Protocol of the Session on April 13, 2000

[Liebich (PDS): Und die erste Haushaltsrede von Steffel!]

Neues Jahrhundert bedeutet Globalisierung, technologische Revolution und, wenn Sie so wollen, www – world wide web.

[Oho! von der PDS]

Regierungssitz bedeutet für Berlin und den Bund Umdenken bei den Aufgaben und Pflichten der deutschen Hauptstadt. Die unaufgeregte Art von Peter Kurth bedeutet, wie ich glaube, einen neuen Stil in der Berliner Politik.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

CDU und SPD haben sich das überaus ehrgeizige Ziel gesetzt, die Netto-Neuverschuldung weiter zurückzuführen und bis 2009 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Diesem Ziel kommen wir mit dem vorliegenden Haushalt einen weiteren Schritt näher. Die Regierungsfraktionen und insbesondere unser Finanzsenator haben damit ihre erste große Bewährungsprobe dieser Legislaturperiode erfolgreich bestanden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenn es auch einige Journalisten ärgern dürfte: Dies alles hat ohne Streit in der Koalition, in einer sachlichen vertrauensvollen Atmosphäre stattgefunden. Auch das dokumentiert am Beginn dieses Jahrhunderts ein Stück neuen Zeitgeist in der Berliner Politik. Deshalb gilt unser Dank zuallererst unserem Koalitionspartner, vor allem Herrn Wowereit und Herrn Seitz, und natürlich unserem Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky, unserem haushaltspolitischen Sprecher Alexander Kaczmarek und den Kolleginnen und Kollegen, die lange Stunden im Hauptausschuss gearbeitet haben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Als Angehöriger der jüngeren Generation, wenn ich das so sagen darf, [Gelächter bei der PDS]

sage ich Ihnen: Das wird der neue Stil in der Politik werden und bleiben müssen. Junge Menschen wollen Entscheidungen sehen und keine gegenseitigen Ent- und Beschuldigungen hören.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Wähler haben deshalb in Berlin und Brandenburg für klare, stabile politische Verhältnisse gesorgt. Nun sind wir, die Koalition, den Berlinerinnen und Berlinern eine professionelle und sachgerechte Politik schuldig. Die Berlinerinnen und Berliner haben ein Stück Zukunft für fünf Jahre in unsere Hände gelegt. Wir werden ihr Vertrauen mit ordentlicher Arbeit rechtfertigen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Grundlage für diese ordentliche Arbeit sind, wie ich es einmal nennen will, fünf „Gebote der Vernunft“, die wir strikt und konsequent, nicht nur, aber gerade in dieser Legislaturperiode befolgen müssen:

1. äußerste Sparsamkeit, 2. wirkungsvollster Einsatz der begrenzten verfügbaren Mittel, 3. Abwerfen von Ballast und Konzentration auf die wesentlichen staatlichen Kernaufgaben, 4. Nutzung der großen Zukunftschancen in Forschung, Wissenschaft, Bildung und Kultur, 5. – dies ist mir besonders wichtig – Stärkung unserer Wirtschaft für Arbeitsplätze und Wohlstand möglichst aller Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der CDU]

Das sind – davon bin ich gerade als 34-jähriger mittelständischer Berliner Unternehmer fest überzeugt – die entscheidenden und die Menschen am meisten interessierenden Herausforderungen der Politik.

Allerdings – da sollten wir alle etwas nachdenklich sein – dürfen wir nicht den typischen Fehler der Politik machen und den Menschen versprechen, alle ihre Probleme lösen zu können.

Politik ist darauf angewiesen, dass die Menschen bei der Weiterentwicklung ihrer Gesellschaft mitwirken. Dafür benötigen die Menschen Unternehmensgeist. Dafür benötigen wir Menschen, die etwas unternehmen wollen und die bereit sind, zuerst Verantwortung für sich selbst zu unternehmen. Wir wollen keine Zuschauergesellschaft, sondern eine Zupackergesellschaft.

[Beifall bei der CDU]

Weniger und nicht mehr Staat – übrigens auch weniger und nicht mehr Einfluss der Parteien – werden die politischen Botschaften des neuen Jahrhunderts sein. Die Menschen haben berechtigte Anliegen: gute Schulen und Universitäten, Sicherheit auf den Straßen und Plätzen, schnelle und bequeme Verkehrsmittel, ein sauberes Stadtbild, vielfältige Theater und Museen, einen Kita- und Altenheimplatz ganz in ihrer Nähe und vieles andere mehr.

