Protocol of the Session on April 13, 2000

Nach dem, was Sie gesagt haben, hat man eher das Gefühl, man ist in Posemuckel.

Die Haushaltsberatungen, an denen Sie nicht teilgenommen haben, Herr Lehmann-Brauns, waren in diesem Jahr für den Bereich Kultur zunächst einmal richtig spannend, und zwar deshalb, weil es erstmals eine breite öffentliche Diskussion über die finanzielle Lage der Berliner Kultur gegeben hat. Die öffentlichen Sitzungen des Unterausschusses Theater haben hierbei eine durchschlagende Wirkung entfaltet. Die Zeit des Verschiebens von Geldtöpfen von der einen in die andere Ecke ist hoffentlich ein für allemal vorbei.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Mit den 20 Millionen DM, Herr Stölzl, die jetzt von Herrn Diepgen aus Lottomitteln versprochen werden, können auch Sie die Probleme nur sehr oberflächlich vertuschen. 8 % mehr gibt es gar nicht im Haushalt Kultur, sondern es gibt zwar mehr – wie der Regierende Bürgermeister heute gesagt hat –, aber das sind die Mittel, die zusätzlich vom Bund kommen. Es handelt sich also nicht etwa um selbsterbrachte Steigerungen aus dem Land Berlin.

Ich höre hier allenthalben von Konzepten und Strukturkonzepten, aber wo ist das konkrete Konzept, Herr Lehmann-Brauns, das Sie vorlegen – und mit Ihnen die große Koalition? – Es gibt bisher immer noch keinen Pool für den Personalüberhang. Wo ist der Abfindungsfonds, von dem Sie immer reden und bei dem wir Sie sehr gern unterstützen würden? Wann haben die Gesprächsrunden mit den Berliner Kultureinrichtungen, den Intendanten und Personalvertretungen, dem Deutschen Bühnenverein und den Gewerkschaften stattgefunden? – Die Häuser allein zu lassen – mit Tariferhöhungen, mit aufgehäuften Defiziten und mit dem Personal, für das es keinen sinnvollen Einsatz gibt –, das ist kein Konzept.

[Beifall bei den Grünen]

Die Entschuldung von Staatsbühnen, wie sie jetzt manchmal in das Gespräch gebracht wird, kann eine Möglichkeit sein, aber es ist von der Struktur her ungerecht, weil diejenigen, die gespart haben, doppelt bestraft werden, während die anderen, die sich nicht bewegt haben, keinen Nachteil erfahren. Aber dennoch ist die Frage berechtigt, ob man nicht versuchen sollte, jetzt einen neuen Anfang zu machen. Das ist aber nur möglich, wenn sich die Häuser zu echten Strukturreformen bekannt haben und wir so weit sind, dass wir wissen, was von den Häusern kommt.

[Hoff (PDS): Da lauschen alle gespannt!]

Dem leichtfertigen Ton, mit dem jetzt aus manchen Ecken in der Kulturszene das Wort von den Privatisierungen kommt, kann ich nicht folgen. Die Privatisierung ist kein geeigneter Vorschlag, denn nach den Erfahrungen mit dem Metropol-Theater muss man sich fragen, welcher Beschäftigte des öffentlichen Dienstes freiwillig einen Betriebsübergang in eine private GmbH mitmachen würde. Ich glaube, wir werden uns noch sehr umgukken, wenn wir solche Vorschläge machen werden.

[Hoff (PDS): Was tun wir dann?]

Ihre Vorgänger, Herr Stölzl, sind gescheitert

[Gram (CDU): Gescheitert oder geflohen?]

