Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Galland, es freut mich ja, dass Ihr Antrag im Plenum zu so später Stunde so viel Anklang findet. Wir sollten uns wirklich Gedanken machen, wie wir bei zum Beispiel 40 % Arbeitslosigkeit unter den Berlinerinnen und Berlinern türkischer Herkunft ihnen eine Perspektive eröffnen, und tatsächlich eröffnet dieser Antrag einen kleinen Weg. Wir freuen uns über ihn, wir unterstützen ihn von unserer Fraktion auch.
Ich kann die skeptischen Bemerkungen meines Vorredners von der PDS nicht ganz nachvollziehen. Ich sage Ihnen auch, dass es einen Grund darüber hinaus gibt, warum mich dieser Antrag freut. Ich habe nämlich befürchtet, dass die Abwahl und Ihr Landen in der Opposition bei der CDU die Tendenz, sich ins Gehäuse von fremdenfeindlichen Stimmungen zurückzuziehen – ich meine nicht Sie persönlich, Frau Galland –, doch sehr befördert. Ihren Antrag durchweht dagegen geradezu ein weltoffener Geist,
und ich finde es gut, wenn die Oppositionsbank auch Kräfte zu mehr Liberalität in der CDU insgesamt freisetzt. Insofern ist das ein Hoffnungszeichen.
Zu Ihrer Fraktion insgesamt gesprochen: Dieser Antrag veranlasst auch etwas zum Weiterdenken. Gerade aus Ihren Kreisen gibt es ja sehr viel Skepsis gegenüber der Eigenständigkeit von ethnischen Gemeinschaften in Berlin.
Sie sagen, das bedroht und und gefährdet die Integration. Wenn wir uns nun gerade die Entwicklung von ethnischen Unternehmungen oder Unternehmungen von Nichtdeutschen in Berlin angucken, so haben die ja eine ganz besondere Geschichte. Sie können Sie etwa an Reisebüros sehr gut nachvollziehen. Ein Unternehmen, das gegründet wird, braucht zuerst eine Kundschaft, und diese Kundschaft finden Sie in den ethnischen Gemeinschaften, denn das sind vor allen Dingen Gemeinschaften zur Bewältigung von Altagsproblemen und Altagssituationen. Und wenn Sie ethnisches Gewerbe, also die Gründung von Unternehmen aus dem Bereich der Berliner ausländischer Herkunft ernst nehmen, dann müssen Sie auch diese ethnischen Gemeinschaften positiv bewerten. Denn das ist der Beginn, und dann können Sie erst weitergehen, wie bei den Reisebüros, die dann die Nachfrage des allgemeinen Tourismus in die Türkei befriedigen und sich dann zu Unternehmen für weltweite Charterflüge von und nach Berlin entwickelt haben. Wer ja sagt zu Unternehmungen aus dem Bereich Berlinerinnen und Berliner ausländischer Herkunft, muss auch ja sagen zu ethnischen Gemeinschaften. Vielleicht gibt es dann auch den Lernprozess, den Sie, Frau Galland, vielleicht schon mitgemacht haben, in der CDU insgesamt.
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung zu dem Antrag machen, wo ich Ihre Intention nicht teile. Sie sagen: jenseits von Wirtschaftsfördermaßnahmen. Wir sind der Meinung, dass die Berliner Wirtschaftsförderung durchaus auch gezielt auf die Förderung von ethnischem Gewerbe abzielen soll. Ich komme an den Anfang zurück: In einer Stadt, in der wir insbesondere unter den Berlinerinnen und Berlinern ausländischer Herkunft eine derart hohe Arbeitslosigkeit haben, müssen wir natürlich ernsthaft Wege suchen, in denen diese Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Sie, Frau Galland, haben richtig gesagt: Ein großer Teil etwa der türkischen Jugendlichen hat eine Hoffnung und eine Perspektive darin, sich selbständig zu machen. Wir sollen und müssen dies fördern. Das heißt, eine gezielte Wirtschaftsförderung für ethnisches Gewerbe ist auch ein Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit gerade in diesen Bevölkerungsgruppen. Deswegen plädiere ich für eine Erweiterung Ihres Antrags in diesem Bereich. Im Kern werden wir ihn auf jeden Fall in den Beratungen unterstützen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie – dieser soll federführend sein –, an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration und an den Hauptausschuss. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Sehe ich nicht. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Auf die Beratung wird verzichtet, die Reden sollen aber zu Protokoll gegeben werden. Ich bitte, dass Sie das vorne bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgeben.
