Protocol of the Session on June 28, 2001

Zur Konsolidierungspolitik gibt es keine Alternative. Sie ist primär Zukunftssicherung und Voraussetzung für einen handlungsfähigen Staat, nicht zuletzt, um damit die Leistungen für die Schwachen zu gewährleisten.

Schon heute sind täglich 11 Mio. DM Zinsen zu zahlen, die an anderer Stelle fehlen. Ziel bleibt der vollständige Abbau der Neuverschuldung bis 2009. Zunächst aber ist ein schonungsloser Kassensturz erforderlich. Wir können uns nur noch das Notwendige, nicht mehr das Wünschbare leisten. Der Senat wird strukturelle Sparmaßnahmen vorbereiten, die den Landeshaushalt langfristig auf Dauer entlasten. Dabei müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand. Der Bildungsbereich hat als Zukunftssicherung höchste Priorität.

Der Senat hat eine Nachschiebeliste zum Nachtragshaushalt mit einem zusätzlichen Einsparvolumen in Höhe von rd. 90 Mio. DM für das Jahr 2001 vorgelegt. Der Senat geht davon aus, dass das Abgeordnetenhaus das Nachtragshaushaltsgesetz noch vor der Sommerpause beschließt. Der Nachtragshaushalt gleicht jedoch nur die kurzfristig aufgetretenen Risiken aus. Für notwendige strukturelle Maßnahmen benötigt der Senat das Mandat der Wählerinnen und Wähler. Die Mittelfristige Finanzplanung, das heißt die Eckwerte für die kommende Legislaturperiode bis zum Jahre 2006, werden vorbereitet.

Um die Einnahmeseite zu verbessern, setzt der Senat langfristig auf Wirtschaftswachstum und eine aktive Arbeitsmarktpolitik sowie damit verbundene höhere Steuereinnahmen.

Die Krise der Bankgesellschaft Berlin hat die finanziellen Handlungsspielräume unserer Stadt dramatisch eingeengt. Der Senat stellt sich seiner Verantwortung für die Bankgesellschaft Berlin und wird intensiv ein tragfähiges Sanierungskonzept erarbeiten. Dabei wird gewährleistet, dass die Interessen der Bankgesellschaft Berlin und ihrer Beschäftigten und die Interessen des Landes Berlin angemessen berücksichtigt werden. Der

Senat wird das Eigenkapital der Bankgesellschaft in dem zur Handlungsfähigkeit notwendigen Umfang in einer Größenordnung von 4 Mrd. DM erhöhen. Allein dafür sind jährliche Zinsen in Höhe von mindestens 200 Mio. DM zusätzlich aufzubringen. Die Bankgesellschaft braucht starke Partner. Dazu sind bereits Gespräche aufgenommen worden. Auch eine Entflechtung der Bankgesellschaft ist zu prüfen. Der Senat strebt eine langfristig tragfähige Lösung für die gesamte Bankgesellschaft an. Ein rascher Verkauf einzelner Filetstücke, während die Risiken beim Land Berlin verbleiben, kommt nicht in Frage.

Die die Bankgesellschaft betreffenden Ermittlungsmaßnahmen werden verstärkt fortgesetzt und einer rechtsstaatlichen Aufklärung durch eine Sonderermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft näher gebracht. Der Senat wird daneben umgehend zivilrechtliche Schadensersatzforderungen gegen alle verantwortlichen Personen, unabhängig von etwaiger Parteizugehörigkeit, prüfen und ggf. durchsetzen.

2. Berlin als Hauptstadt und internationale weltoffene Metropole entwickeln.

Zehn Jahre nach dem historischen Umzugsbeschluss des Deutschen Bundestages befindet sich Berlin auf dem Weg zur internationalen Metropole. Menschen aus allen Teilen der Welt zieht es in unsere Stadt. Das muss als große Chance begriffen werden. Der Senat steht für ein tolerantes Berlin. In dieser Stadt ist kein Platz für die Ausgrenzung von Menschen. Die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Berlinern deutscher und nichtdeutscher Herkunft bleibt auch weiterhin eine zentrale Aufgabe. Die Geschichte Berlins ist wesentlich durch Zuwanderer geprägt. Sie sind ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und tragen zur wirtschaftlichen und kulturellen Bereicherung unserer Stadt bei.

Berlin ist nicht Hauptstadt für sich selbst, sondern auch die Hauptstadt der Münchner und Dresdner, der Schweriner und Hamburger.