an der mangelnden Unterstützung durch den Senat. Nehmen Sie also schnellstens die Dinge in die Hand, denn ein „Weiter so“ zerstört die Kultur! Zuerst wird übrigens die freie Kulturszene zerstört. Hier wird ohne Tarifverträge mit winzigen Produktionsetats interessante, spannende und wichtige Kunst gemacht. Seit Jahren werden für diesen Bereich die Projektmittel im Etat gekürzt. Das ist einfach. Ich erwarte hier eine Solidarität, und ich

hoffe, Sie werden dafür sorgen, dass es eine Umverteilung gibt, damit nicht so viele Mittel fest gebunden, sondern im Kulturetat wieder mehr Mittel für die freie Projektförderung im Bereich dieser Szene frei sind.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Stölzl! Vor dem Hintergrund, wie diese Einrichtungen arbeiten, ist der Satz, den Sie zu uns in der Fraktionssitzung gesagt haben – und das war das einzige, was ich mir aufgeschrieben habe –, wonach auskömmliche Armut produktiv für diese Kultur sei, aus meiner Sicht eher zynisch. Das kann sehr schnell auf Sie selbst zurückfallen, wenn Sie das nächste Mal mit Ihren Kollegen über die Mittel für den Kultur- und Wissenschaftsetat reden müssen.

Wir müssen auch stärker Kulturinstitutionen in die Verantwortung des Bundes geben, weil sie von Berlin langfristig nicht getragen werden können. Ich wünsche mir dazu eine ernsthafte und sachgerechte Diskussion. Unsere Vorschläge liegen seit 1996 auf dem Tisch. Wir haben damals gesagt, die Institutionen des preußischen Erbes – die Staatsoper und das Konzerthaus – sowie das Deutsche Theater, das sich selbst von seiner konzeptionellen Ansatz her als Nationaltheater versteht, sind geeignete Vorschläge. Das Jüdische Museum kann auch dazu gehören, weil das Jüdische Museum von Berlin mit einem großen finanziellen Engagement gebaut worden ist – da sind viele Leistungen von Berlin eingegangen – und insofern eine gemeinsame Trägerschaft von Bund und Land denkbar ist. Dabei müsste das Land Berlin zunächst einmal entlastet werden, weil es die Vorleistungen gebracht hat, und das wäre ein richtiges Zeichen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die verstärkte Bundesförderung für Berlin wird derzeit als Legitimation für eine Art Schlussstrichdebatte zu der verfassungsmäßigen Zuständigkeit der Länder für Kultur- und Bildungsfragen verstanden. Diese leichtfertige Aufgabe des Föderalismusprinzips halte ich allgemein für nicht gerechtfertigt – weder für Berlin noch für ein anderes Land in Deutschland. Gerade die föderalen Strukturen in Deutschland haben die wunderbare und breite Palette des Kulturangebots in der ganzen Republik ermöglicht. In dieser Hinsicht stehen wir eben besser da als Großbritannien oder Frankreich.

Verheerend ist die Situation um die Ausstellung „Topographie des Terrors“. Sie werden verstehen, dass ich das noch einmal ansprechen muss. Sie haben es jetzt nicht gesagt, aber es wird von allen möglichen Stimmen aus der Ecke des Senats vertreten: Wenn wir jetzt dieses Bauprojekt an den Bund gäben, würde das bedeuten, dass sich dieser Senat und diese große Koalition aus der Verantwortung stiehlt. Das möchten wir nicht. Wir möchten weiter als Land Berlin in der Verantwortung für dieses Projekt stehen. Wir können dafür nicht jeden Preis bezahlen, aber wir möchten, dass wir dieses ambitionierte Bauprojekt mit der Stiftung Topographie des Terrors für Berlin erhalten. Wir wollen dafür sorgen, dass dieses Gebäude gebaut wird, und wir kommen nicht weiter, indem wir sagen: Der Bund muss jetzt alles übernehmen. –, sondern nur, indem wir sehr seriös mit dem Bund in eine Diskussion zu seiner Mitverantwortung in der Frage der Erinnerung gehen. Ich wünsche mir sehr, Herr Stölzl, dass Sie nicht dieser Linie verfallen, einfach zu sagen: Alles dem Zentralstaat!

