Protocol of the Session on April 13, 2000

Nur: Was könnten denn überhaupt ganz allgemeine Leitlinien in diesem Bereich sein? – Da muss ich kritisch in alle Richtungen sagen: Da muss man sich darüber im Klaren sein, dass dieses weite Feld der Gesellschaftspolitik, Bildungspolitik, Jugend-, Familienpolitik, Sportpolitik – – Wenn man die allgemeine Leitlinie sieht, muss man sich wohl an dem Kriterium der Subsidiarität orientieren, sehr stark darauf achten, dass das, was der Staat selbst macht, möglichst beschränkt wird und man eher die Mittel in den Bereich freier Träger gibt, wo zusätzlich über ehrenamt

liche Arbeit weitere Initiativen ausgelöst werden. Das gilt insbesondere für den Kita- und Jugendbereich, wo im Grunde genommen für jede Mark, die ausgegeben wird, noch weitere Initiativen ausgelöst werden, auch ehrenamtlich, die wir absolut notwendigerweise in dieser Stadt brauchen. Dafür sollten wir als Politiker dankbar sein, dass es dieses Ehrenamt in so weiten Bereichen unserer Stadt gibt. Es wird sicherlich verstärkt gebraucht.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Damit möchte ich auf einige Teilbereiche kommen. Meine Kollegin Frau Seidel-Kalmutzki hat in hervorragender Weise die Bedeutung des Sportes in dieser Stadt dargestellt, alles benannt, da brauche ich fast nichts mehr hinzuzufügen. Der organisierte Sport ist die größte Bürgerinitiative, in der Stadt, nicht die lauteste, aber die größte Bürgerinitiative mit unendlich viel ehrenamtlicher Arbeit, mit unendlich positiver Wirkung in prägenden Zeiten für junge Leute. Bei den Grünen hat man Lernprozesse in allen Feldern gespürt. Man lernt ja immer dazu. Ich wäre unendlich dankbar, wenn die Grünen endlich einmal die ziemlich trübsinnige Gegenüberstellung, Leistungssport hier gleich böse, Breitensport hier gleich gut, aufgeben würden.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den Grünen]

Es ist Unfug, so zu argumentieren. Diese Stadt braucht den Leistungs- und Spitzensport. Es ist sehr schön, wenn sehr viele Berlinerinnen und Berliner in Australien und leider nicht in Berlin – das haben wir nicht realisieren können – zu Olympischen Spielen fahren. Das ist gut für diese Stadt. Das hat enorme Ausstrahlungskraft. Das löst auch erhebliche Impulse breitensportlicher Art aus. Im Übrigen hat es in weiten Feldern Vorbildcharakter. Insofern ist dieses Feld außerordentlich wichtig. Der Vereinssport – das hat Frau Seidel-Kalmutzki beeindruckend geschildert – ist hier bedeutend. Er wird – auch das darf man einmal betonen – hier auch sehr gut gefördert. Darüber müssen wir zu reden lernen. Unser Haushalt und auch dieser Haushalt hat immerhin ein Volumen von 5 Milliarden DM. Das ist mehr als nichts. Nach den Oppositionsreden hat man denken können, wir geben 2,20 DM in diesem Land aus. So ist es nun auch wieder nicht. Man darf auch einmal über das reden, was man tut. Im Sport tun wir eine ganze Menge. Das ist gut, das ist wichtig und soll auch so bleiben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es gibt im Sport einige größere Projekte, die dann von den Grünen vielleicht wieder als lästige Großprojekte bezeichnet werden. Auch das hielte ich für Unfug. Es ist klar, der Senat und die Koalitionsfraktionen – so hoffe ich – und vielleicht auch Sie von der Opposition bekennen sich uneingeschränkt zur zeitgerechten Sanierung des Olympia-Stadions für unsere Stadt Berlin. Das ist absolut notwendig. Das Olympia-Stadion soll Austragungsort für die Fußballweltmeisterschaft werden. Das OlympiaStadion ist aber dessen ungeachtet immer auch ein notwendiger Ort für große Breiten- und Spitzensportarten. Einen solchen Ort braucht die Stadt Berlin in jedem Fall. Senator Strieder hat sich – das weiß ich – mit seinen Beamten und Staatssekretären in den letzten Wochen und Monaten nach Amtsantritt außerordentlich bemüht, die nicht ganz leichte Situation der Auftragsvergabe und Auftragsübernahme beim Olympia-Stadion in eine vernünftige Konstruktion zu bringen. Ich hoffe und bin sicher, dass wir dann dem Parlament ein Konzept vorlegen können, das in verantwortlicher Weise unter Beteiligung von Privaten die Grundsanierung des Olympia-Stadions in Angriff nehmen wird, und zwar zeitgerecht. Einfach wird das nicht. Es ist auch im Übrigen nicht ohne Risiko. Ein bisschen Mut gehört zu allen Maßnahmen.

