Protocol of the Session on June 14, 2001

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau RichterKotowski! Ich habe gute Ohren. Ich glaube, ich habe Ihre Frage beantwortet. Ihre Frage wird durch Wiederholung nicht besser.

Ich habe bereits gesagt, dass mein Haus entsprechend arbeitet, die freien Träger sind informiert. Wenn sie neue Verträge abschließen, gilt dieser Kostenausgleichsgrundsatz, den dieses Parlament unter anderem auf beständiges Drängen des Finanzministers angeregt hat. Dann muss man sich auch daran halten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Weitere Zusatzfragen gibt es nicht.

Damit kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Gaebler über

Fahrradverkehr in Berlin

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Die ist zurückgezogen.

Damit kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Helbig.

[Zuruf der Frau Abg. Helbig (SPD)]

Diese Frage wird auch zurückgezogen.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Es gibt etwas Neues, es müssen keine Fragen im Anschluss schriftlich beantwortet werden, weil die Fragen zurückgezogen sind und wir dieses Mal alles erledigt haben.

Wir kommen damit zur

lfd. Nr. 1 A:

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters zum Thema „Berlin – 10 Jahre nach dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestages“

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Führer

Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 hat der Regierende Bürgermeister gebeten, diesen Punkt im Wege der Dringlichkeit für die heutige Tagesordnung vorzusehen. Nun müssen wir kurz warten, der Regierende Bürgermeister kommt sofort, er befindet sich nebenan im Büro. – Dass die beiden Anfragen zurückgezogen werden, konnte er vorher nicht wissen.

[Kurze Unterbrechung]

Herr Regierender Bürgermeister! Die beiden zurückgezogenen Anfragen habe den Ablauf etwas verkürzt. Jetzt haben Sie das Wort, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bitte ich um Verständnis für meine kurze Verspätung. Dass das Fragebedürfnis des Parlaments so eingeschränkt ist, ist eine gewisse Neuigkeit.

[Wolf (PDS): Nicht die einzige!]

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses steht sicher der eingebrachte Misstrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister und Mitglieder des Senats. Damit müssen Sie als Abgeordnete eine Entscheidung von großer politischer Tragweite treffen.

Ich will heute an eine andere Entscheidung erinnern. Vor zehn Jahren mussten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine Entscheidung treffen, die ebenfalls von einer großen politischen Tragweite war. Damals ist die Entscheidung für Berlin gut ausgegangen.

[Beifall bei der CDU]

Selbst langjährige Kenner des deutschen parlamentarischen Systems haben übereinstimmend die Hauptstadtdebatte des Deutschen Bundestages am 20. Juni 1991 als eine Sternstunde unserer parlamentarischen Demokratie erlebt. Thema dieser ganz ohne Fraktionszwang und parteipolitische Rücksichtnahme geführten Debatte war dabei keineswegs die Verlegung von einigen Tausend Beschäftigungspositionen von Bonn nach Berlin, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Wesen einer Hauptstadt und damit dem Wesen einer Nation, verbunden mit einer klaren Einordnung einer sich nach Osten erweiternden Europäischen Union. Manchmal scheint der parlamentarische Betrieb im tagespolitischen Taktieren und im parteipolitischen Proporz unterzugehen, am 20. Juni 1991 erlebte aber die deutsche Demokratie im wiedervereinigten deutschen Vaterland eine Parlamentsdebatte in ihrer höchsten Form. Dabei stand nicht nur das knappe, für viele überraschende, für manche sicher auch enttäuschende Ergebnis im Mittelpunkt, sondern zunächst einmal die Debatte selbst.

Das Symbol für Einheit und Freiheit, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für das ganze Deutschland war wie keine andere Stadt immer Berlin – von der Luftbrücke, über den 17. Juni 1953, vom Mauerbau im August 1961 über den 9. November 1989 bis hin zum 3. Oktober 1990.

Ob wir wirklich ohne Berlin heute wiedervereinigt wären? – Ich glaube es nicht. – So argumentierte Wolfgang Schäuble. Hans-Dietrich Genscher ergänzte: Vereinigung heißt auch, aufeinander zugehen. Mit der Hauptstadtentscheidung können wir – so Hans-Dietrich Genscher – ein Zeichen setzen.

Unsere Aufgabe ist es:

so führte Willy Brandt aus –

1. mit dafür zu sorgen, dass Teilung durch Wort halten überwunden wird,

[Anhaltender Beifall bei der CDU]

2. so nahe wie möglich an dem zu bleiben, was der Bundestag seit 1949 beschlossen und versprochen hat,

3. so zu entscheiden, dass wir die neue Lage ebenso im Auge behalten wie die veränderte europäische Realität.