Der am 23. Juni 2001 ausgehandelte Bund-Länder-Finanzausgleich war ein großer Erfolg für den solidarischen Föderalismus in Deutschland, auch für Berlin. Die Stadtstaateneinwohnerwertung wurde gesichert. Insgesamt werden von 2005 an jährlich 170 Mio. DM zusätzliche Mittel aus dem Länderfinanzausgleich nach Berlin fließen. Das ist zwar keine Lösung für die enormen Finanzprobleme der Stadt, gewährt aber Planungssicherheit für die nächsten zwanzig Jahre. Die Stellung Berlins im System des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ist gesichert und bis zum Jahre 2020 dauerhaft überschaubar. Auf dieser Basis wird Berlin nun alle Anstrengungen unternehmen, um seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. Berlin muss aus eigener Kraft versuchen, die Finanzprobleme der Stadt anzugehen und zu bewältigen. Berlin muss seine Hausaufgaben machen, erst dann kann die Stadt um zusätzliche Solidarität der Bundesregierung und der anderen Bundesländer bitten.

Dennoch ist zu bedenken: Keine Hauptstadt dieser Welt finanziert sich selbst. Wir werden mit der Bundesregierung und den Ländern über eine auskömmliche Hauptstadtfinanzierung verhandeln. Wir bieten der Bundesregierung einen „Berlin-Pakt“ an: Sparsamste Haushaltsführung von Seiten Berlins, finanzielle Unterstützung von Seiten des Bundes! Der Bedeutung Berlins als Hauptstadt wäre es angemessen, wenn der Bund möglichst vollständig die Einrichtungen übernähme, die ganz überwiegend nationale und bundespolitische Bedeutung haben, beispielsweise die Sanierung der Museumsinsel.

3. Die Fusion Berlin-Brandenburg auf den Weg bringen.

Berlin strebt die Fusion der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg für das Jahr 2009 an. Die angespannte Haushaltssituation in Berlin darf nicht dazu führen, dass die Fusionsbemühungen verzögert oder aufgegeben werden. Der Senat wird mit der Brandenburger Landesregierung Vereinbarungen treffen, die die Vorteile der Fusion konkret erlebbar machen. Dazu gehören neue Akzente im Verhältnis zwischen dem SFB und dem ORB mit dem Ziel einer absehbaren Fusion. Das Zusammengehen unserer beiden Bundesländer sollte schrittweise verwirklicht werden, beispielsweise durch eine zügige Rechtsangleichung und die Zusammenlegung von Verwaltungsstellen sowie die Einrichtung gemeinsamer Institutionen wie z. B. gemeinsamer Obergerichte. Die Bevölkerung in beiden Ländern muss von der Fusion überzeugt sein. Dieses Ziel zu erreichen ist nicht nur Aufgabe der Politik, sondern aller gesellschaftlicher Gruppen.

Für den Senat ist das wichtigste Berlin-Brandenburgische Gemeinschaftsprojekt der Bau des Internationalen Flughafens Schönefeld. Der dazu bestehende Konsensbeschluss zwischen den drei Anteilseignern, der auch die Schließung der innerstädtischen Flughäfen beinhaltet, wird vom gesamten Senat getragen. Für den Senat ist der Flughafen Schönefeld das wichtigste verkehrs- und wirtschaftspolitische Projekt der Region.

Das Planfeststellungsverfahren wird zügig sowie streng nach Recht und Gesetz durchgeführt. Beim Abschluss des Privatisierungsverfahrens müssen die Interessen der Länder Berlin und Brandenburg gewahrt bleiben. Der Senat strebt eine Fertigstellung der Flughafens bis 2007 an.

4. Die Stadt des Wissens weiter ausbauen.

Die Ausschöpfung der intellektuellen Ressourcen und des künstlerischen Reichtums der Stadt und die Vernetzung von Wissenschaft und Kultur gehören zu den Hauptaufgaben der Berliner Landespolitik.

Für eine Wissensgesellschaft ist es unerlässlich, dass schon in der Schule ein solides Fundament gelegt wird, auf das berufliche Qualifizierung und lebenslanges Lernen aufbauen.

Der Schwerpunkt des Berliner Senats liegt auf der Bildungspolitik. Der Senat wird die notwendige Unterrichtsversorgung gewährleisten. Für die Integration behinderter Kinder in der Oberschule werden 60 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Der Unterrichtsausfall wird weiter minimiert.

Das neue Schulgesetz soll die Eigenverantwortung der einzelnen Schulen fördern, ihre Profilbildung unter dem Dach zentraler Abschlussprüfungen ermöglichen und ein vergleichbares Niveau durch eine interne und externe Qualitätskontrolle sichern.

