Protocol of the Session on February 24, 2000

Schönen Dank, Frau DungerLöper!

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Überweisung des Haushaltsgesetzes und dieser beiden Berichte hatten Sie bereits bestätigt.

Zum Haushaltssanierungsgesetz empfehle ich in Übereinstimmung mit den vorsorglichen Empfehlungen des Ältestenrats die Überweisung an den Hauptausschuss – federführend – sowie mitberatend an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport, an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie, an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration und auch an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. Die mitberatenden Ausschüsse werden dabei dringlich gebeten, das Haushaltsstrukturgesetz und den Haushalt möglichst bald auf die Tagesordnung der jeweils nächsten Sitzung zu setzen, damit der Hauptausschuss seinen Zeitplan einhalten kann.

[Wieland (GRÜNE): Weil der Senat wieder mal so spät kam, heißt es Haushaltssanierungsgesetz!]

Der Senat wird sich auch beeilen! – Über diese Überweisungen lasse ich jetzt abstimmen. Wer den Überweisungen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön! – Die Gegenprobe! – Enthaltungen! – Das ist dann einstimmig so beschlossen.

Die lfd. Nr. 4 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich komme dann zur

lfd. Nr. 5, Drucksache 14/174:

I. Lesung des Antrags der Fraktion der GRÜNEN über Gesetz über demokratische Kontrollrechte bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe

Nach der Geschäftsordnung ist eine Beratung von bis zu fünf Minuten möglich. Ich eröffne die I. Lesung und erteile Frau Paus von der Fraktion der Grünen hiermit das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht kennt der eine oder andere von Ihnen den Film „Wir können auch anders“. Meine Damen und Herren von CDU und SPD, genau dieses Motto möchte ich Ihnen hier heute anempfehlen. Die Sondersitzung des Abgeordnetenhauses nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe im vergangenen Oktober konnte ich seiner Zeit von dort oben, von der Tribüne aus, verfolgen. Ich konnte – besser gesagt: ich musste – dabei wahrnehmen, dass die Regierungsfraktionen ihre parlamentarischen Kontrollrechte offenbar lieber von der Regierung ausüben lassen, als sie selbst wahrzunehmen. Ich musste anhören, wie Herr Böger – damals noch kein Senatsmitglied – sagte, er vertraue dem Senat.

[Heiterkeit des Abg. Wieland (GRÜNE)]

Mit dieser Begründung verzichteten dann die Fraktionen der CDU und der SPD darauf, Einsicht in die Privatisierungsverträge zu nehmen. Sie verzichteten darauf, sich selbst eine Meinung über das Vertragswerk zu bilden. Sie verzichteten damit auf ihr originäres Recht der demokratischen Kontrolle der Regierung. Stattdessen erhielt der Senat einen Blankoscheck ausgestellt. Nahezu so etwas, als wären Parlament und Regierung ja eh eins und die Gewaltenteilung in diesem Punkt aufgehoben. Verzicht in Ehren, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der SPD, aber das Parlament hat nicht nur das Recht, das Parlament hat die verdammte Pflicht, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall des Abg. Wolf (PDS)]

Denn in Fragen der Demokratie darf nicht der Satz gelten: „weniger ist mehr“, sondern gerade was die parlamentarische Kontrolle angeht, muss die Maxime vielmehr sein: Es kann nicht genug sein. Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Opposition möchten wir uns Ihrem Demokratieverzicht ausdrücklich nicht anschließen, sondern umgekehrt dafür Sorge tragen, dass wir unsere demokratischen Kontrollrechte nicht deswegen verlieren, weil die Mehrheit in diesem Hause großzügig auf ihre Rechte verzichten will.

[Dr. Borghorst (SPD): Wir verzichten doch gar nicht, wie kommen Sie darauf? – Wieland (GRÜNE): Sie nehmen sie nicht wahr!]

Deswegen haben wir dem Gesetzentwurf über demokratische Kontrollrechte bei den teilprivatisierten Wasserbetrieben eingebracht. – So weit zu dem Grund unseres Antrags.

Wir fordern in unserem Gesetzentwurf auch nichts Unmögliches – im Gegenteil. Wir befinden uns bei unserer Forderung in wirklich guter Gesellschaft, nämlich in der des Berliner Verfassungsgerichtshofs. Der Verfassungsgerichtshof hat mitnichten erklärt, dass Ihr Modell verfassungsrechtlich so einwandfrei ist, wie Sie es immer gern darstellen wollen. Das Urteil ist vielmehr mit zahlreichen Auflagen gespickt, ohne die Ihr Modell an der

(A) (C)

(B) (D)

Berliner Verfassung scheitern würde. Deswegen befindet sich der Senat auch bereits in dem Prozess, ein Gesetzgebungsverfahren einleiten zu wollen. So hat er es zumindest angekündigt. Das muss auch einmal deutlich gesagt werden.

