Überhaupt: Auflagenbeschlüsse. Nicht alle dieser Beschlüsse finden die ungeteilte Zustimmung des Senats. So hat der Regierende Bürgermeister in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden der Koalition gefordert, künftig nicht mehr für die vom Senat zu erstellenden Berichtsaufträge, die nicht oder nicht rechtzeitig eingegangen sind, mit einer Zahlung von 150 000 DM aus dem Etat der verantwortlichen Verwaltung belastet zu werden. Der Brief, der offiziell auch den Vorsitzenden des Hauptausschusses erreichte, sprach zum einen von einem angemaßten Privileg des Ausschusses und zum anderen davon, dass die geforderte Termindisziplin keine hinreichende Begründung für derartige Sanktionen sein könne. – Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Einhellig ist der Ausschuss nicht ihrer Aufforderung gefolgt, sondern hat den Auflagenbeschluss erneut erneuert. Schließlich waren wir auch dieses Mal wieder genötigt, Sanktionen zu verhängen, und ihre Senatskanzlei war daran nicht ganz unbeteiligt.
Was den Umgang mit Verträgen angeht, gibt die Debatte über Hochschulverträge und den Überbrückungsfonds Aufschluss. Wir durften erfahren, dass in diesem Zusammenhang die Hochschulverträge nicht gebrochen, sondern nur unkonventionell umgangen worden seien. Das will ich nicht weiter kommentieren.
Als Letztes will ich den Kollegen Kaczmarek zitieren. Er fragte den Finanzsenator, ob denn der neue Liegenschaftsfonds dem Hauptausschuss von ihm selbst oder von in feines, dunkles Tuch gewendeten Chicago Boys mit farbenprächtigen Folien präsentiert werde. Der Hauptausschuss und der Finanzsenator haben sich einvernehmlich auf eine Präsentation durch den Finanzsenator und gegen die Chicago Boys entschieden.
Diese wenigen Einblicke in die Beratungen des Hauptausschusses müssen genügen, obgleich es noch einiges Ernstes, Schwieriges und Heiteres zu berichten gäbe. Wir haben uns bemüht, unserer Verantwortung gegenüber dem Haushalt des Landes Berlin gerecht zu werden und empfehlen Ihnen deshalb
mehrheitlich, das Haushaltssanierungsgesetz 2000 mit der Drucksachennummer 14/300 und das Haushaltsgesetz 2000 Drucksache 14/301 sowie 14/302 anzunehmen. – Ich danke Ihnen!
Herr Dr. Seitz! Ich darf Ihnen und den Mitgliedern des Hauptausschusses den Dank des ganzen Hauses aussprechen. Der Dank ist deshalb dringend angebracht, weil Sie, Herr Dr. Seitz, ganz neu mit dem Vorsitz begonnen haben. Mit der Neuwahl des Parlamentes gab es dann noch sehr viele neue Mitglieder, und alle mussten sich sofort in eine Haushaltsdebatte einlassen. Der Dank des Hauses ist Ihnen allen gewiss. Herzlichen Dank! interjection: [Allgemeiner Beifall]
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat empfiehlt, die allgemeine Aussprache und die Beratung des Einzelplans 03 – Regierender Bürgermeister – miteinander zu verbinden. Für die allgemeine Aussprache und die Aussprache zu allen Einzelplänen soll die Gesamtredezeit pro Fraktion 120 Minuten betragen, wobei die Aufteilung dieser Redezeit den Fraktionen überlassen bleibt. Für die allgemeine Aussprache steht eine Redezeit von bis zu 45 Minuten zur Verfügung. Eine dort nicht ausgeschöpfte Redezeit wird der Redezeit zu den Einzelplänen hinzugerechnet. Auf eine sogenannte Schlussrunde wird heute verzichtet. Die Beratungen werden dann vom Präsidenten geschlossen.
Nun noch ein Hinweis zum Ablauf. Alle Fraktionen sind sich darin einig, dass sich auch der Senat an die Redezeit hält, die den Fraktionen zur Verfügung steht.
Dies haben wir im Ältestenrat mehrfach bekannt gegeben. Seitens des Vertreters des Senats im Ältestenrat hat es hierzu auch keinen Widerspruch gegeben. Das bedeutet, dass der Senat insgesamt eine Redezeit von bis zu 120 Minuten hat.