[Klemm (PDS): Das hat nichts mit Haushalt zu tun!]

Ich wollte eigentlich nicht auf die Rede der PDS eingehen. Weil Sie aber ununterbrochen dazwischenrufen, sage ich Ihnen nur einen Satz: Nach der Rede von Herrn Wolf überrascht es mich nicht, das Bisky und Gysi der PDS den Rücken kehren!

[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der PDS]

Das wird noch ein echtes Problem für Sie! Warten Sie es einmal ab! Wir haben erkannt, welche Rolle rückwärts Sie am vergangenen Wochenende gemacht haben. Die Union dagegen hat den Aufbruch gemacht.

[Beifall bei der CDU]

Dies alles ist aber nur zu leisten, wenn wir eine solide wirtschaftliche Basis haben. Nur wenn Berliner Unternehmen erfolgreich sind, können alle Berliner gewinnen. Denn – und dies verdeutlicht, warum die CDU Arbeitsplätze, wirtschaftliche Chancen und Wohlstand in den Mittelpunkt dieser Haushaltsdebatte stellt – eine Region ohne wirtschaftliche Perspektive ist eine tote Region. Deshalb erwarten wir von diesem Jahrhundert den zweiten Aufbruch innerhalb von nur 10 Jahren. Wir erwarten, dass die Epoche der 68er nunmehr endgültig überwunden ist.

[Beifall bei der CDU – Klemm (PDS): Sie müssen zum Haushalt reden; er besteht aus Zahlen! – Zuruf der Frau Abg. Künast (Grüne)]

Wir müssen aufhören, Begriffe wie Leistung, Karriere, Ehrgeiz oder Elite so zu verteufeln, als ob sie bloßer Egoismus wären. Auch in Ihrer Fraktion, Frau Künast – weil sie dazwischen schreien –, ist die Karriere der 68er beendet, bevor sie angefangen hat – glauben Sie mir das!

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Diepgen abtreten! Diepgen muss weg!]

Schauen Sie einmal, was aus Ihren Kollegen geworden ist. Der Fischer trägt schicke Anzüge, Schily ist in die SPD abgehauen, Ditfurth ist ausgetreten, und Sie beide hocken hier immer noch!

[Beifall bei der CDU – Heiterkeit]

Ich sagte eben und meine dies sehr ernst, dass wir Leistung, Karriere, Ehrgeiz und Elite nicht verteufeln dürfen. Es ist kein Egoismus. Nein! Nur die Leistungsträger einer Gesellschaft können unser soziales Netz finanzieren. Wer denn sonst?

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Künast?

Ich vermute, dass sie es zum Ende meiner Rede verstanden hat, und glaube, dass wir uns das sparen können. – Sie können mir eine E-Mail schicken, Frau Künast. –

Nur Steuerzahler können Kitas und Schulen bauen, Krankenhäuser sanieren oder Theater spielen lassen. Wer denn sonst? Nur geistige Eliten können uns in Lehre, Forschung und Entwicklung voranbringen. Wer denn sonst?

[Niedergesäß (CDU): Richtig!]

Deswegen muss Berlin Magnet für die Besten werden.

Wirtschaftspolitik ist für uns kein Selbstzweck.

[Zurufe der Abgn. Over (PDS) und Cramer (Grüne)]

Je lauter Sie schreien, umso nach nachdrücklicher wiederhole ich diesen Satz! Wirtschaftspolitik ist für die Union kein Selbstzweck! Nein, die Entfaltung und Verwirklichung der äußerst individuellen Lebensentwürfe der Berliner muss das Ziel von Wirtschaftspolitik sein.

[Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Sie haben Ihre Klitsche doch geerbt! – Cramer (Grüne): Wie schätzen Sie sich denn ein? – Frau Künast (Grüne): Hier schreit nur einer, und das ist Steffel!]

Markt und Wettbewerb – diesen Satz sage ich wohlüberlegt – dürfen nicht der Hauptmaßstab für unser politisches Handeln sein. Soziale Geborgenheit, Gerechtigkeit, aber auch Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft dürfen keine Begriffe des zurückliegenden Jahrhunderts sein.

[Frau Künast (Grüne): Seifenblasen!]

Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Alter dürfen keine unkalkulierbaren Risiken des einzelnen werden.

[Frau Künast (Grüne): Herr Diepgen, ist das der Aufbruch?]