Protocol of the Session on September 27, 2001

Noch eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Galland – bitte sehr!

Herr Strieder! Ich gehe mit Ihrer Zustimmung davon aus, dass Sie meine Frage nicht verstanden haben. Ich hatte Sie nicht gefragt, was wir neben dem Quartiersmanagement noch tun, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Da bin ich mit Ihnen einverstanden, das ist eine der vornehmsten Aufgaben dieses Abgeordnetenhauses. Aber es war eben originärer Bestandteil des Konzeptes des Quartiersmanagements, gerade mit den lokalen, vor Ort initiierten Projekten für Beschäftigung zu sorgen, und da haben Sie mir mit Ihrer Frage gerade – da gehe ich von Ihrer Übereinstimmung aus – bewiesen, dass dort eben nichts passiert ist. – Vielen Dank!

Herr Senator Strieder, bitte sehr!

Auch wenn Sie keine Frage stellen, muss ich Ihre Unterstellung, Frau Galland, doch zurückweisen. Denn die Projekte, von denen ich gerade geredet habe, über das Platzproblem, das Brunnenprogramm, aber auch die übrigen Projekte, die in diesen Quartiersmanagementgebieten liegen, bedeuten aktive Arbeitsmarktpolitik. Die hätten Sie ja schon vor vielen Jahren einleiten können, wenn Sie diese Ideen dazu gehabt hätten. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, der Versuch, die Leute einzubeziehen

[Zuruf von der CDU: Ja, ja!]

in die Arbeit vor Ort und zur Verbesserung des Wohnumfeldes, ist ausgesprochen erfolgreich.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Die letzte Zusatzfrage in diesem Zusammenhang stellt Herr Abgeordnete Nelken von der Fraktion der PDS. – Bitte sehr!

Herr Strieder, ich will jetzt nicht auf Ihre wortreichen Legenden eingehen, aber als Bewohner eines solchen Quartiersmanagementgebietes und Mitglied einer Quartiersjury

frage ich Sie, ob Sie nicht auch den Eindruck haben, dass Aufgaben, die normalerweise von der Stadt oder den Bezirken zu gewähreisten sind, wie vielleicht dichte Schuldächer, jetzt in die Quartiersfonds abgeschoben werden.

[Niedergesäß (CDU): Verschiebebahnhof!]

Herr Senator Strieder, bitte!

Diesen Eindruck, Herr Nelken, teile ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Wir haben ein 100-Millionen-DM-Sanierungsprogramm für Schulenund Sportstätten sehr erfolgreich umgesetzt

[Zurufe]

und haben diese in die Bezirke hinein gegeben, dieses Jahr auch ohne Beteiligung der Bezirke.

Das Quartiersmanagement ist dazu da, Defizite, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort definieren, zu beheben. Das ist sehr viel preiswerter, denn die Quartiersmanagements gehen sehr viel genauer mit dem Geld um, als das von der Verwaltung häufig gemacht wird. Es hat auch den Vorteil, dass die, die dort leben, genau wissen, was die Defizite sind. Es mag ja sein, dass Sie immer noch dagegen sind; es ist ein sehr effektives Modell, erstens die Bürgerbeteiligung zu unterstützen – das ist direkte und unmittelbare Demokratie, die wir damit finanzieren und fördern –,

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Ungewöhnlich für die SPD!]

es ist zweitens ein Eingehen auf die Defizite in einem ganz konkreten Wohnbereich und drittens eine ganz unbürokratische und schnelle Hilfe. So, wie die Quartiersmanagementjurys arbeiten, kann ich Ihre Kritik, die Sie an den Bürgerinnen und Bürgern üben, die sich in ihrer Freizeit für ihren Kiez einsetzen, nicht akzeptieren. Denen allen gebührt unseren Dank.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Mündlichen Fragestunde. Alle mündlichen Anfragen, die heute nicht beantwortet werden konnten, werden gemäß § 51 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.

Weiterhin müssen noch die F r a g e n s c h r i f t l i c h b e a n t w o r t e t werden, die in unserer 3 3. S i t z u n g am 13. September vertagt und für die heutige Sitzung auch nicht wieder eingebracht wurden. Dies sind die Fragen – und ich darf das für den Senat noch einmal mitteilen – mit den Nummern 1, 4, 8, 9, 11, 13, 15 und 17 aus der Zusammenstellung der Mündlichen Anfragen aus der 33. Sitzung. Dies war auch von den Fragestellern gewünscht. – Widerspruch höre ich nicht, dann ist das auch so beschlossen.

Und nun rufe ich auf zur

Spontanen Fragestunde

Nun haben wir schon die ersten vier Meldungen – da sie gesetzt sind, ist das nicht ganz so schlimm. Für die Fraktion der CDU stellt die erste spontane Frage Herr Abgeordneter Brauner. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Frau Senatorin Goehler. Frau Senatorin, treffen Zeitungsberichte zu, wonach Sie das World Trade Center als Phallussymbol bezeichnet haben? Falls ja, empfinden Sie Ihre gewählte Bezeichnung für das World Trade Center im Lichte des Terroranschlages und der allgemeinen Symphatiebekundung nicht als gefühllos? interjection: [Unruhe]

Frau Senatorin, bitte!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Brauner! Ich bin möglicherweise sogar dankbar für Ihre Frage, weil sie mir doch die Gelegenheit gibt, einen Kontext herzustellen, der wissentlich oder unwissentlich nicht hergestellt worden ist.

