Der Wirtschaftsstandort Berlin ist durch die Bankenkrise beschädigt. Das Vertrauen der Gewerkschaften, aber auch vieler kleiner und mittlerer Unternehmen hat schweren Schaden genommen. Drei Monate sind keine lange Zeit, und dennoch wird der neue Senat die Weichen für die Zukunft des neuen Berlin stellen.
Gerade in der Wirtschaftspolitik, in der sich die CDU nun viele Jahre ausprobieren konnte, braucht Berlin eine Umsteuerung, weg von der konservativen Subventionitis, hin zur Erhaltungssubvention, die mit Innovation und Erneuerung verknüpft werden muss.
Berlin ist auf dem Weg in die Wissensgesellschaft, und dabei geht es nicht nur um mehr, schnellere und neue Informationen, sondern es geht vor allem auch um die Frage, wie die Menschen diese Informationen in Wissen umwandeln. Und dazu reicht es auch nicht, Computer für alle Schulen zu fordern. Das ist eine Selbstverständlichkeit! – Dass Berlin dieses bis heute noch immer nicht geschafft hat, zeigt nur, wie wir in den vergangenen Jahren an dieser Stelle auch den Anschluss verpasst haben.
Lebenslanges Lernen ist die Devise der Zukunft. Die hohe Erwerbslosigkeit, die Berlin hat, hat auch etwas mit der insgesamt geringen Qualifikationsstruktur Berlins zu tun, und das liegt
nicht nur am fehlenden Geld, sondern es haben in der Vergangenheit intelligente Lösungen gefehlt. Es ist doch absurd, dass die Wirtschaftsförderung und das, was man wirtschaftsnahe Infrastruktur nennt, heute noch immer fast ausschließlich als Investition in Beton verstanden wird. Hier müssen wir umsteuern! Wir wollen eine Qualifizierungsoffensive für Berlin! Wir wollen Investitionen in Köpfe statt in Beton!
SPD und Grüne haben sich darauf verständigt, bei der schulischen Bildung keine weiteren Kürzungen vorzunehmen. Als erste Maßnahme für das kommende, bald anfangende Schuljahr haben wir die notwendigen 60 Stellen zur Integration behinderter Kinder zur Verfügung gestellt. Der kommende Rückgang der Anzahl der Schülerinnen und Schüler muss genutzt werden, um die Qualität der schulischen Bildung zu verbessern. Einen besonderen Stellenwert haben dabei für uns die gezielte Förderung von Schulen in den so genannten Problemquartieren, der Ausbau von Halbtagsangeboten und eine Bildungsoffensive für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Das braucht Berlin an Bildungspolitik.
Für uns ist es eine große Herausforderung, das Wissenschaftsund Kulturressort zu übernehmen. Denn es sind Wissenschaft und Kultur, die die entscheidenden Impulse für die Entwicklung Berlins geben. Die kreative Szene ist der Grund, warum Unternehmen wie Universal Deutschland nach Berlin kommen.
Universal ist nicht wegen des alten Senats gekommen. Ich denke, dass wir in drei, vier Monaten zwar nicht alle Strukturprobleme in der Wissenschafts- und Kulturpolitik lösen können. Aber wir werden den Einstieg in die strukturelle Sanierung der Berliner Kulturlandschaft vorantreiben. Wir werden einen Dialog führen, den die Stadt jahrelang vermisst hat.
Wir werden gemeinsam – das sei hier noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt – die Hochschulverträge unter Dach und Fach bringen.
Denn für die Universitäten ist Planungssicherheit von allergrößter Bedeutung, und der Wissenschaftsstandort – das wissen wir alle – ist entscheidend für die Zukunft der Stadt.
Große Chancen bestehen in der Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie mit bisher unerschlossenen Beschäftigungspotentialen. Ob bei regenerativen Energien oder bei der Wärmedämmung: Energiesparen ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern es gibt auch ganz deutliche Impulse für mehr Beschäftigung, insbesondere im Handwerk und im kleinen und mittleren Unternehmensbereich. Auch für Berlin gilt etwas, was der letzte Senat viel zu wenig wahrhaben wollte: Umwelt schafft Arbeit!
Aber eine ökologische Stadtpolitik hat auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, weil nämlich die Lebensqualität in dieser Stadt genau dort am schlechtesten ist, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten und die Einkommen am geringsten sind. Die Straßen mit der größten Lärmbelästigung liegen weder in Pankow noch in Zehlendorf. Die Stadtteile mit dem geringsten Anteil an Grün, mit der dreckigsten Luft und dem wenigsten Spielraum für Kinder liegen nicht in den bevorzugten Wohngegenden dieser Stadt. Genau hier wollen wir mit umweltverbessernden Maßnahmen ansetzen, um die Lebensqualität zu verbessern und die Stadtflucht zu stoppen.
