Protocol of the Session on April 13, 2000

Da hat der „Focus“ mit Recht gesagt – Zitat:

Die Bedeutung Berlins zeigt sich allein schon daran, dass sich die „Süddeutsche Zeitung“ jeden Tag eine Antiberlinseite gönnt.

Und Sie zitieren die auch noch. Also, lieber Herr Wieland, von Ihnen hätte ich mehr erwartet. Gucken Sie mal in die „Zeit“ oder gestern in die „Frankfurter Rundschau“.

[Beifall bei der CDU]

Noch nie hat ein Kultursenator des Landes Berlin einen so positiven und breiten Vorlauf über alle politischen Lager hinweg gehabt als die Nominierung von Christoph Stölzl. Und das ist eine gute Entscheidung.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir werden alles tun – das habe ich auch gestern schon gesagt –, dass er und Berlin Erfolg haben. Das ist doch das Entscheidende. Eigentlich hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie hier vorn sagen – dann hätten wir jetzt zum Beginn des Jahrhunderts ein Zeichen gesetzt –: Wir unterstützen den parteilosen Christoph Stölzl in seiner schwierigen Aufgabe für die Kulturhauptstadt. Wo sind Sie denn eigentlich mit Ihrem Augenmaß geblieben?

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Das trifft die PDS genauso. Aber da habe ich es schon gar nicht erwartet.

Also: Dass wir Christoph Stölzl heute wählen, ist etwas, was der Auffassung der breiten Mehrheit, zumindest der Menschen und der publizierten Meinung entspricht. Wir haben mit Frau Thoben seinerzeit ein Persönlichkeitsprofil gesetzt, eine Mana

gerin ist vielleicht die Beste. Aber man muss auch eine innere Affinität zur Sache selbst haben. Und ich glaube, dass wir deshalb heute eine gute Wahl treffen.

Dass Sie gegen den Innensenator sind, meine Damen und Herren, erstaunt uns als CDU überhaupt nicht. Das war bei jedem CDU-Innensenator bisher der Fall.

[Zurufe von der PDS und den Grünen – Doering (PDS): Warum denn wohl?]

Das stärkt eher die Solidarität in der Union. Denn Werthebach ist verantwortlich für die Sicherheit der Stadt, und das löst er auch, und zwar in einer unaufgeregten Art, was Ihnen am Unangenehmsten ist. Und dann bitte ich Sie um noch eins: Er ist eigentlich im innenpolitischen Bereich Berlins seit 1920 der Progressivste,

[Heiterkeit bei den Grünen – Wieland (Grüne): Das haben Sie bei Kewenig gesagt, bei Heckelmann, bei Lummer!]

denn er hat es letztlich als Senator mit geschafft, dass wir die Bezirksreform in dieser Stadt verwirklichen konnten, um die sich Generationen vorher bemüht haben. Er ist der Senator, und er hat den Erfolg gehabt – kurzum!

[Beifall bei der CDU – Gelächter und Zurufe von der PDS und den Grünen]

Wir präsentieren Ihnen heute einen Innensenator als Bürgermeister, der mit Böger zusammen würdig ist, den Regierenden Bürgermeister zu vertreten. Und wir präsentieren für das Amt des Kultursenators für Berlin eine Persönlichkeit, die es Ihnen, wenn Sie nicht parteipolitisch weiterhin, ermöglichen müsste, Christoph Stölzl mitzuwählen. Am Ende des Wahlgangs werden wir sehen, ob Sie bei der Wahl von Stölzl mit der Koalition stimmen – oder ob sich auf der linken Seite des Hauses wieder eine Schar von Geisterfahrern zusammenfindet, die diese Wahl, die von der „Frankfurter Rundschau“ bis zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als gut empfunden wird, torpedieren wollen. Ich hoffe, Sie kommen in den fünf Minuten, die wir noch bis zur Wahl Zeit haben, zur Vernunft. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordneten Wowereit. Bitte sehr!

[Over (PDS): Wieder die junge Garde!]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht sollten wir immer um 9 Uhr anfangen, das Haus ist ja sehr munter.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es läuft auch wieder nach dem alten Mechanismus. Das wunderbare Geplänkel zwischen Herrn Landowsky und Herrn Gysi ist offensichtlich vorbei, also die Annäherung zwischen CDU und PDS ist beendet, deshalb kann man auch wieder wunderbar zwischen den Flügeln hin- und her schlagen, und es belebt ja offensichtlich auch das Geschäft.

[Buh! und Heiterkeit bei der CDU]

Aber eigentlich sind wir zusammengekommen, um zwei Nachwahlen zu machen. Eine etwas formale, das ist die Funktion des Bürgermeisters.

