Dann haben Sie eine zweite Kollegin zitiert, deren Worte Ihnen normalerweise auch nicht so leicht über die Lippen gehen, Frau Fugmann-Heesing. Gut, ich stelle auch die Frage: Warum hat Frau Fugmann-Heesing sich so mit mancher Antwort zufrieden gegeben? – Aber ich stelle gleichzeitig die Frage: Was hat Herr Landowsky denn Frau Fugmann-Heesing in der Bankgesellschaft und über die Situation und über den Wertberichtigungsbedarf erzählt?
Herr Diepgen, um ein weiteres Wort von Ihnen aufzugreifen: Als ich am Montag den „Tagesspiegel“ aufgeschlagen und Ihr Interview gelesen habe, dachte ich, mich tritt ein Pferd.
Da lese ich in dieser Lage, wo der Senat die Netto-Kreditaufnahme auf 9,6 Milliarden DM, vielleicht sogar auf 10 Milliarden DM hochschrauben muss, von Ihnen, Herr Diepgen, folgende Äußerung:
Meine Position war, ist und bleibt: Wir müssen uns auch Dinge leisten können, die wir uns nach traditioneller Form der Haushaltsgestaltung nicht leisten können.
Ich habe gestern den Finanzsenator schon gefragt, ob dieses Zitat auf seine ungeteilte Zustimmung stößt. Ich habe die Antwort noch nicht bekommen.
Ich kann nur sagen, Herr Diepgen: Wer derartige Botschaften aussendet, der hat erstens nicht verstanden, in welcher Lage die Stadt ist, und der disqualifiziert sich auch für die Zukunftsaufgaben, die in dieser Stadt zu bewältigen sind.
In diesem Zitat drückt sich die Mentalität aus, die Berlin in die Überschuldung geführt hat, die dazu geführt hat, dass wir heute nicht 4, sondern bald über 5 Milliarden DM Zinsen jährlich zahlen müssen und die eben nicht mehr für öffentliche Aufgaben zur Verfügung stehen, die nicht mehr für Schulen zur Verfügung stehen, für Lehrer zur Verfügung stehen, die uns nicht mehr für Kindertagesstätten zur Verfügung stehen. Diese Mentalität, Herr Diepgen, die Sie heute noch propagieren, hat Berlin in diese schwierige Haushaltssituation geführt, nicht teilungsbedingte Lasten, sondern konkrete Politik seit 1991, die Sie zu verantworten haben. [Beifall bei der PDS und den Grünen – Widerspruch von der CDU]
Herr Diepgen, ich messe Sie auch an Ihrem selbst gesetzten Anspruch Ihrer ersten Regierungserklärung 1991. Da sprachen Sie vom „Unternehmen Berlin“ und haben formuliert:
Richtig so! Es schreibt nur nicht schwarze Zahlen nach 11 Jahren großer Koalition in dieser Stadt, es steht vor dem finanziellen Ruin! Ich sage nur: Wer ein solches Unternehmen führt und diese Unternehmensbilanz aufzuweisen hat – in der freien Wirtschaft müssten Sie Konkurs anmelden und müssten gehen und würden in Regress genommen. In der Politik ist das noch nicht der Fall. Aber vielleicht kommen wir bald in diese Situation.
Die Mentalität: „Wir müssen uns Dinge leisten, die wir uns nach traditioneller Form der Haushaltsgestaltung nicht leisten können“,
bei der Kreditbewilligung in seiner Bank gepflegt hat. Er hat nämlich auch Kredite bewilligt, die nach traditioneller Form der Kreditgewährung nicht hätten bewilligt werden dürfen. Das Ergebnis können wir heute besichtigen. Herr Diepgen, mit dieser Äußerung, die Sie formuliert haben, und mit dieser Philosophie komme ich zu dem Urteil: Sie führen – wenn Sie denn führen; das kommt ja selten vor – das Land Berlin so, wie Herr Landowsky seine Bank geführt hat: mit dem Vertuschen von Risiken, auf Pump, nicht gedeckten Versprechen. Das führt dazu, dass die entsprechenden Defizite anschließend von den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Stadt zu tragen sind.
Wie oft haben Sie denn mit Herrn Rupf über die Probleme gesprochen, die er bei der Berliner Bankgesellschaft mit der Autonomie der Teilbanken hat, die von Herrn Landowsky heftigst verfochten wurde?
