Das Zweite, was ich nachsetzen möchte, ist die Nachfrage, was Sie dafür tun, dass Bombardier/ADtranz seine Schwerpunkte auf Berlin und Hennigsdorf legt und nicht weiterhin versucht, zum Beispiel nach Tschechien und anderweitig nach Osteuropa auszuweichen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ollech! Der zweite Teil der Frage ist nicht mit Ja zu beantworten. Wir können Bombardier/ADtranz nicht vorschreiben, keine Entscheidung zu Gunsten anderer Standorte außerhalb der Region zu treffen. Wenn Sie sich das Bild der ADtranz- und das Bild der Bombardier-Produktionswerke vor Augen halten, so ist das Bild von ADtranz ziemlich strukturiert. ADtranz hat unter der Leitung von Rolf Eckrodt eine zweijährige, knapp dreijährige, harte Sanierungsphase hinter sich. Viele Fachleute sagen, das Unternehmen sei in seinen Teilen gut aufgestellt; manch einer sagt, da muss noch ein bisschen zusätzlich gemacht werden. Sehen Sie sich Bombardier an, die damals DWA gekauft haben, dann sieht das Bild schon anders aus. DWA hat mehr Standorte, ist weniger strukturiert als ADtranz bisher, und es wird zwangsläufig dazu kommen, wenn Sie einen weniger und einen stärker strukturierten Bereich zusammenlegen, dass es Auswirkungen auf Standorte haben wird. Uns ist, wenn ich so sagen darf, das Hemd etwas näher als die Jacke, und es kommt uns darauf an, die Kompetenz sowohl in den Produktionsanlagen und vor allem die personelle Kompetenz – Menschen sind dort der wesentliche Faktor, die die Produkte zusammenbringen und die Lösungen erarbeiten – auf Berlin zu beziehen. Dafür stellen wir unser finanzpolitisches, aber auch das kooperationspolitische Instrumentarium zur Verfügung, wir in Berlin genauso wie der Kollege Fürniß in Brandenburg. Wir haben auch gemeinsame Projekte – ich nenne dies zuletzt –, das Bahnerprobungszentrum in Hennigsdorf, wo wir gesagt haben, Brandenburg würde aus den dortigen Mitteln für die Infrastruktur die Zuschüsse liefern, und wir würden unsere Grundstücke mit einbringen und hätten damit eine interessante Teststrecke, die zugleich als Infrastrukturangebot für diesen neuen, großen global player, den weltweit größten Bahntechnikhersteller, genutzt werden könnte.
Meine zweite Frage hat der Senator schon vorweggenommen: begleitende Maßnahmen durch das Land, auch mit Infrastruktur.
Herr Senator! Es sind in der Vergangenheit schon mehrere Versuche gemacht worden, die Arbeitsplätze am Standort in Pankow zu halten. Unter anderem ist ein Vertrag über die Beschaffung von U-Bahnwagen in Höhe von 300 Millionen DM abgeschlossen worden. Zum ersten: Hat dieser Vertrag nach dem Wechsel weiter Bestand? Und zum zweiten: Haben Sie inzwischen eine Sicherung dieser Finanzierung gefunden, die nicht zu Lasten der BVG geht? Im vergangenen Jahr konnte diese Finanzierung nur durch einen Sonderzuschuss der Bundesregierung gesichert werden.
Zunächst hat dieser Vertrag, den die BVG mit ADtranz vor acht oder zehn Jahren geschlossen hat, nichts mit dem Verkauf von ADtranz zu tun. Wie Sie wissen, bricht Kauf weder Miet- noch andere Verträge. Sie bestehen. Die BVG hat mit ADtranz darüber verhandelt, wie sowohl dieser Vertrag erfüllt werden kann als auch wie bestehende Mängel, die es nach wie vor gibt, beseitigt werden können. Es gibt ausgelieferte Züge, die leider nicht den technischen Stand haben, wie wir uns das vorstellen. Dort arbeitet ADtranz zur Zeit nach. Die Finanzierung im vergangenen Jahr hat in drei Teilen stattgefunden: Der Senat übernimmt die finanziellen Lasten für die Laufzeit des Unternehmensvertrages aus Finanzierungskosten, die die BVG aufzuwenden hat; ein Großteil der Mittel ist allerdings unmittelbar von der BVG auf Grund von eingesparter Instandsetzung für alte Züge aufgebracht worden, die die BVG nicht mehr herrichtet, weil sie die neuen bekommt; drittens sind zu nennen Gemeindeverkehrsmittel, sogenannte Restmittel, die aus anderen Bundesländern zurückgegeben wurden, wo die Bundesregierung auf Vermittlung von BVG und ein, zwei Personen aus dem Aufsichtsrat, die in diesem Bereich Beratungsfunktionen haben, eine gute Summe zur Verfügung stellt. Es gibt die Zusage, dass dieses unter Umständen auch in diesem Jahr stattfinden kann, wenn und insoweit Restmittel vorhanden sind. Das beobachten wir. Insofern kann ich sagen: Die Finanzierung wird sichergestellt. Aus welchen Bestandteilen sie sichergestellt wird, kann ich zum gegenwärtigen, noch relativ frühen Verlauf des Wirtschaftsjahrs 2001 nicht sagen.