Lassen Sie mich noch etwas zu einem Bereich sagen, dem SEZ und den Bäderbetrieben. Ich möchte davor warnen – das ist ganz beliebt im Hauptausschuss, schon zu meinen Zeiten auf dieser Seite im Parlament –, dass die Bäderbetriebe Maß genommen werden. Okay, das kann man immer machen. Ich weise nur darauf hin, dass diese Anstalt, die wir gegen viele Widerstände eingerichtet haben, zwischenzeitlich schon einiges an Optimierung erreicht hat. Das muss man einmal positiv betonen. Ich bin froh, dass wir wenigstens jetzt eine Konzentration in

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dieser Anstalt haben und dies nicht mehr weiter bei den Bezirken liegt. Sie könnten es gar nicht machen, auch angesichts der vorhandenen Zwänge.

[Rabbach (CDU): Sehr richtig!]

Was das SEZ betrifft, so gibt es im Hause mächtig Streit. Der Hauptausschuss, der bekanntlich allmächtig ist, hat uns auferlegt, bis zum 31. Mai 2000 ein Konzept vorzulegen. Das klingt immer gut. Ich will noch einen Schritt weiter gehen. Ich glaube, wir sollten gemeinsam mit der Eierei beim SEZ Schluss machen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es ist übernommen worden, und nun sollten wir im Rahmen der Bäderanstalt ein klar vorgelegtes Investitionskonzept haben, und wir sollten die Summen finanzieren und auch klar sehen, wie wir die Zinsen für diese Summen bezahlen können. Da wird man dann nicht alle Blütenträume erfüllen können. Dann muss man von Menschen, die hoffentlich auch künftig eigenständige Einnahmen haben, auch Ausgaben, Eintrittspreise für ein Spaß- und Freizeitbad verlangen können. Sonst kann sich das niemals rechnen. Aber unter diesen Auspizien sollten wir in jedem Fall dieses SEZ nun endlich angehen. Der Standort ist trotz der Rivalitäten der neuen Schwimm- und Sporthalle für ein Spaß- und Freizeitbad geeignet.

Zur Kitapolitik ist einiges gesagt worden. Es ist wohl richtig, im Haushaltsansatz war der Titel zu knapp gestreckt. Ich bin dem Hauptausschuss und den Fraktionen außerordentlich dankbar, dass eine Finanzierung aus dem Etat Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung möglich war, wie ich generell finde – das sage ich nicht in Abwehr zu Kollegen und Kolleginnen –, wir müssen darauf achten, dass die Aussage, dass wir mehr in dieser Stadt in Köpfe als in Beton investieren, sich tatsächlich im Haushalt niederschlägt. [Beifall bei der SPD]

