Es wäre auch der falsche gedankliche Ansatz. Wir sind uns einig darüber, Mittel können am ehesten und am besten dort ausgegeben werden, wo sie nötig sind, nämlich in Schule. Da gibt es Schulen, die beispielsweise gar keinen Medienwart benötigen, weil Kenntnisse genug vorhanden sind im Kollegium, und sie bräuchten Mittel, um beispielsweise Medien zu erneuern. Da gibt es andere Schulen, die sagen: Wir tun uns zusammen und beschäftigen einen Medienwart. Und da gibt es dritte, die sagen: Wir kaufen uns Know-how auf dem Markt ein, denn das ist in
jedem Falle effizienter, als bei uns jemanden im Personal mit dem Verbrauch entsprechender Mittel zu haben, der letztlich seiner Aufgabe womöglich nicht gewachsen ist, den wir aber an der Backe haben. Das Problem ist, dass wir sehr viel flexibler reagieren müssen; dieses ist nur ein Beispiel.
Ich will auch etwas zu den Schulstationen sagen. Wir sind der Auffassung, dass Schulstationen als erzieherische Ergänzung der oft problematischen Erziehungsverhältnisse im familiären Bereich heute an Schule stärker installiert werden müssen. Aber wenn wir es so handhaben, wie es derzeit der Fall ist, nämlich dass eine Schule eine Schulstation einrichtet und die andere sagt, sie brauche nun auch eine, und die Schwererziehbaren erfindet, dann sind wir wieder auf dem falschen Weg. Es wäre besser zu sagen: Ihr habt die Personal- und Finanzmittel. Seht zu, wie Ihr vor Ort damit zurechtkommt!
Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, über den wir uns sicher schnell verständigen können, nämlich die Zusammenarbeit mit Firmen. Das ist keine neue Erfindung, wird aber von den Schulen zu wenig genutzt. In den letzten Tagen habe ich gelesen, wie Frau Wanjura in Reinickendorf das Humboldt-Gymnasium mit einer Firma verkuppelt hat, die in der Lage ist, die Schule technisch hervorragend zu unterstützen. Noch als Stadtrat in Zehlendorf habe ich im letzten Jahr dankenswerterweise eine Spende entgegengenommen, wobei eine Firma eine Schule mit nagelneuen Computern ausgestattet und gleichzeitig das Fortbildungsprogramm für Lehrer übernommen hat. Natürlich müssen wir noch erheblich investieren, denn die Systembetreuung und -kenntnis und die Programmbetreuung bedürfen erheblicher Investitionen. Ich habe unlängst gehört, dass auf dem Berlin-Brandenburger Schultag ein Experte gesagt hat, nach den derzeitigen Kapazitäten seien alle Lehrer, die sich gemeldet hätten, nach Ablauf von etwa 193 Jahren in einer Fortbildung. Das mag eine wahnsinnige Übertreibung sein, kennzeichnet aber dennoch die Tatsache, dass noch erheblicher Investitionsbedarf besteht.
Zur Unterrichtsverpflichtung für alle Berliner Lehrer: Ich finde es nicht ganz fair, wenn Sie die Alternativen bei dieser – von uns fraglos nicht freudig mitgetragenen – Entscheidung nicht nennen. Diese sind nur die Frequenzerhöhung oder die Kürzung der Stundentafel. Einen dritten Weg gibt es nicht. Ich habe Ihren Worten entnommen, dass Sie auf andere Politikfelder rekurrieren. Das ist meist die einfachste Übung. Wir wissen, dass das nicht realitätsbezogen ist. Zur Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung ist deutlich zu sagen, dass diese unter dem Gesichtspunkt der Haushaltssanierung zu betrachten ist. Das Gesetz, das diese beschließen soll, sagt nichts von Schulsanierung. Es ist keine pädagogisch begründete Maßnahme. Darüber sind wir uns alle im Klaren. Aber es hilft auch, pädagogische Standards zu bewahren, nämlich in höherem Maß Vertretungsmittel anzubieten und das Angebot der Berliner Schule zu sichern.
