Protocol of the Session on February 24, 2000

Unsere Zukunft kann nicht darin liegen, alte Technologien am Leben zu halten und zuzusehen, wie alte Industriearbeitsplätze verloren gehen. Unsere Zukunft muss darin liegen, moderne Technologien nach Berlin zu holen und Innovationen zu fördern. Dafür soll der Zukunftsfonds dienen. Wir wollen dem Senat den Zukunftsfonds als Mittel zur Schaffung neuer Technologien und Arbeitsplätze an die Hand geben. Das ist unser oberstes Ziel.

Im Bereich Wissenschaft haben wir Planungssicherheit für die Hochschulen geschaffen. In den nächsten Jahren werden wir nicht ohne Einschränkungen auskommen, aber die Planungssicherheit wird erhalten.

Die Frage müssen wir uns an dieser Stelle schon gefallen lassen und uns gemeinsam stellen, wie es sein kann, dass wir ein Bildungssystem hoch subventionieren, aber der Arbeitsmarkt letztendlich 30 000 Arbeitskräfte für den Bereich der Informatik aus Osteuropa, Indien oder Pakistan benötigt, weil auf dem entsprechenden Markt hier nichts verfügbar ist. Das kann nicht sein! Hier muss eine Fehlsteuerung vorliegen. Hier muss auch inhaltlich nachgearbeitet werden, damit solche Dinge nicht passieren.

Wir werden unsere Betriebe für den Wettbewerb fit machen. Die BVG hat auf dieser Strecke große Anstrengungen unternommen und ist dort sehr erfolgreich. Ich bin sicher, dass der Unternehmensvertrag, den wir auch dieses Jahr wieder ausfinanzieren, die Möglichkeit bietet, die BVG für den Wettbewerb zu stärken. Es kann aber nicht sein, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, dass die BVG für bestimmte Maßnahmen das Berliner private Busgewerbe kaputt macht. Der Unternehmensvertrag kann nicht dazu dienen, dass am Ende mehr Staat und mehr öffentlicher Betrieb entsteht. Er soll vielmehr dazu dienen, die BVG wettbewerbsfähig zu machen. Hierauf müssen wir noch ein wachsames Auge haben.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich komme nun zum Vermögens- und Liegenschaftsfonds. Der Liegenschaftsfonds wird tatsächlich in diesem Jahr kommen. Ich gebe zu, dass auch wir es nicht unbedingt geglaubt haben. Nun sind wir aber doch guten Mutes, dass es geschehen wird. So, wie die Konstruktion jetzt gewählt ist, werden wir diesem Liegenschaftsfonds auch zustimmen können. Er wird keinen Schattenhaushalt und keine Schuldtitel übernehmen. Dafür haben wir den entsprechenden Artikel im Haushaltsgesetz gestrichen. Er wird auch keine Erbbaurechtsgrundstücke enthalten und zur Verunsicherung von Kleinsiedlern beitragen. Insofern sind wir sehr für die Einrichtung dieses Liegenschaftsfonds, der zu einer Aktivierung des Berliner Landesvermögens beträgt, zu einer professionellen Vermarktung, die wir an dieser Stelle dringend nötig haben. Wir werden allerdings auch darauf dringen, dass das Parlament in ausreichender Art und Weise beteiligt wird.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen. In der letzten Legislaturperiode gab es auch im Hauptausschuss immer wieder eine Klage über das Finanzmanagement und die Kostenund Leistungsrechnung. Ich bin es – ehrlich gesagt – leid, von der Verwaltung immer wieder seit Jahren dieselbe Auskunft zu erhalten. Die geschilderten Probleme sind zwar richtig, würden aber alle mit Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung gelöst. Nun führt sie doch endlich einmal ein! Es kann nicht sein, dass die Verwaltung weiterhin nicht weiß, was einzelne Maßnah