„Terror – Gefahren für das Zusammenleben der Kulturen – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler im Gespräch“, das war der Titel, unter dem die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur auf meine Initiative hin zusammen mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Künste sowie dem Haus der Kulturen der Welt zwei Tage nach dem welterschütternden Attentat – also am 13. September dieses Jahres – eine Diskussion veranstaltet hat.

Neben dem stillen Gedenken in den Kirchen, vor der Amerikanischen Botschaft und auf öffentlichen Plätzen, neben dem gebannten Sitzen vor den erdrückenden und den immer wiederkehrenden Bildern der Sender wollten wir mit unseren Mitteln – d. h. mit Mitteln der Wissenschaft und der Kultur – einen Ort des Gespräches eröffnen, aus der Gewissheit heraus, dass das Darüber-reden-Können lebensnotwendig ist in solchen Situationen der kollektiven Ohnmacht.

Eingeladen waren der Schriftsteller Hans Christoph Buch und die Schriftstellerin Ulrike Dressner, Prof. Heyne, Islamwissenschaftler an der Humboldt-Universität, der Antisemitismusforscher Prof. Wolfgang Benz von der Technischen Universität,

[Zurufe]

Ja, ich stelle einen Kontext her und werde Ihre Frage beantworten! – Prof. Schiffhauer, Kulturwissenschaftler an der Universität Viadrina und die beiden Präsidenten der Akademien, der Wissenschaften und der Künste, Prof. Dieter Simon und György Konra´d.

Voraussetzung für dieses Gespräch war – und nun zitiere ich aus meinem Eingangsstatement – die klare Verurteilung des terroristischen Anschlages:

Dieses Gespräch ist keine Suche nach Rechtfertigung. Niemand hat das Recht, im Namen unterschiedlicher Kulturen und Religionen barbarische Massenmordaktionen in ein friedliches Land zu tragen. Dies ist kein Akt von Verzweifelten und Unterdrückten, sondern das Ergebnis kalter Logik eines professionellen Geheimdienst- und Militärapparates.

Und ich ergänze aus der gestrigen Mitteilung der Akademie der Künste – bezogen auf György Konra´d:

Eine von der Kultursenatorin initiierte Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt war die erste öffentliche Podiumsdiskussion in Berlin, die den Terrorakt in den USA verurteilte, das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen würdigte und Versuche zu einer differenzierten Betrachtung der Hintergründe unternahm.

Die Diskussion beschäftigte sich u. a. mit der symbolischen Bedeutung der attackierten Objekte. Die Frage war: Warum gerade diese Gebäude? Dazu lautete meine Einschätzung, dass der Anschlag auf nichts Geringeres als auf das Herz der USA zielte. Denn was symbolisiert die politische, die wirtschaftliche und die militärische Weltmacht USA mehr als das Weiße Haus, das ja ebenfalls beabsichtigtes Ziel war, das World Trade Center und das Pentagon?

Und auf den Zwischenruf eines Podiumsteilnehmers:

Da gäbe es noch andere Assoziationen, ohne in Ihr

zu mir gerichtet –

früheres Handwerk pfuschen zu wollen.

Sie wissen, ich bin Psychologin –, stutzte ich und ergänzte: „Ja, die Twin Towers sind auch Phallussymbole.“

Hierzu zitiere ich einen dpa-Journalisten, der in der Veranstaltung war – im Unterschied zu Politikern, die sich dazu geäußert haben, und auch zu Presseangehörigen, die nicht auf der Ver

anstaltung waren – und heute als Privatmann in einem Leserbrief an eine überregionale Tageszeitung Folgendes geschrieben hat:

Für Psychoanalytiker sind Phallussymbole nichts Furchterregendes und Ehrenrühriges.... Die Begriffe tauchten an dem Abend nur in dieser einen Sekunde auf und spielten in der ganzen Debatte keine Rolle. Daraus Rücktrittsforderungen konstruieren zu wollen, ist grotesk.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Ich habe den Kontext, in dem diese Äußerung gefallen ist, deshalb so ausführlich beschrieben, Herr Brauner, um nachvollziehbar zu machen, dass es sich ganz unstrittig nicht um eine Verharmlosung, nicht um eine Geschmacklosigkeit oder gar um eine Rechtfertigung gehandelt hat, sondern um die Analyse dessen, was die neue – und ich nehme an, wir sind da einig –, bisher maßstabslose Dimension des Terroranschlags deutlich gemacht hat. Da wurde nämlich blutigster Terror auf die Zivilbevölkerung ausgeübt, und die schrecklichen, archaischen Bilder haben uns seither nicht mehr losgelassen.

Ich kann aber Ihre Frage dahin gehend beantworten, dass ich durchaus erkenne, dass man jeder noch so analytischen Position, die ja um ein Erfassen des nahezu Unerfassbaren ringt, in eine Rechtfertigung verkehren kann, wenn man sie nur dem Kontext entreißt und sie zu Wahlkampfzwecken missbrauchen will. Das, finde ich, ist bitter. Ich habe es aber verstanden, was die Absicht ist. Ich denke, man musste sich schon sehr anstrengen wollen, um mich misszuverstehen. Über die Motive dieses Missverstehens will ich hier nicht spekulieren. Es könnte mir ja dann wieder das Wort im Munde umgedreht werden. – Vielen Dank!