Protocol of the Session on July 12, 2001

Wir wollen mehr Verkehrssicherheit, und wenn uns das gelingt und wir damit zugleich noch Einnahmen realisieren, dann kann niemand etwas dagegen haben.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Dass wir heute die Hochschulverträge verabschieden können, das ist ein wirklicher Erfolg. Auch wenn das Frau Grütters – wir haben es vorhin in der Fragestunde gehört – stört, auch wenn die CDU-Fraktion sich nur der Stimme enthält,

[Zuruf von der CDU: Ich bin dagegen!]

was mich sehr erstaunt, ist dies ein wirklicher Erfolg. Ich möchte den Dank dafür, dass dies gelingen konnte, neben der Wissenschaftssenatorin, den Rektoren und Präsidenten der Universitäten und Hochschulen sowie den Chefs der Uniklinika ganz bewusst auch an alle die Hochschulpolitiker und -politikerinnen und Haushaltspolitiker und -politikerinnen richten, die in den vergangenen Tagen mit diesem Thema befasst waren. Das waren keine einfachen Verhandlungen, das wissen wir. Wir wissen das, weil es einhergeht mit notwendigen Strukturveränderungen. Entscheidend aber ist das Ergebnis. Wir können den Universitäten und Hochschulen Planungssicherheit bis zum Jahr 2005 geben. Das stärkt den Wissenschaftsstandort Berlin und das ist ein wirklich gutes Ergebnis nach dreieinhalb Wochen rot-grüner Regierung.

[Beifall bei den Grünen]

Wir müssen mit diesem Nachtragshaushalt heute aber auch die Erhöhung der Netto-Neuverschuldung um 6 Milliarden DM beschließen. Davon werden, wie wir alle wissen, möglicherweise bis zu 4 Milliarden DM als Kapitalspritze in die Bankgesellschaft fließen. Das ist – um sich einmal vor Augen zu führen, um welche Dimension es sich dabei handelt – mehr als ein Viertel dessen, was das Land Berlin jährlich an Steuern einnimmt. Man könnte allein mit dieser gigantischen Summe die Hochschulverträge zwei Jahre lang finanzieren. Das Schlimmste aber ist, dass all die Einsparleistungen, die in den vergangenen Jahren erbracht wurden – erbracht von den Bezirken, von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, von den Bürgerinnen und Bürgern, erbracht wurden von der Bevölkerung in dieser Stadt – von diesen vier Milliarden DM wieder gnadenlos aufgefressen werden. Die Einsparungen der letzten Jahre haben die Landowskys und Co. zunichte gemacht, und wir werden von diesem Erbe auch noch länger etwas haben, denn wir können es leider nicht ausschlagen. Dieses Erbe wird Berlin auf Jahre belasten. Dass die CDU dies einfach ausblendet, zeigt, dass sie weder bereit noch in der Lage ist, Verantwortung für die Zukunft Berlins zu übernehmen.

Mit den noch in diesem Jahr anstehenden Vermögensveräußerungen hat der Senat sich ein anspruchsvolles Ziel gesetzt oder wie Herr Seitz vorhin gesagt hat: Dies ist eine exorbitante Herausforderung. Ob und in welcher Größenordnung sie realisiert werden können, davon wird abhängen, wie dieses Haushaltsjahr abschließt. Dabei kommt – auch das ist schon gesagt worden – der Neustrukturierung der Bankgesellschaft eine enorme, auch finanzpolitische Bedeutung zu. Wir gehen davon aus, dass die Aufräumarbeiten dieser desaströsen Hinterlassenschaft der großen Koalition Jahre andauern werden. Wir wissen auch, dies wird nicht ohne tiefe finanzielle Einschnitte einhergehen.

