Ein Glas Rotwein hat auch schon einmal jeder getrunken, nicht, Herr Wieland? Für Kultur gibt es in dieser Region nur Fachleute, auch unter den Journalisten. Da gibt es die Feuilletonisten, sie entsprechen unseren Kulturpolitikern; dann gibt es die Lokalund Haushaltspolitiker, die Lokalreporter; und dann gibt es natürlich auch die Parteifiesler, die alles in eine Gemengelage bringen.
Vieles ist bar jeder Vernunft. Aber wir wollen uns darüber nicht groß austauschen; das macht das Kreative an dieser Stadt aus. Intendanten, die Zwerge von Thomas Langhoff – alle sind wieder auf der Bühne –, Peymann – auch Wirtschaftsleute, berufene und unberufene – alle äußern sich zu diesem Thema. Ist das nicht schön? – Das ist das kreative Klima dieser Stadt. Und darüber freue ich mich ganz besonders: Alle haben etwas zu sagen.
Aber eins muss ich sagen, das hat mir schon gestunken, jetzt ist nämlich Schlaumeierzeit, jetzt kommen die Bundesschlaumeier: Herr „Neverman“, der Beamte von Herrn Naumann,
den würde ich am liebsten an seine Mäßigungspflichten als Beamter erinnern. – Jetzt hat sich die Kulturausschussvorsitzende Frau Leonhard gemeldet. Ich empfehle übrigens unserem Kulturausschuss, sie einmal einzuladen, mit ihr in einen Dialog einzutreten; wenn sie gute Vorschläge hat, soll man sie beherzigen. Was nun nicht geht, ist, dass sich jeder Bundespolitiker, der früher nichts zu sagen hatte, weil es keine Kulturpolitik und -Kompetenz gegeben hat, sich nun als Oberkulturguru hier in Berlin aufspielt. Das gibt es nicht bei mir.
Nun will ich Ihnen noch ein Wort sagen zu unserem Herrn Staatsminister. Das finde ich schon ein Stück aus dem Tollhaus. Das, was sich der „Staatsminister Kultur“ gegenüber der Stadt Berlin und den Berlinerinnen und Berlinern leistet, ist eigentlich unverschämt, um das einmal ganz deutlich zu sagen.
Wenn es Berlin nicht gäbe, dann kommen sie mit der Antwort an der Nulllinie lang. – Und die 100 Millionen DM, die der Bund bereit stellt, die hat noch die alte Regierung beschlossen. Da gibt es eine Vereinbarung mit der Kulturverwaltung, darauf hat Peter Kurth als Finanzsenator mit Recht hingewiesen, die Disposition dieser 100 Millionen DM obliegt dem Land. Es wird abgerechnet, da hat der Bund Anspruch darauf, aber die Disposition darüber obliegt dem Land. Was nicht geht, dass wegen der 100 Millionen DM, die noch 30 Millionen DM weniger sind, als Bonn seinerzeit bekommen hat, nun Herr Naumann hergeht und meint: Das, was er kulturell für die Stadt notwendig findet, finanziert er aus diesen 100 Millionen DM und überlässt der Stadt Berlin die Restfinanzierung der kulturellen Einrichtungen. Das geht nicht, das können wir nicht akzeptieren. Berlin hat einen eigenen Kulturetat, der um ein Vielfaches höher ist, als das, was der Bund der Hauptstadt Berlin für Hauptstadtaufgaben zur Verfügung stellt.
Wenn er einen Tipp haben will vom mir, dann soll er einmal in andere Länder schauen, schauen, wie Frankreich mit Paris umgeht, wie England mit London umgeht und wie alle anderen
Länder mit ihren Hauptstädten umgehen. Bonn mit seinen 130 Millionen DM will ich gar nicht mehr erwähnen. Wenn er der Stadt wirklich einen Gefallen tun will,
dann muss der Bund die Aufgaben und Finanzierung dafür übernehmen, die ihm aus nationaler Verantwortung auch obliegen, und nicht der Stadt Berlin.
Das ist das Holocaust-Denkmal, das wäre die Topographie des Terrors, das sind die Ehrenmäler in der Stadt, das ist das Haus am Wannsee, das wäre das Jüdische Museum. Wenn dann der Bund noch sagt, ich finanziere auch noch die Deutsche Staatsoper mit, dann hätte er sich um die Kultur in Deutschland und in der Hauptstadt verdient gemacht. Das würde ich vom Bund erwarten.
Deshalb appelliere ich – auch weil ich aus Gesprächen weiß, dass er dafür sensibel ist – an den Bundeskanzler, auch an den Bundesaußenminister, dass Sie diese Verantwortung für die Hauptstadt erkennen und nicht die Kultur in der Hauptstadt so mit der Garotte fahren, dass wir etwas Vernünftiges nicht mehr bringen können. Der Bund muss seine nationalen Pflichten, was die kulturelle Repräsentation anlangt, endlich übernehmen. Da reichen 100 Millionen DM bei Weitem nicht aus. Da sind sich im Kern alle Menschen einig, die sich damit befassen. Das ist meine Bitte an Herrn Naumann.
[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Herr Naumann ist aber nicht zurückgetreten, sondern Frau Thoben! Warum ist sie denn zurückgetreten?]