Ökologische Stadtpolitik ist aber auch Verkehrspolitik, und diese betrifft uns alle. Entweder zahlen wir als Benutzer von Bussen und Bahnen zu hohe Preise, oder es stehen uns als Fahrradfahrer keine Fahrradwege zur Verfügung, oder wir haben es als Fußgänger in dieser Stadt auch nicht gerade einfach, oder wir stehen als Autofahrer im Stau. Kluge Verkehrspolitik setzt auf einen Interessenausgleich zwischen all diesen Gruppen; grüne Verkehrspolitik orientiert sich dabei aber weder allein am Auto noch setzt sie auf eine regide Verbotspolitik.
Unsere Priorität liegt beim öffentlichen Personennahverkehr. Seit der Wende sind in die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs etwa 10 Milliarden DM – eine Riesensumme – investiert worden. Dennoch sind die Fahrgastzahlen bei den Berliner Verkehrsbetrieben um ca. 20 % zurückgegangen, und die Ursache dafür liegt in den dramatischen Tarifsteigerungen. Die hohen Tarife, die die BVG hat, sind nicht nur verkehrspolitisch kontraproduktiv, sondern sie sind auch familienfeindlich und unsozial. Deswegen sagen wir Ihnen: Unser Ziel ist es, die Tarife um 30 % zu senken.
Dadurch gewinnen wir neue Fahrgäste, und dadurch erzielen wir mehr Einnahmen. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern es ist auch ökonomisch vernünftig.
So, und jetzt kommt etwas zum Flughafen, also die Stelle für die CDU, dann vielleicht doch mal zu klatschen. Entgegen Ihren Erwartungen sage ich noch einmal ganz klar und in aller Deutlichkeit: Auch für uns ist die Realisierung des Flughafens Schönefeld von Bedeutung. Aber anders als in der Vergangenheit Herr Branoner und Herr Diepgen wollen wir dabei die Schließung von Tempelhof und Tegel nicht vergessen. Diese darf nicht wieder in Frage gestellt werden.
Die große Koalition ist – neben der Bankenkrise – an der Haushaltssanierung zerbrochen, weil sie nicht zu strukturellen Entscheidungen in der Lage war. Anstatt im Dialog mit Experten und Betroffenen mittelfristige und tragfähige Konzepte zu entwickeln, wurde von Halbjahr zu Halbjahr gedacht und gesteuert und immer mal wieder mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht.
Herr Niedergesäß, nach all den Jahren, die ich Sie kenne, glaube ich wirklich, dass Ihr Platz eigentlich in der Südkurve eines Fußballstadions und nicht in einem Parlament ist.
[Beifall bei den Grünen und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Abg. Niedergesäß (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Wenn heute gesagt wird, statt der Phantasie, die diese Stadt braucht, würde diese Regierung nur den Rotstift ansetzen, dann kann ich nur sagen: In der Vergangenheit hätte diese Stadt intelligente Sparkonzepte verdient; stattdessen hat sie leider Geldverschwendung zur Kenntnis nehmen müssen. Und ich sage auch mal: Das Erfolgsrezept des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen ist vorbei! Es bestand nämlich auch im Ausgeben von Geld, von viel Geld. Alle Klientelinteressen, alle Gruppen in dieser Stadt wurden bedient und mit Finanzen versorgt. Dieses Politikmodell ist veraltet! Wir können und wollen es uns in Berlin nicht mehr leisten.
Wir sagen, dass die notwendige Reduzierung der Personalkosten um 1 Milliarde DM in den nächsten Jahren nur mit und nicht gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, nur mit und nicht gegen die Gewerkschaften realisiert werden kann. Wir wollen und brauchen, um diese Personalkostenreduzierung durchführen zu können, keine betriebsbedingten Kündigungen, sondern den Abbau von Bürokratie und Doppelstrukturen. Wir sagen aber auch, dass weder die von Unternehmensberatern in dieser Woche vorgetragene Zahl des Abbaus von 50 000 Stellen noch die von der PDS genannte Zahl von 30 000 Stellen in den nächsten Jahren realistisch und für diese Stadt auch nicht zumutbar sind.
Wir sagen: Es wird bis zum Jahre 2009 ca. 17 500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes geben, die in den Ruhestand wechseln. Dies gibt uns als Politik einen Handlungsspielraum, den wir nutzen sollten. Wir werden in den nächsten Wochen in ein Gespräch mit den Gewerkschaften eintreten und den Dialog beginnen. Es ist endlich Zeit für einen solidarischen Beschäftigungspakt für den öffentlichen Dienst, wie wir ihn vor mittlerweile 6 Jahren vorgeschlagen haben. Ich freue mich, wenn es jetzt endlich dazu kommt. Die Stadt hat ihn wirklich nötig.
Meine Damen und Herren, der Wahlkampf wird kurz sein und sich nicht zuletzt um die Frage aller Fragen drehen: Wer wird mit wem zukünftig die Bundeshauptstadt Berlin regieren?