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Molter (CDU)]

Einen Satz möchte ich noch zur Finanzierung der Museumsinsel sagen: Das war ein echtes Piratenstück – das muss man zugeben –, wie Sie dem Herrn Branoner die 25 Millionen DM abgeknapst haben, obwohl er sie schon längst anderweitig für seine Wirtschaftsförderung verplant und ausgegeben hatte. Vom Ergebnis her kann ich ja zufrieden sein,

[Wowereit (SPD): Na, also!]

aber das zeigt auch, wie diese Politik gemacht wird. Im Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird gesagt: „Wir, das Land Berlin, tragen die Beschleunigung des Ausbaus der Museumsinsel mit.“ – Wir müssen dann aber jedes Jahr 25 Millio

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nen DM mehr aufbringen. Und woher wir diese 25 Millionen DM nehmen sollen, das wird erst hinterher gefragt. Ich hoffe sehr, Herr Stölzl, dass Sie mit dieser Art Politik Schluss machen.

[Beifall bei den Grünen]

Immerhin ist es uns noch gelungen, Mittel für die nötigen Sanierungen bei der Volksbühne und dem Maxim-Gorki-Theater aufzubringen. Ich hoffe sehr, dass Sie noch unserem Antrag zustimmen, damit auch für die Schaubühne und die Komische Oper entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Wir haben offen über den Kulturetat geredet, aber – und das haben meine Vorredner schon gesagt – sehr viel größere finanzielle Dimensionen hat der Wissenschaftsetat in diesem Haushalt. Dieses Mal ist der Wissenschaftsetat in den Verhandlungen noch relativ ruhig über die Bühne gegangen, aber Sie können sicher sein, dass der Wissenschaftsetat den Titel: „Ruhe vor dem Sturm“ trägt.

Bei den Berliner Hochschulen geht es um völlig andere finanzielle Dimensionen. Die Hochschulen haben Verträge, wie Sie wissen. Dass diese Verträge nur von Seiten der Hochschulen, jedoch nicht von Seiten des Senats eingehalten werden, haben uns diese Haushaltsberatungen bewiesen. Der Brief der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen vom gestrigen Tag weist uns noch einmal eindrücklich darauf hin, dass mit den Verträgen die Mittel für die Hochschulen um ein Drittel gekürzt wurden. Jetzt werden erneut vor Ende der Laufzeit der Verträge den Hochschulen 27 Millionen DM aus dem Überbrückungsfonds für Grundstücksveräußerungen weggenommen. Das ist Vertragsbruch und beweist einmal mehr, dass der Senat sich an Verträge nicht gebunden fühlt. Vor dem Hintergrund ist es übrigens ein großes Risiko, wenn man sagt, auch die Kultureinrichtungen müssten Verträge haben, denn es ist auch da nicht sicher, dass diese Verträge dann gehalten werden. Aber darüber können wir noch in Ruhe diskutieren.

Es zeigt sich einmal mehr am Beispiel der Kürzungen im Wissenschaftsbereich, dass der Senat Kultur und Wissenschaft eben nicht den großen Stellenwert beimisst. Andernfalls müsste er dafür sorgen, dass die 85 000 Studienplätze in Berlin ausfinanziert sind. Aber auch das ist nicht der Fall. Somit muss man das Schreiben aller Hochschulrektoren höchst ernst nehmen.

In diesen Haushaltsberatungen wollte der Senat auch noch die wissenschaftliche Nachwuchsförderung kappen. Zum Glück haben offensichtlich alle Parlamentarier in den zuständigen Gremien dafür gesorgt, dass dieser Schildbürgerstreich nicht durchgeführt wird.

Wir geben Herrn Stölzl 100 Tage Bewährungsfrist, das steht fest. Doch werden wir bis zu deren Ablauf die Haushaltsvorgaben für das Jahr 2001 festgelegt haben müssen. Herr Stölzl muss also sofort beginnen, Reformen umzusetzen. Wir haben in den letzten 10 Jahren, also während der Dauer der großen Koalition, in der Kultur genug Opfer gebracht, Herr Lehmann-Brauns, von denen Sie nichts mehr wissen wollen. Denken Sie an das internationale Institut für traditionelle Musik, keine Kunsthalle, die Berliner Kammerspiele weg, die Freie Volksbühne weg, das Schiller-Theater weg, das Metropol-Theater weg. Wenn Sie so weitermachen, dann können Sie von dem Kultur- und Wissenschaftsstandort Berlin nur noch reden. Ich kann Ihnen nur sagen: Strengen Sie sich an! Strukturreformen Ja, aber Schließungen mit uns nicht mehr! – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Vielen Dank Frau Ströver! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Schuster das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man einige Jahre schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion gewesen ist, ist es eine neue Erfahrung, hier vorne feststellen zu können, dass ich inhaltlich mit den Ausführungen meiner Vorrednerin der CDU-Fraktion voll übereinstimme.