men kosten. Es kann nicht sein, dass man weiterhin auf einem Stand – Frau Flesch – von vor hundert Jahren mit Kameralistik rechnet. Es müssen endlich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Kosten- und Leistungsrechnung auch uns Transparenz im Haushalt schafft, damit wir am Ende sehen können, was Maßnahmen wirklich kosten.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen Vorschlag unterbreiten, den wir in diesem Haus diskutieren sollten: Der Rechnungshof hat eine wichtige Aufgabe bei der Kontrolle des Haushalts. Warum soll auch in Zukunft der Rechnungshofpräsident ein Jurist sein? Wäre es nicht sinnvoller, den Rechnungshof weniger auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit als auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Verwaltungshandeln umzupolen?

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Würden Sie bitte zum Schluss kommen!

Es ist der letzte Satz, Herr Präsident! – Es wäre in einem solchen Fall nur konsequent, an der Spitze des Rechnungshofs jemanden aus der Wirtschaft zu haben, der mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung das wirtschaftliche Handeln der Verwaltung wirklich sinnvoll kontrollieren kann.

Die Sanierung des Haushalts ist unsere Gemeinschaftsaufgabe. Wir werden alles daran setzen, die Chancen für die Menschen in unserer Stadt zu nutzen. Dass wir keine Elendsstimmung verbreiten, meine Damen und Herren von der Opposition, mag Ihnen zwar Leid tun, aber dazu gibt es auch keinen Anlass. Wir werden die Finanzen sanieren und damit die Voraussetzungen für leistungsfähige und sinnvolle Politik im Sinne der Menschen schaffen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Liebich (PDS): Alles wird gut!]

Danke schön, Herr Kollege! Das Wort hat nunmehr Frau Werner für die Fraktion der Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Haushaltsplan soll üblicherweise das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm sein. Wir stellen für diesen Haushaltsentwurf 2000 fest: die Zahlen sind rot, die Handschrift ist schwarz, und ein Programm ist nicht erkennbar!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das Abgeordnetenhaus hat im letzten September die Arbeitsweise des Senats schon völlig richtig eingeschätzt. Es forderte ihn auf unseren Antrag hin auf, noch vor dem Wahltag einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2000 vorzulegen, denn die fraktionsübergreifende Befürchtung lautete wohl schon damals, dass dieser Senat dies wieder einmal nicht schaffen würde. So ist es dann auch gekommen.

Ihre Pflicht, den Haushalt pünktlich vorzulegen, haben Sie wieder einmal verletzt. Was schert uns die Landeshaushaltsordnung, was interessiert uns ein Parlamentsbeschluss, so lautet offensichtlich die Philosophie des alten und neuen Senats. Es ist aber keineswegs so, dass hier nur unsere interne parlamentarische Arbeitsfähigkeit behindert würde. Durch die Verschleppung der Haushaltsverabschiedung geraten vielmehr auch Zuwendungsempfänger, die freien Träger und Projekte im Jugend-, Kultur- und Sozialbereich, aber auch alle anderen, die von einer ordentlichen Haushaltswirtschaft abhängig sind, in Gefahr. Ihre Finanzierung ist dann nicht gesichert. Sie können nicht planen. Ihre Arbeit ist gefährdet. Die Bürger, die auf die Arbeit der freien Träger angewiesen sind, bekommen das zu spüren. Man kann nicht immer nur Subsidiarität als Prinzip hoch halten, man muss sie auch kontinuierlich und verlässlich finanziell absichern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

(A) (C)

(B) (D)

Seit November liegen dem Abgeordnetenhaus unsere Anträge zur Absicherung der freien Träger vor. Die große Koalition hat sie vertagt. So können sie mit denjenigen nicht umgehen, die einen Großteil der sozialen, kulturellen und der jugendpolitischen Arbeit in dieser Stadt leisten. Gleiches gilt für die Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern. Hunderte können nicht, wie geplant, ihre Arbeit aufnehmen. Sie sitzen zu Hause und warten, bis dieses Parlament endlich einen Haushalt verabschiedet. Das ist an Ignoranz und Missachtung gegenüber diesen Menschen nicht zu überbieten