Aus diesen finanziellen Gründen, Herr Cramer! Ich werde Ihnen den Weg aufweisen, wie man versuchen kann, ein Problem zu lösen. [Gelächter bei der PDS und den Grünen]
Lassen Sie mich das Fazit aus der Sache ziehen. Für das Gewesene gibt der Berliner „nüscht“. Den Nachfolger werden wir zeitnah wählen. Es bleibt dabei: Forschung, Wissenschaft, Entwicklung, Kunst und Kultur werden unverändert Priorität haben. Wir werden uns überlegen müssen – Herr Kollege Wowereit, wir haben darüber gesprochen –, dass wir strukturelle Schwächen vielleicht beseitigen.
Bei diesen unseligen Auftritten im öffentlich tagenden Unterausschuss Theater, wo jeder Intendant das Gefühl hat, er mache eine Premiere für sich – sollte man nachdenken, ob man den kulturellen Einrichtungen nicht mehr dient, wenn man mit ihnen vernünftig in einem vertraulichen Gespräch im Unterausschuss, wie in den vergangenen Jahren, umgeht und dann die Sachen macht.
Die Diskussion um die Reduzierung politischer Verantwortung und Ämter hat dazu geführt, dass wir uns heute leider keinen Justizsenator und keinen Kultursenator im Einzelnen leisten können. [Frau Paus (Grüne): Aber je einen Staatssekretär!]
Eigentlich wäre das Parlament gehalten zu sagen, das war eine Fehlentscheidung, lasst uns die Möglichkeit wieder schaffen, eigene Kultur- und Justizminister in dieser Stadt zu haben.
[Beifall bei der CDU – Doering (PDS): Sie haben doch dafür gesorgt, dass es so kommt! – Gejohle von links]
Vielleicht sollte der Ton der Politik im Umgang mit den Kulturschaffenden, die meines Erachtens in dieser Stadt auch ihre Freiräume haben müssen und auch Kritik üben können – Peymann hat das überall getan, davon hat er auch zum Teil gelebt, deswegen haben wir ihn ja auch geholt –, sensibler sein, sensibler jedenfalls als der Ton der Kultur im Umgang mit der Politik. Dazu will ich mich schon bekennen.
Unser Verhältnis zur Kultur zeigt sich darin, dass wir sagen: Der intellektuelle Zustand einer Gesellschaft spiegelt sich darin wider, wie wir mit Kunst und Kultur und ihren Künstlern umgehen.
Da brauchen Sie mir keine Vorschriften zu machen, Sie habe ich übrigens selten auf einer Kulturveranstaltung gesehen.
Ich bin mit dem Kollegen Wowereit in einer Sache einig: Wir werden, nachdem wir die Analyse durchgeführt haben, im nächsten Jahr zum Haushalt 2001 auch an die Reorganisation gehen, ohne dass wir Bühnen schließen wollen.
Wir wollen Kulturverträge, wir wollen einen Abfindungsfonds, wir wollen GmbHs, wir wollen ein verstärktes Sponsoring, wir wollen – wie das zum Teil geschieht – Fundusverkäufe, eine längere Öffnung der Häuser.
Wir müssen über die Eintrittspreise reden, wir müssen über die Drittmittelwerbung der Kultureinrichtungen reden, ohne dass allerdings der Hauptausschuss oder der Finanzsenator dann jede eingeworbene Mark sofort abkassiert, sonst ist das Nonsens.
Wir müssen mehr Museen- und Theatershops wie in Amerika oder in Frankreich und überall schaffen, wir müssen auch die Museen anhalten zu überlegen, ob der Verkauf von Doppel- und Mehrfachbeständen aus ihren Depots nicht ein Mittel wären, zusätzliche Kulturaktivitäten zu finanzieren. Warum müssen Auflagen von 30 Grafiken in den Depots liegen, die immer größer werden, und kein Mensch sieht sie?
Wir müssen das unzureichende Verhältnis von Kultur, Marketing und Werbung lösen. Paris bespielt fünf Opern, ohne dass da Montags oder über die Sommerzeit zu ist. Das sind alles Maßstäbe, an die wir alle auch langsam herangehen müssen,
Vielleicht war dieser Konflikt auch heilsam für uns, vielleicht hat er uns wieder etwas näher an die Priorität herangebracht, die diese Stadt auch bitter nötig hat. Kunst und Kultur sind nicht nur der Gradmesser für den Bewusstseinsstand, sondern auch ein indirekter Faktor für die Wirtschaftsansiedlung. Heute entscheiden sich Unternehmen für einen Standort danach, wie die weichen Ansiedlungsfaktoren sortiert sind: die Ausbildung, die Bildung, die Forschung, die Wissenschaft, die Kunst und die Kultur. Jeder, der beim Thema Kultur versucht, parteipolitisch zu polemisieren, polemisiert gegen die Arbeitsplätze. Wir wollen, dass Berlin die Kulturhauptstadt Deutschlands bleibt. Sie können sich darauf verlassen, dies wird nicht nur im Haushalt 2000, sondern auch im Haushalt 2001 dokumentiert werden. – Schönen Dank!