genauso gerecht werden wie den finanziellen Gegebenheiten. Gemeinsam. – Dann – und nur dann – gelingt auch die Sanierung unserer Finanzen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Solide Finanzen für das neue Berlin hat uns der neue Senator für Finanzen, Peter Kurth, bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2000 versprochen. Dieser Haushalt hat meiner Meinung nach viele Attribute verdient; insofern ist eine Prioritätensetzung durchaus erkennbar. „Unsozial“ fällt mir zuerst ein, „ungerecht“ folgt nach, „nicht gedeckt“, „zukunftsfeindlich“ – aber „solide“ ist er jedenfalls nicht.
Dieser Haushalt für das Jahr 2000 – und da widerspricht die Realität dem, was Herr Kurth hier eben sagte – stellt die Zeichen in Richtung eines beschleunigten Marsches in die Verschuldung des Landes Berlin und verspielt damit massiv Zukunftsoptionen. Das ist es in Wirklichkeit, worauf sich die Koalitionsfraktionen geeinigt haben an Stelle der immer wieder betonten Fortsetzung des Konsolidierungskurses, so wie hier eben auch noch einmal versucht. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die jetzt Krokodilstränen darüber vergießen, dass die ehemalige Finanzsenatorin ihr Amt nicht mehr inne hat. Dazu hatten wir zu viele Debatten über die Art und Weise, wie sie ihre Sparpolitik umgesetzt hat. Aber festzuhalten ist: Solange Frau Fugmann- Heesing im Amt war, ist zumindest an dem Ziel der kontinuierlichen Absenkung der Netto-Neuverschuldung um 650 Millionen DM pro Jahr nicht gerüttelt worden.
Hier noch einmal zur Erläuterung: Es geht nicht um den Abbau von Schulden, sondern es ging darum, die Höhe der Schulden, die man Jahr für Jahr zusätzlich aufnimmt, abzusenken. CDU und SPD haben sich nun entschieden, dem Druck der Landowskys und Strieders nachzugeben und eine vermeintliche Entlastung dadurch herbeizuführen, – –
In diesem Fall gab es tatsächlich diese merkwürdige Allianz. Ich war auch etwas überrascht; die SPD hatte offenbar ihre Meinung geändert.
Man hat sich jetzt entschieden, dass Lasten in die Zukunft verschoben werden sollen. Sie wollen – so ist die vornehme Formulierung – den Konsolidierungspfad verlängern. Das klingt sehr schön, bedeutet aber nichts weniger, als die Verschuldung noch mehr zu erhöhen, als es bereits der alte Senat geplant hatte. Statt um 650 Millionen DM senken Sie die Netto-Neuverschuldung in diesem Jahr nur um 340 Millionen DM, in den beiden folgenden Jahren gar nur um 100 Millionen DM. Und ob Sie in den letzten beiden Jahren der Legislaturperiode, in denen der Wahlkampf bevorsteht und die Politiker mit Spendierhosen durch das Land laufen, die unglaubliche Last von 1,5 Milliarden DM Absenkung der Netto-Neuverschuldung schaffen, bezweifle ich ganz stark.
Sie betreiben eine Politik auf Pump, für die wir teuer bezahlen müssen. Berlin wird im Jahr 2004 mit 81 Milliarden DM bei den Banken in der Kreide stehen. Zum Vergleich: Der gesamte Haushalt des Jahres 2000 umfasst gerade einmal die Hälfte dieser Summe. Allein das Abgehen vom bisherigen Planen der kontinuierlichen Absenkung der Netto-Neuverschuldung kostet den Berliner Steuerzahler ab 2004 jährlich 255 Millionen DM an Zinsen.