Die Redefolge für die allgemeine Aussprache und für die Einzelpläne lautet jeweils wie folgt: PDS, dann die Fraktionen der CDU, der Grünen und der SPD.
Mehr als 50 000 Menschen demonstrierten am Brandenburger Tor. Das war nicht nur ein Protest gegen die pauschale Erhöhung und Verlängerung der Lehrerarbeitszeit, sondern das war ein Protest gegen eine langjährige Politik, die die Berliner Schulen in die Krise geführt hat, eine Situation an den Berliner Schulen geschaffen hat, die gekennzeichnet ist durch Fehlzeiten, Unter
richtsausfall, Verschlechterung der pädagogischen Betreuungssituation, durch miserablen baulichen Zustand der Schulen und eine unzureichende technische Ausstattung.
Wir erinnern uns alle an die Situation im letzten Sommer und im letzten Herbst, als Wahlkampf war. Da waren wir uns alle einig, dass sich an den Berliner Schulen etwas ändern muss: dass Fehlzeiten abgebaut werden müssen; dass die pädagogische Betreuungssituation verbessert werden muss; dass es notwendig ist, die Schulen mit moderner Technik auszurüsten. „Mehr Mäuse in die Schulen!“ hieß der Slogan, und damit waren nicht nur die Computermäuse gemeint, damit war insgesamt eine Verbesserung der Ausstattung der Berliner Schule gemeint.
Deshalb können wir die Empörung von Herrn Böger über diese Streikaktion nicht teilen, sondern wir finden: Empörend sind die gebrochenen Wahlversprechen; empörend ist eine Politik, die – statt die notwendigen Reformen zu ergreifen – mit technokratischen Maßnahmen versucht, den Lehrerstellenplan formal zur Deckung zu bringen, ohne an der Situation in den Berliner Schulen etwas zu ändern.
Aber ich sage gleichzeitig: Eine Politik, die die Bezirke finanziell dermaßen unterausstattet, dass diese regelmäßig vor die Alternative gestellt sind, bauliche Unterhaltung zu bestreiten oder soziale Dienstleitungen freier Träger zu finanzieren – wobei die Bezirke sich dann regelmäßig dafür entscheiden, kurzfristig weiterhin soziale Leistungen zu finanzieren –, eine Politik, die dann nachbessern muss über Sonderprogramme, stellt sich kein gutes Zeugnis aus. Die Schulsanierung, die Instandsetzung und -haltung der Schulen sowie die Gewährleistung anständiger Unterrichtsbedingungen sind keine Frage eines Sonderprogramms, sondern müssten eine Regelaufgabe der Politik in Berlin sein.
Aber statt der versprochenen Verbesserung der Betreuungssituation, statt der versprochenen Verbesserung der Situation der Fehlzeiten und des Unterrichtsausfalls wurde zu dem Mittel der pauschalen Verlängerung der Lehrerarbeitszeit gegriffen. Fehlzeiten und Unterrichtsausfall werden durch diese Maßnahme nicht abnehmen, wenn Sie den überalterten Lehrkörper im Lande Berlin länger arbeiten lassen – im Gegenteil: Frust wird zunehmen; Fehlzeiten werden zunehmen; die pädagogische Betreuungssituation wird sich nicht verbessern, weil Sie mit dieser Maßnahme die Motivation in der Schule zerstören.
Und Sie zerstören auch Vertrauen, wenn Sie auf der einen Seite in den vergangenen Jahren von den Lehrern mit den Arbeitszeitkonten Mehrarbeit abverlangten und ihnen jetzt, zu einem Zeitpunkt, wo es darum gegangen wäre, diese Mehrarbeit wieder abzubauen, sagen: „Ätsch, bätsch, jetzt verlängern wir die Arbeitszeit!“ Damit zerstört man die Bereitschaft von Leuten, an notwendigen Veränderungen mitzuwirken, und die Bereitschaft, einen Solidarbeitrag in dieser schwierigen Haushaltslage zu leisten.