Insofern finde ich diesen Transfer von der Wohnungsbauförderung zur auskömmlichen Finanzierung der Kitapolitik richtig und weise. Trotzdem sind wir auch in diesem Bereich darauf angewiesen, uns das eine und andere anzusetzen, ob es richtig organisiert wird und ob es kostengünstigere Wege gibt. Ich finde es nicht richtig, wenn jede Überlegung und Maßnahme sofort mit einem Geschrei belegt wird, man wolle jetzt an die Substanz herangehen, die Frauen sollten zurück an den Herd und all so einen Quatsch. Wir müssen die Freiheit haben, das System, das jetzt in Berlin existiert auch kritisch zu überprüfen. Wir müssen im Übrigen – das teile ich voll – stärker dafür sorgen, dass freie Träger aktiv werden, weil sie am Ende preis- und kostengünstiger sind als staatliche Einrichtungen.

Zum Abschluss komme ich zu dem wichtigen Feld der Bildungspolitik.

[Mutlu (Grüne): Na, endlich!]

Keine Sorge, Herr Mutlu, ich werde dazu ausreichend Stellung nehmen und nicht nur hier und heute. – Es ist in diesem Zusammenhang von verschiedenen Seiten über die Demonstrationen in der Vergangenheit und insbesondere über die gestrige Demonstration gesprochen worden. Ich halte hier noch einmal fest – jenseits aller inhaltlichen Fragestellungen: Sie können und werden von einem Senator nicht verlangen, und ich halte das auch in der Sache für vollkommen falsch –: Wenn beamtete oder auch angestellte Lehrer in der Unterrichtszeit – das ist nicht identisch mit der Arbeitszeit, wie wir alle wissen – protestieren und das Streik nennen und zugleich sagen, sie kämpften gegen Unterrichtsausfall, und dabei produzieren sie erst einmal Unterrichtsausfall. Und zweitens ist und bleibt dies rechtswidrig.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Herr Mutlu, zu Ihrer Grandezza, mit der Sie sagen: „Mag sein, mag sein, mag sein!“: Ich kann Ihnen ja dann einmal die Anträge von Anwälten vorlegen, die bei mir eingehen. – Was halten Sie eigentlich von der Schulpflicht, Herr Mutlu? Steht das zur Disposition?

[Mutlu (Grüne): Lenken Sie nicht vom Thema ab!]

Was halten Sie eigentlich von § 1 des Schulgesetzes, in dem alles Mögliche steht, aber mit Sicherheit nicht, dass man Schülerinnen und Schüler zum Lügen verleiten soll? Das ist kein Erziehungsziel der Berliner Schule.

[Starker Beifall bei der SPD und der CDU – Atzler (CDU): Bravo! – Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Wahr ist allerdings auch, dass es in der Schule und in der Bildungspolitik erhebliche Probleme und berechtigte Sorge und Kritik gibt. Ich stimme dem Kollegen Schlede und auch meiner Kollegin Neumann voll zu, die – wenn man so will – den Finger in eine Wunde gelegt hat, die tatsächlich da ist. Wir können überhaupt nicht bestreiten, dass unser Bildungssystem in vielen Bereichen erhebliche Probleme hat. Das ist nicht durchgängig so, aber es ist spürbar in der Bildungslandschaft, und das gilt insbesondere dann, wenn allen bewusst ist, dass Bildung unsere Zukunft ist. Daran gemessen haben wir noch viel zu tun in diesem Land.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Cramer (Grüne): Allerdings!]