Den Lehrern gebührt ausdrückliche Anerkennung. Sie im Rahmen der Lehrerarbeitszeiterhöhung wieder zum Buhmann zu machen und aus der Kiste der Niederungen von Vorurteilen zu demotivieren, bringt relativ wenig. Frau Fugmann-Heesing, ich habe gelesen, dass Sie am Wochenende gesagt haben, ein Lehrer, der nicht zu einer zusätzlichen Stunde bereit sei, sei am falschen Platz. Ich weiß nicht, wie Sie reagiert hätten, wenn Sie als Behördenleitung Ihren Finanzbeamten in den letzten Jahren zugemutet hätten, eine Stunde mehr zu arbeiten. Sie wären dort sicher auch nicht auf Freude gestoßen. Das muss man akzeptieren. Grundvoraussetzung für gute Schule ist auch die öffentliche Anerkennung der Lehrer als Leistungsträger. Das muss vom Abgeordnetenhaus deutlich betont werden.
Die CDU ist der Auffassung, dass die Erhöhung der Stundenzahl nicht nur die letzte in dieser Legislaturperiode sein muss, sondern auch, dass die Bemessung am Unterrichtsdeputat mit Sicherheit falsch ist. Wir streben an, noch in dieser Legislaturperiode endlich mehr Arbeitszeitgerechtigkeit – die Lehrer arbeiten bezüglich ihrer Fächerkombination sehr unterschiedlich, beispielsweise durch die Belastung in Korrekturfächern – in den
Vordergrund zu rücken und die Arbeitszeiten von Lehrern über die Unterrichtszeiten hinaus stärker zu objektivieren. Dazu gibt es genug Studien. Es muss endlich auch vom öffentlichen Arbeitgeber anerkannt werden, was das für die Lehrer bedeutet, damit man nicht weiter über das Vehikel der Unterrichtsstunden an der Arbeitszeitschraube dreht. Damit kann uns nicht gedient sein.
Unter dem Aspekt einer größeren Arbeitszeitgerechtigkeit ist es sicher auch möglich, Arbeitszeitmodelle anderer Form – Senator Böger hat darauf hingewiesen – künftig in der Schule einzuführen. Wir stellen uns dabei auch Präsenzmodelle vor. In den letzten Tagen ist das Beispiel Stephan-Schule in Tiergarten genannt worden, die dies offensichtlich mit positiver Erfahrung praktiziert. Dort wird Arbeitszeit gewonnen und nicht verloren, da die Kollegen miteinander konferieren und sich wechselseitig bei der Vor- und Nachbereitung von Unterricht unterstützen. Wir sind davon überzeugt, dass die Einführung einer Präsenzzeit auch die Verlässlichkeit und Familienfreundlichkeit der Grundschule erheblich steigern kann.
Ich glaube, dass dies in der nächsten Legislaturperiode von uns umgesetzt werden kann. Dabei wird auch die Organisation von Vertretungsstunden einfacher. Die Präsenz der Lehrer an der Grundschule und die Poolbildung von Stunden innerhalb der Schule und einer Region sind unabdingbar, um dem von allen kritisierten Unterrichtsausfall angemessen begegnen zu können. Eltern haben für den permanenten Unterrichtsausfall kein Verständnis mehr. Dieser ist im Umfang von etwa acht Prozent – was die Fachbezogenheit angeht – vorhanden. Hier kann mit Arbeitszeitmodellen vor Ort am ehesten Abhilfe geschaffen werden. Ein Schulleiter muss in der Lage sein, über den Einsatz von Honorarmitteln schnell Abhilfe zu schaffen.
In diesem Zusammenhang müssen wir die Schule vor Ort stärken. Aus unserer Sicht ist dabei die Stärkung der Leistungsfähigkeit und damit des Wettbewerbs bedeutend. Wir haben nichts gegen Wettbewerb in der Schule und von Schulen untereinander. Die Eltern nehmen für ihre Kinder keine Schule mehr an, die ihnen zugewiesen wird. Dieser Zug ist abgefahren. Sie suchen sich in ganz Berlin die Schulen aus, die sie für ihre Kinder als angemessen und richtig erachten. Das System der Einzugsbereiche für die Grundschulen ist auch überholt. Eltern versuchen zunehmend, aus diesen Einzugsbereichen auszubrechen und ihre Kinder in Schulen anzumelden, die das angemessene Profil für ihr Kind erwarten lassen.
Thomas Straubhaar – Präsident des Hamburger Instituts für Wirtschaftswissenschaften – hat jüngst im „Tagesspiegel“ in einem Interview darauf hingewiesen, dass das deutsche Modell nicht überleben wird, und hat dabei unter anderem erwähnt,
dass Strukturwandel den Deutschen per se als etwas Negatives gilt. In Deutschland sieht man immer nur die Kosten, kaum die Vorteile der Veränderung. Das Land braucht Rahmenbedingungen, die den Menschen die Botschaft vermitteln, dass Strukturwandel etwas Positives ist.