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Senator Kurth! Sie bejubeln Ihren Haushaltsentwurf in einer Presseerklärung als „Solide Finanzen für das neue Berlin“. Das ist einfach grotesk. Von soliden Finanzen ist Berlin noch unendlich weit entfernt. Das wissen Sie ganz genau. Wir haben es heute hier auch schon gehört. Die große Koalition hat während ihrer 10-jährigen Regierungszeit die Schulden vervierfacht. Berlin sitzt im Moment auf einem Schuldenberg von 65 Milliarden DM und zahlt an jedem einzelnen Tag – Sie haben es gesagt – 10,2 Millionen DM Zinsen. Der Senat beschreibt in seiner eigenen Finanzplanung diese Situation selbst sehr anschaulich. Er sagt, was das konkret bedeutet. Das möchte ich hier einmal wiederholen: „Man könnte für diese 10,2 Millionen DM Zinsen pro Tag beispielsweise 1 000 Arbeitslose ein Jahr lang in Beschäftigungsmaßnahmen unterbringen, 150 Polizisten einstellen, zwei Sporthallen errichten oder 35 Wohnungen bauen.“ Dies gilt für jeden einzelnen Tag!

Es wird sehr schwierig, Erfolge in den Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich zu erzielen, wenn Berlin den eigenen Sparwillen nicht dokumentiert. Die Fusion Berlin-Brandenburg, die wir Grüne wollen, wäre nach dem damals ausgehandelten Staatsvertrag heute gar nicht mehr möglich, weil Berlins Schulden viel zu hoch sind. Ein kleiner Lichtblick zeichnet sich dank der Politik der rot-grünen Bundesregierung ab.

[Beifall bei den GRÜNEN – Heiterkeit bei der CDU]

Jawohl, die Konjunktur belebt sich! Die Wirtschaft wächst, und die Zahl der Arbeitslosen geht, wenn auch noch viel zu gering, das ist klar, zurück. Im letzten Jahr konnten wir Mehreinnahmen von fast 1 Milliarde DM aus Steuern und Finanzausgleich verbuchen. Allein im letzten Monat, im Januar, lagen die Steuereinnahmen 15,6 % höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Das ist doch schon etwas!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Finanzsenator beklagt, dass Berlin wegen der von der Bundesregierung beschlossenen Steuerentlastungen im nächsten Jahr einen Steuerausfall in Höhe von 1,2 Milliarden DM droht. Herr Kurth, Sie verlieren aber kein Wort darüber, welch ungleich härtere Wirkung auf Berlins Finanzen das von der CDU/ CSU vorgelegte Steuermodell einer Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer auf 35 % hätte. Der Finanzsenator fordert außerdem das Schließen weiterer Steuerschlupflöcher. Sie haben Recht! Die Liste der Brühler Kommission mit den entsprechenden Vorschlägen ist noch längst nicht abgearbeitet. Ergreifen Sie eine entsprechende Bundesratsinitiative. Wir Grünen unterstützen Sie gern bei diesem Vorhaben.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Es ist richtig, vom Bund finanzielle Solidarität mit Berlin einzufordern. Es verwundert aber doch schon, wenn vor allem die CDU hier im Hause diese Art der Solidarität erst nach dem September 1998 so richtig entdeckt hat.

[Beifall des Abg. Dr. Arndt (SPD)]

Denn vorher, in der Ära Kohl ist die Berliner CDU bei diesem Thema eher auf Tauchstation gegangen. Zu Herrn Kohls Zeiten konnte Berlin vom Bund überhaupt nichts erwarten,

[Wieland (GRÜNE): Kein einziger Koffer kam!]

und kein Regierender Bürgermeister konfrontierte ihn mit Forderungen. Die rot-grüne Bundesregierung hat dagegen sofort nach

ihrem Regierungsantritt den Hauptstadtkulturfonds von 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM aufgestockt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall der SPD]

Wo ist eigentlich das Geld in Ihrem Haushalt geblieben?

