Herr Cramer von den Grünen hat seine 25. Flughafenrede aus den vorigen Jahren hervorgeholt, und Herr Gaebler hat bewiesen, dass er alte Drucksachen aus der Ablage holen kann.
Herr Gaebler, wenn wir nun über Verzögerungen reden, wer in der Vergangenheit was falsch und wie falsch gemacht hat, dann erinnern Sie sich vielleicht einmal an zwei Verzögerungsfaktoren, nämlich den einen, die Standortsuche, die letztendlich durch die SPD und ihre Halsstarrigkeit in der Sperenbergfrage verursacht wurde, und die zweite Verzögerung, die verbunden ist mit zwei Doppelnamen, nämlich Peschel-Gutzeit und Fugmann-Heesing, die beiden, die im Privatisierungsverfahren eine etwas unrühmliche Rolle gespielt haben und uns auch viel Zeit gekostet haben. Beide Damen sind meines Wissens ebenfalls SPD-Mitglieder. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Zu den Argumenten, die hier zum wiederholten Male ausgetauscht worden sind: Großflughafen und nicht Großflughafen. Herr Cramer sagt: Wir streiten uns gar nicht mehr um den Begriff. Irgendetwas wird es schon sein. – Andere wiederum sagen: Großflughafen ist Größenwahn. – Dritte wiederum sagen: Es wird nur ein Regionalflughafen. – Ich kann nur eines sagen: Wenn Sie Arbeitsplätze, und zwar zusätzliche Arbeitsplätze zu denen, die wir heute schon auf den Flughäfen haben, schaffen wollen, dann wissen Sie genauso gut wie ich, dass das nicht dadurch geht, dass man einen verbesserten Regionalflughafen Tegel nach draußen, nach Schönefeld verlegt. Die Zusammenlegung der Flugplätze und der Arbeitsstätten bedeutet nur, dass es weniger Arbeitsplätze geben wird. Mehr Arbeitsplätze gibt es nur, wenn es ein echter Großflughafen wird und ein Groß
flughafen mit Drehkreuzfunktion. Nur so werden wir für dieses Region Berlin-Brandenburg zusätzliche und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.
Aber auch dieses Beispiel – London und Paris: Natürlich vergleichen wir uns nicht mit London und Paris. Wie könnten wir uns auch mit London und Paris vergleichen mit solchen Kommunalpolitikern aus den grünen Reihen? – Das können wir sicherlich nicht vergleichen.
Da wir nun in der Tat nicht das gleiche Format auf dieser Seite des Hauses. Aber wollen wir doch einmal andere Städte heranziehen, Herr Cramer! Wenn Sie so gerne vergleichen, dann vergleichen Sie uns doch mit Mailand, dann vergleichen Sie uns mit Stockholm, Städte, die durchaus im Fluggastaufkommen mit Berlin vergleichbar sind und – oh Wunder – mehrere Flughäfen betreiben. Sie sehen also, Ihre Auslassungen zu Großflughäfen sind an dieser Stelle nicht ganz zutreffend.
Die Frage ist: Schaffen wir es denn nun eigentlich, Großflughafenstandort und Drehkreuz zu werden? – Bei der PDS bin ich immer noch nicht ganz im Klaren, was Sie genau wollen. Bei den Grünen höre ich: Wir wollen den Flughafen schon, aber eigentlich brauchen wir ihn nicht, denn in Zukunft werden die Leute überwiegend mit der Bahn fahren.
Dazu sage ich nur: Wenn Sie so gerne Zahlen zitieren, dann zitieren Sie sie auch vollständig. Sie wissen, das Personenverkehrsaufkommen der Bahn ist im letzten Jahr um 0,8 % gestiegen. Das ist erfreulich. Das innerdeutsche Fluggastaufkommen ist um 6 % gestiegen. Das sind die realen Zahlen. Das ist die wirkliche Tatsache in der Verkehrspolitik. Das hat mit Umverteilung in Richtung Bahn nichts zu tun. Wer darauf hofft, der kann sehr lange warten. Wenn argumentiert wird, wir hätten heute nur 13 Millionen Fluggäste, deswegen brauchten wir nur einen besseren Flughafen Tegel und nicht mehr, wenn man so an die Dinge herangeht und sagt: Was wir heute haben, das werden wir auch in Zukunft haben, wir sind eben eine arme Region. – Das ist immer Ihre Redensart. Ja, natürlich sind wir das. Aber wollen wir das im Ernst bleiben, oder wollen wir Wege finden, wie wir aus dieser Armut herauskommen, wie wir diese Region aufbauen können?