Wir fordern den Senat auf, in Berlin ein Projekt „Erstausbildung in Teilzeit für junge Mütter“ zu ermöglichen. Dabei soll die dreijährige Ausbildung in Teilzeit, d. h. 75 % der Normalarbeitszeit, geleistet werden. Die Ausbildung soll dabei in einem Lernort-Verbundsystem zwischen Stammbetrieben, Kooperationsbetrieben und der Berufsschule vermittelt werden. Dabei ist sicherzustellen, dass das Betreuungsvolumen für die Kinder dem einer Ganztagsbeschäftigung entspricht.
Jährlich werden in Berlin 120 minderjährige junge Frauen Mütter. Diese jungen Frauen leben häufig von Sozialhilfe und erfahren auf der Suche nach Erwerbsmöglichkeiten immer wieder, dass sie aufgrund ihrer fehlenden Erstausbildung keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Gerade die jungen Mütter verfügen aber über eine hohe Motivation, einer beruflichen Tätigkeit nachgehen zu wollen. Sie wollen den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder eigenständig sichern und damit auch einer möglichen lebenslangen Sozialhilfekarriere entkommen. Sie wollen sich und dem Kind eine gesicherte Zukunft schaffen. Auch wir alle wissen, dass es nur mit einer Ausbildung Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt. Die Arbeitslosenquote ist stark ausbildungsabhängig. Während unter den ungelernten Arbeitern 20 % in den alten und 45 % in den neuen Bundesländern arbeitslos sind, liegt diese Quote bei Personen mit abgeschlossener Lehre bei lediglich 6,8 %. Je höher die Qualifikation, desto besser ist die Chance, auch in innovativen Nischen und Segmenten des Arbeitsmarktes gut bezahlte Beschäftigungen zu finden.
Wir haben in Berlin bereits gute Projekte wie z. B. Müle, besser bekannt als „Mütter lernen“. Bei diesem Projekt aus Lichterfelde erhalten junge Mütter die Möglichkeit, extern den Hauptschulabschluss nachzuholen. Bisher haben hier mehr als 150 junge Mütter ihre Eintrittskarte ins Berufsleben erworben. Damit schlossen 98 % der Teilnehmerinnen erfolgreich ab und kamen ihrem Traum, einen bezahlten Beruf auszuüben, einen entscheidenden Schritt näher.
Wir haben in Berlin auch vereinzelte Möglichkeiten zur Berufsausbildung für junge Mütter. Hier stellt sich aber immer wieder heraus, dass die hohe Belastung durch Ausbildungszeit, Kinderbetreuung und selbst organisierte Lernzeit die Mütter zu stark belastet. In der Mehrzahl sind diese jungen Mütter allein erziehend und werden häufig auch nur geringfügig von ihrer Familie unterstützt. Damit ist ihre Belastung zu groß, um bestmögliche Ausbildungsergebnisse zu erreichen. Aus diesem Grund fordern wir den Senat auf, modellhaft ein Projekt zur Erstausbildung in Teilzeit durchzuführen. In Frankfurt am Main wird dies bereits seit drei Jahren mit Erfolg praktiziert. Dort ist es außerdem gelungen, mit diesem Projekt neue Ausbildungsplätze zu akquirieren. Junge Mütter gehören zu den motiviertesten Teilnehmern bei berufsqualifizierenden Maßnahmen. Wir wollen ihnen bessere Chancen bieten.