Vielen Dank! – Herr Senator! Es ist ja ganz schön, wie Sie die Unternehmenspolitik von Bombardier dargelegt haben; es ist sicherlich auch ganz richtig. Aber auch meine Frage bezieht sich auf die Förderung, die ADtranz genossen hat. Unabhängig von dem schon angesprochenen Vertrag ist zur Sicherung des Standortes in Pankow auch Förderung finanzieller Art erfolgt. Wie ist gesichert, dass diese Förderung bei eventuellen Standortentscheidungen nicht verloren geht, die zu Ungunsten des Pankower Standortes ausgehen könnten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Ich will nicht noch einmal daran erinnern, was damals gewesen ist. Das eine hat mit dem anderen wirklich nichts zu tun. Der Verbleib der – ich will die Summe jetzt nicht nennen – unter 10 Millionen DM in dem Werk in Pankow ist zur Verfügung gestellt, so dass das Werk durch Stadler weitergeführt werden kann. Das Werk Stadler Pankow hat mit ADtranz relativ wenig zu tun – außer dass es
ein Joint Venture war, in dem ADtranz – wenn ich mich recht erinnere – ein Viertel Anteil hat und Stadler drei Viertel. Mit der Entscheidung der EU-Behörde musste sich ADtranz von Stadler auch um diese 25 % trennen – insofern ist das ein doppelter Erfolg. Also neben der Europazentrale – statt Brüssel Berlin – ist das Werk Stadler, ehemals ADtranz, in Pankow gestärkt, weil eine bestimmter Bestandteil der Produktfamilie von ADtranz und Bombardier an Stadler gegeben werden musste. Man hat quasi auf Grund des Sich-Trennens um die 25 % Produkte und damit Marktanteile zugesprochen bekommen. Das ist sensationell. Käme heute ein Unternehmer zu Ihnen und sagte: „Dafür möchte ich gern finanzielle Unterstützung haben!“ – würden Sie – unter uns – mit Sicherheit ungleich mehr bezahlen als das, was der Verzicht der unter 10 Millionen DM an Rückzahlung gewesen ist.
Ich erinnere noch einmal daran: Den Vorgang Rückzahlung GA-Qualifizierung haben wir vor eineinhalb Jahren im Abgeordnetenhaus und im Senat damit abgeschlossen, dass Stadler die Produktion, das Werk übernommen hat. Jetzt geht es darum, die Produktionskapazitäten am Standort Berlin-Brandenburg – ich denke das einmal für die Region – ohne Vorbelastung aus alten Verträgen zu halten, damit Aufträge zu generieren und zugleich in bestimmten technischen Segmenten auch die Kooperation, beispielsweise mit der Technischen Universität, die sich da immer vorbildlich einbringt, aufrechtzuerhalten und – wenn es möglich ist – sogar auszuweiten. Die neuen Chefs von Bombardier, die Vorstandsvorsitzenden und Vorstände, setzen sich zur Zeit sehr dezidiert mit unserem Forschungs- und Entwicklungsangebot in der Region auseinander. Das ist etwas, was ebenfalls parallel zu der drei Monate währenden Diskussion innerhalb des Unternehmens der Vergleiche der Struktur- und Standortentscheidungen passiert: dass sie – gewissermaßen virtuell – fragen: „Wo bekommen wir auch für uns einen höheren Anteil an Forschung und Entwicklung?“ – und dann an einem solchen Standort verbleiben.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Fragestunde. Alle Mündlichen Anfragen, die heute nicht beantwortet werden konnten, werden gemäß § 51 Abs. 5 GO Abghs wieder schriftlich beantwortet.
Große Anfrage der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS und der Fraktion der Grünen über zwei Jahre Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) – Was hat es für die Gleichstellung der Menschen mit Behinderung gebracht?
Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüße ich sehr herzlich die Vertreter und Vertreterinnen der Behindertenverbände und der Behindertenorganisationen sowie die interessierten Bürger und Bürgerinnen auf der Tribüne, aber auch hier im Plenarsaal.
Besonders begrüße ich auch den Landesbeauftragten für Behinderte von Berlin, Herrn Martin Marquard. Seien Sie herzlich willkommen! [Beifall]
Wenn ich den Dank des Hauses für Ihre Arbeit schon vorab zusammenfasse, tue ich nichts Unrechtes. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Arbeit!
Des Weiteren mache ich Sie darauf aufmerksam, dass heute auch diese Sitzung begleitet wird durch Gebärdendolmetscher auf der Tribüne. Für Ihre Arbeit herzlichen Dank! So einfach ist das nicht. [Beifall]
Auf eine Begründung der Großen Anfrage wird verzichtet, darauf haben wir uns verständigt. So kann Frau Senatorin Schöttler mit der Beantwortung beginnen. – Bitte sehr! Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Marquard! Ich bin froh, heute die Gelegenheit zu haben, die Große Anfrage aller Fraktionen über die Auswirkung des Landesgleichberechtigungsgesetzes zu beantworten. Uns allen ist es ein besonderes Anliegen, dazu beizutragen, dass die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erreicht wird.
Gerade in Berlin wurden besonders erfolgreiche Schritte in der Behindertenpolitik gegangen. Diese Entwicklung begann bereits in den 80er Jahren, als der Senat am 15. September 1992 die Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt gefordert hat. Sie mündete konsequent in ein Landesgleichberechtigungsgesetz, das am 29. Mai 1999 in Kraft trat. Das Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz ist bis heute das einzige Landesgleichberechtigungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland geblieben, was die Vorreiterstellung Berlins unterschreibt.
Aber wer neue und einzigartige Wege beschreitet, der muss sich auch besonders hohen Herausforderungen stellen und Wege ebnen. Bereits die Umsetzung der Leitlinien wurde zügig und konsequent betrieben. Die großen Fortschritte, die bei der behindertengerechten Gestaltung Berlins erzielt wurden, haben sich jedoch leider gerade in den Bereichen, die von den öffentlichen Haushalten bestimmt werden, verlangsamt. Wir stoßen in Berlin in der Behindertenpolitik vor allem an finanzielle und zugleich an bundesrechtliche Grenzen. Sparzwänge betreffen automatisch auch Entwicklungen im Bereich der Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen. Wir bewegen uns auf einem steinigen Weg und müssen damit rechnen, dass die Entwicklungen langsamer voranschreiten, so sehr wir dies auch alle bedauern.
Ich persönlich – und dabei hoffe ich auf Ihre Unterstützung – werde allerdings nicht müde werden, für eine gerechte Mittelverteilung zu kämpfen.
Es müssen in absehbarer Zeit mit den geplanten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetzen auch Bundesgesetze erlassen werden, die die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen sicherstellen; denn unser Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz zeigt mir, dass wir erfolgreich sind.
Dies wird auch im Bericht des Senats zu der Lage der Behinderten und der Entwicklung der Rehabilitation in Berlin deutlich. Der Senat hat den Bericht am 8. Mai 2001 beschlossen und dem Parlament umgehend zugeleitet. Der Bericht informiert über die Entwicklung der Angebote und Maßnahmen im Bereich der Rehabilitation seit 1989 und stellt die aktuelle Lage von Menschen mit Behinderungen ausführlich dar. Er betrifft die Situation von ca. 500 000 Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt.
Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass die vergangenen zehn Jahre in der Behindertenhilfe Berlins eine Zeit des Umbruchs und des Auf- bzw. Ausbaus von Abgebotsstrukturen war. So wurde im Ostteil der Stadt ein ganz neues System eingeführt. Zugleich konnten die wesentlichen Voraussetzungen für eine bedarfdeckende soziale und berufliche Integration der Menschen mit Behinderungen geschaffen werden. Gleichzeitig wird offensichtlich, dass ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik stattgefunden hat, der den behinderten Menschen vom Objekt zum Subjekt der Rehabilitation werden ließ. Die Bedeutung des Landesgleichberechtigungsgesetzes für die Umsetzung der Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt liegt zunächst vor allem darin, dass ein wichtiger Teil der Leitlinien Gesetzeskraft erlangt hat und damit Vollzugsdefizite bei der Umsetzung der Leitlinien abgebaut wurden und werden.