Der Verfassungsgerichtshof verlangt z. B., dass die Privatisierungsverträge nicht als Geheimakten des Senats behandelt werden dürfen. Er hat die Auflage erteilt, dass alle Abgeordneten – und nicht nur diejenigen des Vermögensausschusses – Zugang zu den Verträgen erhalten müssen. Das legt unser Gesetzentwurf in § 7 d unter Einsichtsrechten fest. Ohne dieses Einsichtsrecht, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, scheitert Ihr Modell an der Verfassung.

Ihr Modell scheitert auch, wenn Sie nicht sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörde über die Wasserbetriebe nicht nur die Tätigkeit der Wasserbetriebe nach Recht und Gesetz prüft, nein, sie muss auch ihre Kontrollaufgabe auf die Verträge erstrecken. Auch das legt unser Gesetzentwurf fest. In § 7 sind die Aufgaben der Rechtsaufsichtsbehörde, wie es der Verfassungsgerichtshof verlangt, neu beschrieben.

Darüber hinaus möchten wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier regelmäßig über den Vollzug der Privatisierung informiert werden. – Herr Böger, Ihr blindes Vertrauen in den Senat können wir vielleicht heute verstehen, können es aber leider nicht teilen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall des Abg. Wolf (PDS) – Bm Böger: Das reicht ja schon!]

Wir bemühen gern unseren eigenen Kopf. Deswegen haben wir in den Gesetzentwurf aufgenommen, dass die Wasserbetriebe, die Holding AG, die Investoren sowie die Rechtsaufsichtsbehörde das Abgeordnetenhaus regelmäßig über ihre Tätigkeiten informieren sollen. Das ist festgelegt in § 8 unter Berichterstattungen.

Vielleicht können wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf in Sachen effektiver parlamentarischer Kontrolle ein wenig auf die Sprünge helfen. „Wir können auch anders“, Sie müssen nur zustimmen! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Danke schön Frau Kollegin! – Das Wort hat nunmehr der Herr Kollege Atzler für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf ehrlich bekennen: Ich verstehe diesen Gesetzesentwurf zwar inhaltlich, aber auch nach Ihren Ausführungen, Frau Paus, vermag ich die Notwendigkeit und die Einbringung so nicht nachzuvollziehen.

Erstens halte ich fest, dass das Verfassungsgericht grundsätzlich Verfassungskonformität festgestellt und dann einige Anmerkungen und Ausführungen gemacht hat, auf die ich noch zu sprechen komme. Von der Tendenz her sehe ich keinen Handlungsbedarf an dieser Stelle.

[Frau Oesterheld (GRÜNE): Sehen Sie doch nie!]

Sie unterstellen mit Ihrem Gesetzentwurf – und auch mit Ihren Ausführungen –, dass es gar keine oder nicht genügend Kontrollrechte bei den Wasserbetrieben gibt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das sehen wir grundsätzlich anders und das hat auch das Verfassungsgericht anders gesehen. Sie müssten das schon einmal richtig lesen.

[Wieland (GRÜNE): Gar nichts habt Ihr kontrolliert!]

Herr Wieland könnte vielleicht auch Rechtsberatung vornehmen und würde dann zu anderen Ergebnissen kommen.

[Wieland (GRÜNE): Bestimmt nicht zu Ihren!]

Nein, das dachte ich mir. Das würde ich mir vielleicht auch verbitten.

[Wieland (GRÜNE): Wer hat denn verloren vor dem Verfassungsgericht? – Wir doch nicht!]

Das möchte ich so auch nicht sehen, lieber Herr Wieland, wie Sie das sagen. Sie wissen auch, wenn Sie das richtig lesen, und den Kostenfestsetzungsbeschluss, dann muss man sagen, Sie haben in Teilen Recht bekommen. So herum wird ein Schuh daraus.

