten“? – Dr. Flemming (SPD): Können Sie das noch einmal wiederholen? – Weitere Zurufe von der SPD]
Nein, nein! Nicht der Beifall ist gemeint, sondern der Text war doch nach der eigenen Aussage der Rednerin verhaltener Jubel. – Gott bewahre! Der Applaus wird nicht bewertet.