Eins muss man auch klar und deutlich sagen: Wir werden in Zukunft nicht mehr alles finanzieren können, was wünschenswert ist. Das gilt auch für den Zukunftsfonds Berlin. Dass wir ihn finanziell so herunterfahren mussten, finde ich neben aller Kritik, die da kam, auch nicht sehr erfreulich, aber mangels Alternativen war nichts anderes möglich, war es auch nicht zu vermeiden. Und diejenigen, die sich gerade aus den Reihen der CDU heute lauthals darüber beschweren, dass dieser Zukunftsfonds so nicht weiterfinanziert werden kann, denen muss man klar und deutlich sagen: Hätte ein Politbanker aus Ihren Reihen die Berlin-Hyp nicht so gnadenlos heruntergewirtschaftet,

[Niedergesäß (CDU): Sie reden wirr!]

hätte das Land Berlin nicht für die faulen Kredite der Vergangenheit geradezustehen, dann hätten wir auch mehr finanziellen Spielraum für den Zukunftsfonds gehabt. Das ist die Realität.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Cramer (Grüne): Genau!]

Bei vernünftigen Projekten werden wir zukünftig Prioritäten setzen, aber wir werden vor allem auch damit aufhören müssen, Dinge zu finanzieren, die unvernünftig sind. Deshalb muss z. B.

der Flughafen Tempelhof geschlossen werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss für Schönefeld da ist. Allein das bringt dem Landeshaushalt 55 Millionen DM jährlich.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Niedergesäß (CDU): Sie waren doch immer gegen Schönefeld, woher kommt denn dieser Bewusstseinswandel?]

Es ist völlig absurd, dass beim Aufstellen eines Verkehrsgitters in diesem Land Berlin drei Beamte drei verschiedener Verwaltungen anwesend sind. Wir sagen: Für solche bürokratischen Späße hat das Land Berlin einfach zukünftig kein Geld mehr. Auch damit muss endlich Schluss sein.

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der Modernisierung des öffentlichen Dienstes, dem Abbau von Doppelzuständigkeiten, auch der Auslagerung von bisher öffentlichen Aufgaben und vor allem auch einen besseren Service für die Bürgerinnen und Bürger kommt eine enorme Bedeutung zu. Ob eine Metropole wie Berlin zukunftsfähig ist, hängt im entscheidenden Maße auch von ihrer Verwaltung ab.

Frau Kollegin Klotz! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niedergesäß?

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Ich habe die Zwischenrufe die ganze Zeit schon parallel im Ohr, Herr Niedergesäß, Sie brauchen kein Mikrophon, davon bin ich nach all den Jahren Erfahrung mit Ihnen fest überzeugt.

[Niedergesäß (CDU): Haben Sie Schiss?]

Pauschale Kürzungen, die Sozialämter auch noch stärker treffen als die Hauptverwaltungen, darf es in Zukunft nicht mehr geben. Wir haben ein Konzept entwickelt, das ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommt, das die Personalkosten reduziert, aber noch einen Einstellungskorridor gewährleistet. Unser Ziel ist es, mit einem solidarischen Beschäftigungspakt, wie wir ihn übrigens schon 1995 vorgeschlagen haben, voranzukommen. Auch hier gab es sechs verlorene Jahre. Auch hier müssen wir feststellen, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vorzugsweise in Wahlkampfzeiten Manövriermasse waren, dass man eine Beschäftigungssicherungsvereinbarung verabschiedet und verlängert hat, ohne auch darüber zu reden, wie die weitere Perspektive aussehen soll. Das war das Tun des CDU-Innensenators noch vor den letzten Wahlen. Auch das ist eine Last, mit der wir heute leben müssen, wo wir andere Strukturen für die Zukunft schaffen wollen.

Berlin braucht intelligente Konzepte, die Haushaltskonsolidierung mit Beschäftigung und Qualifizierung verbinden. Ich sage noch einmal: Bei 270 000 Sozialhilfeempfangenden in der Stadt,

[Niedergesäß (CDU): Das werden jetzt immer mehr, wenn ihr regiert!]

darunter fast 100 000 Kindern und Jugendlichen, liegt der politische Handlungsbedarf wohl auf der Hand. Unser Ziel ist es, den ca. 70 000 beschäftigungsfähigen Sozialhilfeempfangenden perspektivisch eine Beschäftigung anzubieten, damit sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können.

