Wir wollen nicht, dass die Wirtschaftspolitik von Wolfgang Branoner bruchlos fortgesetzt wird, sondern wir wollen auch hier einen Neuanfang.
Was das Thema Flughafenprivatisierung angeht, gibt es Verfahren, die eingeleitet wurden: das Planfeststellungsverfahren und das Privatisierungsverfahren. Diese Verfahren müssen vom Senat selbstverständlich nach Recht und Gesetz und nach Vergaberecht zu Ende gebracht werden.
Es kann aber – das sage ich zu Ihnen von der CDU und auch zur SPD – nicht angehen, dass unter dem Motto und der Überschrift „Zukunftsprojekt“ die Augen zugemacht werden vor erheblichen finanziellen Risiken. Wir brauchen keine zweite Bankgesellschaft unter dem Deckmantel Flughafen. Deshalb werden wir darauf achten, dass bei der Privatisierung und bei der Durchführung des Vergabeverfahrens sehr genau darauf geachtet wird, wie die Interessen des Landes Berlin und der Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, was die finanziellen Risiken angeht, vertreten werden. Deshalb diese klare Aussage von uns: Hier müssen auch alle Risiken auf den Tisch. Anders wird es nicht gehen. Es macht keinen Sinn, virtuelle Konsolidierung zu betreiben, es macht keinen Sinn, Risiken zu vertuschen unter dem Motto „Zukunftsprojekte“. Das haben wir in den letzten zehn Jahren allzu häufig gehabt. Die sind uns allesamt wieder auf die Füße gefallen. Hier wollen wir von Anfang an klare, wirtschaftlich tragfähige Konzeptionen haben.
[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Radebold (SPD)]
Dritter Punkt: Dieser Senat muss natürlich das, was dringlich entschieden werden muss, entscheiden. Deshalb begrüße ich die Erklärung, dass die Hochschulverträge noch vor den Wahlen abgeschlossen werden sollen. Ich begrüße zugleich aber auch die Erklärung, dass die Neustrukturierung der Hochschulmedizin und die Sparpotentiale ernsthaft angegangen und geprüft werden sollen. Darüber ist in der Vergangenheit immer geredet, aber nichts getan worden.
Auch dieses muss jetzt beendet werden. Deshalb sind wir dafür, diesen doppelten Schritt zu gehen, klare Zusage: Wir wollen die Hochschulverträge, aber auch klare Zusage: Bei der Hochschulmedizin muss etwas passieren. Dazu müssen Konzepte auf den Tisch gelegt werden vor den Wahlen.
Wir begrüßen, dass die klare Priorität gesetzt wird – das auch gestern im Nachtragshaushalt – auf die Bildung, weil Bildung eine Zukunftsaufgabe ist und weil gerade Bildung zentral zusammenhängt mit der sozialen Gerechtigkeit und mit den Zukunftschancen für die junge Generation. – Was wir nicht teilen, ist die unkritische Haltung zum vorgelegten Schulgesetz, weil wir der Meinung sind: Bildung und Bildungspolitik muss zwei Aufgaben miteinander kombinieren. Sie muss Chancengleichheit und Förderung von Begabung angehen. Das scheint uns im Entwurf des Schulgesetzes noch nicht befriedigend gelöst. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das Schulgesetz in dieser Legislaturperiode – es sei denn die CDU verzögert sie unendlich – endlich zur Abstimmung kommen wird.
Auch was die Stadtentwicklungspolitik angeht, können wir es ertragen, dass Senator Strieder sein Planwerk Innenstadt wieder in den Richtlinien der Regierungspolitik untergebracht hat.
Ich habe es mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Regierende Bürgermeister in seiner mündlich vorgetragenen Regierungserklärung etwas mehr gesagt hat zur Revitalisierung der
Stadtquartiere und der Stadtteile, aus denen Berlin lebt, zu den Großsiedlungen, auf die wir auch ein deutliches Augenmerk richten müssen, dass da die soziale Gerechtigkeit herrscht,
und nicht so sehr auf die Frage, ob mit dem Planwerk Innenstadt neue Bautätigkeiten angegangen werden. Das ist auch eine Frage, die wir in aller Gelassenheit nach Neuwahlen noch einmal diskutieren können. Dann wird man darüber auch anders reden müssen.
Dieser Senat ist mit unseren Stimmen gewählt worden mit dem Ziel, Neuwahlen zu ermöglichen, Handlungsfähigkeit in der Übergangszeit zu gewährleisten und damit die notwendigen Aufgaben angepackt werden können. Wir sind aber gleichzeitig nicht Bestandteil dieser Koalition. Deshalb sage ich deutlich: Diese Regierungserklärung ist nicht unsere Regierungserklärung, sie ist die Regierungserklärung der rot-grünen Koalition. Wir werden allerdings, da eine solche Regierungserklärung und die Richtlinien der Regierungspolitik die Zustimmung der Mehrheit des Parlaments bedarf, heute diesen Richtlinien der Regierungspolitik zustimmen, weil das die notwendige Folge ist aus unserem Schritt, diesem Senat personell die Unterstützung zu geben. Der zweite notwendige Schritt, um die Handlungsfähigkeit dieses Senats zu gewährleisten, ist die Zustimmung zu den Richtlinien der Regierungspolitik. Das werden wir heute vollziehen. Alles Weitere werden wir in der Öffentlichkeit und in den Ausschüssen diskutieren. – Danke!