Wenn man etwas nach vorne schaut und sich anguckt, wie das in anderen Städten gelaufen ist, dann wird man sehen, dass man mit einer solchen rückwärts gewandten Einstellung nichts gewinnt. München-Riem hatte im letzten Jahr des Betriebs 12 Millionen Fluggäste, der heutige Münchner Großflughafen hat 24 Millionen Fluggäste. Da sehen Sie, wie sich die Realität wirklich entwickelt.
Nun noch eines zu dem Verfahren und zu den Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters über das Angebot: Niemand, Herr Regierender Bürgermeister, hat von Ihnen verlangt, dass Sie ein Angebot einfach unbesehen annehmen.
Aber ist es wirklich intelligent, wenn man ein Angebot und Anbieter, die selbstverständlich ihre eigenen Interessen vertreten – gar keine Frage –, in der Öffentlichkeit mit Worten wie „Raubritter“, „unzumutbar“, „nicht annehmbar“ bedenkt?
Ist das tatsächlich verantwortungsbewusstes und vernünftiges Handeln? – Ich frage mich, was man dann von solchen „Raubrittern“ erwartet. Ich weiß auch nicht, Herr Wowereit, wer Sie in dieser Geschichte sind, wahrscheinlich Rapunzel, wenn die anderen die Raubritter sind.
Insofern weiß ich nicht genau, was Sie bei einem neuen Angebot erwarten. Wenn man so mit diesen Anbietern umgeht und sagt: Euer Angebot ist unzumutbar, ihr wollt uns über den Tisch ziehen, nun macht doch bitte ein neues –, dann erwarten Sie also
im Ernst, dass nun ein neues Angebot kommt, das wesentlich günstiger ist und das Eingeständnis wäre: Tatsächlich, die Anbieter haben versucht, das Land Berlin über den Tisch zu ziehen. – Ich glaube, das ist nicht besonders intelligent. Wenn man zu einem Abschluss kommen will, wenn man tatsächlich das Interesse hat, diesen Flughafen in Gang zu bringen – und das können wir nur mit privaten Investoren, denn selber können wir es nicht finanzieren –, dann hätte man das alles ganz anders handeln müssen, sehr viel ruhiger, sehr viel leiser, weniger aufgeregt, dann wäre man wahrscheinlich auch schon viel weiter. Was wir von Ihnen verlangen, ist nicht mehr, als endlich in Verhandlungen einzutreten und über die Fragen zu diskutieren, die wichtig sind: Wer übernimmt die Risiken für das Baufeld Ost von 500 Millionen? Wer übernimmt den Bahnausbau? – Auch eine Summe von fast 1 Milliarde. Wer übernimmt die Frage Grundstückskäufe oder Erbpacht? – Das alles sind konkrete Fragen, die zu erörtern sind,
aber nicht über die Presse und auch nicht mit Verbalinjurien, sondern in Gesprächen mit den Investoren.
Dazu fordern wir Sie auf, denn nur so kommen wir zu einem wirklichen Großflughafen in dieser Region, den diese Region braucht. Ich glaube, dass diese Region auch auf Dauer – – Und ich sage das auch noch einmal in Bezug auf diese alte Vorlage, Herr Gaebler: Damals ist nicht abgestimmt worden über den Standort Schönefeld, sondern es ist abgestimmt worden über den Wortlaut des Konsensbeschlusses. Das ist, bitte schön, etwas ganz anderes!
Und ich glaube schon, dass dieser Konsensbeschluss – das sagen Ihnen alle Fachleute von Lufthansa, Fluggesellschaften und auch von der Flughafengesellschaft selber – an einem endscheidenden Punkt einen Fehler hat: Er gibt die Kapazität in Tempelhof auf – das hat übrigens ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Herr Müller, der neben Ihnen sitzt, auch schon erkannt – zu einem Zeitpunkt, wo noch keine neue Kapazität in Schönefeld entstanden ist. Allen Experten ist klar: Wir brauchen Tempelhof bis 2007, bis Schönefeld nicht nur auf dem Papier steht, sondern bis Schönefeld tatsächlich in Betrieb geht. Dafür müssen wir alle gemeinsam, wenn wir vernünftige Luftverkehrspolitik betreiben, auch kämpfen.
