Protocol of the Session on April 13, 2000

[Frau Oesterheld (Grüne): Schon lange nicht mehr!]

Sie haben das schon immer gesagt, das weiß ich. Wir haben das auch schon immer gesagt. Trotzdem könnten wir vielleicht gemeinsam daran arbeiten, dieses Ziel auch umzusetzen.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Die „Topographie des Terrors“ werden Sie mit „facility management“ nicht hinkriegen!

Einen Punkt darf ich auch noch ansprechen, weil er heute schon mehrfach angesprochen wurde, und ich denke, dass man etwas anders herangehen muss: Das ist die U 5. Was Sie dort an Einsparpotential sehen,

[Cramer (Grüne): Strieder!]

das ist typisch die närrische Gerechtigkeit des Rechenschiebers. [Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Was sparen Sie denn ein, wenn Sie einen Tunnel mit mehreren Bahnhöfen für über 350 Millionen DM, der fertig ist, liegen lassen und sagen: Darin züchten wir Pilze!?

[Beifall bei der CDU]

Das, Herr Cramer, kann dann auch Herr Strieder sicherlich gern gegenüber den Steuerzahlern in der ganzen Bundesrepublik Deutschland vertreten, dass wir hier in Berlin die teuerste und von dem Stararchitekten Schultes gestylte Pilzzuchtanlage Europas betreiben.

[Zurufe von den Grünen]

Mit der CDU jedenfalls wird so etwas nicht zu machen sein.

[Beifall bei der CDU]

Es gäbe noch einiges dazu zu sagen, aber das würde Sie vielleicht zu sehr aufregen. Ich will Ihren Kreislauf gegen Abend nicht allzu sehr in Mitleidenschaft ziehen. Dieser Haushalt ist der erste und ein wichtiger und guter Schritt in die Zukunft. 2001 wird noch viel schwieriger. Aber das werden wir zusammen auch packen und schultern und für diese Stadt eine sichere und vernünftige Zukunft schaffen, und zwar ohne Bauruinen und mit sozialer Sicherheit für die Bürger dieser Stadt. – Vielen Dank!

[Bravo! und Beifall! bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Frau Abgeordnete Werner. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können jetzt alle die rosarote Haushaltsbrille wieder abnehmen und mir in die banale, graue Realität des Berliner Haushalts, speziell im Bereich der Bezirke, folgen.

[Beifall bei den Grünen – Gram (CDU): Sonnenbrille wäre besser!]

Dieser Senat denkt und handelt zentralistisch. Er benutzt die Bezirke seit Jahren als Sparbüchse. Ob politisch grün, schwarz, hellrot oder tiefrot, die Vertreterinnen und Vertreter aller Bezirke haben dem Hauptausschuss unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit überzeugend die Misere der Bezirke dargestellt.

Nehmen wir einige Beispiele:

1. Beispiel – der sich jährlich wiederholende Trick bei der Finanzierung der Pflichtaufgaben: Der Senat gibt den Bezirken wissentlich dreistellige Millionenbeträge zu wenig für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben – und dies jedes Jahr erneut. Am Jahresende profitiert er dann von der absichtlichen Fehlkalkulation, denn 10 % der Mehrausgaben muss jeder Bezirk selbst tragen. Das macht z. B. bei einem Bezirk wie Wedding mit 50 Millionen DM Mehrausgaben am Jahresende die für den Bezirkshaushalt beachtliche Summe von 5 Millionen DM aus, die er dann aus eigenen Mitteln zusammenkratzen muss. Wir erwarten, dass den Bezirken eine realistische Summe zugewiesen wird. Unseren entsprechenden Antrag haben CDU und SPD im Hauptausschuss abgelehnt. Sie haben damit dem Haushalt ein weiteres Risiko in Höhe von 420 Millionen DM beschert.

2. Beispiel: Der Senat vergisst, Geld und Personal mit abzuschichten. Das Parlament hat zahlreiche Aufgabenverlagerungen von der Hauptverwaltung in die Bezirke beschlossen. Dabei gilt der Grundsatz: Den Aufgaben folgen Geld und Personal. Übereinstimmend berichten die Bezirke, dass dieser Grundsatz leider in die Kategorie „graue Theorie“ gehört. Die Praxis ist anders: Die Aufgaben kommen, Personal und Geld kommen nicht.