Man muss – so meinte wohl Willy Brandt, in dieser Hinsicht vielleicht ein Konservativer – eben das halten, was man versprochen hat, um glaubwürdig und verlässlich zu sein.

[Beifall bei der CDU]

Und Willy Brandt fuhr dann fort:

Beim Thema Europa scheinen einige zu meinen, nationale Hauptstädte werde es bald nicht mehr geben. Ich habe meine Zweifel, was den Zeitraum angeht. Ich rege Wiedervorlage an, wenn die Briten London, die Spanier Madrid et cetera abgeschafft haben werden.

Und Konrad Weiß gab abschließend sozusagen eine persönliche Liebeserklärung für die Stadt ab. Er formulierte:

Berlin ist Zukunft, ist Leben, ist Spannung und Stress, Unruhe und Bewegung. Berlin ist widerspenstig und widersprüchlich. Berlin wird uns nicht in Ruhe lassen.... Für Bonn spricht viel, aber für Berlin spricht alles.

[Starker Beifall bei der CDU]

Die Debatten von damals sollen – müssen vielleicht – nicht erneut geführt, die Schlachten nicht zum zweiten Mal geschlagen werden. Viele Parlamentarier, die vor zehn Jahren gegen Berlin gestimmt haben, wurden in der Zwischenzeit sicher für diese Stadt gewonnen.

Mit dem Bezug des Bundeskanzleramtes ist zehn Jahre nach dem historischen Hauptstadtbeschluss der Umzug – so hat es der Bundeskanzler formuliert – formal beendet. Ein Mitglied der Bundesregierung hatte formuliert: „Damit ist jeder Umzug von Bonn nach Berlin auch abgeschlossen.“ – das war damals der Witz der Woche.

Architektonisch fügen sich die Regierungs- und Parlamentsbauten hervorragend in die Berliner Stadtplanung ein. Dafür hat auch Berliner Stadtpolitik, Berliner Stadtplanung Sorge getragen. Bis auf das neue Bundeskanzleramt sind alle Mitglieder der Bundesregierung in renovierten oder erweiterten Altbauten untergebracht. Der Bundesrat hat im ehemaligen Preußischen Herrenhaus eine hervorragende Adresse, der Bundestag im alten Reichstagsgebäude seinen historisch angemessenen Sitz. Auch im Jakob-Kaiser-Haus gelingt die für Berlin typische Verbindung zwischen historischer Bausubstanz und moderner Architektur. Das von Axel Schultes und Charlotte Frank konzipierte, Ost und West verbindende und spreeübergreifende Band des Bundes hat zwar noch nicht seine volle Symbolkraft entfaltet, weist aber ganz genau in die richtige Richtung, genau so, wie die innere Wiedervereinigung selbst, die ebenfalls noch nicht vollendet ist.

Für Berlin hat der Umzug von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung natürlich positive Auswirkungen. Geist und Geld kamen in die Stadt, nicht nur durch den Umzug der öffentlichen Bediensteten, sondern insbesondere durch die ihnen folgenden Interessenvertreter, die Verbände, die Botschaften und die Medien. Auch für viele Firmen, beispielsweise aus dem Multimedia-Bereich oder den neuen Technologien, wurde die Stadt – durch Krieg und Teilung wirtschaftlich arg gebeutelt – wieder besonders attraktiv.

Und dennoch wurde der wirtschaftliche Einfluss des Hauptstadtbeschlusses, insbesondere in der Bundespolitik, immer überschätzt. Trotz positiver Tendenzen hat das Wirtschaftswachstum in Berlin das deutsche Mittelfeld noch nicht erreicht, können die Chancen der Zukunft die Lasten der Teilung noch nicht voll ausgleichen. Regierungssitz zu sein ist noch lange allein kein Erfolgsrezept für eine starke Wirtschaftsmetropole; Beispiele wie Ottawa, Albany oder Canberra belegen das. Berlin musste und muss hart um seinen Platz im Konzert der europäischen Wirtschaftsmetropolen kämpfen. Bei allen eigenen Anstrengungen, die sicher in der Zukunft immer noch zu verstärken sind, muss festgehalten werden, dass auch die deutsche Hauptstadt, wie alle anderen Hauptstädte, kein Selbstläufer ist, sondern Hauptstädte eine Gemeinschaftsaufgabe sind, eine nationale Gemeinschaftsaufgabe.

[Starker Beifall bei der CDU]

(A) (C)

(B) (D)