Der Finanzsenator behauptet, mit dem Haushaltsentwurf 2000 halte der Senat am strikten Sparkurs fest. Diese Behauptung ist falsch. In Interviews klingt das alles so treuherzig. In der Finanzplanung – die leider kaum jemand liest – steht das anders: Sie werden in diesem Jahr weitere 3,8 Milliarden DM Schulden aufnehmen. Das sind 300 Millionen DM mehr, als von Ihrer Vorgängerin geplant. Sie wollen erst im Jahre 2009 die Netto-Neuverschuldung und das strukturelle Defizit auf Null zurückfahren. Das sind 3 Jahre später, als von Ihrer Vorgängerin geplant. Und Sie wollen in den nächsten 3 Jahren Vermögen in Höhe von 7,6 Milliarden DM verkaufen, aber die Hälfte davon brauchen Sie schon allein für die Abdeckung des Defizits aus dem letzten Jahr. Wir sind gespannt, wie Sie das alles hinkriegen wollen.

Es ist eben sehr wohl ein Unterschied zu den bisherigen Vorstellungen. Ein Festhalten am strikten Sparkurs ist darin nicht zu erkennen. Sie nennen es „zeitliche Streckung des Konsolidierungskurses aus stadtverträglichen Gründen“. Wer hätte etwas dagegen, wenn die Konsolidierung tatsächlich zugunsten dringender Stadtinteressen gestreckt werden würde. So ist es aber nicht. Sie strecken, weil Sie die selbst gesetzten Ziele nicht erreichen konnten. Wir müssen und immer wieder vor Augen führen, wie Berlin in diese bundesweit mieseste Finanzsituation geraten ist. Sicher, Herr Kurth – Sie haben das als alleinige Gründe genannt –, da sind objektive Gründe. Das bezweifeln wir nicht. Diese Gründe hätten jede Regierung in Schwierigkeiten gebracht. [Niedergesäß (CDU): Aha!]

Aber wir werden auch nicht aufhören, die hausgemachten Gründe der Finanzkrise immer wieder zu benennen.

Diese Koalition hat seit Jahren auf der einen Seite Mittel gekürzt und auf der anderen Seite – gegen unseren Protest – erhebliche Summen mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen. [Beifall bei den GRÜNEN]

Diese Sünden von gestern sind die Haushaltszwänge von heute, und sie beschneiden unser aller Gestaltungsspielraum.

Einige Beispiele, die man immer wieder nennen muss, denn sie wirken in die Gegenwart hinein: Sie haben die Luxus-Olympiahallen gebaut, obwohl schon längst entschieden war, dass Berlin nicht den Zuschlag für die Olympischen Spiele erhält.

[Niedergesäß (CDU): Das war das Beste, was wir machen konnten, Sporthallen bauen!]

Dieser Starrsinn hat das Land Berlin 850 Millionen DM gekostet. Hinzu kommen jährlich 25 Millionen DM Unterhaltungskosten. Allein für den Betrieb der Schwimmhalle, die nur teilweise nutzbar ist, buttern die Steuerzahler täglich 25 000 DM dazu.

[Niedergesäß (CDU): Dorthin gehen die Kinder zum Schwimmen!]

Ein weiteres Beispiel: Die Belastungen, die sich aus der überdimensionierten Planung der Entwicklungsgebiete ergeben, geben Sie selbst mit 1,2 Milliarden DM an.

[Niedergesäß (CDU): Auf 20 Jahre!]

Vor einem halben Jahr sprachen Sie noch von 700 Millionen DM. Eine halbe Milliarde DM mehr – „na und“!