3. Beispiel – die Bürgerämter: Sie waren der Bonbon, mit dem die große Koalition den Berlinerinnen und Berlinern die Bezirksfusion schmackhaft machen wollte. Es sollte ein flächendeckendes Netz von Bürgerämtern schon im nächsten Jahr geben. Daraus wird nun nichts. Die bisher vorgesehenen Mittel – auch nach ihrer geringen Erhöhung – reichen nicht, und unsere Anträge zur Finanzierung lehnte die Koalition ab.

Ganz deutlich wird in diesem Jahr aber die Gutsherrenmentalität des Senats gegenüber den Bezirken am Beispiel der Strafaktion gegen Kreuzberg. Kreuzberg soll eine halbe Million DM von den Bezirksgeldern abgezogen werden, weil im Jahr 1995 ein CDU-Stadtrat

[Mutlu (Grüne): Der abgewählt ist!]

auf Grund einer individuellen rechtswidrigen Entscheidung dem Bezirk einen Millionenschaden zufügte. Der Bezirk tat alles, was ein Bezirk in so einem Fall politisch und juristisch tun kann: Die BVV wählte den Stadtrat ab und setzte einen Sonderausschuss ein. Das Bezirksamt schaltete den Rechnungshof ein und leitete ein Straf-, ein Regress- und ein Disziplinarverfahren ein. Das hindert den Finanzsenator nicht, an Kreuzberg ein bisher einmaliges Exempel statuieren zu wollen und den ganzen Bezirk mit Geldentzug zu bedrohen. Warum Kreuzberg? – Fälle wie diesen gibt es doch in anderen Bezirken und beim Senat selbst zuhauf.

[Gram (CDU): An allem ist der Senat schuld!]

Der jährliche Rechnungshofbericht spricht da beredte Worte. Wurden aber je eine Senatsverwaltung oder ein ganzer Bezirk finanziell abgestraft? – Noch nie! In Zehlendorf wurde in einem dem Kreuzberger Vorgang sehr ähnlichen Grundstücksfall 1997 ein Stadtrat abgewählt. In Steglitz hatte man diesen politischen Mut nicht. Der dortige Verursacher von Millionenschäden – auch ein CDU-Stadtrat – sitzt noch immer in seinem Dienstsessel. Wurde einem dieser CDU-regierten Bezirke Geld abgezogen? – Nicht eine Mark! Und was ist mit den Senatsverwaltungen? – Die Bauverwaltung hätte einen Nulletat, würde man dieser Verwaltung alle Schäden in Rechnung stellen, die Herr Klemann angerichtet hat.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Was ist mit der Senatssportverwaltung, wo Frau Stahmer auf Mieteinnahmen in Millionenhöhe verzichtete? Warum Kreuzberg?

Auf wen immer diese Strafaktion zielen soll, treffen wird sie nur die Bürgerinnen und Bürger in Kreuzberg. Sie werden die eigentlich Bestraften sein. Denn irgendwo – bei den Kitas, bei der baulichen Unterhaltung, bei den Jugendfreizeitheimen oder vielleicht auch bei der Stadtbibliothek – werden diese Gelder fehlen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben die Chance, diese rechtlich und politisch anrüchige Abstrafung eines ganzen Bezirks noch zu stoppen. Stimmen Sie unserem Antrag auf Rücknahme der Strafaktion gegen Kreuzberg zu!

[Beifall bei den Grünen und bei der PDS]

Nunmehr hat das Wort Herr Abgeordneter Landowsky! – Bitte!

[Zuruf von den Grünen: Die junge Garde der CDU!]

Das ist wieder das Wort der Veteranen. Die Sache ist okay, meine Damen und Herren! – Nach 12 Stunden Haushaltsdebatte kann ich sagen, dass es drei wichtige Ergebnisse gibt: Das „Thoben“ ist vorbei. Wir haben einen neuen Kultur- und Wissenschaftssenator. Wir haben einen neuen Bürgermeister, und wir haben einen neuen Haushalt. Das ist ein guter Tag für die Berliner, ein guter Tag für den Senat, und es ist auch ein guter Tag für die Koalition und damit auch für uns.