Hinsichtlich der Holding gibt es natürlich auch demokratische Kontrollrechte, das wissen Sie auch, sowohl nach dem Aktiengesetz wie auch nach dem Personalvertretungsgesetz bzw. nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Aber die meinen Sie gar nicht, diese Rechte, das sind die Rechte aus der Unternehmensverfassung. Sie meinen natürlich Rechte, Kontrollrechte außerhalb der Unternehmensverfassung durch das Land Berlin und das Parlament. Aber auch dem sind wir doch durch Gesetz und im Übrigen auch durch die Entschließung gefolgt. Ich darf einige Punkte hier erwähnen. Da gibt es beispielsweise die Einrichtung des Weisungsausschusses, auch dies ist vom Verfassungsgericht positiv aufgegriffen worden. Es gibt das Verbot der Eigenkapitalreduzierung, die Verpflichtung, dass über 50 Prozent der Anteile beim Land verbleiben. All diese Auflagen werden hier erfüllt und sind so festgesetzt worden. Darüber hinaus sind diese dann vom Verfassungsgerichtshof ergänzt und auch interpretiert worden. Ich darf zitieren, was der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang festgestellt hat, nämlich dass Abgeordnete – Frau Paus, Sie haben es erwähnt, es ist richtig, dass Abgeordnete Einblick in die Beherrscherverträge nehmen dürfen. Das dürfen Sie damit.

Dass die Einhaltung der Verträge natürlich der Rechtsaufsicht unterliegt – die in Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf vertretene Auffassung bezüglich der Rechtsauffassung ist zu eng –, das ist mir klar und bekannt. Die Gewährträgerversammlung unterliegt auch der parlamentarischen Verantwortung, also auch der Kontrolle durch uns. Der Einfluss des Landes bei Weisungen ist vorrangig zu gewährleisten durch den Weisungsausschuss. Dies ist möglich, mit dem existierenden Gesetz. Die demokratisch legitimierten Vertreter des Landes Berlin müssen letztendlich die Entscheidungsmöglichkeit haben –, die haben sie. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Maßstäbe der demokratischen Legitimation durch unser Gesetz der Teilprivatisierung nicht verletzt werden. Dies also ist alles abschließend geregelt. Sie wissen, Richterrecht, welches ergänzend an die Seite des Gesetzes tritt, gilt wie das Gesetz und braucht nicht noch einmal in ein neues Gesetz geschrieben zu werden. Es würde sonst quasi ein Gesetz der beliebigen Selbstverständlichkeiten werden. Das ist hier wirklich nicht erforderlich.

Ich gebe allerdings zu, hier wollen Sie vielleicht auch heran, dass der Vorstand – dies ist ausdrücklich auch in dem Urteil des Verfassungsgerichts so festgehalten worden –, dass der Vorstand auch einen Gestaltungsspielraum hat, den wir nicht einengen können und im Übrigen auch nicht einengen möchten, denn andernfalls wäre die Teilprivatisierung ad absurdum geführt, weil die von uns gewollte Sicherstellung der Eigenständigkeit der Berliner Wasserbetriebe gar nicht greifen könnte. Das kann nicht Sinn und Zweck dieser Teilprivatisierung sein.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns im Fachausschuss über den Gesetzentwurf diskutieren. Wir wollen damit dem Antragsteller die Chance bieten, argumentativ nachzulegen, wofür das Gesetz überhaupt benötigt wird. Bisher ist das für uns so noch nicht erkennbar.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! Für die Fraktion der PDS hat nunmehr der Kollege Wolf das Wort. Bitte, Herr Kollege Wolf!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Atzler! Wenn Sie den Handlungsbedarf nicht erkennen, weshalb es notwendig ist, die Umsetzung der Teilprivatisierung zu kontrollieren, will ich Ihnen nur zwei Beispiele nennen.

Erstens Sie haben die Verträge auf Grundlage des Beschlusses des Abgeordnetenhauses ändern müssen. Dazu haben wir vor kurzer Zeit eine Vorlage – zur Kenntnisnahme – bekommen, in der uns mitgeteilt wurde, dass am 6. Januar 2000, also lange nach dem Vertragsabschluss die Verträge noch einmal geändert worden sind und damit überhaupt erst einmal der Auflage des Verfassungsgerichts Genüge getan wurde, und es wurde uns nebulös mitgeteilt, dass eine „Anpassung von Verträgen“ stattgefunden hat. Diese Anpassungen der Verträge liegen uns bis heute nicht vor, bis heute hat das Abgeordnetenhaus keine Kenntnis über die endgültige Gestalt der Privatisierungsverträge. Dies ist ein Punkt der deutlich macht, wie nötig es ist, auf den Kontrollrechten des Parlamentes zu beharren und sie mit Nachdruck zu verfolgen.