Es wurde hier eben über Personalkosten geredet. Eines halte ich hier fest: Der letzte Senat, der in großen Teilen auch der neue Senat ist, hat in der Vergangenheit jeden Versuch erfolgreich vermieden, Personalkosten tatsächlich zu senken. Stattdessen hat
er zwar den öffentlichen Dienst verkleinert und Stellen abgebaut – die Kosten sind aber die gleichen geblieben. Und wenn Sie jetzt sagen, dass Sie ohne betriebsbedingte Kündigungen – und das wollen wir alle – und mit einem Einstellungskorridor die Personalkosten halten wollen, bin ich wirklich gespannt, wie Sie das tun werden. Wir werden das kontrollieren.
Wenn aber gleichzeitig bei einem konstanten Personalanteil der Anteil von Zins und Tilgung weiter dramatisch ansteigt – und das befördern Sie mit Ihrer Politik – ist die logische Konsequenz, dass der Teil des Haushaltes, der tatsächlich gestaltbar ist, immer kleiner wird. Die Spielräume werden immer enger. Das gilt für jede Politik in Zukunft. Nehmen wir einmal an, der unwahrscheinlich Fall tritt ein, dass die CDU irgendwann absolute Mehrheiten in dieser Stadt hat. Wenn Sie dann die Ausstattung der Polizei verdoppeln, Autobahnen und Gefängnisse bauen möchten, werden Sie das nicht können, weil das Geld dafür nicht da ist. [Oh! von links – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den GRÜNEN]
Das Gleiche gilt für eine tatsächlich neue Politik auf einer anderen Seite dieses Hauses. So eine Politik für die Zukunft bereits jetzt zu verspielen, das ist nicht solide, sondern kurzsichtig und verantwortungslos.
Diese Politik ist nicht ohne Alternative. Wir machen Ihnen den Vorschlag – Ihnen und allen Berlinerinnen und Berlinern, die noch daran glauben –, die größte Illusion dieses Haushalts zu rauben, nämlich den sogenannten Zukunftsfonds aufzulösen, die damit verbundenen Kosten in den Haushalt einzustellen und zum ursprünglichen Konsolidierungspfad zurückzukehren. Der Zukunftsfonds war und ist Betrug.
Es geht hierbei nicht um Zukunft, es geht um die Verhinderung von Zukunft. Es mag hier im Saal noch einige geben, die glaubten, es handele sich um Einnahmen aus der Privatisierung der Wasserbetriebe, die „übrig“ seien und für gute Zwecke ausgegeben werden könnten. Das ist falsch. Die Einnahmen aus der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe flossen bekanntlich in den Haushalt des Jahres 1998. Dort bildete man eine Rückstellung für den sogenannten Zukunftsfond in Höhe von 300 Millionen DM. Das Jahr 1998 schloss deshalb mit einem Defizit in Höhe von 300 Millionen DM ab. Dieses Defizit ist in den Haushalt, über den wir gerade reden, eingestellt worden. Das führte zu der Entscheidung, 300 Millionen DM mehr Schulden aufzunehmen, als geplant war. Das heißt, dieser Fonds ist „auf Pump“ finanziert und verdient daher den Namen Zukunftsfonds nicht. Er gehört nach unserer Meinung aufgelöst.
Das bedeutet nicht, dass das Land Berlin keine neue Technologiepolitik nötig hätte. Das steht sogar dringend an. Wir haben bei der Beratung im Fachausschuss unsere Ideen eingebracht.
Nur muss die Finanzierung solche einer Technologiepolitik auch auf sichere Füße gestellt werden. Man ist sich offenbar noch nicht einmal einig, was alles aus diesem Fonds finanziert werden soll – [Berger (GRÜNE): Gentechnologie!]
aber darüber mag sich die Koalition streiten. Man muss zumindest eine Finanzierung sicherstellen. Unser Vorschlag ist, für die Finanzierung über den Investitionshaushalt des Landes zu reden. Dort gibt es Potentiale. Wenn man sich entschiede, die verkehrliche Erschließung der Innenstadt nicht mit der Kanzler-U-Bahn vorzunehmen – wie es mittlerweile in vielen Fraktionen dieses Hauses diskutiert wird – sondern stattdessen die Straßenbahn vorzuziehen, schaffte dies erhebliche Luft – z. B. für solche Überlegungen.