Deshalb etwas weniger Vergangenheitsbewältigung, etwas weniger Selbstgerechtigkeit und etwas weniger Verbalterrorismus in der Öffentlichkeit, besser verhandeln mit den Investoren, schnell verhandeln, schnell zu einem Abschluss kommen, und dann ist Berlin und ist der Großflughafen auf einem guten Weg. – Danke schön! [Beifall bei der CDU]
Danke schön, Herr Kaczmarek! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Seitz! – Bitte schön, Herr Kollege Seitz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte habe ich aufmerksam – auch durchaus mit Erheiterung – verfolgt. Sie unterschied sich ja von so manch anderer Aktueller Stunde, und vielleicht ist sie allein deshalb aktuell, und natürlich hat jede Fraktion das getan, was in diesen Zeiten angesagt ist: die eigenen politischen Großtaten herausgestellt und die der anderen relativiert.
An die Adresse von Herrn Steffel gewandt – aber auch nach Ihrer Rede, an Sie Herr Kaczmarek, als Haushälter: Warum machen Sie es uns eigentlich immer so leicht? Das ist doch gar nicht notwendig, so schlecht sind wir doch nicht, Sie müssen es uns nicht leicht machen. Wer kann denn ernsthaft die Privatisierung fordern auf der Grundlage eines Angebotes, das 50 Millionen DM offeriert – minus 600 Millionen DM zu dem alten Angebot – und darüber hinaus die Verlängerung der Konzession auf
99 Jahre fordert, die Ausweitung der Haftung auf die Altgesellschafter, im Gegenzug natürlich die Reduzierung der Haftung der Konsorten, eine Veränderung der Kostentragepflichten – also Umsiedlung und Beseitigung von Altlasten – zu Lasten der Altgesellschafter, geringere Kontrollbefugnisse der Altgesellschafter und auch geringere Eingriffsbefugnisse. Alles zu dem opulenten Kaufpreis von nur noch 50 Millionen DM! Geringere Berücksichtigung der Arbeitnehmerrechte und der Mitbestimmungsrechte, Bereitstellung aller Grundstücke der Altgesellschafter, aber im Gegenzug Übernahme des Baufeldes Ost mit allen Verbindlichkeiten. Und natürlich noch das Risiko der Absicherung, was die Entgelterhebung angeht, natürlich durch die Altgesellschafter. Wer will denn als ernsthafter Kaufmann – und wenn man auch nur Haushälter ist – sagen, dass das ein ernsthaftes, seriöses Angebot ist? Das kann doch niemand sagen.
Und wenn Herr Steffel in Brüssel war, bei Frau Palacio, kann ich mir nicht vorstellen, dass Frau Palacio ihm geraten hätte, diesem Vertrag zuzustimmen. Herr Gewalt, vielleicht raten Sie ja ihrem Fraktionsvorsitzenden, Frau Palacio mit in das Beratungsteam zu nehmen. Das wäre vielleicht hilfreich.
Standen 1998 einem Kaufpreis von 650 Millionen DM Risiken und Lasten von 750 Millionen DM zu Lasten der Altgesellschafter gegenüber, so ist die Konsequenz des neuen Angebotes ein Kaufpreis von 50 Millionen DM und Risiken und Lasten von weit über einer Milliarde DM. Herzlichen Glückwunsch! Wer will jetzt noch fordern, dieses „Angebot“ anzunehmen?
Darüber war es ein Gedanke, den wir dabei hatten – und davon ist auch gesprochen worden –, dass der Bau des Großflughafens oder des Drehkreuzes oder BBI, wie immer man es nennen mag, einen Impuls in die Bauwirtschaft gibt. Die Unternehmenskonstruktion des Konsortiums wird das wahrscheinlich nicht befördern; die Vorteile für die Unternehmen in der Region sind eher unwahrscheinlich.
Ja, da müssen Sie halt mal in die Unternehmenskonstruktion gucken, dann werden Sie das ganz alleine feststellen.
50 Millionen DM Kaufpreis: Im Nachtragshaushalt haben wir allein 55 Millionen DM für dieses Jahr an Zuschuss für die Flughafengesellschaft beschlossen, und die Frage, ob wir den Flughafen selber bauen können, stellt sich immer noch. Aber sie stellte sich immerhin leichter, hätten wir nicht die 4 Milliarden DM bei der Bankgesellschaft versenkt. Das wäre mindestens die halbe Miete gewesen.
Herr Kaczmarek, wir verstehen uns so gut, stellen Sie mir die Frage nachher, die fünf Minuten sind sehr kurz, das wissen Sie ja selber.
Lassen Sie mich einen kurzen Ausflug machen in die Notwendigkeit des Flughafens. Bis auf die PDS, wo ich das bisher nicht erkennen konnte, hat eigentlich niemand die Notwendigkeit eines leistungsfähigen Flughafens bezweifelt.