Die Stadt Berlin hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie in der bundesrepublikanischen Gesellschaft immer ein Brennpunkt war für die Entwicklungen, die sich nur in Berlin so
abzeichnen, in keinem anderen Teil der Bundesrepublik. Das, was hier mit der Einheit passiert ist, und das, was wir an Aufbauleistung zu erbringen hatten, hat kein anderes Bundesland – weder ein altes noch ein neues – erbringen müssen. Keine Kommune hatte solch eine Herausforderung wie die Stadt Berlin, wie das Land Berlin. Dass das in einer sozialen Einheit und auch in einer sozialen Ausgeglichenheit geschah, ist auch ein Erfolg dieser Stadt und auch ein Erfolg der Politiker und Politikerinnen in dieser Stadt. Wir müssen uns von draußen auch nicht klein reden lassen. Herr Müller-Schoenau fing schon an und redete nur noch von „provinziell“ in dieser Stadt. Wir sind keine Provinz!
Darüber können Sie lachen, Herr Wieland. Das würde bedeuten, dass Sie der erste Provinzpolitiker sind!
Ich kann gar nicht verstehen, wie solch eine Provinzdame wie Frau Künast sich anschickt, Bundesvorsitzende der Grünen zu werden, wenn sie so provinziell ist!
Den Berlinern sagt man manchmal nach, dass sie ein bisschen überheblich seien; aber manchmal habe ich auch den Eindruck, dass sie sich klein machen. Wenn ich mich mit den Kollegen aus den anderen Bundesländern treffe oder wenn ich andere Landesregierungen sehe – dahinter müssen sich doch die Berliner Landesregierung und das Berliner Landesparlament nicht verstecken!
Auch andere kochen nur mit Wasser, und die Probleme, die wir haben und die vor uns stehen, hat kein anderer bisher zu bewältigen gehabt. Diesen Herausforderung haben wir uns gestellt. Dass das alles für manche nicht schnell genug geht und dass man radikaler herangehen müsste – dafür bin ich sehr. Nur wissen wir aber auch, wenn man das tut, dann sitzen 45 000 Arbeitnehmer auf der Straße, um es vorsichtig zu formulieren. Und dann gibt es die ersten, die dann sagen: „So geht das alles nicht!“ Aber wie es gehen soll, wird auch wiederum nicht gesagt.
Wir müssen sehen, dass wir in dieser Stadt etwas schaffen, was die Grundlagen verbessert – in erster Linie einen wirtschaftlichen Erfolg. Dann erledigen sich viele Probleme von selbst. Wenn wir weiterhin wirtschaftspolitisch am Ende der Skala liegen, wenn der wirtschaftliche Aufschwung in dieser Stadt nach wie vor im Schneckentempo vorangeht im Vergleich zu anderen Regionen, wird diese Stadt aus eigener Kraft nicht in der Lage sein, die notwendigen Finanzierungen vorzunehmen. Hier muss der Ansatzpunkt sein. Aber da ist Wirtschaftsförderung ein schwaches Instrumentarium. Und Wirtschaftsförderung muss so angesetzt werden, dass sie in Zukunftsbranchen investiert und nicht in die Bereiche, die ihre Arbeitsplätze über kurz oder lang abbauen. Da sind die mehreren hundert Millionen DM, die dort hineingesteckt werden, Fehlinvestitionen.
Und auch Wirtschaftsförderprogramme sind nicht immer nur dadurch gut, dass man sie neu auflegt und dass sie erweitert werden, sondern man muss auch einmal überprüfen, ob sie tatsächlich etwas gebracht haben –
Gleiches gilt auch für Arbeitsmarktförderprogramme. Auch da muss man kritisch hingucken, ob alles, was wir dort finanzieren, zielgerichtet ist.
Es kann nicht sein, dass Sie – nur weil es Arbeitsmarktförderung ist – sagen: „Es ist alles gut“, liebe Opposition! Das kann es nicht sein. Wir brauchen eine Überprüfung; wir brauchen einen intelligenten Einsatz; und wir müssen in die Bereiche investieren, wo wir die Sicherheit haben, noch etwas weiter zu gestalten.
Selbstverständlich ist diese Stadt darauf angewiesen, dass sie international wahrgenommen wird. Und das wird sie – Gott sei Dank – auch.
Diese Stadt ist nach wie vor eine spannende Stadt und Gott sei Dank kommen immer mehr Menschen in diese Stadt, finden sie so toll, dass sie hier ihren Urlaub verbringen, für’s Wochenende herkommen, die kulturellen Einrichtungen besuchen, wollen einfach auch nur diese Stadt erleben mit ihrer Theater- und Kneipenlandschaft, die sich abhebt von der anderer Städte in dieser Republik und der anderer Städte in Europa. Dies ist gut so und muss unterstützt werden. Dazu brauchen wir in erster Linie keine Wirtschaftsförderprogramme, sondern müssen unternehmerfreundlich sein in der Weise, dass man Baugenehmigungen gibt, dass man Schankerlaubnisse erteilt und nicht bürokratische Hindernisse aufbaut, sondern zeigt, dass man hier tatsächlich Metropole sein will. Dies sollte man unterstützen.