Ziel des Antrags ist es, die Ausbildungssituation jungen Frauen mit Kindern zu verbessern. Lassen Sie mich hierzu generell feststellen: Seit 1990 sind Sozialdemokratinnen im Berliner Senat verantwortlich für den Bereich Ausbildung. Seit 1990 arbeiteten und arbeiten die sozialdemokratischen Senatorinnen Bergmann und Schöttler an dem Ziel, jeden Jugendlichen, jeder jungen Frau und
jedem jungen Mann, gleich, ob mit oder ohne Kind, eine qualifizierende Berufsausbildung zu ermöglichen. Auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dafür gekämpft und es auch erreicht, dass allen Jugendlichen Ausbildungsangebote gemacht werden können. Wir von der SPD-Fraktion lassen es nicht zu, dass Jugendliche ohne Zukunftsperspektive bleiben.
Konkret auf den Antrag bezogen, möchte ich feststellen, dass für eine erfolgreiche Ausbildung junger Mütter zuallererst die Rahmenbedingungen stimmen müssen, damit Kinder nicht zum Ausbildungshindernis werden. Die wichtigste Voraussetzung hierfür, das möchte ich ausdrücklich betonen, ist nach Auffassung der SPD-Fraktion ein flächendeckendes Angebot an Plätzen in der Kinderbetreuung, in Krippen, Kitas und Horten. Wenn junge Mütter sich nicht sicher sein können, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind und betreut werden, werden sie wohl schwerlich ihre Ausbildung erfolgreich beenden können. Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben erfolgreich darauf hingewirkt, dass Berlin heute über eines der dichtesten Netze an Kinderbetreuungseinrichtungen verfügt und damit besser dasteht als die anderen Stadtstaaten. Für Frauen mit Kindern in Ausbildung und Arbeit wird damit ein Stück Chancengleichheit realisiert.
Die Ausbildungsförderung von Mädchen und jungen Frauen war stets ein besonderes Anliegen der sozialdemokratischen Arbeitssenatorinnen. Die Beteiligung junger Frauen an der außerbetrieblichen Ausbildung zur Hälfte, die besondere Förderung junger Frauen in Berufen, in denen sie stark unterrepräsentiert sind, darunter auch die spezielle Förderung in IT-Berufen, bieten in Berlin gute Voraussetzungen, dass junge Frauen – auch mit Kindern – qualifiziert ausgebildet werden und damit eine Zukunftsperspektive erhalten.
Gleichwohl möchte ich nicht darüber hinwegsehen, dass es für junge Mütter gerade mit kleinen Kindern zeitliche und auch psychische Probleme geben kann, die vor und bei der Ausbildung entstehen können. Von da her ist es gerechtfertigt, diese jungen Frauen besonders zu betreuen und zu unterstützen. Bezogen auf die CDU-Forderung nach Einrichtung eines speziellen Projekts mit einer 75-prozentigen Teilzeitausbildung für junge Mütter sagen wir zu, dass wir diesen Antrag einer gründlichen Prüfung auf Realisierungsmöglichkeiten unterziehen werden. Gegenwärtig sehen wir Probleme der Anerkennung der verkürzten Ausbildung durch die Kammern, Probleme der Qualitätssicherung bei einer Dreiviertel-Ausbildung sowie Probleme bei der Finanzierung. Auch stellt sich die Frage, ob die aus organisatorischen Gründen erforderliche getrennte Ausbildung sinnvoll ist. Auch wenn wir in der SPD-Fraktion die Sicherung der Rahmenbedingungen der Ausbildung auch junger Mütter – warum nicht auch junger Väter? – für wichtiger halten, so anerkennen wir doch das Anliegen aus der CDU-Fraktion und sichern eine offene Auseinandersetzung und sachliche Prüfung des Antrages zu.
Angesichts der heutigen Antragslage muss man fast sagen: In der Opposition wird die CDU kreativ: Für den Antrag zur „Erstausbildung für junge Mütter“ könnte man die CDU loben, wenn man sich nicht zugleich auch fragen müsste, warum Sie, meine Damen und Herren von der CDU, derartige Initiativen nicht in Ihrer mehr als zehn
jährigen Regierungszeit ergriffen haben. Ich vermute, Sie scheuen sich vor der Verantwortung für ihre Umsetzung.