[Zuruf: Ach was! – Doering (PDS): Ja, sehr formal!]

Ja! – Herr Wieland, Sie kennen doch Herrn Diepgen. Herr Diepgen lässt sowieso die Bürgermeister die wesentlichen Repräsentationstermine des Landes Berlin nicht machen. Das ist sowieso das Problem. –

[Gelächter bei der PDS]

Die SPD hat immer Probleme mit den Innensenatoren, deshalb können wir auch nicht sagen, dass es eine Liebeswahl sein wird, Herr Werthebach. Das verzeihen Sie uns vielleicht. Ich finde es

auch schön, dass Sie Verdienste vom Fraktionsvorsitzenden der CDU zugewiesen bekommen haben, als Sie noch gar nicht in Berlin waren, nämlich die Einführung der Bezirksgebietsreform.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Auch hervorragend! Aber wir wissen ja auch, wie die CDU es lange zu verhindern versucht hat, aber wir freuen uns immer, wenn es einmal kommt, dass man sich dahinter stellt und dann auch noch die Lorbeeren verteilt, die eigentlich Herrn Böger gehören.

[Beifall bei der SPD]

Wenn es nämlich einer mit der Kraft seines Amtes durchgesetzt hat, dann war es Herr Böger, um das noch einmal richtigzustellen.

[Beifall bei der SPD – Ah! von der CDU]

Und er ist ja dafür auch Bürgermeister geworden – beispielsweise.

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Herr Werthebach kann sich noch viele Verdienste erdienen, beispielsweise wenn er endlich einmal eine vernünftige Reform des öffentlichen Dienstrechts hinbekommt oder wenn er einmal einen Stellenpool macht, um den Überhang sinnvoll einzusetzen. Herr Werthebach, ich glaube, dann bekommen Sie auch vielleicht bei eventuellen nächsten Kandidaturen noch viel mehr Lob, als das jetzt möglich sein wird.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Die SPD wird die Wahl des Bürgermeisters natürlich unterstützen.

Jetzt kommen wir aber zum Hauptanlass, das ist die Nachwahl des Kultursenators. Wir haben vor kurzer Zeit die Ursachen für den Rücktritt von Frau Thoben diskutiert, auch wenn er sicherlich für viele heute immer noch unverständlich sein wird. Aber wir haben eine schnelle Nachfolge-Entscheidung durch die CDU gehabt, und der Vorschlag, Herrn Stölzl vorzuschlagen, ist ein akzeptabler und auch respektabler Vorschlag, und Herr Stölzl hat auch in seinen bisherigen Tätigkeiten bewiesen, dass er in der Lage ist, nicht nur eloquent im Feuilleton zu schreiben oder zu parlieren, sondern er hat auch als Kulturmanager bewiesen, dass er mit Budgets umgehen kann und dass er gestalterisch tätig werden kann. In der Tat hat der designierte Kultursenator und Wissenschaftssenator sehr viele Vorschusslorbeeren gerade aus dem Kulturbereich bekommen. Es waren heute auch aufmunternde Kommentare da, die bis dahin gingen: Er hat leichtes Spiel. Nach dem Motto: Es kann ja alles nur noch viel besser werden. – Ich glaube das nicht, dass er ein leichtes Spiel hat. Und ich glaube auch nicht, dass die Erwartungshaltung, die von vielen Institutionen dieser Stadt ausgedrückt wurde – weil man ihn ja ihn ja aus dem Rat für die Künste beispielsweise als Kollegen kennt –, so leicht zu erfüllen sein wird. Man ist jetzt nicht mehr Kollege, sondern man ist derjenige, der Strukturreformen durchführen muss. Das bedeutet: Da kann man es nicht allen recht machen. Ich hoffe, dass all diejenigen, die diese Vorschusslorbeeren verteilt haben, sich daran noch erinnern, wenn er die ersten harten Maßnahmen zu treffen hat.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ob dann die Solidarität auch noch da ist, oder ob es dann ganz schnell wieder in eine andere Richtung geht? Ich denke auch, das hat ja wenigstens die PDS inhaltlich hier untermalt, wobei die Grünen die einzigen im Parlament sind, die von vornherein gleich gesagt haben und Frau Ströver hat erklärt: Inakzeptabel, schlechter Kandidat, unmöglich!

[Widerspruch der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Ich finde dieses Verfahren unmöglich; das muss ich Ihnen ehrlich sagen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Man kann ja zu CDU-Kandidaten oder SPD-Kandidaten als politischer Gegner einiges erklären, aber die fachlichen Qualifikationen von Herrn Stölzl kann keiner in Frage stellen. Ob er diese