Nun zum Einzelnen: Es ist richtig, dass manche Schule in einem schlechten und erbärmlichen Zustand ist. Es ist aber falsch, wenn insbesondere eine bestimmte Zeitung aus Süddeutschland den Eindruck erweckt, als sei das gesamte Schulsytem in Berlin von hinten bis vorne marode und als gebe es hier nur den Zusammenbruch. Das ist kompletter Blödsinn. Es gibt Probleme, und wir werden das angehen. Die Opposition hat das auch gelobt – da soll man ja froh sein. Das 100-Millionen-DMProgramm ist in Wahrheit – dank der Leistung des Hauptausschusses, Herr Wowereit – ein 110-Millionen-DM-Programm, weil die 10 Millionen DM für die Oberstufenzentren auch noch dem Kollegen Strieder in seinen Etat für die bauliche Unterhaltung gegeben wurden.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Das heißt, es werden in diesem Jahr insgesamt 110 Millionen DM eingesetzt, um dringend notwendige Sanierungen in Schulen und Sportanlagen vorzunehmen. Dies ist kein Jahresprogramm, sondern wir wollen das Jahr für Jahr in Berlin einsetzen. Das halte ich für äußerst wichtig, und da ich gerade Herrn Kollegen Strieder bei Herrn Kurth entdecke, möchte ich mich an beide wenden, um von ihnen lächelnd die Zuversicht zu erhalten, dass es sich hierbei um ein Programm der Legislaturperiode handelt, das wir also Jahr für Jahr durchsetzen werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir hoffen sehr, dass nun, nachdem die Mittel für dieses Programm freigegeben sind, die Bezirke auch tatsächlich die Aufträge absetzen und gebaut wird. Ich möchte nicht erleben, dass Herr Kurth am Jahresende sagt: Ich kann 20 Millionen DM einstreichen, weil diese Summe nicht verbaut werden konnte. – Das soll es in Berlin auch schon manchmal gegeben haben. Das wäre dann wohl die schlimmste Botschaft, die man vermitteln könnte.

[Müller-Schoenau (Grüne): Das geht für Personal- kosten drauf!]

Also, dieses Geld muss man tatsächlich ausgeben, und zwar vernünftig, und das wird auch geschehen.

Der zweite wichtige Punkt im Bildungssystem ist der grassierende Unterrichtsausfall. Es ist ganz sicher, dass in dem jetzigen System – – Es wird dem Senat gemeldet – was lobenswert ist, denn die politische Verantwortung liegt beim Senat und nur beim Senat; die Bezirke interessieren überhaupt nicht, nebenbei bemerkt –, und der Senat erhält täglich Hunderte von Briefen darüber, dass an dieser Schule dauerhaft Chemie, dort Englisch, hier Musik, dort Kunst ausfällt.

[Zuruf von den Grünen: Hier Mathematik! – Weitere Zurufe von den Grünen]

Nein! Herr Müller-Schoenau – ich will Ihren Namen richtig aussprechen –, das ist auch ungerecht. Das Landesschulamt ist sicherlich noch viel besser zu organisieren. Da haben Sie recht! Aber die Behauptung – bitte, Herr Müller-Schoenau –, dass frü

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her alles besser gewesen sei, als es die Bezirke gemacht haben, geht an der Sache vorbei. Früher hatten wir in finanzieller Hinsicht etwas leichtere Zeiten, als das dezentral geregelt wurde. Da konnte man in den Bezirken eben noch einmal Personal „drauflegen“, was jetzt nicht möglich ist. Trotzdem ist jetzt vieles besser zu organisieren.

[Cramer (Grüne): Das Landesschulamt ist völlig unfähig!]

Herr Cramer, bleiben Sie bei der BVG! Hier hat es keinen Sinn. –

[Frau Künast (Grüne): Nicht so arrogant, Herr Böger! – Weitere Zurufe von den Grünen]

Das Landesschulamt muss besser organisiert werden,

[Zurufe von den Grünen – Unruhe – Glocke des Präsidenten]

und wir müssen den einzelnen Schulen mehr Gelegenheit, mehr Verantwortung, Kompetenz und Mittel geben, selbst zu regeln, wie man mit dem Unterrichtsausfall umgeht. – Ich verstehe gar nicht, warum Sie so brüllen, Herr Mutlu! Sie sind doch gar nicht mehr auf der Demonstration, sondern im Parlament. Heben Sie doch die Hand, um eine Zwischenfrage zu stellen! Sie brauchen hier nicht zu brüllen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Das war also der weitere Punkt, den wir angehen wollen.