Wir hätten vom Schulsenator mehr erwartet, als Politik mit dem machiavellischen Motto zu verwechseln und zu sagen: „Die Grausamkeiten begeht man am Beginn der Legislaturperiode.“ und dann anschließend zu sagen: „Das war das Letzte, was ich an Schlimmem angerichtet habe, jetzt wird die Schule in Ruhe gelassen.“ Nein, notwendig sind Reformen, sind Veränderungen. Wir hätten erwartet, Herr Böger, dass Sie die Diskussion über Arbeitszeitgerechtigkeit in der Schule führen, über die Fragen: Welche Belastung haben bestimmte Lehrer je nach Unterrichts
fächern? Welche Belastungen gibt es in sozial belasteten Bezirken, in denen eine andere Betreuung notwendig ist als beispielsweise in Zehlendorf? – Diese Diskussion wäre notwendig gewesen, und dazu war die Gewerkschaft und waren die Lehrerinnen und Lehrer bereit.
Und wir hätten erwartet, Herr Böger, dass Sie den Mut zu neuen Arbeitszeitmodellen gehabt hätten, dass Sie diskutiert hätten z. B. über die Frage von Altersteilzeit. Im Berliner Schuldienst gibt es ca. 35 000 Lehrerinnen und Lehrer, von denen buchstäblich 8 600 älter als 55 Jahre alt sind. Nur 2 500 sind unter 35 Jahre alt.
Das ist ein Alarmzeichen. Das bietet aber auch gleichzeitig Möglichkeiten. Sie könnten nämlich die Möglichkeiten des Altersteilzeitgesetzes nutzen und z. B. diesen über 55 Jahre alten 8 600 Pädagogen die Möglichkeit geben, sich bei der Hälfte ihrer Arbeitszeit langsam aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen. Sie hätten damit gleichzeitig die Chance, den dringend notwendigen Einstellungskorridor für junge Menschen, für die Verjüngung des Lehrkörpers, zu schaffen und damit die Möglichkeiten für Neueinstellungen zu eröffnen.
Das würde sich sogar rechnen; denn wird für zwei in Altersteilzeit gehende Lehrer ein jüngerer eingestellt, zahlt die Bundesanstalt für Arbeit einen Zuschuss von 20 % zu den Gehaltskosten der in Altersteilzeit gehenden Kollegen. Gleichzeitig werden zusätzliche Kosten eingespart, weil der Gehalts- bzw. Besoldungsunterschied zwischen einem 25-Jährigen und einem 55-Jährigen rund 1 900 DM beträgt. Das heißt, das wäre möglich – auch in der schwierigen Haushaltssituation des Landes Berlin. Das wären Reformen gewesen, bei denen die Leute mitzumachen bereit gewesen wären, weil man einerseits Veränderungen anbietet, aber ihnen nicht nur etwas abverlangt, sondern gleichzeitig sagt: Hier wird eine Verbesserung erreicht; wir schaffen einen Einstellungskorridor für junge Menschen in dieser Stadt; wir verbessern die pädagogische Betreuungssituation an diesen Schulen. – Diese Möglichkeit ist leider ungenutzt verstrichen.
Die Lehrerarbeitszeit ist nur ein Beispiel für die Ideenlosigkeit und Bewegungslosigkeit in der Berliner Politik. Im „Spiegel“ dieser Woche äußerte sich der ehemalige Innensenator Schönbohm mit folgenden Worten:
In Berlin rettet man sich immer nur von einer Runde zur nächsten. Wenn man an die Arbeit geht, sind alle Schrauben festgezogen. Dann wird nur noch gefummelt.
Wir haben über das Thema schon anlässlich des Rücktritts von Frau Thoben diskutiert. Die Zeiten, in denen man sich in Berlin einfach nur über die Runden retten kann, in denen man ein bisschen an den Problemen herumfummelt, ohne sie wirklich zu lösen, sind endgültig vorbei. Die Berliner Probleme können nicht mehr durch Aussetzen, durch Vertuschen, durch Schönreden und Beschwichtigen bewältigt werden, sondern sie werden in dieser Legislaturperiode entweder mutig angegangen, oder die Stadt bzw. das Land muss den Offenbarungseid antreten. Es muss endlich die Dramatik der Situation in dieser Stadt zur Kenntnis genommen werden, anstatt sich immer wieder von einer Runde zur nächsten zu mogeln. Irgendwann ist Schluss, dann geht das Mogeln nicht mehr.