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Sehen Sie, Herr Schuster!]

Was Sie zu den Zahlen und Zielsetzungen gesagt hat, das ist auch die Position der SPD-Fraktion. Wir wissen, dass es darüber hinaus auch noch einige Streitpunkte gibt, aber die sind hier heute nicht angesprochen worden.

Lieber Kollege Hoff! Sie bezeichnen uns als größenwahnsinnig.

[Hoff (PDS): Das habe ich so nicht gesagt!]

Na, Sie sagten, es sei Größenwahnsinn, wenn man das Höchste anpeilt für die Wissenschaftsstadt Berlin. Ich sage, wir sind da sehr fixiert auf das Interesse dieser Stadt. Sie mögen das als Größenwahnsinn bezeichnen, dann machen Sie diesen Flug eben nicht mit.

[Hoff (PDS): Wir kehren Ihre Scherben zusammen!]

Na, da müssen Sie sich aber noch – –

[Hoff (PDS): Einen großen Besen kaufen!]

Ich weiß nicht, ob Sie sich in Münster eine Schippe gekauft haben oder einen großen Besen. –

[Rabbach (CDU): Der hat noch nie einen Besen in der Hand gehabt! – Zurufe von der PDS]

Dies ist die Übereinstimmung, dass wir den Wissenschaftsstandort sowohl was die Forschung betrifft als auch die Ausbildung, und die Hochschulen als einen ganz wichtigen Teil der Zukunft des Standortes Berlin betrachten. Hierzu ist das nötige gesagt worden. Wir haben es in der Tat mit den Finanzen hier etwas einfacher. Auf die notwendigen Strukturveränderungen im Wissenschaftsbereich ist hingewiesen worden. Wir haben auch in den Forschungseinrichtungen eine erhebliche Mitfinanzierung durch den Bund, und wir haben mit den Hochschulverträgen eine sehr solide Grundlage, auch wenn wir natürlich an der Grenze dessen segeln, was möglich ist. 85 000 Studienplätze, wir wünschen uns alle mehr, aber ich glaube, wir können auch zufrieden sein, wenn wir diese 85 000 Studienplätze halten können und als Grundlage eines weiteren wissenschaftlichen Ausbaus in Berlin ansehen.

Es ist bereits zu Recht von der Opposition darauf hingewiesen worden, dass wir das Nachwuchsförderprogramm durchgesetzt haben. Die Kürzung um eine halbe Million DM auf Vorschlag der Senatsverwaltung ist sofort von der SPD-Fraktion als Alarmzeichen angesehen worden. Wir haben hierfür auch einen Ausgleich durch die Abschaffung der Prüfervergütung geschaffen. Das Gesetz wird ebenfalls heute eingebracht.

Was den Brief der Rektoren und Präsidenten der Hochschulen betrifft, bedarf er der Stellungnahme. Es ist schon ein starker Vorwurf: Verletzung der Hochschulverträge. Die Rektoren und Präsidenten verarbeiten die Summe von 27 Millionen DM quasi doppelt. Einmal lasten sie sie als Minderausgabe an, die ihnen auferlegt wird, und dann noch einmal im Überbrückungsfonds. Richtig ist, dass diese 27 Millionen DM die Beteiligung der Hochschulen darstellen, dass dieses Geld aber aus dem Überbrückungsfonds kommt und nichts darüber hinaus einkassiert wird. Hier bin ich genau wie die Kollegin Grütters der Meinung, dass das etwas ist, was man den Hochschulen zumuten kann, zumal sie diesen Überbrückungsfonds, der aus Grundstücksverkäufen gespeist wird, bisher nicht in Anspruch genommen haben.

[Weinschütz (Grüne): Dann brauchen wir ja gar keine Verträge mehr zu machen!]