Wir wollen die Modernisierung der Sozialämter, wir wollen die stärkere Kooperation von Sozialämtern und Arbeitsämtern, wir wollen, dass die Angebote wirklich individuell auf die Einzelnen zugeschnitten werden. Wir sagen: Nicht die Faulheit der Menschen ist das Problem, sondern die mangelnden Beschäftigungsangebote.

[Niedergesäß (CDU): Dann macht mal, das könnt ihr jetzt ja alles machen!]

Wenn wir Beschäftigungsangebote schaffen, wenn wir fördern, dann kann auch gefordert werden. Auch hier kann sich Berlin weitere verlorene Jahre nicht leisten, gerade hier besteht ein dringender Handlungsbedarf.

[Beifall bei den Grünen]

Wir als Bündnis 90/Die Grünen stehen dafür, dass in Berlin nicht weitere sechs Jahre ungenutzt verstreichen. Der Bankenskandal darf nicht einfach in Vergessenheit geraten. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden,

[Niedergesäß (CDU): Richtig! – Beifall des Abg. Trapp (CDU)]

wenn möglich, auch mit ihrem privaten Vermögen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir werden Strukturen schaffen, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen. Das reicht von der Vergabe öffentlicher Aufträge bis zur Verschärfung der Korruptionsbekämpfung. Wir sind nicht die besseren Menschen, das will ich nicht behaupten, aber wir sind diejenigen, die mit dem alten Westberliner Filz und auch mit dem alten Ostberliner Filz definitv nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

[Niedergesäß (CDU): Ihr wart gar nicht anwesend!]

Deswegen stehen wir für eine Zukunft Berlins als filz- und korruptionsfreier Metropole.

[Beifall bei den Grünen]

Die hohe Wirtschaftskompetenz der CDU ist ein Mythos. Es war die CDU, die dem Wirtschaftsstandort Berlin großen Schaden zugefügt hat.

[Niedergesäß (CDU): Das ist ja wohl ein Witz!]

Wer will in der Hauptstadt von Filz und Korruption, Herr Niedergesäß, wer will in dieser Hauptstadt noch investieren? Anstatt junge Ideen von neuen Unternehmen zu fördern, wurde auch in den vergangenen Jahren der alte Wirtschaftsklüngel bedient. Wir wollen neue Technologien, wir wollen alternative Energien fördern, Solaranlagen, Wärmedämmung und Energieeinsparung statt Energieverschwendung.

[Niedergesäß (CDU): Olle Kamellen! Das haben Töpfer und andere beschlossen! Ihr habt einen Atomkomplex!]

Das bringt Arbeitsplätze, vor allem im Handwerk, vor allem in den kleinen und mittleren Unternehmen. Und in der Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie, Herr Niedergesäß, liegt die Zukunft. Auch in Berlin sollte man zukünftig besser in Köpfe als in Beton investieren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wollen eine ökologische Stadtpolitik, die die Lebensqualität verbessert. Dazu gehört das Grün in den Kiezen genauso wie eine moderne Verkehrspolitik. Der Vorrang für den öffentlichen Nahverkehr muss sich in Preissenkungen für Busse und Bahnen niederschlagen, aber übrigens auch in einem durchgehenden Nachtverkehr, weil hier vorhin so interessiert über Tickets debattiert wurde. Es ist doch absurd, dass man in einer Metropole wie Berlin, wo man abends ins Theater geht, wo man danach abends in die Kneipe geht, hinterher nicht mehr mit der U-Bahn nach Hause fahren kann. Eine Metropole wie Berlin geht nicht kollektiv um 24 Uhr ins Bett.

[Zurufe der Abgn. Molter (CDU) und Niedergesäß (CDU)]

Deswegen brauchen wir auch endlich den öffentlichen Nahverkehr – die U-Bahn –, die nachts durchfährt, mit der man nachts nach Hause kommt, um nicht in die Blitzgeräte zu geraten, die auf den Straßen die Raser kontrollieren.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]