In der Grundschule beginnt der Fremdsprachenunterricht in der Regel ab Klasse 3, es werden zusätzlich familienfreundliche Halbtagsgrundschulen eingerichtet. Die innere und äußere Differenzierung in den Klassen 5 und 6 wird fortgesetzt, die Ausstattung der Schulen mit Computer und Internet verbessert.

Der Senat wird die berufliche Ausbildung für alle Schulabgängerinnen und -abgänger sicherstellen.

Neben der Kultur ist die Wissenschaft das traditionelle Standbein einer attraktiven Hauptstadt. Wissenschaft zahlt sich aus. Die hohe Qualität der Berliner Wissenschaft und Forschung bringt Geld in die Kassen der Stadt. Wissenschaftsförderung lohnt sich in der angewandten Forschung genauso wie in der Grundlagenforschung. Die Hochschulverträge sind ein wichtiges Element moderner Hochschulpolitik, nicht zuletzt wegen der für eine eigenverantwortliche Arbeit der Berliner Hochschulen erforderlichen Planungssicherheit. Sie sollen noch vor den Wahlen fortgeschrieben werden. Strukturelle Sparpotentiale in der Hochschulmedizin werden noch geprüft.

Die Universitäten und Fachhochschulen brauchen Planungssicherheit für die Berufung junger Wissenschaftler, wobei die Berufungen von Frauen in besonderer Weise gefördert werden.

5. Unsere einzigartige Kulturvielfalt bewahren.

Die vielfältige Kulturlandschaft ist eine der wichtigsten Potentiale der Stadt. Große Kunst findet nicht nur in den großen Häusern statt, sondern auch in den unzähligen Galerien, Ateliers, Werkstätten und Projekten der Off-Szene und der bezirklichen Kulturarbeit. Die Freiräume für künstlerische Innovationen müssen erhöht werden. Deshalb wird die vom Vorgängersenat vorgenommene Kürzung um eine Million DM in der Off-Kulturförderung rückgängig gemacht.

Die drei Opernhäuser werden besser positioniert und im nichtkünstlerischen Bereich stärker vernetzt. Der Vertrag mit Sir Simon Rattle wird so schnell wie möglich unterschrieben, der mit Daniel Barenboim verlängert. In enger Kooperation mit den Beteiligten an den staatlichen Bühnen sollen die bestehenden Tarife und Arbeitszeiten den Bedingungen künstlerischer Produktionen angepasst und die Wirtschaftlichkeit verbessert werden. Um aus Betroffenen Beteiligte am Reformprozess zu machen, müssen Entscheidungen nachvollziehbar und transparent gestaltet werden. Der Senat will die zügige Fertigstellung der Topographie des Terrors. Die Pläne des Architekten Zumthor müssen im Kostenrahmen von 76 Millionen DM realisiert werden.

6. Eine mobile Gesellschaft in einer sozialen Stadtstruktur ermöglichen.

Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ist integraler Bestandteil aller Politikbereiche. Deshalb wird der Senat den Agendaprozess weiter unterstützen. Die Verbesserung der Stadtökologie ist ein wichtiges Ziel des Berliner Senats.

Die städtische Mischung von Wohnen, Leben und Arbeiten, aber auch die soziale Ausgewogenheit Berlins sind die Grundlage aller städtischen Planung und Entwicklung. Die „soziale Stadt“ ist das Leitbild Berlins, dem sich der Stadtumbau und die Stadterneuerung unterzuordnen haben. Wichtigstes Ziel der Berliner Stadtentwicklungspolitik ist es, die Stadtflucht zu verhindern und die Stadt als urbanen Lebensraum für alle Menschen attraktiv zu halten. Es geht um die Reurbanisierung und Revitalisierung der Innenstadt.

Dabei konzentrieren sich das Baugeschehen und die Bauplanung auf den in Berlin traditionell dezentralen Innenstadtbereich zwischen Alexanderplatz und Kurfürstendamm. Der Spittelmarkt, der Schloßplatz, der Leipziger Platz und der Breitscheidplatz liegen auf dieser städtischen Entwicklungsachse und werden entsprechend den Vorgaben des Planwerkes Innenstadt die entscheidenden Bauplätze der kommenden Jahre sein.

Der soziale Wohnungsbau muss den Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt und den finanziellen Möglichkeiten der Stadt entsprechen. Hohe Leerstandsquoten und ein mittelfristiges Überangebot an Wohnraum rechtfertigen die drastische Reduzierung von öffentlichen Fördermitteln für den Wohnungsbau. Auch die Entwicklungsgebiete müssen dem tatsächlichen mittelfristigen Bedarf angepasst und kostenmindernd zum Abschluss gebracht werden. Der Senat wird prüfen, ob das Entwicklungsgebiet „Eldenaer Straße“ aufrechterhalten werden kann.