Zudem hat er auf etwas zweites Wichtiges hingewiesen, nämlich dass es nicht mehr nur darum geht, das Individuum zu schützen, sondern darum, Strukturen zu entwickeln, die das Individuum fördern. Darauf legen wir erhöhten Nachdruck. Wir sind der Auffassung, dass in den letzten Jahren dazu Ansätze zur Veränderung im Berliner Schulwesen gemacht worden sind, beispielsweise mit der Europaschule und den Expresszügen, die sich hervorragender Nachfrage erfreuen und den richtigen Trend andeuten. Wir wollen in den nächsten Jahren Schulen in eine Gestaltungsfreiheit entlassen, die ihren Fähigkeiten gebührt. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Herr Böger, ich war einen Augenblick lang in Sorge, Sie könnten angesichts Ihrer vorgetragenen Visionen zum freien Flug abheben. Ich wende mich lieber den Realitäten zu.
PISA ist derzeit im Gespräch – nicht als Reiseziel für die Osterferien, sondern als bislang umfangreichste Leistungsstudie in der deutschen Schulgeschichte. 70 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler in 100 Schulen jedes Bundeslandes werden nach den Osterferien zunächst ihre Lesefertigkeit, später ihr Wissen in Mathematik und den Naturwissenschaften überprüfen und vergleichen lassen. Wie groß werden die Chancen für Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland zur Schule gehen, unter den 30 Staaten, die an der Leistungsstudie teilnehmen, sein, sich im Vorderfeld zu platzieren? Die beiden vorhergehenden Tests sahen Schülerinnen und Schüler aus Deutschland überwiegend auf schlechten Plätzen. Alle waren sich einig, dass das nicht die Schülerinnen und Schüler zu verantworten haben. Hier sind die Politikerinnen und Politiker gefragt.
Schule in Deutschland – dazu hörte ich heute hier Konsens – und Schule in Berlin ist dringend reformbedürftig, will sie nicht Schülerinnen und Schüler heranbilden, die den internationalen Anschluss schon verpasst haben, bevor sie den Weg ins Berufsleben antreten.
Die Berliner Schule ist in der Krise, nicht erst seit heute. Statt sich der Herausforderung zu stellen, im demokratischen Diskurs Ursachen zu analysieren und ein modernes, zukunftsfähiges Konzept für die Berliner Schule zu entwickeln, hat die große Koalition seit 1990 einen Bildungsabbau zu verantworten, wie er seinesgleichen sucht, und damit den hausgemachten Teil der Krise noch verstärkt.
faktischer Wegfall der Strukturzuschläge für Schulen in sozialen Brennpunkten im Westteil der Stadt seit 1996/97,
Herr Schlede, ich finde Ihre Ausführungen zur Struktur des Berliner Schulwesens interessant. Na, dann handeln wir doch gemeinsam, schaffen wir das Landesschulamt ab und geben Kompetenz und Mittel in die künftigen Großbezirke! Dann hätten wir schon ein paar Ebenen ausgeschaltet.
Gewissermaßen als flankierende Maßnahmen zu dem, was bisher stattgefunden hat, bezahlen Eltern immer höhere Beiträge für Ganztagsbetreuung ihrer Kinder, ist die dringend notwendige Schulsozialarbeit – auch davon war heute die Rede – permanent in Gefahr, Gelder für Klassenfahrten werden gekürzt, und manche Schule stinkt im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel.
Nun ist natürlich die Auflage des 100-Millionen-DM-Projektes zu begrüßen. Ich habe aber meine Zweifel, dass die Bezirke die Kofinanzierung leisten können. Erst wenn das geschieht, kann man es wirklich als Erfolg feiern.
Der neue Schulsenator steht bezüglich Kürzung und Abbau seinen Vorgängern in nichts nach. In reichlich 100 Tagen im Amt
hat er keinen der Fettnäpfe ausgelassen, die er selbst aufgestellt hat. Oder, wie er launig meint: Wenn er morgens aufsteht, schaut er in die Zeitung und ist gespannt, was er nun wieder verzapft hat.