Die SPD und ihr neuer Fraktionsvorsitzender, Klaus Wowereit, hatten in der Vergangenheit gute Gründe, diesen Zukunftsfonds in Frage zu stellen –
so wie es die Opposition damals auch tat. Nun ist Herr Wowereit nicht mehr nur Finanzpolitiker, sondern auch einer der Eckpfeiler dieser Koalition. Er kann daher nur noch mitteilen – und das hat er gestern im Hauptausschuss auch getan –, dass ihm das Herz blute, aber er müsse Verständnis dafür zeigen. Uns fehlt das Verständnis weiterhin und daher fordern wir noch einmal, im Interesse von Zukunft den Schuldenfonds aufzulösen.
Diese nicht fahrlässigen, sondern bewusst getroffenen Entscheidungen sind noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Herr Kurth sprach ein weiteres Risiko bereits an. Das ist die Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank. Es ist zwar richtig, solch ein Risiko hier festzuhalten; eine Vorsorge für dieses Risiko – und ich vermute, die eine oder andere Entscheidung könnte künftig auch noch fallen – sucht man in diesem Haushalt vergebens.
Weiterhin ist der jetzt vorliegende Haushalt nicht nur nicht solide, sondern zudem gar nicht ausgeglichen. Wer sich mit dem Landeshaushalt bereits beschäftigt hat, findet in allen Einzeletats einen wunderbaren neuen Titel mit dem klingenden Namen „Effizienzrendite“.
Für diesen Titel hätte der Senat einen Preis verdient, nicht aber für das, was dahinter steht. Es bedeutet nicht weniger, als dass 214 Millionen DM an Ausgaben noch keine Einnahmen gegenüberstehen. Das nennen Sie solide, Herr Kurth!
Wir haben einen weiteren großen Kritikpunkt, und der ist auch zum Schwerpunkt der Rede von Herrn Kurth gemacht worden, und das ist in gewisser Weise tatsächlich eine Fortsetzung der Politik Ihrer Vorgängerin. Frau Fugmann-Heesing hat zu Beginn der letzten Legislaturperiode eine Binsenweisheit verkündet, die nichtsdestoweniger trotzdem richtig ist: Privatisierung ist das Gegenteil von Konsolidierung. Sie haben das eben etwas umständlicher formuliert: Strukturelle Probleme würden sich nicht durch Einmaleffekte lösen lassen. Das ist im Prinzip das Gleiche. Nur hat Frau Fugmann-Heesing danach in ihrer Politik dieses eigentlich gesetzte Ziel nicht umsetzen können, und es wurde in Berlin die Schnäppchenjagd eröffnet, GASAG, Bewag, Teile der Wasserbetriebe, die Wohnungsbaugesellschaft GEHAG und Weiteres sind über Berlins Ladentische gegangen. Sie bleiben diesem Vorgehen treu und übernehmen gleich noch eine kritikwürdige Eigenschaft Ihrer Vorgängerin, nämlich hier zu verkünden, das mit den Beschäftigten abzusprechen, ist zwar gut und schön; aber im Fall Behala ist das offenbar nicht passiert. Ich habe gestern im Landespressedienst die Mitteilung gelesen, dass in dem Haushaltssanierungsgesetz, das wir schon heute bekommen haben, zwar steht, dass die Behala teilprivatisiert werden soll – die Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betriebe, eines der letzten öffentlichen Unternehmen, über das wir noch reden können. Aber mit dem Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats, dem Kollegen Bartholomä, hat offenbar niemand gesprochen. Ich kann Ihnen nur raten, das Gespräch mit den Betroffenen und den Gewerkschaften zu suchen, statt über deren Köpfe hinweg zu agieren,
sonst könnte Kollegen Landowsky künftig das Gleiche passieren, wie es Herrn Böger in der Vergangenheit passiert ist, weil nämlich genau das nicht passiert, wird man dann vor den Beschäftigten ausgebuht. Nun ist es zu spät, Herr Landowsky. Den ersten Fehler haben Sie in dieser Richtung schon gemacht.