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich weiß, dass Sie weder für die Zwischenrufe noch für die Anwesenheit der einzelnen Fraktionen zuständig sind, aber ich muss schon sagen, meine Damen und Herren, meine verbliebenen Damen und Herren von der CDU-Fraktion: Ich finde es einen ausgesprochen schlechten Stil, wenn Sie meinen, hier nur anwesend sein zu müssen, wenn Ihr eigener Fraktionsvorsitzender spricht, und dass Sie in übergroßer Mehrzahl rausgehen, wenn die anderen Fraktionen reden. Ich dachte immer, es gehört zur Demokratie, dass man auch Meinungen austauscht. Dass Sie das anders sehen, das sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehapparaten ruhig zur Kenntnis nehmen. Es ist ein schlechter Stil.
Berlin atmet auf. Die Zeit der großen Koalition ist vorbei. Die politische Lähmung macht einer neuen Aufbruchstimmung Platz. Es kommt keine Euphorie auf, weil die Probleme, die die große Koalition dieser Stadt hinterlassen hat, zu groß sind. Aber es findet wirklich wieder Berliner Politik statt, es gibt frischen Wind, und die Berlinerinnen und Berliner interessieren sich auch wieder für Politik. Wenn die CDU-Fraktion endlich aufhören würde, beleidigt zu sein,
dann hätten wir auch eine starke Opposition. Der politischen Kultur hat das reinigende Gewitter der vergangenen Wochen wirklich gut getan, auch wenn der Herr Steffel, den wir hier vorhin gehört haben, das nicht wahrhaben will.
Deswegen sage ich, auch wenn er es nicht für nötig hält, sich an der Debatte weiter zu beteiligen, noch gern ein paar Sätze in Richtung CDU. Wir haben mit großem Interesse die Überlegungen zu einer schwarz-grünen Koalition in Berlin wahrgenommen. Und tatsächlich gibt es zwischen den Grünen und der CDU in einzelnen Politikbereichen durchaus Möglichkeiten der Verständigung. [Liebich (PDS): Wo denn?]
Das ist in verschiedenen Ausschusssitzungen und -beratungen auf der fachlichen Ebene auch immer wieder deutlich geworden. Aber eines muss man, glaube ich, hier einmal in aller Deutlichkeit sagen: Mit der Amigo-CDU der persönlichen Freunde von Herrn Dr. Steffel, die da heißen: Helmut Kohl und Klaus-Rüdiger Landowsky, werden wir definitiv nicht koalieren. Da müsste diese CDU in ihrem eigenen Laden erst einmal aufräumen, sich mit der Schuld der Berliner CDU, auch gerade der an der Bankenkrise Verantwortlichen, auseinander setzen.
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Cramer (Grüne): Wo bleibt die Entschuldigung? – Zuruf des Abg. Schöneberg (CDU)]
Um hier auch gleich mit ein paar Märchen aufzuräumen – es entsteht ja hier ein richtiger Wettstreit darüber, wer denn eigentlich den letzten Senat gestürzt hat, war es Wowereit, war es Wolf, wer war es eigentlich? – Es war Klaus-Rüdiger Landowsky, der diesen Senat gestürzt hat.
Das war auch kein Putsch, meine Damen und Herren von der CDU, weil das heute auch wieder kam. Die Putschisten sitzen in Ihren eigenen Reihen. Das sind die Mitglieder der CDU-Fraktion, die seit dem Beginn der Affären alles daran gesetzt haben, den Hauptverantwortlichen weiter in ihren Reihen zu halten und ihm sogar noch ein Amt im Berliner Landesvorstand der CDU gegeben haben. Das ist der wirkliche Skandal. Das sind die Putschisten.
Und um noch einen Satz zu einer Lügerei hier zu sagen, die vorhin betrieben wurde: Wenn Herr Steffel die Sparliste durchgeht, mit der die Einsparungen jetzt erbracht wurden, und Ihre eigenen Sparvorschläge – wir haben das noch als Liste, über der steht „Sparvorschläge der CDU“ – hier als unverantwortlich diskreditiert, dann ist das scheinheilig. Sie hatten vorgeschlagen, den Bau der U 5 zu stoppen, Sie hatten vorgeschlagen, den Zukunftsfonds um 200 Millionen DM zu erleichtern, das sind Ihre Vorschläge. Wir haben sie aufgenommen, jetzt beschweren Sie sich nicht darüber.
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Zurufe der Abg. Frau Greiner (CDU) und Apelt (CDU) – Cramer (Grüne): Wo sie Recht hat, hat sie Recht!]
Nun aber zur ersten und wichtigsten Aufgabe dieser Regierung. Mit wem ich auch rede, überall höre ich dasselbe, vom Taxifahrer bis hin zur Verkäuferin, auch von Vertretern der Wirtschaft bekomme ich gesagt: Legt diesen Sumpf trocken! – Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben damit schon vor Neuwahlen begonnen: Aufräumen, Ausmisten, neue Verhältnisse schaffen. – Der Filz, die Vetternwirtschaft und die Korruption sollen in dieser Stadt in Zukunft keine Chance mehr haben.
[Beifall bei den Grünen und der SPD – Beifall des Abg. Dr. Zotl (PDS) – Zuruf des Abg. Schlede (CDU)]
Gestern ist die angesehene Organisation Transparency International mit einem Korruptionsranking an die Öffentlichkeit getreten und hat festgestellt, dass es weder die hohen Lohnkosten noch die rot-grüne Bundesregierung, übrigens auch nicht die Tolerierung durch die PDS, sind, die den Wirtschaftsstandort Deutschland bedrohen, sondern dass es der Parteiskandal der kohlschen CDU und die nicht aufgeklärte Bestechungsaffäre um die Leunawerke sind, die den Wirtschaftsstandort bedrohen. Dasselbe gilt für Berlin.
Das haben wir uns nicht ausgedacht. Dass Ihnen das nicht passt, kann ich mir vorstellen. – Dasselbe gilt für Berlin!
Landowsky, Diepgen und auch Sie von der CDU haben diesen Wirtschaftsstandort Berlin in einmaliger Weise ruiniert.