Protocol of the Session on March 23, 2000

[Müller-Schoenau (Grüne): Er ist Kaffee trinken!]

Ach, er ist Kaffee trinken gegangen! – In Ihrer Großen Anfrage zur Bildungspolitik befassen Sie sich in vier von sechs Punkten nur mit den jetzt 50-Jährigen oder Älteren. Ausgerechnet Ihre Partei, die doch einmal Aufbruch symbolisierte, verweigert sich den Fragen der Nachhaltigkeit

[Frau Martins (Grüne): Lächerlich!]

und vertritt allein das Prinzip der Besitzstandswahrung.

[Frau Martins (Grüne): Dafür ist die SPD überhaupt nicht bekannt!]

Ich hatte gehofft, Sie hätten einen anderen Ruf. –

[Zurufe von den Grünen]

Aber ich weiß, warum Sie sich aufregen. Hier liegt nämlich eventuell die Erklärung für Ihren mangelnden Erfolg bei den jungen Wählern. Das bedauere ich natürlich sehr, weil auch andere Koalitionen nur geschlossen werden können, wenn sie Erfolg bei den Wählern haben und sich nicht nur um die 50-Jährigen kümmern, sondern auch um die Jungen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den Grünen]

Tut mir Leid, Herr Mutlu allein macht es nicht; das ist eine Wählerstimme.

[Rabbach (CDU): Sie sind auch schon ziemlich alt!]

Aber ich wähle die doch sowieso nicht, Herr Rabbach, und Sie doch wahrscheinlich auch nicht – oder?

[Frau Künast (Grüne): Sie sehen auch schon ganz alt aus!]

Seitdem Sie so dazwischen rufen, sehe ich gleich älter aus.

Frage 6 beschäftigt sich mit den pädagogisch wertvollen Schulstationen. Leider fragen Sie auch hier rückwärtsgewandt nach der letzten Legislaturperiode.

[Zuruf der Frau Abg. Martins (Grüne)]

Wir fragen Sie doch auch nicht, was Michaele Schreyer in der letzten Legislaturperiode gesagt hat. Wir wünschen der Frau einfach Glück in ihrem neuen Job.

[Zuruf der Frau Abg. Martins (Grüne)]

Bildung muss der Zukunft zugewandt sein und nicht rückwärtsgewandt. [Beifall bei der SPD]

Diese Legislaturperiode, nicht die letzte!

[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

Wir beginnen bereits damit.

Frau Abgeordnete, ich muss Sie einmal kurz unterbrechen. – Frau Martins, Sie haben noch Zeit, ich bitte Sie, sich nachher zu melden, und dann reden Sie von hier aus. Ein Zuruf ist gut, aber Redebeiträge nebenbei kommen nicht besonders an. – Sie haben das Wort, Frau Neumann!

Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Der Senator will die Stationen auf eine verlässliche Grundlage stellen. AB-Maßnahmen – das liegt in der Natur der Sache – laufen immer wieder aus. Falls die exzellente Arbeit der Jugendnotdienste tatsächlich leider mit einer Überausstattung an Personal laufen sollte – ich habe so etwas aus dem Hauptausschuss gehört –, dann wären doch diese Kollegen auf Grund ihrer Professionalität das richtige Personal für Schulstationen. Das würde ich Zukunftsgestaltung nennen.

[Frau Dr. Barth (PDS): Ach, da haben Sie schon alles aufgeteilt!]

Sie wollen doch die Schulstationen genau wie ich retten, und das wollen wir aber natürlich mit professionellem Personal und nicht mit ständig wechselndem, damit Sie wieder einen Grund haben zu schimpfen.

Lediglich in Frage 5, eine Frage von vielen, fragen Sie nach der künftigen Generation und der künftigen Technik. Senator Böger hat heute darauf engagiert und ausführlich geantwortet.

[Zuruf von links: Engagiert?]

Alle Standorte müssen ans Netz. Das ist fast geschafft. Nichts mit Krise! Überall Computerräume, fast geschafft! Nichts mit einer Krise!

[Gelächter bei der PDS und den Grünen – Zurufe von der PDS und den Grünen]

Und für die Zukunft soll jeder Raum vernetzt werden, und wir vertrauen auf das Wort des Senators.

[Frau Martins (Grüne): Von welcher Stadt reden Sie? – Weitere Zurufe von links]

Ihre Ermahnung ist offensichtlich immer noch nicht bei den Kollegen so richtig gehört worden!

Darf ich bitten? – Das Wort hat Frau Neumann!

Wichtig ist mir das Zukunftsprojekt Jugend mit 100 Millionen DM. Es ist wichtig – da haben Sie einmal etwas Richtiges gesagt –, dass das durch Lehrerweiterbildung und Geld für die Wartung unterstützt wird, denn Anschaffungen, die nachher vergammeln oder nicht benutzt werden können, sind Ressourcenverschleuderung,

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

und wir können uns keinerlei Ressourcenverschleuderung leisten.

[Frau Martins (Grüne): Arbeiten Sie sich nicht an uns ab! Sagen Sie, was Sie wollen!]

Aber rasche Veränderungen machen Angst. Die SPD nimmt die Ängste von Eltern und Kindern ernst. Die großen Veränderungen der Arbeitswelt wirken nicht nur positiv in die Schule hinein. Wir haben hier auch in Berlin besonders nahe die Zusammenführung von Ost und West erlebt. Die DDR hatte Vollbeschäftigung, brach dann aber wirtschaftlich zusammen.

[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]

Westdeutschland hatte eine Zweidrittelgesellschaft. Damit war die Mehrheit zufrieden. Deswegen gab es auch vielleicht die von Herrn Schlede – –

[Unruhe – Glocke des Präsidenten]

Entschuldigen Sie, dass ich noch einmal unterbreche. – Meine Damen und Herren! Wenn Sie reden, wollen Sie, dass hier Ruhe im Saal ist, aber wenn ein anderer spricht, dann glauben Sie, dass Sie dauernd dazwischen rufen müssen.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Frau Künast (Grüne): Es ist ja noch relativ ruhig hier!]

Das Wort hat Frau Neumann und nur sie allein – bitte sehr!

Danke! – Diese Zweidrittelgesellschaft war – zwei Drittel sind die Mehrheit – offensichtlich lange Jahre mit sich zufrieden. In dieser Zeit dürften die von Herrn Schlede erwähnten Untersuchungen gemacht worden sein, dass Deutschland keinen Strukturwandel wollte. Deswegen gab es 16 Jahre Kohl.

[Gelächter bei den Grünen]

Jetzt erleben wir aber, dass das nicht mehr hält. Die Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert. Trotz hoher Arbeitslosigkeit reicht die Qualifikation nicht aus. Da fühlen sich auch die zwei Drittel bisher besser Gestellten bedroht. Aber auch die auf Dauer Erwerbstätigen verwirklichen dies häufig nicht auf Dauerarbeitsplätzen, sondern müssen in ihrem Leben ständig wechseln. Für die Schule entsteht dadurch eine paradoxe Situation. Weil die Verhältnisse schwierig sind, kann keine Schule ihren Kunden versprechen, dass eine gute Schulbildung die Zukunftsperspektive garantiert.

Gleichzeitig wird aber nur derjenige überhaupt eine Chance haben, der eine optimale Grundbildung genossen hat. In dieser Situation passiert es, dass die durchsetzungsfähigsten Eltern versuchen, die Organisation auch der staatlichen Schule allein zur Optimierung des Bildungsweges ihres Kindes zu zwingen.