Protocol of the Session on April 13, 2000

c) Drucksache 14/302:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für das Haushaltsjahr 2000 (Haushaltsgesetz 2000 – HG 2000), Drucksache 14/150, und Beschlussempfehlung über Ermächtigungen, Ersuchen, Auflagen und sonstige Beschlüsse aus Anlass der Beratung des Haushaltsplans von Berlin für das Haushaltsjahr 2000 (Auflagenbeschlüsse 2000), gemäß Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 5. April 2000

Hierzu liegen vor ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/300-1, ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD, Drucksache 14/300-2, sechs Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/301-1 bis 14/301-6, neun Änderungsanträge der Fraktion der PDS, Drucksache 14/301-7 bis 14/301-15, sowie ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/ 302-1. Zu Beginn unserer Haushaltsberatungen gebe ich, wie es gute Tradition bei uns im Hause ist, das Wort dem Vorsitzenden des Hauptausschusses zu einem mündlichen Bericht. – Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hans-Peter Seitz – bitte sehr!

Meine Damen und Herren! Termingerecht liegt Ihnen die Beschlussempfehlung zum Haushaltssanierungsgesetz und zum Haushaltsgesetz 2000 vor. Die Gesamtberatungszeit des neuen Hauptausschusses mit einer großen Zahl neuer Kolleginnen und Kollegen war mit rd. 100 Stunden nicht kürzer als die unserer Vorgänger. Deutlich kürzer aber war diesmal die Zeitspanne, die uns und den Unterausschüssen zur Verfügung stand, um die heutige II. Lesung im Plenum mit unseren Beschlussempfehlungen zu erreichen.

Bereits an dieser Stelle möchte ich mich im Namen des Ausschusses bei Herrn Schreiber, dem Ausschussassistenten, und seinen tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Frau Horn, Frau Berg und Herrn Nowak, bedanken.

[Beifall bei allen Fraktionen]

Ohne ihre Arbeit weit über die normale Arbeitszeit hinaus wäre das Ergebnis nicht möglich gewesen. In diesen Dank beziehe ich ausdrücklich auch die Kolleginnen und Kollegen ein, die die sehr aufwendigen Inhaltsprotokolle erarbeitet haben.

[Beifall bei allen Fraktionen]

Und ebenso gilt unser Dank den Verwaltungen, die sich Mühe gegeben haben, die sehr zahlreichen und aufwendigen Berichtswünsche des Ausschusses zu erfüllen. Schließlich bedanke ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für die Unterstützung in meinem Amt. Das hat mir die Arbeit leicht gemacht und insgesamt eine konstruktive Arbeitsatmosphäre ermöglicht.

Ebenso ungewöhnlich gestrafft wie die Beratungen des Hauptausschusses wird heute die Plenardebatte zum Haushalt sein. Sie findet erstmals an einem einzigen Tage statt. Das ist eine wahrhaft parlamentsreformerische Tat. Dadurch werden wir – was wiederum schade ist – die humorigen Abschlussreden der Fraktionsvorsitzenden nicht genießen können. Um ein wenig daran anzuknüpfen, will ich meine Berichterstattung jedenfalls stellenweise mit Zitaten aus unseren Beratungen würzen, die den Ernst der Haushaltsberatung und der damit verbundenen Probleme wenigstens verbal aufgeheitert haben.

In der ersten Haushaltsberatung der 14. Wahlperiode wurden gelegentlich die Akteure der vergangenen finanzpolitischen Auseinandersetzungen angesprochen. So wurden in der allgemeinen Aussprache Frau Kommissarin Schreyer und Frau Senatorin a. D. Fugmann-Heesing zwar noch kurz als die zwei Halbgöttinen der Konsolidierung beschworen, aber auch ihre männlichen Nachfolger bekannten sich zur tatsächlichen und nicht nur zur virtuellen Konsolidierung.

[Wieland (Grüne): Da wollen wir erst einmal Taten sehen!]

Beide werden in dieser Wahlperiode noch Zeit und Gelegenheit haben, sich den Ruf von Halbgöttern zu erarbeiten. Es bleibt ein hehres Ziel.

[Beifall des Abg. Wieland (Grüne)]

Ein erste Überraschung während unserer Beratung bot die vorgelegte Investitionsplanung. Als „Kurths Fassung“ ist die Investitionsplanung bis 2003 ganz schnell in die Berliner Haushaltsgeschichte eingegangen. Sie soll nach unserem Verständnis aber ein Unikat bleiben. Alle Fraktionen forderten daher vom Finanzsenator die Aufgabe des „Systems Kurth“.