Weiter zum Thema Privatisierung: Die Wohnungsgesellschaften in öffentlichem Besitz sind ein weiterer Schwerpunkt der Rede von Herrn Kurth gewesen. Das ist wieder einer der Punkte, wo man das Umfallen der SPD konstatieren muss. Es gab bei diesem Thema schon immer hoch schlagende Wellen der Empörung. Die SPD hat in einem letzten Anflug sozialdemo
kratischer Politik auf einem Landesparteitag vor gar nicht so langer Zeit entsprechende Überlegungen des Senats zu Fall gebracht. Inzwischen hat sich die SPD zu einem Beschluss durchgerungen, den Bestand an öffentlichem Wohnraum weiter zu reduzieren. Die GSW, nicht nur das größte städtische Wohnungsunternehmen, sondern auch eines der wenigen wirtschaftlich vergleichsweise intakten, steht ebenso auf der Verkaufsliste wie eine weitere Wohnungsbaugesellschaft, von den so genannten In-sich-Geschäften mit den Wohnungsbaugesellschaften, vor allem im Ostteil der Stadt, gar nicht zu reden, welche nichts weiter zur Folge haben werden als Geld aus den um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfenden Gesellschaften zu pressen.
Ich möchte hier eins zur Diskussion stellen. Es gab doch einmal Gründe in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, Wohnungsgesellschaften in öffentlichem Besitz zu gründen. Der Staat wollte seiner sozialen Verantwortung nachkommen, für die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dieser öffentliche Sektor war ebenso wie die Genossenschaften als Korrektiv gedacht zu den ausschließlich renditeorientierten Kräften des Wohnungsmarktes. Beim Berliner Senat ist dieser Aspekt längst in Vergessenheit geraten, und die Wohnungsgesellschaften gelten nur noch als Vermögensziele zur Deckung der Defizite des Landeshaushalts anstatt als Steuerungsinstrument für soziale Wohnungswirtschaft oder gar als Instrument für Stadtentwicklung. Wir haben hier in den letzten Jahren über Problemquartiere geredet. Da wären öffentliche Wohnungsgesellschaften ein ideales Steuerungsinstrument, tatsächlich etwas zu machen.
Sie entscheiden sich, diese öffentlichen Wohnungsgesellschaften zu verkaufen. Das ist nicht nur sozial unverantwortlich, sondern macht unserer Ansicht nach auch finanzpolitisch keinen Sinn. [Dietmann (CDU): Wo sparen Sie denn?]
Ich hatte zu dem ersten Komplex einen Vorschlag gemacht; ich bin jetzt beim zweiten Komplex, und auch hierbei werde ich einen Vorschlag machen –
wenn Sie sich noch ein bisschen gedulden können. – Wir sind der Ansicht, wenn man so verfährt, wie es der Senat vorhat, dann wird das enorme Folgekosten haben, der Druck auf die Mieten wird zunehmen, Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt werden müssen. Das alles wird höhere Wohngeldzahlungen nach sich ziehen, die den Haushalt nicht entlasten, sondern belasten werden. Diese Politik ist allerdings nicht alternativlos. Wir schlagen vor, den städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine solide wirtschaftliche Basis zu geben und sie daher von dem hohen Sanierungsaufwand, der nötig sein wird, zu befreien. Es sollte ein Sanierungsfonds als kommunales Sondervermögen gebildet werden, in den die Wohnungsbestände übertragen werden. Die sanierten Bestände werden anschließend an Wohnungsgenossenschaften veräußert, was nicht zuletzt auch finanzielle Vorteile brächte, weil der Verkauf von Wohnungen mehr Geld bringt als der von Gesellschaftsanteilen. [Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Wir werden die Kritik an der Politik des Senats und unseren Alternativvorschlag in den kommenden Wochen im Rahmen einer Kampagne auch in der Stadt vorstellen, damit auch deutlich wird – – [Dietmann (CDU): haha!]