Die Priorität muss auf Wohnumfeldverbesserungen gelegt werden, wozu auch das zur sozialen Stabilisierung problematischer Stadtviertel beitragende Quartiersmanagement zählt. Diesem Ziel dienen auch die Reduzierung oder Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe in weiteren Stadtteilen und die Erhöhung der Wohneigentumsquote, sei es in Form von privatem oder genossenschaftlichem Eigentum.

Der öffentliche Personennahverkehr, der mit dem strukturell hervorragenden, aber weiterhin pflege- und entwicklungsbedürftigen S- und U-Bahnsystem über ein leistungsfähiges Rückgrat verfügt, ist die Voraussetzung für eine mobile Großstadt. Der Einsatz moderner Verkehrstechnik und verkehrsbeschleunigender Leitsysteme wird ihn noch effektiver machen. Bestandssicherung ist wichtiger als Neubau, die S 21 wichtiger als die U 5. Der Senat hat beschlossen, den Weiterbau der U 5 zu stoppen und in Verhandlungen mit dem Bund einzutreten, um sicherzustellen, dass dem Land Berlin daraus kein finanzieller Schaden entsteht.

Auch im Straßenbau ist die Substanzerhaltung wichtiger als der Ausbau neuer Verkehrswege. Die Berliner Straßen müssen befahrbar bleiben, eine weitere Verschlechterung des Straßenzustandes ist nicht akzeptabel.

7. Der Wirtschaft mit moderner Technologie neue Impulse geben.

Berlin ist auf das Wissen und Können seiner Menschen in besonderer Weise angewiesen. Neben der notwendigen Bestandspflege setzt Berlin voll auf die neuen Technologien, auf die Umwelt- und Biotechnologie, auf die Medizintechnik, sowie auf die neuen Medien und die Filmwirtschaft.

Dabei sind Wirtschaft und Wissenschaft noch enger zu verzahnen, die Wege von der Erfindung über die Erprobung hin zur Produktion und Vermarktung noch weiter zu verkürzen. Die Wissenschaftszentren in Adlershof und Buch besitzen hier für ganz Berlin exemplarische Bedeutung. Ziel des Senats ist die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Standorte, nach einer Anschubfinanzierung.

Die Wirtschaftsförderprogramme sind auf den Prüfstand zu stellen, und ihre Effektivität ist zu steigern. Die EFRE-Mittel sind ein wesentlicher Bestandteil der Berliner Wirtschafts- und Strukturpolitik. Sie sind bei minimalem Berliner Eigenanteil voll auszuschöpfen. Sie dienen der strukturellen Anpassung Berlins an die Herausforderungen der erweiterten EU, die voraussichtlich ab 2005 neue Chancen eröffnen wird. Auf Grund seiner Geschichte in der Mitte Europas verfügt Berlin in Ost wie West über hervorragende Fachleute, um Menschen und Märkte aus allen Teilen Europas zusammenzuführen.

Die ehemaligen Berliner Eigenbetriebe und Anstalten des öffentlichen Rechts sind auf den europäischen Wettbewerb auszurichten. Die Konkurrenzfähigkeit der BVG muss gesichert werden. Dabei sind neue Kooperations- und Organisationsformen zu prüfen.

Die wiedergewonnene Attraktivität der Stadt äußert sich in einer zunehmenden Bedeutung der Tourismusbranche. Auch vor diesem Hintergrund wird der Senat eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten anstreben.

8. Die soziale Verantwortung füreinander ernst nehmen.

Die Integration der in unserer Gesellschaft sozial benachteiligten Menschen und ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist ein wichtiges Ziel des Berliner Senats.

Die Verwirklichung unterschiedlicher Lebensentwürfe ohne Diskriminierung und Ausgrenzung soll in Berlin selbstverständlich sein. In allen Bereichen schafft der Senat die ihm möglichen Voraussetzungen, um die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen.

Eine moderne Ausländerpolitik wird zum Markenzeichen für ein weltoffenes und tolerantes Berlin.

Im Interesse der Versicherten und der Beschäftigten wird die Entwicklung einer modernen Gesundheitsregion weiter vorangetrieben. Das Problem der städtischen Krankenhäuser ist mit der Gründung einer zentralen Gesellschaft noch nicht mit einem Schlag gelöst, aber einer Lösung zumindest näher gebracht. Aufgabe des Senats wird es sein, die Arbeitsfähigkeit von Vivantes zu sichern.