Wie oft haben Sie nicht nur mit Herrn Rupf, sondern auch mit dem Koalitionspartner darüber gesprochen, dass diese Doppelfunktion beendet werden muss, und was haben Sie getan? Haben Sie etwas unternommen, diesen Zustand zu ändern? Sind Sie aktiv geworden? – Nach meiner Kenntnis nicht! Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Herr Diepgen: War Ihnen denn das, was Freitag vor einer Woche im Untersuchungsausschuss von Herrn Sanio gesagt wurde, bis dahin unbekannt? Hatten Sie nicht vorher auch Gespräche mit Herrn Sanio? Wussten Sie denn nicht das, was Herr Sanio im Untersuchungsausschuss über die Rolle von Herrn Landowsky gesagt hat, schon viel früher? Wie haben Sie es denn vor diesem Hintergrund verantworten können, Herrn Landowsky als stellvertretenden Landesvorsitzenden auf dem Landesparteitag noch einmal vorschlagen zu können und feiern zu lassen?
Herr Steffel hat sein Amt neu angetreten, und ich muss sagen: Respekt, Herr Steffel! Als Sie es nach dem Untersuchungsausschuss erfahren haben, sind Sie aktiv geworden und haben Herrn Landowsky aufgefordert, seine sonstigen parlamentarischen Ämter niederzulegen. Das ist beispielhaft, sage ich. Aber Herr Diepgen ist das Gegenteil davon. Nicht handeln, aussitzen, keine Verantwortung übernehmen – das ist die Mentalität, die hier regiert. Herr Diepgen, deshalb tragen Sie die Verantwortung dafür, dass in der Bankgesellschaft die notwendigen Kontrollmechanismen nicht eingeführt wurden, die Verantwortung dafür, dass Herr Landowsky dort die Rolle weiterspielen konnte, die er gespielt hat, trotz zahlreicher Warnungen, die es gegeben hat. Das ist Fakt, und dafür müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Das ist die Frage, die – glaube ich – Ihnen auch der Koalitionspartner stellen muss.
Ich sage noch nebenbei: So, wie Sie in der Vergangenheit nicht in der Lage waren, in der Frage Landowsky Handlungsfähigkeit und Initiative zu zeigen, glaube ich nicht, dass es angemessen ist im Interesse der Berliner Justiz, dass Sie das Justizressort weiter ausüben in einer Situation, wo wir beide wissen, was Herr Sanio über die Rolle von Herrn Landowsky gesagt hat und dass weitere Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft noch nicht vom Tisch sind. Um den bösen Schein zu vermeiden,
wäre es angemessen, dass Sie das Justizressort zumindest ruhen lassen, damit jeder Anschein von der Staatsanwaltschaft weggenommen wird, dass sie nicht die Möglichkeit hat, in voller Unabhängigkeit zu ermitteln.
[Beifall bei der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Verleumder! – Das darf doch nicht wahr sein! – Goetze (CDU): Das war in der DDR so! – Weitere Zurufe von der CDU – Czaja (CDU): Die SPD wollte das so, dass wir das Ressort nehmen!]
Nicht alles, was die SPD will, finde ich gut, und ich lasse mich nicht für die SPD in Haftung nehmen. Sie sind mit der SPD in einer Koalition, und Sie müssen deshalb verantworten, was Sie mit der SPD vereinbart haben, nicht wir!
Herr Diepgen, Sie haben heute viel davon gesprochen, dass man sich nicht aus der Verantwortung stehlen soll. Ich finde, Sie hatten lange genug Zeit, Verantwortung zu tragen und Verantwortung zu übernehmen.
Was geherrscht hat, war bei der Bankgesellschaft und bei der Kontrolle der Bankgesellschaft organisierte Verantwortungslosigkeit. Deshalb sage ich: Es ist Zeit, dass Sie diese Verantwortung abgeben, weil Sie sie nicht wahrnehmen und weil Sie sie vor allen Dingen nicht verantwortlich wahrnehmen.
Sie haben eben in Ihrer Rede Krokodilstränen darüber vergossen, wie Sie denn jetzt den Berlinerinnen und Berlinern gegenübertreten sollen. Das sehe ich auch so!
Denn Sie müssen jetzt erklären, wie diese Koalition, die von Ihnen in personeller Kontinuität seit 11 Jahren geführt wird,
Alles ist einmal zu Ende, Herr Niedergesäß! – seit 1996 versucht hat, die Netto-Kreditaufnahme in jährlichen Schritten von 650 Millionen DM abzusenken.