Zur Sache: Der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU greift ein Thema auf, das von der Intention eine wichtige Problemgruppe erfasst. Junge Mütter mit fehlender zukunftsfähiger Berufsausbildung haben keine Chancengleichheit für gesicherte Aarbeitsplätze. Und sie haben zurzeit kaum eine Chance, insbesondere wenn sie allein erziehend sind, eine Ausbildung zu absolvieren und ihr Kind oder ihre Kinder zu betreuen. In einer ähnlichen Problemsituation befinden sich auch junge Frauen und Mädchen, die während ihrer Ausbildungszeit schwanger werden und denen als Alternative in der Regel nur der Ausbildungsabbruch bleibt. Hier wären Regelungen für die Fortsetzung der Ausbildung zu treffen.
Der Antrag zielt darauf, die Erstausbildung für junge Mütter durch die Einrichtung eines Projektes zu verbessern. Gegen den Antrag ist in der Allgemeinheit, in der er formuliert ist, zunächst nichts einzuwenden. Allerdings wirft er auch eine Reihe von Fragen auf, wo ich erwartet hätte, dass sie sich auch die CDU stellt. Schon deshalb halte ich eine Beratung im Ausschuss für sinnvoll und notwendig.
Wir halten es für besonders notwendig, allen jungen Frauen nicht nur die berufliche Ausbildung durch Teilzeit zu garantieren, sondern auch eine Berufswahl in neuen zukunftsfähigen Berufsfeldern – dann den Zugang zur Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
Aus diesem Antrag geht dies alles nicht hervor. Für mich sind ganz viele Fragen offen, wie zum Beispiel:
Hier wird gefordert, Erstausbildung in Teilzeit für junge Mütter zu ermöglichen. Wie kann dies im Rahmen des dualen Ausbildungssystems erfolgen, da die duale Ausbildung mit ihren Regelungen für Berufsschulzeit und betriebliche Ausbildung bisher grundsätzlich eine Vollzeitausbildung ist?
In welchen Berufen, insbesondere in welchen zukunftsfähigen Berufsfeldern, sollte die Teilzeitausbildung organisiert werden? Oder wollen Sie, dass die „Erstausbildung für junge Mütter“ in den bislang frauenspezifischen Ausbildungsberufen ermöglicht wird? Dann stellt sich aber die Frage, wie das von Ihnen genannte „Lernort-Verbundsystem zwischen Stammbetrieb, Kooperationsbetrieben und der Berufsschule“ organisiert werden soll.
Was ist zum Beispiel bei der Friseurinnenausbildung oder bei der Ausbildung zur Arzthelferin der Stammbetrieb und was ist der Kooperationsbetrieb?
Die Ausbildungsdauer würde bei einer 75-%-Teilzeitausbildung länger dauern als üblich, nämlich statt der drei nunmehr vier oder wie viele Jahre. Wäre es nicht sinnvoll, in diesem Zusammenhang Regelungen für eine Externprüfung vor den Kammern – IHK und Handwerkskammer – zu schaffen?
Sollen nur Projekte initiiert bzw. Regelungen für die Erstausbildung von jungen Müttern – also bis 25 Jahre – geschaffen werden? Oder soll dies ausgeweitet werden auf Auszubildende, die während der Ausbildung schwanger werden, sowie generell auf Alleinerziehende?
Insgesamt bleibt: Das Projekt ist ein lohnenswertes Projekt, und zu dem Vorschlag gilt es, Details zu Papier zu bringen. Dazu ist es auch notwendig, die jeweiligen Akteure wie IHK und Stammbetriebe usw. einzubeziehen und Absprachen zu treffen. Dafür ist die Frist bis zum 20. September 2001 sehr eng bemessen. Wir unterstützen das Projekt, halten aber nach wie vor eine Ausschussberatung für sinnvoll.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, berufliche Bildung und Frauen – dieser soll federführend sein –, an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport und an den Hauptausschuss.
Wer die Überweisung so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen – Stimmenthaltungen? – Dann ist die Überweisung so beschlossen.