Mit der Schaffung des außerordentlichen Klagerechts wurden zugleich die für die Behindertengerechtigkeit wichtigsten Vorschriften der Bauordnung, der Gaststättenverordnung, des Sportfördergesetzes und des Berliner Straßengesetzes quasi unter die Kontrolle der betroffenen Verbände und Vereine gestellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies die Sensibilität für die Belange behinderter Menschen weiter erhöht hat. Uns liegen bislang keine praktischen Erfahrungen vor, da von dem außerordentlichen Klagerecht noch kein Gebrauch gemacht wurde. Ebenso fehlen Erfahrungen mit der nun im Landesgleichberechtigungsgesetz geregelten Beweislastumkehr. Auch konnten keine grundsätzlichen Wirkungen der Änderung der Berliner Bauordnung und des Berliner Straßengesetzes durch das Landesgleichberechtigungsgesetz festgestellt werden, da die Behindertenbelange in diesen Politikbereichen überwiegend bereits berücksichtigt wurden.
Ich möchte aber betonen, dass es ein großer Erfolg ist, dass ein Teil der politischen Leitlinien Gesetzeskraft erlangt hat. Entsprechendes gilt für das Sportförderungsgesetz. So wurde bereits vor Inkrafttreten des Landesgleichberechtigungsgesetzes bei Neu- oder Umbaumaßnahmen weitestgehend auf die strenge Einhaltung der Belange von Behinderten geachtet, sofern dieses möglich war – dies muss ich einschränken.
Die Änderung der Gaststätten-Verordnung bereitete den Weg, um Menschen mit Behinderungen auch im Gastronomiebereich die uneingeschränkte Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Bei Wechsel des Betreibers wird verlangt, dass die Gaststätte für mobilitätseingeschränkte Gäste zugänglich gemacht wird und dass mindestens eine der bestehenden Toilettenanlagen entsprechend umgestaltet wird. Beim Neubau von Beherbergungsbetrieben müssen mindestens 10 % der Zimmer barrierefrei zugänglich sein.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die Initiativen im Bereich der Mobilität eingehen. Mit den Leitlinien wurden erstmalig systematisch aufbereitete und detaillierte Lösungen für die Mobilitätsprobleme von Menschen mit Behinderungen in fast allen Lebensbereichen benannt. Sie kamen zudem alten Menschen, Kindern, Eltern mit Kinderwagen und vorübergehend in ihrer Mobilität beeinträchtigen Menschen zugute. Insbesondere wurde durch die Entwicklung von behindertengerechten Fahrzeugen die Voraussetzung für dauerhafte Lösungen geschaffen, die allesamt zur kundenfreundlicheren Gestaltung des ÖPNV beigetragen haben. An dieser Stelle möchte ich die gute Zusammenarbeit mit der BVG und dem gesamten Senat erwähnen, ohne die der Ausbau des ÖPNV so nicht möglich gewesen wäre.
Hierzu zählt insbesondere der behindertengerechte Ausbau zahlreicher S-, U-, Regional- und Fernbahnhöfe. Von 170 U-Bahnhöfen sind ca. 29 % behindertengerecht erschlossen.
Für Sehbehinderte, Hörbehinderte, Blinde und Gehörlose wurde ein Informationsleit- und Orientierungssystem aufgebaut, das ständig erweitert wird. Die neuen U-Bahnfahrzeuge ermöglichen Rollstuhlbenutzern, sich ungehindert in den Fahrzeugen zu bewegen. Durch die durchgehenden Haltestangen wird es Blinden und Sehbehinderten ermöglicht, sich im Zug zu orientieren. Von 130 S-Bahnhöfen sind 65 Bahnhöfe mit behindertengerechten Aufzügen sowie 18 Bahnhöfe mit Rampen oder ebenerdigem Zugang ausgestattet. Dies bedeutet einen Ausstattungsgrad von knapp 64 %.
Herr Cramer, Sie haben Recht, wir haben Nachholbedarf. – Bei Neubauten und Grundinstandsetzungen von Regional- und Fernbahnhöfen werden diese grundsätzlich behindertengerecht ausgestattet. Bei der Straßenbahn wurden bisher 120 behindertengerechte Fahrzeuge beschafft. Ende des Jahres werden voraussichtlich weitere 30 Straßenbahnen an die BVG ausgeliefert, wodurch ein Anteil von ca. 25 % behindertengerechter Fahrzeuge am Gesamtbestand erreicht wird. Rund 90 % der in