Protocol of the Session on May 31, 2001

Zu Ihrem Volksentscheid, Herr Wolf: Sie können das tun. Dafür gibt es in einer Demokratie klare Regularien. Aber ich bin mir sicher, dass Sie nicht viel mehr als ihre Parteianhänger auf die Füße stellen werden. Nichtsdestotrotz: Sie wollen den politischen Umsturz in Berlin; das ist Ihr politisches Interesse. Wir wollen Stabilität in Berlin, und sagen Ihnen sehr klar: Es wird in Berlin keine Mehrheit für eine Regierungsbeteiligung der PDS geben, [Beifall bei der CDU]

weder nach den letzten Wahlen, noch nach Neuwahlen, noch nach den nächsten Wahlen.

Nein, zur großen Koalition gibt es keine vertretbare Alternative. Aber wenn es nach mir geht, dann muss sich diese große Koalition auch ändern. Das Klima muss, Herr Wowereit, rasch wieder besser werden, da sind wir uns, glaube ich, einig.

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Dass Ihnen das nicht passt, ist mir klar. Deshalb wende ich mich auch ganz bewusst an die Damen und Herren in der SPD, die uns als Union vielleicht nicht so mögen und die diese Koalition vielleicht eher ertragen als wünschen. Wir haben uns gemeinsam vor einigen Monaten für fünf Jahre zu einer vertrauensvollen partnerschaftlichen Zusammenarbeit verpflichtet. Es müsste aus meiner Sicht im Interesse der Berlinerinnen und Berliner möglich sein, dass wir diese Zeit ohne wechselseitige Selbstzerfleischung gemeinsam durchstehen. In mir, das kann ich Ihnen versichern, werden Sie einen fairen Partner finden, der zu seinem Wort steht und von den ideologischen Grabenkämpfen des vergangenen Jahrhunderts unbelastet ist.

[Heiterkeit bei den Grünen und der PDS]

Lassen Sie uns fair zueinander sein, dann haben wir nicht nur die politische Legitimation zur Fortsetzung dieser Koalition, sondern auch die moralische.

[Beifall bei der CDU]

Fairness heißt aber auch, nicht ständig mit dem Finger auf den anderen zu zeigen. War es nicht der Ex-SPD-Staatssekretär Görler, der die Geschäfte der IBG führte, war es denn nicht der Sohn des Ex-SPD-Senators Nagel, der in der Bavaria für die Plattenbauten zuständig war?

[Unruhe]

Sitzen nicht auch Sozialdemokraten, übrigens zahlreicher als wir, in den Aufsichtsräten der Bankgesellschaft?

[Anhaltende Unruhe – Beifall bei der CDU]

Übrigens, Herr Strieder, bei Herrn Wolf hat mich das nicht gewundert, bei Herrn Benneter nur bedingt, aber dass Sie den Vorschlag gemacht haben, Eberhard Diepgen solle sein Amt als Justizsenator ruhen lassen, hat mich empört. Sie wollen doch nicht ernsthaft unterstellen, dass so ein integrer und redlicher Mann wie Eberhard Diepgen der Staatsanwaltschaft Anweisungen gibt, gegen Gesetze zu verstoßen. Wie können Sie auf eine solche Idee kommen?

[Beifall bei der CDU – Cramer (Grüne): Seit Antes wissen wir das!]

Wir sind Eberhard Diepgen dankbar, dass er ganz klar gesagt hat, er verstärkt den Einsatz der Staatsanwaltschaft. Er wird all jene Lügen strafen, die ihm Parteilichkeit unterstellen. Das ist auch nie unser Verständnis von Gewaltenteilung gewesen.

Genau das meine ich, Herr Strieder, wenn ich davon rede, was sich in dieser Koalition ändern muss. Wenn Sie wirklich, und ich hoffe das, daran interessiert sind, dass wir diese Krise im Interesse der Menschen gemeinsam meistern, dann müssen wir mit dieser Stammtischrhetorik aufhören.

[Beifall bei der CDU]

Sie legen Lunte an eine Partnerschaft, für die es keine Alternative gibt. Bedenken Sie bitte, wer mit einer Bombe spielt, kann dabei leicht selbst in die Luft fliegen.

[Heiterkeit bei der PDS und den Grünen]

War es nicht, meine Damen und Herren von der SPD – und ich kritisiere das nicht –, Ihr Parteimitglied Edzard Reuter, der als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bankgesellschaft gesagt hat, Berlin würde Posemuckel- Mentalität an den Tag legen? Vielleicht haben manche Bankmanager diesen Vorwurf zu genau genommen und genau das Gegenteil getan. Der Vorwurf in den 90er Jahren zumindest war ein anderer als der heute. Aber auch dies gehört möglicherweise zur parlamentarischen Demokratie.

Wie steht es eigentlich mit der Verantwortung der langjährigen Finanzsenatorin Frau Fugmann-Heesing?

[Unruhe]

Die meisten Milliarden DM an Wertberichtigungen und der Kapitalbedarf – ich stelle das nur fest –, den wir heute nachschießen müssen, stammten aus dieser Amtszeit. Von Januar 1996 bis Dezember 1999 war sie in den Aufsichtsräten, zum Teil ist sie es heute noch. Frau Fugmann-Heesing, ich höre, Sie waren an noch

ganz anderen Entscheidungen beteiligt. Sie werden das sehr gut wissen. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich bei dem ganzen Thema sehr zurückzuhalten, denn auch das – da können Sie gewiss sein – wird der Untersuchungsausschuss untersuchen.