[Beifall bei der CDU]

Der Senator Stölzl macht Mut, und das ist gut für Berlin. Wir werden ihn unterstützen bei seiner schwierigen Aufgabe. Vielleicht zieht mit ihm auch wieder ein gutes Verhältnis des Landes Berlin zur Bundesregierung ein. Ich bin jedenfalls ganz zuversichtlich. Dem Innensenator und Bürgermeister Werthebach will ich sagen: Bleiben Sie bei Ihrer aufrechten Art, Herr Werthebach! [Beifall bei der CDU]

Sie machen Ihre Sache gut. Für einen Christdemokraten war es noch nie leicht, es stand immer unter dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“, das Innenressort in Berlin zu leiten. Wer immer „everybody’s darling“ bleiben will – so hat Stoiber mit Recht gesagt – wird irgendwann „everybody’s Depp“. Das sollen Sie nicht sein. Bleiben Sie sich und Ihrer Art treu!

[Beifall bei der CDU]

Zum Haushalt hat Alexander Kaczmarek für die CDU das Notwendige mit aller Deutlichkeit gesagt. Wir haben Kultur und Wissenschaft, Bildung und Ausbildung in einer schwierigen Zeit vorrangig behandelt. Wir haben die innere Sicherheit nicht vernachlässigt, weil sie für die Geborgenheit der Menschen in dieser Stadt wichtig ist. Aber wir haben trotzdem eisern gespart, wo immer es nur geht. Die Baumeister dieses Haushalts sind schon gelobt worden: die Kollegen in den Ausschüssen und vor allem unser Finanzsenator Peter Kurth. Lieber Peter Kurth, wer vier Jahre Fronterfahrung bei Ihrer Vorgängerin hat und das so gut überlebt hat, der ist auch für einen guten Haushalt gut. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg!

[Beifall bei der CDU]

Der heutige Tag beweist, dass den Berlinerinnen und Berlinern viel mehr mit guten Ideen gedient ist als mit Streit und Parteiengezänk. Gezänk fördert nie die Kreativität und bringt im Kern auch nicht viel. 108 Stimmen von 113 anwesenden Koalitionären für den Kultursenator sind ein gutes Ergebnis.

[Wieland (Grüne): Und Werthebach?]

Na ja, bei Werthebach hätten Sie ein paar Stimmen mehr in den Hut schmeißen können, meine Damen und Herren aus der Koalition! Aber es nun einmal eine schwierige Sache. Manche Ihrer Kolleginnen und Kollegen, Herr Wowereit, befinden sich noch in einer Art sozialdemokratischer Jungfernschaft. Aber wenn es eines Tages zwischen SPD und SPD so gut klappt wie zwischen uns beiden, dann bekommt Herr Werthebach auch mehr Stimmen. Da wollen wir letzlich hin. Auch bei H.-G. Lorenz wird es ein bisschen Mühe kosten, ich weiß das. Er kämpft ein bisschen. Werner Schneyder von den „Scheibenwischern“ hat es einmal richtig gesagt: „Sozialdemokraten sind erst dann richtig glücklich, wenn sie nichts miteinander zu tun haben.“ – Das war bei Schröder und Chirac so, das ist bei Kohl und Mitterrand so gewesen, bei Schmidt und Giscard d‘ Estaing. Meinem von mir sonst geschätzten Freund Lorenz und auch meinem Freund Klaus-Uwe Benneter sage ich: Von der Koalition lernen heißt lieben lernen. [Oh! von den Grünen]

Dann kommen auch mehr Stimmen zusammen.

Die Opposition ist heute ein bisschen auf der Strecke geblieben. Sie haben zu sehr vom Naturschutz in den Denkmalschutz gewechselt, insbesondere die Grünen. So lange wir so eine Opposition haben, ist mir um die Koalition nicht bange. Die Rollenverteilung ist in Ordnung: Wir steuern das Schiff, und Sie machen den Wellenschlag. So soll es auch für lange Zeit bleiben. [Beifall bei der CDU und der SPD]

Ein paar Highlights haben wir erlebt, eben von Alexander Kaczmarek, am Anfang unserer Haushaltsdebatte von meinem Stellvertreter Frank Steffel,