Herr Böger, Sie haben drei Leitideen für Ihre Bildungspolitik in dieser Legislaturperiode aufgeschrieben: „Chancengleichheit, Qualität, Selbstverantwortung“. Ich zitierte aus Ihren „Schwerpunkten der Bildungspolitik in der Legislaturperiode“, und Sie schreiben dort weiter: „Bildung entscheidet über unsere Zukunft.“ Und an anderer Stelle: „Bildung wird zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts.“ Da ist Ihnen nur zuzustimmen. Für soziale Gerechtigkeit ist es von grundlegender Bedeutung, Bildungschancen auch gleichberechtigt wahrnehmen zu können. Wie chancengleich ist ein Kind in einer Klasse mit 30 bis 32 Schülern, wenn ihm das Lernen aus verschiedenen Gründen nicht so gut gelingt, wenn der Lehrer oder die Lehrerin keine Zeit hat, sich mit dem einzelnen Kind zu befassen, und die Eltern womöglich dazu auch nicht in der Lage sind? Das gilt erst recht für den von Ihnen, Herr Böger, angemahnten und favorisierten Erwerb von Medienkompetenz. Dort ist das Problem noch viel schlimmer. Viele Zukunftsverlierer ohne Eintrittskarte in die Welt von morgen und Ausdifferenzierungen möglichst schon in der Grundschule – das war bei Herrn Schlede auch deutlich zu hören – an Stelle von Chancengleichheit – das ist die Realität des gegliederten Schulsystems in Konkurrenz zur Gesamtschule und die Realität der Rahmenbedingungen, die Senator und große Koalition noch weiter zu verschlechtern im Begriff sind.
Nun habe ich aufmerksam zugehört und verstanden, Herr Böger – ich hoffe, ich habe Sie da richtig verstanden –: Für gesicherte Rahmenbedingungen stehen Sie ein. Ich denke, das Hohe Haus wird es sich merken. Dafür haben Sie ausdrücklich auch unsere Unterstützung.
Mindestens 1 600, wahrscheinlich 1 900 Lehrerstellen werden für das kommende Schuljahr in Berlin fehlen, um den Unterrichtsbedarf decken zu können, und das, obgleich die Koalitionsvereinbarung die hundertprozentige Unterrichtsversorgung als Ziel stellte. Die klaffende Lücke soll nun geschlossen werden durch eine Unterrichtsstunde mehr pro Woche für Lehrer, durch den weiteren Abbau von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden, diesmal bei Klassenleiter- und Verwaltungsstunden. Ob dadurch das Defizit gedeckt werden kann, bleibt offen.
In diesem Zusammenhang ist eine scheinbar kleine Wortänderung im Haushaltssanierungsgesetz, Artikel I, von Bedeutung. Mir scheint ein deutlicher Widerspruch zu dem zu bestehen, was Sie, Herr Senator, vorhin ausführten. Dort ist in Artikel I das Wort „insbesondere“ durch das Wort „auch“ ersetzt worden. Das bedeutet, dass bisher die Sparvorgaben für Personal im Schulbereich „insbesondere“ durch Erhöhung der Klassenfrequenzen, Reduzierung der Mittel für Vertretungsstunden und von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden erfolgten, also ohne Verlängerung der Lehrerinnen- und Lehrerarbeitszeit, während nun das eingesetzte Wort „auch“ bedeutet, dass trotz Erhöhung der Pflichtstunden weitere Kürzungen in den anderen genannten Ausstattungsbedingungen nicht ausgeschlossen sind. Noch einmal: Sie haben hier deutlich etwas anderes erklärt, und nun bin ich gespannt, ob dieser Passus aus dem Haushaltssanierungsgesetz herauskommt.
Außer den erwähnten Maßnahmen werden 224 Erzieherstellen, 80 Vorklassenleiterstellen, alle Laboranten- und Medienwartstellen gestrichen bzw. haben den kw-Vermerk erhalten. Parallel dazu sollen die Deckelungszahlen für Kinder im offenen Ganztagsbetrieb weiter gesenkt werden, so dass noch weniger Kinder der Klassen 1 bis 4 nach Unterrichtsschluss betreut werden können.
Die dringendsten Probleme – hoher Unterrichtsausfall, Lehrermangel in bestimmten Fächern und der hohe Altersdurchschnitt der Berliner Lehrerschaft, der bekanntlich bei ca. 48 Jahren liegt – sind mit den vorgesehenen Maßnahmen überhaupt nicht zu