Herr Senator! Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie uns daran gewöhnen wollen, abstrakter zu beraten, aber der Sprung von 537 Seiten der zuletzt vorgelegten Investitionsplanung auf nur noch 21 Seiten war zu groß.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Sie dürfen nicht übersehen, dass wir zugleich ein Landes- und ein Stadtparlament sind. Das bedeutet, wichtige Investitionen müssen bei ihrem Namen genannt werden, und dürfen nicht in der Anonymität der Positionen der Finanzplanung unerkennbar bleiben. Da 1999 überhaupt keine Investitionsplanung vorgelegt wurde, bleiben Sie uns bis zur Beratung des nächsten Haushaltes ein gewichtiges Werk schuldig.

Am Anfang aller Beratungen war ein Wort. Es lautete: Effizienzrendite. [Heiterkeit]

Dieses Wort hätte es verdient, Wort des Jahres zu werden. Es ist ein Schlagwort wie aus der globalen Finanzwerbewelt. Überraschenderweise hat sich Senator Werthebach als Schöpfer dieses edlen Begriffes geoutet. Das hätte ich ihm, ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Sehen Sie es mir nach, Herr Senator!

Als Effizienzrendite wurden bei uns leider nur die pauschalen Minderausgaben im investiven Bereich veranschlagt, die der Senat im Haushalt 2000 erstmals getrennt von den pauschalen Minderausgaben im konsumtiven Bereich ausgewiesen hat. Wollte man dem Wortsinn von „Effizienzrendite“ gerecht werden, hätte die Veranschlagung exakt umgekehrt erfolgen müssen. Ob die so erfolgte Veranschlagung vorteilhaft ist und auf Dauer beibehalten werden sollte, das bleibt abzuwarten.

Das Wort „Effizienzrendite“ hat allerdings dazu verlockt, im Verlaufe der Beratungen ähnliche Begriffe zu schöpfen. Die Bezirke, aber auch der Stadtentwicklungssenator hatten prompt unter einer „Fusionsrendite“ zu leiden. Herrn Senator Strieder traf schließlich auch noch die „Hauptausschussrendite“ – früher hätten wir es schlicht „Kürzung“ genannt.

Nach so viel Grundsätzlichem einige verbale Highlights aus den Einzelberatungen. Die dem Ausschuss von Senator Werthebach berichtete erstaunlich geringe Auslastung des technischen Equipments der Geschwindigkeitsüberwachung – vulgo: Radarkontrolle – hat das Zeug dafür, ein Thema künftiger Haushaltsberatungen zu werden. Hinter dem Drängen der Grünen, diese Geschwindigkeitsüberwachung zu intensivieren und in einen LHO-Betrieb zusammenzufassen, vermutete die CDU sofort eine „Blitzen und Kassieren GmbH & Co KG“.

[Wieland (Grüne): Ja! Nicht schlecht!]

Einen entsprechenden Auflagenbeschluss hat die Koalition abgelehnt.

[Wieland (Grüne): Typisch!]

Zum Polizei-Kapitel hat der Rechnungshof im Vorgriff auf seinen Bericht 2000 Folgendes mitgeteilt: Die Senatsverwaltung für Inneres hat verhindert, dass bei der Polizei von den Beschäftigten Entgelte für Parkplätze auf dienstlich genutzten Grundstücken erhoben werden. Dies führte allein im vergangenen Jahr zu Mindereinnahmen von über 450 000 DM. – Senator Werthebach machte zwar andere Vorstellungen von Zumutbarkeit, Vermietbarkeit und Wirtschaftlichkeit geltend, der Ausschuss aber grollte dem Senator ob dieser Darstellung einvernehmlich, nachdem obendrein bekannt wurde, dass für die angeblich unvermietbaren Parkplätze bereits mehrere hundert Verträge abgeschlossen waren.

[Cramer (Grüne): Unglaublich!]

Der Hauptausschuss hat salomonisch die von der Verwaltung erwogenen 10 DM auf 20 DM verdoppelt und ihre Verwendung zugunsten des Projekts „Bürgerdienste“ vorgesehen. So bleibt das Geld im Haus und dient einer guten Sache.