Mit gegenseitigen Beschimpfungen lösen wir die Probleme Berlins nicht. [Große Heiterkeit]

Deshalb lassen Sie mich in sieben Punkten unsere Vorstellungen zur Lösung dieser Probleme skizzieren:

Erstens: Wir werden und müssen alle Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen, um ohne Ansehen der Personen Fehler, Schuld und Verantwortung aufzudecken, egal, ob bei Vorständen, Wirtschaftsprüfern oder Aufsichtsräten.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens: Wir müssen die Schuldigen rigoros in Regress nehmen. Es geht nicht an, dass jene ungeschoren davonkommen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen haben, während Unbeteiligte die Zeche zahlen. Wer Straftaten begangen hat, hat mit kompromisslosen Konsequenzen zu rechnen.

[Beifall bei der CDU]

Drittens: Wir verlangen von den Bankmangern – dem Aufsichtsrat insbesondere –, dass sie uns ein plausibles Konzept zur strategischen Neuausrichtung der Bank vorlegen, und zwar spätestens bis zur Hauptversammlung im August dieses Jahres.

Viertens: Dieses Konzept muss vor allem aufzeigen, wie das von Berlin jetzt eingesetzte Kapital – denn natürlich haben wir da eine große Verantwortung – am raschesten und gewinnbringendsten wieder an das Land zurückfließen kann.

Fünftens: Ich fordere den Senat auf, die geplante Veräußerung von Teilen der Bankgesellschaft energisch und zügig zu betreiben. Dabei ist selbstverständlich die Markt-, Aktien- und Wertentwicklung zu beachten. Aber spätestens im Jahr 2003 sollte dieser Prozess nach unserer Meinung erfolgreich abgeschlossen sein.

Sechstens: Die Belastungen aus der Bank dürfen nicht durch neue Tarif- oder Gebührenbelastungen finanziert werden.

Siebentens: Wir müssen ganz allgemein über das unternehmerische Engagement der öffentlichen Hand nachdenken und dieses nach unserer Auffassung auf das Nötigste begrenzen. [Beifall bei der CDU]

Klar ist, dass wir weiterhin eisern sparen müssen, und das werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam mit den Sozialdemokraten besprechen. Das hätten wir übrigens mit und ohne Bankenkrise sowohl im Rahmen des Nachtragshaushaltes als auch für den Haushalt 2002 getan. Das ist unumgänglich. Klar ist aber auch, dass wir die Zukunft der Stadt nicht verspielen können und dass wir nicht unsere Prioritäten, die wir gemeinsam zu Beginn der Legislaturperiode festgelegt haben, über Bord werfen dürfen.

Alles, was der Zukunftssicherung Berlins dient, hat Vorrang. Das ist für mich keine Ressortfrage und schon gar keine Parteienfrage. Das beginnt bei Schule und Bildung, führt über Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur bis hin zu Investitionen und innerer Sicherheit. Vor allem aber müssen wir die Wirtschaftskraft Berlins ausbauen, denn nur dann können wir uns mittelfristig selber helfen.

Diese große Koalition steht vor vielen großen Aufgaben: Den Haushalt Berlins, die Bankgesellschaft in Ordnung bringen, die Interessen Berlins beim Länderfinanzausgleich sichern, die Länderfusion mit Brandenburg erfolgreich betreiben, die Stadt für die Leichtathletikeuropameisterschaften 2005, die Fußballweltmeisterschaft 2006 fit machen. Wir müssen unverändert Leistungsträger, Menschen, die bereit sind, für diese Stadt zu arbeiten, nach Berlin bekommen, damit Berlin die Kraft hat, auch den Schwächeren der Gesellschaft auf Dauer zu helfen.

[Beifall bei der CDU]

Ich werde mich, ich habe das bereits mehrfach gesagt, trotz aller Sparzwänge besonders darum kümmern, dass wir Frauen in der Doppelbelastung von Beruf und Familie das Leben erleichtern und Rahmenbedingungen schaffen, die sie in die Situation einer freien Entscheidung bringen.

[Beifall bei der CDU]

Berlin muss eine Stadt bleiben, in der sich alle Berlinerinnen und Berliner auch in den kommenden Jahren geborgen fühlen können.

Natürlich hat unsere Konsolidierungspolitik einen Dämpfer bekommen. Viele haben sich hingestellt, gejammert und wie immer in der Politik mit den Finger auf andere gezeigt.

[Heiterkeit bei der PDS und den Grünen]

Für mich ist das kein Weg aus der Krise. Ich bin für strikte Haushaltswahrheit und -ehrlichkeit. Die Zeiten sind vorbei, wo wir im November des Folgejahres Vermögensaktivierungen vornehmen und elf Monate zurückbuchen. Jetzt brauchen wir klare Entscheidungen. [Beifall bei der CDU]

Die Berlinerinnen und Berliner erwarten von uns – und zwar von uns beiden, Herr Wowereit –, dass wir den Wahlkampf auf das Jahr 2004 verschieben. So wie es übrigens von Anfang an geplant war. Dass wir bis dahin die Ärmel hochkrempeln, den Sparkurs zügig fortsetzen, die Bank sanieren und das Geld so rasch wie möglich wieder zurückholen. Trauen wir uns das gemeinsam zu. Ich bin mir sicher, wir können das gemeinsam mit den Sozialdemokraten schaffen. Die Berliner können sich gerade in unruhigen Zeiten auf Eberhard Diepgen, diese große Koalition, aber auch die CDU-Fraktion verlassen! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

In der Debatte hat nun für die Fraktion der Grünen Frau Abgeordnete Dr. Klotz das Wort. – Bitte sehr!

[Hoff (PDS): Seien Sie nachsichtig mit dem jungen Mann! – Zimmer (CDU): Wieland darf nicht!]