Der Kulturbereich ist lange angesprochen worden. Wir hatten eine besondere Sitzung dazu. Da ist schon vieles gesagt worden. Es hat sich aber durch die Wahl heute auch gezeigt, dass wir einen dringenden Handlungsbedarf haben. Dies kann nicht mehr nach dem alten Mechanismus ablaufen: „Wir brauchen mehr Geld!“ Einen Kultur- und Wissenschaftssenator zu berufen, der sagt, er brauche mehr Geld, das kann fast jeder. Das ist eine der leichtesten Übungen. Auch Kulturmenschen in dieser Stadt müssen zur Kenntnis nehmen, obwohl Kultur ein Schwerpunkt dieser Stadt sein muss, obwohl alle kulturellen Einrichtungen erhalten bleiben müssen, und auch Kraft geschaffen werden muss, dass wir neue Institutionen fördern können, ist auch Kultur eingebettet in den Gesamthaushalt.
Wenn es im diesjährigen Haushalt erreicht worden ist, dass 20 Millionen DM mehr zur Verfügung stehen, dann bedeutet das eine absolute Schwerpunktsetzung im Vergleich zu anderen Bereichen, die radikal gekürzt worden sind. Das sollte man auch nicht klein reden. Es ist ein Erfolg. Und es wird ein weiterer Erfolg sein, da hoffe ich, dass Herr Kollege Landowsky Recht hat, dass ihm der Finanzsenator zugesichert hat, dass es im nächsten Jahr keine Kürzungen im Kulturetat geben wird. Das ist das richtige Signal. Deswegen darf sich aber keiner zurücklehnen. Strukturveränderungen sind deshalb trotzdem notwendig.
Strukturveränderungen beziehen sich nicht nur darauf, dass man einen Abfindungstopf schafft, Herr Müller-Schoenau.
Wir müssen endlich einmal zu einer Diskussion kommen und die öffentlichen Beschimpfungen beenden, sowohl der Politik gegen die Intendanten oder anderen, aber auch umgekehrt. Wir brauchen jetzt eine Phase, in der man in Ruhe analysiert, was in den Spielstätten zu tun ist, und zwar gezielt für jedes einzelne Haus.
Dann kann man viel Luft rausnehmen. Wenn daran alle mitarbeiten, dann werden wir das Problem Kulturfinanzierung auch in den Griff bekommen. Da bin ich mir ganz sicher, aber nicht, wenn das nach dem alten System: „Ich brauche mehr Geld!“ läuft und nach „Das ist mein Freund, das ist dein Freund!“ Das kann so nicht klappen.
Meine Empfehlung an den neuen Kultursenator: Jeder Kultursenator setzt sich zusammen mit den Intendanten, ich gebe Ihnen einmal einen Rat: Setzen Sie sich einmal mit den Beschäftigtenvertretungen zusammen.
Da werden Sie vieles erfahren, was in den Häusern läuft, das Sie nicht von Ihren Mitarbeitern, nicht von den Intendanten und nicht im Kulturausschuss erfahren werden. Die können Ihnen sagen, wo noch Luft ist. Da muss man nicht immer betriebsbedingt kündigen und Kürzungen auf dem Rücken der Kleinsten austragen. Nein, da kann man sie einmal fragen, wo Schlendrian in den Häusern ist. Da werden Vorschläge kommen, die man positiv umsetzen kann. Natürlich soll man sie auch mit den Intendanten diskutieren. – Das wäre einmal eine ganz spannende Sache, wenn der Unterausschuss Theater nicht nur die Intendanten einladen würde, sondern auch die Personalrats- oder Betriebsratsvorsitzenden.
[Beifall der Frau Abg. Anding (PDS) – Hoff (PDS): Das haben wir vorgeschlagen, Sie haben es abgelehnt!]
Wir müssen uns auch mit dem Bund auseinander setzen. Ich bleibe dabei: Die 100 Millionen DM Hauptstadtkulturförderung des Bundes sind nicht angemessen.
Das habe ich auch Herrn Naumann gegenüber gesagt, da mache ich auch keinen Hehl daraus, ob das eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ist oder eine CDU-geführte Bundesregierung. Im Vergleich zu den 130 Millionen DM, die die Stadt Bonn bekommen hat, ist das zu wenig. Nur können wir das hier postulieren, wir werden – so die Erkenntnisse – erst einmal nicht mehr bekommen, es sei denn, dass der Bund tatsächlich über seinen Schatten springt.
[Wieland (Grüne): Weil man auch vernünftig mit ihm reden muss, nicht den großen Diepgen hinschicken!]
Aber eins muss klar sein: Der Dauerstreit mit dem Bund muss beendet werden, wir müssen klare Vereinbarungen bekommen. Die müssen für das Jahr 2000 getroffen werden, das ist auch noch nicht unterschrieben, und sie müssen auch für die Jahre 2001 ff. verfestigt werden. Da gibt es Vorschläge.
[Wieland (Grüne): Er geht ja nicht einmal selbst in den Kulturausschuss, er schickt seinen Sheriff hin!]
Ja, Herr Wieland, wenn wir uns erlauben würden, in unseren Kulturausschuss jemanden von der Bundesseite zu zitieren, und der kommt dann nicht, dann können wir auch ein Spiel daraus machen, das sollten wir mal beiseite tun.