Der vom Rechnungshof monierte Einnahmeverzicht hat darüber hinaus den Innensenator in den Fokus einer ganz besonderen Effizienzstrategie seines Kollegen Kurth gebracht, die da lautet: Konsequenzen aus zurechenbaren Einnahmeverzichten. – Erstes Opfer dieser Strategie wurde bereits der Bezirk Kreuzberg, dem 500 000 DM von seiner Zuweisung für die konsumtiven Sachausgaben aus eben diesem Grund gekürzt wurden. Auf Ihren Tischen sehen Sie ein Extrablatt des „Kreuzberger Stachel“. Ich kann Ihnen versichern, wir haben von den 1,2 Millionen DM, die vorgeschlagen wurden, nicht Gebrauch gemacht, und Sie können ganz sicher sein, dass es kein Affront gegen den Bezirk Kreuzberg war, auch wenn er einen grünen Bürgermeister hat.

[Cramer (Grüne): Haben Sie das mit Werthebach auch gemacht?]

Dazu komme ich jetzt: Aber auch den Einzelplan des Innensenators kann noch eine haushaltswirtschaftliche Sperre treffen, wenn sich das Monitum des Rechnungshofes erhärtete.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Herr Cramer, dann werden wir es genauso tun. Einmal müssen wir beginnen.

Jetzt zu einem anderen Problemfeld unserer Beratungen. Mit ihren größeren Bauwerken – alten wie neuen – hat es die Stadt Berlin schwer. Späte Kosten frühen Entscheidungsmutes holen

uns immer wieder ein. Wie schön wäre es doch, wenn wir wie Paris Bauwerke des Präsidenten hätten. Zum neuen Louvre, zur neuen französischen Nationalbibliothek, zur Bastille Ope´ra, zum Centre Pompidou, das auch schon einmal gründlich überholt werden musste, fallen mir schnell Berliner Gegenstücke ein. Ich setze hierbei große Hoffnungen auf den neuen Kultursenator. Als Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums ist es ihm jedenfalls schon einmal gelungen, Berlin mit einem Neubau zu bereichern, den Sie nicht in unserem Haushaltsplan veranschlagt finden und der sogar vom selben Architekten wie der neue Louvre stammt. Lieber Herr Stölzl, vorerst können wir nicht meckern – vorerst!

Hier nun einige Vorhaben dieser Art aus dem Haushaltsplan 2000, die wir bezahlen müssen und die den Hauptausschuss wegen noch ungeklärter Risiken zum Einbau von Notbremsen in den Haushaltsplan veranlasst haben. Bei der Sanierung des Olympia-Stadions und dem internationalen Dokumentationsund Begegnungszentrum „Topographie des Terrors“ sind die Ausgaben und die Verpflichtungsermächtigungen qualifiziert gesperrt. Kollege Brauer sagte: „Hier wollen wir nicht länger im Dunkeln tuten!“ – Für die Grundsanierung des ICC-Parkhauses und den Zuschuss an die Deutsche Mediathek sind die Ausgaben ebenso qualifiziert gesperrt.

Es gibt aber auch zwei sehr erfreuliche Aufstockungen: Eine Erhöhung des Investitionszuschusses für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz um 25 Millionen DM, das Stichwort hierzu lautet „Museumsinsel“, und 100 Millionen DM für ein Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm. Allerdings fokussierte der Kollege Müller-Schoenau die fraktionsübergreifende, wenn auch gemäßigte und zurückhaltende Kritik an dem schließlich beschlossenem 100-Millionen-DM-Programm mit der Zuspitzung: die Toilette als Geisel. – Gemeint war damit, dass für die zum Himmel stinkenden Toiletten in den Schulen Sanierungsmittel gefordert wurden, die nach ihrer Bewilligung zum Teil aber in andere Maßnahmen wie beispielsweise die Sanierung einer Sportplatztribüne investiert wurden. Die Toilette bleibt dadurch die wieder verwendbare Geisel. Auch wenn das Programm Schul- und Sportanlagen gewidmet ist, es sollte immer die dringenste und unerlässlichste Schadensbeseitigung Priorität haben, und zwar unabhängig – nach meinem Verständnis – von der Einwohnerzahl, sondern nur nach dem Kriterium Schadensfall. Der Hauptausschuss hat deshalb einige Maßnahmen in die staatliche Bauunterhaltung „umgetopft“ und so noch Spielraum für die Aufnahme weiterer Maßnahmen gewonnen. Wir haben auch zugestimmt, dass das Programm sofort, trotz derzeit geltender Haushaltssperre, beginnen kann. Mit den notwendigen Verbesserungen des Programms werden wir uns noch befassen.

Nach der „Toilette als Geisel“ hat mir am besten das Wort des Kollegen Brauer von der „Archenhold-Sternwarte auf der neolithischen Opferbank“ gefallen. Der Kollege Brauer hat sich überhaupt mit kuriosen Wortwendungen hervorgetan. Das hat den Hauptausschuss erheitert und zum guten Klima beigetragen. Ein Opfer wurde im Übrigen für die Archenhold-Sternwarte nicht gefordert. 5 000 DM bei den Kosten für Elektroenergieabsenkungen sind verträglich.

Als running gag empfand es Kollege Kaczmarek, dass der Senat wir im Vorjahr den Ansatz bei den Kitazuschüssen deutlich unterfinanziert vorgelegt hat. Hier hört jeder Spaß auf. Ebenso wie im Vorjahr musste der Hauptausschuss diesen eklatanten Fehler in der Haushaltsvorlage des Senats ausbügeln und die vor aller Augen klaffende Lücke schließen. War 1999 eine Erhöhung des entsprechenden Ansatzes um 22,5 Millionen DM notwendig, so sind es dieses Mal sogar 42 Millionen DM. Nach meiner Auffassung handelt es sich hierbei weniger um einen running gag, als um ein running problem des Senats. Zum einen wird es vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage immer schwieriger, einen verantwortbaren Ausgleich zu finden, zum anderen darf das Parlament erwarten, dass der Senat einen Haushalt ohne solche Tretminen vorlegt. Es reicht nicht aus, dass der vom Senat vorgelegte Haushalt in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen ist, wiewohl es auch das schon anders gegeben hat. Wir erwarten einen nach Prioritäten über alle Einzelpläne hinweg geordneten Haushalt ohne derartige gravie

rende Mängel. Deshalb gehen wir davon aus, dass der Senat im Haushalt 2001, den wir im Herbst beraten werden, vor diesen Problemen nicht davonlaufen wird. Dieses Mal und in diesem Fall waren wir die Guten, im Wiederholungsfall werden wir unserem Ruf, die Schrecklichen zu sein, in aller Konsequenz gerecht werden.

Ohne zitierwürdige Redebeiträge, aber im Verständnis einer großen Zahl von Bürgerprotesten hat sich der Hauptausschuss zu einer Korrektur der vom Senat mit seiner 1. Nachschiebeliste vorgesehenen Kürzung von Familienbildungsmaßnahmen entschlossen. Statt wie ursprünglich geplant minus 743 000 DM finden sie in der Beschlussfassung nur noch eine Absenkung um 259 000 DM. Damit dürfte Berlin auch die Schreibabyambulanz erhalten bleiben – die braucht Berlin.

Durch beharrliches, fraktionsübergreifendes Insistieren hat der Hauptausschuss erreicht, dass EU-Fördermittelanteile erheblich klarer erläutert werden. Die Umstellung der Zahlungsweise der Strukturfondsmittel wurde vorsorglich berücksichtigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade hinsichtlich der EU-Mittelveranschlagung und Erläuterungen lohnt es sich, unsere Beschlussempfehlung durchzublättern. Hier sind die Änderungen noch viel leichter zugänglich als in den Bänden des ursprünglichen Haushaltsplans.

Das sind bei Weitem noch nicht einmal alle wichtigen Ansatzänderungen, die der Hauptausschuss beschlossen hat. Leider können sie wegen der Nachschiebeliste des Senats in der Veränderungsvorlage Drucksache 14/301 nicht erkennen, welche vom Senat herbeigeführt worden sind und welche der Hauptausschuss korrigiert oder rückgängig gemacht hat.

Zum Schluss einige wenige Petitessen. In der Beratung über Frauenprojekte, Kapitel 18 30, hat Frau Senatorin Schöttler das interessante Controllinginstrument „Selbstevaluation als laufender Prozess“ eingeführt.

[Sen Schöttler: Ich habe es zurückgezogen!]

Wir sollten es uns für die Überarbeitsungsphase der Verwaltungsreform vormerken.